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Abhandlungen
der
Königlichen
Akademie der Wissenschaften
zu Berlin.
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Abbandlungen
der
Königlichen
Akademie der Wissenschaften
/
v'
zu Berlin.
Aus dem Jahre
1833.
Nebst der Geschichte der Akademie in diesem Zeitraum.
Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie
der Wissenschaften.
Berlin.
terei der
Vissensch
1835.
Id Coiamlssion bei F. Dümmler.
Inhalt
Historische Einleitung Seite I
Verzeichnis der Mitglieder und Correspondenten der Akademie - vu
Abhandlungen.
Physikalische Klasse.
Karsten über die chemische Verbindung der Körper (dritte Abhandlung) Seite 1
* v v. Bucn über Terebrateln - 21
^ s EHRENBERG: Dritter Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation in der Bichtung
des kleinsten Raumes - 145
Derselbe über den Cynocephalus der Ag\ ptier nebst einigen Betrachtungen über
die ägyptische Mythe des Thot und Sphinx vom naturhistorischen
Standpunkte - 337
• E. d'Alton über die von dem verstorbenen Herrn Sellow aus der Banda oriental
mitgebrachten fossilen Panzerfragmente und die dazu gehörigen
Knochen - Überreste - 369
Mitscherlich über das Verhältnifs des speeifischen Gewichts der Gasarten zu
den chemischen Proportionen - 425
•Link über den innern Bau und die Früchte der Tangarten (Fucoideae) - 457
• H. Bose über die Verbindungen des Chroms mit dem Fluor und Chlor - 469
Derselbe über eine Verbindung des Phosphors mit dem Stickstoff - 479
MlTSCHERLICH über das Benzin und die Verbindungen desselben - 497
Erman über die automatische Undulation der Nebenkiemen einiger Bivalven - 527
Mathematische Klasse.
Crelle: Einige Bemerkungen über die Principien der Variations-Bechnung Seite 1
Bessel: Beobachtungen der gegenseitigen Stellungen von 38 Doppclsternen - 41
Poselger: Ortsentfernung auf der Oberfläche des Erdsphäroids - 59
Encke über den Cometen von Pons (Dritte Abhandlung) Seite 77
Lkjeune-Diriciilet: Untersuchungen über die Theorie der quadratischen Formen - 101
Dirksen über die Anwendung der Analysis auf die Rectification der Curven, die
Quadratur der Flächen und die Cubatur der Körper - 123
Philosophische Klasse.
H. Ritter über das Verhältnifs der Philosophie zum wissenschaftlichen Leben über-
haupt Seite 1
Historisch-philologische Klasse.
' V. Savigny von dem Schutz der Minderjährigen im Römischen Recht, und insbe-
sondere von der Lex Plactoria Seite 1
C.Ritter über das historische Element in der geographischen Wissenschaft - 41
v. Savigny über das altrömische Schuldrecht - 69
Lachmann über Singen und Sagen - 105
Derselbe über das Hildebrandslied - 123
Bopp über die Zahlwörter im Sanskrit, Griechischen, Lateinischen, Litthauischen,
Gothischen und Altslawischen - 163
Derselbe über die Zahlwörter der Zendsprache - 171
Levezow über mehrere im Grofsherzoglhum Posen in der Nähe der Netze ge-
fundene uraltgriechische Münzen - 181
Derselbe über archäologische Kritik und Hermeneutik - 225
Brandis über die Reihenfolge der Bücher des Aristotelischen Organons und ihre
Griechischen Ausleger, nebst Beiträgen zur Geschichte des Tex-
tes jener Bücher des Aristoteles und ihrer Ausgaben - 249
4
J a h r 1833.
Di
ie öffentliche Sitzung der Königl. Akademie der Wissenschaften
am 2*1 . Januar zur Feier des Jahrestages Friedrichs des Zweiten
wurde durch die Anwesenheit Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen
verherrlicht. Herr Schleiermacher eröffnete dieselbe als Vorsitzen-
der Sekretär und gab zugleich Nachricht von den bei der Akademie
in dem letzten Jahre vorgekommenen Veränderungen. Hierauf las
Herr C. Ritter über das historische Element in den geographischen
Wissenschaften, und Herr Ehrenberg über den Cynocephalus der
Ägypter, nebst Betrachtungen über die ägyptische Mythe vom Thoth
und der Sphinx, vom naturhistorischen Standpunkte aus.
Die öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wissen-
schaften am 4. Julius zum Andenken ihres Stifters Leibnitz eröff-
nete der erste Sekretär der physikalisch-mathematischen Klasse, Herr
Erman, mit einer Gedächtnifs-Rede auf das verstorbene Mitglied,
Herrn Seebeck. Die physikalisch- mathematische Klasse hatte im
Jahre 1831 für das Jahr 1833 die Preisfrage gestellt:
„Welches sind die eigentlichen Unterschiede der verschie-
denen Cohäsions- Z uslände, und welches die wesentlichen
dem einen oder dem andern derselben zuhommenden Ei-
genschaften?"
Eine Beantwortung mit dem Wahlspruch: errare humanum est,
genügte nicht, da sie weder neue Thatsachen bringend, noch neue
II
Ansichten eröffnend, den fraglichen Gegenstand in ein fast noch
unbefriedigenderes Schweben zwischen Empirie und Spekulation
versetzt, als er es bisher gewesen ist. Eine zweite Schrift mit dem
Motto: nee omiltalur totum si totum ßeri non potest, konnte den
Statuten gemäfs nicht coneurriren, weil sie nach Ablauf des streng
einzuhaltenden Termins eingelaufen war. Als eine klare und ziem-
lich vollständige Zusammenstellung alles über diesen Gegenstand
bereits Bekannten, hätte sie Anerkennung verdient, doch würde
der Mangel an eigenthümlichen empirischen Forschungen nicht un-
bemerkt haben bleiben können. Zu dem durch das Ellert'sche
Legat gestifteten Preise für Ökonomie und Agronomie war als Ge-
genstand gewählt: Darstellung der Veränderungen, welche
die Pflanzen beim Übergänge in Torf erleiden. Eingegan-
gen ist eine Schrift mit dem Wahlspruch: non verbis, sed J'actis.
Sie lost die Frage nicht in ihrem ganzen Umfange, so dafs für den
Prozefs der Torfbildung aus Pflanzen eine ganz allgemeine Norm
des Chemismus dieser Metamorphose festgesetzt wäre: doch giebt
der Verfasser eine schätzbare Approximation hierzu, indem er ein-
zelne Pflanzen vor und nach der Torfbildung analysirt, woran sich
vorbereitende Schlüsse anknüpfen lassen. Einiges liefse sich aller-
dings gegen das Detail dieser an sich guten Analysen einwenden,
so wie gegen einige Hülfshypothesen des Verfassers, namentlich ge-
gen die postulirte Mitwirkung des Gefrierens durch Zersetzung der
Humussäure, da eines Theils diese Zersetzung nicht erwiesen ist,
andern Theils Torfbildung statt findet in Ländern, wo der Boden
nie gefriert. Da jedoch diese Arbeit viele mit Umsicht und Sach-
kenntnifs durchgeführte Untersuchungen enthält, namentlich eine
künstliche Bereitung von Torf, und da der Erblasser bei seiner
Stiftung die Absicht hatte, nicht sowohl eine streng Wissenschaft-
III
liehe Losung einzelner Probleme zu veranlassen, als im Allgemeinen
die auf Agronomie gerichtete acht wissenschaftliche Forschung zu
beleben, so glaubt die Akademie in diesen Sinn einzugehen, wenn
sie dem Verfasser den Preis ertheilt, als Anerkennung seiner reellen
Verdienste um die Sache, als gebührende Entschädigung für nicht
geringe und nicht erfolglose Arbeiten und in der Hoffnung, dafs
diese Abhandlung, dem Publikum vorgelegt, auch ohne das Prä-
dikat einer ganz unbedingt gekrönten Preisschrift, belehrend und
anregend wirken werde. Der eröffnete Zettel enthielt den Namen
des Herrn Dr. A. F. Wiegmann, Professor in Braunschweig. —
Die philosophisch -historische Klasse stellt für das Jahr 1835 die
Preisfrage auf:
,,Aus den über das Alexandrinische Museum vorhande-
nen, sehr fragmentarischen Nachrichten mit Hülfe einer
kritischen Combination ein Ganzes zusammenzustellen ,
das eine anschauliehe Idee von dem Zweck, der Orga-
nisation, den Leistungen und den Schicksalen dieser be-
rühmten Anstalt gewähre.''
Die Abhandlungrn müssen namenlos eingesendet werden, aber mit
einem Motto überschrieben sein, welches auch ein versiegelter Zet-
tel führt, der den Namen des Verfassers enthalt. Der spateste und
ausschliefsende Einsendungstag ist der 31. März 1835 und der Preis
von 50 Dukaten wird in demselben Jahr an dem Tage der Leibnitz-
Feier ertheilt. — Hierauf las Herr H. Piitter eine Abhandlung über
das \erhältnifs der Philosophie zum wissenschaftlichen Leben.
Die öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wis-
senschaften am S. August zur Geburtsfeier Sr. Majestät des Königs
erhielt dadurch eine erhöhte Feierlichkeit, dafs an diesem Tage der
\ ersanimlungssaal der Akademie zum ersten Male mit dem von
IV
Herrn Simoni in Marmor trefflich gearbeiteten Brustbilde Sr. Ma-
jestät des Königs geschmückt erschien, nachdem durch die Huld
ihres erhabenen Beschützers die Akademie mit dem Geschenk die-
ses schönen Denkmals in den letzten Tagen beglückt worden war.
Die Sitzung wurde von dem Sekretär der physikalisch- mathema-
tischen Klasse, Herrn Er man, statt des Sekretars der philosophisch-
historischen Klasse, Herrn Wilken, welcher durch Unpäfslichkeit
verhindert wurde, den Vorsitz zu fuhren, mit einer Anrede eröff-
net, in welcher die Dankbarkeit der Akademie für den erwähnten
höchst erfreulichen Beweis der Allerhöchsten Königlichen Gnade
ausgesprochen wurde. Hierauf hielt Herr Encke eine Vorlesung
über die letzte Wiederkehr des Cometen von Pons, und Herr
Ranke las den ersten Abschnitt einer Abhandlung zur Geschichte
der italienischen Poesie, zunächst über eine noch unbekannte Fort-
setzung der Iieali di Francia.
In diesem Jahre wurde dem Herrn Geh. Ober-Baurath Crelle
zur Berechnung der Primzahlen von der 4 tcn Million an eine Un-
terstützung von 300 Rthlr. bewilligt.
Herr Professor Brandis in Bonn erhielt für die Bearbeitung der
Commentatoren des Aristoteles eine Remuneration von 300 Rthlr.
Herrn Dr. G loger in Breslau wurde zur Herausgabe seines
Werkes über die Vögelarten nach dem Clima eine Unterstützung
von 100 Rthlrn. ertheilt.
Herrn Prof. Kämtz in Halle wurden zu einer nach der
Schweiz in meteorologischer Hinsicht zu unternehmenden Reise
300 Rthlr. bewilligt.
Herrn Perthes in Hamburg wurden für Collationen zum
Corpus hisior. ByzanU / 5 Rthlr. gezahlt.
Herr Geh. Reg. Rath Rö'ckh erhielt für die fernere Redaction
des Corpus Inscriptionuni graecarum eine Remuneration von
400 Rthlrn.
Herrn Cor da in Prag wurde zu einer Reise nach Berlin und
zur Fortsetzung seiner phy totomischen Arbeiten eine Unterstützung
von 400 Rthlrn. bewilligt.
Es wurde beschlossen, einen Theil der Kosten zu überneh-
men, welche die Hieherberufung des Herrn Geh. Reg. Raths Bes-
sel aus Königsberg, um die Lange des einfachen Sekundenpendels
für Berlin zum Behuf der Regulirung der Preufs. Maafse und Ge-
wichte, zu bestimmen, verursachen wird.
b2
VI
Zum ordentlichen Mitgliede der philosophisch-historischen
Klasse wurde ernannt:
Herr Reg. Rath und Prof. Graff.
Zu Correspondenten der physikalisch-mathematischen Klasse:
Herr Liebig in Giefsen,
Faraday in London,
Neumann in Königsberg,
77 ö/der in Cassel.
Zum Correspondenten der philosophisch -historischen Klasse:
Herr Marquis de Cbambraj in Pougues im Depart.
de la Nie vre.
Herr Heinrich Ritter, bisheriges ordentliches Mitglied der
philosophisch -historischen Klasse, folgte einem Rufe nach Kiel und
wurde demzufolge zum auswärtigen Mitgliede derselben Klasse er-
nannt.
Durch den Tod hat die Akademie verloren:
Herrn Hermbslädt, ordentliches Mitglied der physik.-math. Klasse.
Ollmanns , desgl.
Desfontaines in Paris, Corresp. der physik.-math. Klasse.
Latreille in Paris, desgl.
Legendre in Paris, desgl.
Curt Sprengel in Halle, desgl.
Verzeichnifs
der Mitglieder und Correspondenten der Akademie.
December 1833.
I. Ordentliche Mitglieder.
Physikalisch- mathematische Klasse.
Herr Griison. Herr EncJie, SAttu
- Hufeland. - Dirksen.
- Alexander v. Humboldt. - Poselgcr.
- Ejtelwein. - Ehrenberg.
- v. Buch. - Crelle.
Erinan, Seiretar. - Horkel.
- Lichtem tein. - Klug-
- TT eifs. - Kunth.
- Link. - Dirichlet.
- MiUcherlich. - H. Liose.
- Karsten.
Philosophisch- historische Klasse.
Herr Hirt. Herr C. Ritter.
- Ancillon. - Bopp.
- Wilhelm v. Humboldt. - v. Raumer.
- Uhden. - Meinehe.
- Schleiermacher, Sekretär. - Lachmann.
- Ideler. - Hof mann.
- v . Savigny . ~ Ranke.
- Boeckh. - Levezow.
- Bckker. - Eichhorn.
- TVilken, Seirem. - Graff.
VIII
II. Auswärtige Mi tglieder.
Physikalisch -mathematische Klasse.
Herr Jussieu in Paris.
- Berzelius in Stockholm. - van Marum in Haarlem.
- Besscl in Königsberg. - Olbers in Bremen.
- Blumenbach in Göttingen. - Poisson in Paris.
- Gaujs in Göttingen.
Herr Arago in Paris.
Philosophisch-historische Klasse.
Herr Cousin in Paris.
- Jacob Grimm in Göttingen.
- Heeren in Göllingen.
- Gottfried Hermann in Leipzig.
Jacobs in Gotha.
Letronne in Paris.
Herr Lobeck in Königsberg.
- H. Bitter in Kiel.
- Silvestre de Sacj in Paris.
- v. Schellin g in München.
- A. TV. v. Schlegel in Bonn.
III.
E h r e n - M i t g 1 i e d e r.
Herr C. F. «S\ Freih. Stein vom Altenstein Herr Colonel Lcake in London.
in Berlin.
Imbert Delonnes in Paris.
Ferguson in Etlinburg.
William Gell in London.
William Hamilton in Neapel.
i>. Hisinger auf Skinskatteberg bei
Köping in Schweden.
Graf a>. Iloßmansegg in Dresden.
/. jF. Freih. v. Jacquin in Wien.
Lhuilier in Genf.
-v. Lindenau in Dresden.
Gen. Lieut. Freih. v. Minutoli in
Berlin.
Gen. Lieut. Freih. i>. Müffling in
Münster.
Prevost in Genf.
C Graf . Beniner in Paris.
- v. Autenrieth in Tübingen. - Zfrbt in Paris.
IX
Herr Brera in Paclua.
- Brewster in Edinburg.
- Brongniait In Paris.
- Bob. Brown in London.
- Bürg in Wien.
Caldani in Pavia.
- de Candolle in Genf.
Carlini in Mailand.
Carus in Dresden.
- Configliacchi in Pavia.
- Dalton in Manchester.
- Dulong in Paris.
- Faraday in London.
- F. 2s. Z. Fischer in St. Petersburg.
- Gotthclf Fischer in Moskau.
- Flaut i in Neapel.
- Florman in Lund.
- Freiesleben in Freiberg.
- Gay-Lussac in Paris.
Gergonne in Montpellier.
Z. Gmelin in Heidelberg.
- Hansen in Seeberg bei Gotha.
- Hansiecn in Christiania.
- Hausmann in Göttingen.
- Herschel in Slough bei Windsor.
- C G. 7. Jacobi in Königsberg.
- Jameson in Edinburg.
- Ivory in London.
- Kielmeyer in Sluttgard.
- i». Krusenstcrn in St. Petersburg.
- Larrey in Faris.
- -v. Ledebour in Dorpat.
Liebig in Giefscn.
- Graf Z;'£n in Paris.
- -ü. Mariius in München.
Herr Möbius in Leipzig.
- Mohs in Wien.
- von Moll in Dachau bei München.
- awi Mons in Brüssel.
.F. i?. Neumann in Königsberg.
- Nitzsch in Halle.
Oersted in Kopenhagen.
- i>o« Olfers in Bern.
0//o in Breslau.
- /y;# in Kiel.
Plana in Turin.
- Po/J in Wien.
- Poncclet in Metz.
- Je Pontecoulant in Paris.
- <7e Prony in Paris.
Purkinje in Breslau.
- Quetelet in Brüssel.
- 7. G. Savigny in Paris.
- Schrader in Göltingen.
Scliumacher in Allona.
- Marcel de Serres in Montpellier,
i'. Stephan in St. Petersburg.
Struve in Dorpat.
Tenore in Neapel.
Thenard in Paris.
Tiedcmann in Heidelberg.
Tilesius in Mühlhausen.
- G. /?. Trcviranus in Bremen.
Trommsdorff in Erfurt.
JVahlenberg in Upsala.
TVallich in Calcutta.
- 2?. 72. // eZ»e/' in Leipzig.
JVie.demann in Kiel.
TJ'öhler in Cassel.
TJ'oltmann in Hamburg.
Für die philosophisch -historische Klasse.
Herr AvelU.no in Neapel. Herr Brandis in Bonn.
- Beigel in Dresden. - Bröndsted in Kopenhagen.
- Böttiger in Dresden. - Caltaneo in Mailand.
Herr de Chambray in Pougues im Dep.
de la Nievre.
- Graf Clarac in Paris.
Constantinus Oeconomus in St. Pe-
tersburg.
- Degerando in Paris.
- Delbrück in Bonn.
- Frej^ag in Bonn.
- Fries in Jena.
- Del Furia in Florenz.
- Gerhard in Florenz.
Gesenius in Halle.
Göschen in Göttingen.
TT'ilh. Grimm in Götlingen.
- Halma in Paris.
- Hamaker in Leyden.
- v. Hammer in Wien.
- Hase in Paris.
- van Heusde in Utrecht.
Herr v. Hormajr in München.
- Jomard in Paris.
- v. Köhler in St. Petersburg.
- Kosegarten in Greifswald.
Kumas in Smyrna.
- Lamberti in Mailand.
- v. Lang in Ansbach.
- Linde in Warschau.
- Afaj in Rom.
- Meier in Halle.
- K. O. Müller in Göltingen.
- Mustoxidcs in Corfu.
C. F. Neumann in München.
Et. Quatremere in Paris.
Ftaoul- Eochette in Paris.
Schümann in Greifswald.
- Simonde-Sismondi in Genf.
- Thiersch in München.
Physikalische
Abhandlungen
der
Königlichen
Akademie der Wissenschaften
zu Berlin.
Aus dem Jahre
1833.
Berlin.
Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie
der Wissenschaften.
1835.
in C o in m i s s i o n bei F. D » m m 1 c r
II
1 t.
'mva 'wv\ /wv»
Karsten über die chemische Verbindung der Körper (dritte Abhandlung) Seite 1
v. Buch über Terebrateln - 21
Ehrenberg: Dritter Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation in der Richtung
des kleinsten Raumes - 145
Derselbe über den Cynocephalus der Ägyptier nebst einigen Betrachtungen über
die ägyptische Mythe des Tbot und Sphinx vom naturhistorischen
Standpunkte - 337
E. d'Alton über die von dem verstorbenen Herrn Sellow aus der Banda oriental
mitgebrachten fossilen Panzerfragmente und die dazu gehörigen
Knochen - Überreste - 369
MlTSCHERLlCH über das Verhältnifs des specifischen Gewichts der Gasarten zu
den chemischen Proportionen - 425
Link über den innern Bau und die Früchte der Tangarten (Fucoülcae) - 457
H. Rose über die Verbindungen des Chroms mit dem Fluor und Chlor - 469
Derselbe über eine Verbindung des Phosphors mit dem Stickstoff - 479
497
Erman über die automatische Undulation der Nebenkiemen einiger Bivalven - 527
MlTSCHERLlCH über das Benzin und die Verbindungen desselben 497
iger
über
die chemische Verbindung der Körper.
(Dritte Ab ha ad hing.)
Von
: A R S T E N,
5>t**''"
Über
Terebratel n.
Yon .••
H m von "BUCH.
[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. März 1833.]
N.
icht ohne Geist hat man die Muscheln, welche in Gesteinschichten um-
hüllt liegen, mit alten Münzen verglichen. Diese bestimmen oft mit grö-
ster Sicherheit das Dasein und die Lage von Städten und Landschaften,
sie unterrichten über Sitten und Gebräuche, über ungeahnete Verbindung
der Länder; sie individualisiren einzelne Punkte im gleichförmig scheinen-
den Strome der Zeiten durch Vorführung von Helden und Königen, und
durch diese wieder erhalten wir nicht selten die, ohne sie wenig gekannte
chronologische Folge der Begebenheilen.
So sind auch die Muscheln. Was durch Überlieferung gar nicht fort-
geführt werden kann, die Epochen der Formalionen, geht oft aus dem An-
blick weniger Muscheln hervor. Eine neue Welt wird uns durch diese Ge-
stalten eröffnet, die nothwendige Vorhalle unserer jetzigen Schöpfung, und
durch ihre Kenntnifs erhalten wir nicht nur die Geschichte der Erde, son-
dern auch zugleich die Geschichte des Lebens.
Die Vergleichung läfst sich noch weiter fortsetzen. Durch ihren blo-
fsen Anblick oder durch isolirte Untersuchung eines einzelnen Stücks erzäh-
len die Münzen so aufserordentliche Dinge nicht. Ihre Sprache mufs erst
verstanden, sie mufs daher vorläufig erlernt werden, und dazu gehören sehr
mannigfaltige und weit umherliegende Kenntnisse. Auf gleiche Weise ist
die Belehrung der Muscheln sehr eingeschränkt, und sogar trüglich, wenn
nicht vergleichende Zoologie, Geographie der Meere und viele ähnliche
Kenntnisse vorläufig zu Rathe gezogen, ja gründlich studirt werden. jNur
dann erst wird man es wagen dürfen, der Geognosie ,als eigenthüniliche
22 v. Buch
Arten, welche zu geognostischen Schlüssen berechtigen, verschieden gebil-
dete Gestallen vorzuführen, oder zu vereinigen, was durch isolirte Unter-
suchung; für verschieden gehalten worden sein würde.
Die Zoologen haben sich mit der Bestimmung dieses geognostischen
Alphabets immer noch gar wenig beschäftigt, und wenn es geschehen ist,
nicht eben mit Glück. Sie haben es den Geognosten überlassen, und diese
behandeln die Muscheln, wie ehemals die Mineralien selbst. Ohne nach
den inneren Gründen zu fragen, haben sie Arten aus jeder äufseren Verschie-
denheit gebildet, sie möge nun aus äufseren, wandelbaren und zufälligen Ur-
sachen, oder aus der Organisation der Thiere entspringen, welche diese Ge-
häuse bewohnten. Der verderbliche Einflufs aber solcher leichtfertigen Be-
stimmungen ist so empfindlich und so schädlich, dafs auch jeder rohe Ver-
such, sich aus diesem wilden Chaos von Arten zu etwas Besserem zu erhe-
ben, als nicht ganz verdienstlos angesehen werden darf.
Nächst den Ammoniten kann der geognostischen Betrachtung der For-
mationen kaum ein Geschlecht wichtiger sein, als dafs der Terebrateln, da
sie in jeder Sediments-Formation vorkommen, und fast in jeder in einer
characteristischen, in anderen Formationen wenig oder gar nicht wieder er-
scheinenden Form. Aber eben dieser Mannigfaltigkeit wegen hat sie das
Schicksal der Speciesverwirrung fast härter, als jedes andere Muschelge-
schlecht getroffen, und so hoch verdienstlich, ja so unentbehrlich die schö-
nen Zeichnungen von Sowerby, seine gute und genaue Beschreibungen
auch sein mögen, so kann man doch auch diese Bemühungen kaum anders,
als nur eine, mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit veranstaltete Sammlung von
Materialien nennen. Dali mann hat nur die Geschlechter untersucht, wel-
che mit Recht von den Terebrateln getrennt worden sind, die Terebrateln
selbst wenig. Und Lamarck, Defrance oder Dcshayes haben dem Ge-
genstand ein sorgfälliges Studium nicht zugewandt, sondern sich gröfsten-
theils mit Beschreibung einzelner Individuen begnügt.
Geschichte der Terebrateln.
Fabio Colonna aus dem alten, berühmten, noch jetzt blühenden
Geschlecht der Colonna zu Rom, Enkel eines Vicekönigs von Neapel, der
selbst ein Neffe des Pabstes Martin V war, Fabio Colonna, geboren im
Jahr 1567, an Genauigkeit und Geist der Auffassung in der Naturforschung
über Terebratcln. 23
seinem Zeitalter weit überlegen, ist nach dem Zeugnifs aller seiner Nach-
folger der Erste gewesen, welcher seine Aufmerksamkeit auch auf Terebra-
teln gerichtet und sie beschrieben hat.
Man findet einige dieser Terebrateln gut und deutlich abgebildet in
dem Anhange zu Colonna's 1616 zu Rom gedruckten Tractats de Purpura,
und zur Erläuterung sagt er: unter den von Plinius aufgeführten Kenn-
zeichen der Muscheln fanden sich keine, welche sich auf die Ungleichheit
der Schaalen bezögen; daher: „Anomias conchas dlas esse dieimus, qua-
rum altera pars coliaerens aliquo modo ab altera efjigie, aut magnitudine aut
utroque modo differat. avöjxoig quideni contrarium est verbi vopios, quod est
similis, par, aequalis, scilicel dissinülis, impar, i/taequalis." Und nun giebt
er Abbildungen, welche beweisen, dafs er unter diesen Anomien sowohl
glatte als gefaltete Terebrateln verstand, und keine andere Arten von Mu-
scheln. -F/g.1. ist Terebralula ornühocephaia-, ßg. 4. Terebr. biplicata, die
beiden Arten, welche an der Spitze zweier Reihen von glatten Terebrateln
sie besonders auszeichnen ; sie werden nach ihm in Menge bei der apulischen
Stadt Andria gefunden. Dann folgt Anomia triloba, eine gefaltete, durch
eine tiefe Rückenfurche in drei Theile getheilte, ,Jacunosa P senis siriis, loti-
denique strigibus in singulis lobis." Diese Terebratel nennen wir noch jetzt
Terebratula lacunosa. Colonna's Werke hatten einen tiefen Eindruck auf
die Naturforscher gemacht. Was ihm merkwürdig gewesen war, mufste auch
andern so scheinen, und daher ist nicht leicht später, bis weit über die Mitte
des vorigen Jahrhunderts, nur irgend ein conchyologisches Werk erschienen,
welches nicht der concJia anomia des Fabius Columna erwähnte. Als Mar-
tin List er in Oxford mit feinem und richtigem Blick die Muscheln aus dem
Chaos, in welchem sie sich befanden, nach Verwandtschaften zusammenzu-
stellen und zu ordnen anfing, Familien, von denen viele noch gegenwärtig
benutzt werden, als er diese verständige Einteilungen in seinem conehyo-
logischen Meisterwerke im Jahre 16S5 bekannt machte, war auch die Concha
anomia von ihm nicht übersehen worden. Allein er hatte Colonna's Cha-
rakter der Ungleichheit der Schaalen zu weit ausgedehnt, und weiter, als es
Colonna zugegeben haben würde; und durch diese Ausdehnung fanden
sich mit Terebrateln Gryphiten, Austerarien und noch andere Muscheln mit
einander vereinigt. Lister beschäftigte sich mehr mit der Kenntnüs der
Sachen, als mit Namen, und der Gewohnheit seiner Zeit gemäfs, unterschied
24 v. Buch
er die einzelnen Arten durch Phrasen, welche oft Definitionen, ja wohl auch
ganzen Beschreibungen gleich kamen. Das Gedächtnifs war nicht im Stande,
durch einen kurzen, nur allein der bezeichneten Sache zukommenden Aus-
druck sich die Vorstellung dieser Sache vollständig zurückzurufen. Man
konnte nichts im Gedächtnifs vergleichen, Ähnlichkeiten und Verschieden-
heiten mufsten unmittelbar an den Gegenständen selbst oder in den langen
Beschreibungen aufgesucht werden, die doch alle Kennzeichen nur einzeln,
nicht wie ein Käme, im Gesamt- Eindrucke gaben, und das Studium der
Naturkunde ward hierdurch ungemein zurückgehalten und erschwert. Lis-
te r's Zeitgenofs und mit ihm Aufseher des Ashleyischen Museums zu Ox-
ford, der Walliser Arzt Eduard Llwyd, der ihm an Kenntnifs, Umsicht
und Scharfsinn sehr weit zurückstand, mag doch wohl etwas von der Unbe-
quemlichkeit eingesehen haben, welche aus der Gewohnheit der Phrasen
entsprang; auch wird diese Art einem Cabinetsverwalter wirklich zu einer
mechanischen Schwierigkeit, wenn er die gesammelten Sachen mit Zetteln
bezeichnen will; — und daher mag es wohl herrühren, dafs auf den Zetteln
seiner eigenen Sammlung, welche Llwyd im Jahr 169S unter dem Titel
Litlwphylaviwn britanniciun herausgab, sich eine grofse Menge neu erfunde-
ner Namen finden, einige so glücklich gewählt, dafs sie sich seitdem immer
erhalten haben ; wie Alveola, Gryphites, Plagiosloma, Trigonella, Crenalula,
andere, die immer eine gröfsere Beachtung verdient hätten ; wie Hamellus,
für die viel später sogenannten Rhyncolilen; Slrigosula, Haevetula und an-
dere mehr. Hier erscheint nun auch zum ersten Male der Name der Tere-
Lratula, und. dies ohne im Mindesten zu erwähnen, dafs es die Anomia des
Colonna oder dafs sie unter Lister's Anomien vorzüglich verstanden sei.
Auch wäre sie vielleicht mit den anderen Namen wieder verschwunden, hätte
nicht zu derselben Zeit der Lucerner Arzt Carl Nicolaus Lange die Ver-
steinerungen der Schweiz mit grofsem Fleifs gesammelt und mit vieler Sorg-
samkeit beschrieben. Ihm war weder Lister noch Llwyd unbekannt, aber
da er unter Lister's Anomia Gryphiten und Terebrateln vereinigt fand, so
gab er Llwyd 's Unterscheidung den Vorzug, welcher ungleichschaalige,
durchbohrte Muscheln von den nicht durchbohrten absonderte. Lange's
Buch ward durch Verwendung des Grafen Trautmannsdorf, österreichi-
schen Gesandten in der Schweiz, im Jahr 1 706 in Venedig gedruckt; und
dadurch geschähe es, dafs es in Italien sehr bekannt wurde, so sehr, dafs
über Terebrateln. 25
spätere italienische Conchyologen, Gualtieri, Bonanni, die Anomia des
Colonna ganz vergessen haben und nur Terebratula kennen. Johann Ja-
cob Scheuchzer, ein fleifsiger Zusammentrager, dem aber nicht viel Ei-
gentümliches gegeben war, vertraute sich ganz der Führung von Lange
und verbreitete seine Meinungen und seine Ansichten durch Deutschland.
Daher wissen auch deutsche Petrefactologen älterer Zeit, Bayer und Walcb,
nur von Terebrateln zu reden. Die Herrschaft des Namens schien völlig er-
rungen und C o 1 o n n a's Anomia gänzlich verdrängt. Da ereiferte sich Linne;
seinen Principien der Priorität getreu, kehrte er in der 12"° Ausgabe des Na-
tursvstems zur Anomia zurück und erwähnte der Terebratula fast gar nicht.
Dafs er aber von ihr, und, wie Colonna, von keiner anderen Muschel re-
den wollte, ist aus seiner Charakteristik ganz offenbar. Sie ist folgende :
,,Animal } corpore ligulata, emarginata, ciliata j ciliis Talvae superioris afjixisj
brachüs linearibus, corpore longioribus. conniventibus } porrectis, valvae alternis
utrinque ciliatis, ciliis affixis valvae utrinque. Testa inaequivalvis j valva al-
tera planiuscida, altera basi magis gibbaj harum altera basi saepe perforata.
Cardo cicatriculae lineari prominente , introrsum denle laterali } valvae vero
planioris in ipso margine." — So undeutlich, ja unrichtig diese Beschreibung
auch sein mag, so erkennt man doch leicht, wie sehr gut Gray und Blain-
ville bemerken [Diel, d'hist. nalur., Art. Tereb.), die mit Franzen besetzten
Arme der Terebrateln, und nichts, was den austerartigen Anomien zukom-
men könnte. Allein die grofse Hochachtung, welche Linne für Lister em-
pfand, verführte ihn, seiner Anomia noch alles beizufügen, was Lister da-
hin gerechnet hatte, daher Auster- Anomien, Grvphiten und auch schon die
Calceola der Eifel. Linne's Ansehn entschied. Die Anomia trat überall
wieder auf; häufig als Anomia Terebratula, häufig allein. Auch Chemnitz
in seinem grofsen Concbylienwerk von 1785 braucht den Namen der Tere-
bratel nur als Synonym der älteren Schriftsteller. Allein unglücklicherweise
für seinen Zweck hatte Linne die nur tolerirten Auster- Anomien an die
Spitze der Reihe gestellt, um dieses Geschlecht mit der ihm vorangehenden
Auster in Verbindung zu setzen, und das wagten die meisten seiner Nach-
folger nicht zu verändern. Nur Otto Friedrich Müller, der berühmte
dänische Zoolog, führt die Terebratel wieder einzeln auf; denn er war es
zuerst, der, auf sorgfällige Untersuchung der Thiere, und sogar auf Linne's
eigenen Ausspruch gestützt, die Vereinigung der Linneischen Anomienarten
Plijs. Abhandl. 1S33. D
26 v. Buch
für unmöglich hielt. Das ergriff Bruguieres, als er 17SS mit starkem und
kräftigem Geist der ganzen Conchyologie eine neue und bessere Gestalt gab.
Er trennte die so ungleichartigen Anomien in vier oder fünf verschiedene
Geschlechter, behielt den Namen nur allein für die Abtheilung, welche sich
an der Spitze der Reihe befand, und setzte die Terebratel in die usurpirten
Rechte wieder ein. Diesen Bestimmungen drückte endlich Lamarck das
Siegel auf, als er zuerst im Systeme des animaux sans vertebres von 1801,
dann in seinem gröfseren Werke über skeletlose Thiere, alle diese Gestal-
ten mit hellem und das Ganze umfassenden Blicke ordnete und beschrieb.
Der Name der Anomia verblieb seitdem einem kleinen Geschlecht, dem er
er von keinem der älteren Conchyologen, am wenigsten von Fabio Co-
lonna, bestimmt war, und die Terebratel befestigte sich so vollständig in
den unrechtmäfsigen Besitz, dafs, sie jetzt wieder daraus vertreiben zu wol-
len, eben so wenig gelingen würde, als es den deutschen Geographen ge-
lungen ist, den transatlantischen Freistaaten zu beweisen, dafs sie nicht Ame-
rica, sondern Columbien bewohnen. Das haben schwache und ganz mifs-
glückte Restaurationsversuche von Martin in England, von Brocchi in
Mailand und von Wahlenberg in Upsal hinreichend bewiesen.
Die Terebratel war hierdurch zwar wohl auf ihre ursprüngliche, von
Fabio Colonna der Anomia bestimmte Grenzen zurückgeführt worden,
doch war man noch weit entfernt, zur Kenntnifs ihrer wahren Natur gekom-
men zu sein. Das Verdienst, diese gehörig erkannt und in allen ihren Verbin-
dungen aufgefafst zu haben, gebührt Cuvier, und ihm nur allein. Das er-
weist ganz einleuchtend das gerechte Erstaunen, in welches die Naturforscher
geriethen, als Cuvier 1802 seine vortreffliche anatomische Zergliederung
der Lingula bekannt machte (Mein, du Musee J, 69.), und der Einflufs, von
welchem sie sogleich nach ihrem Erscheinen war. Mit kräftiger Hand und
mit wenigen Worten hatte Cuvier schon selbst den Gang vorgezeichnet,
den die Naturforscher nun gehen müfsten, uud dem sie auch wirklich gefolgt
sind, oft mit sichtlichem Widerstreben, oft ohne den Meister zu nennen
oder zu ahnden, der ihnen nicht blofs die Bahn gebrochen hatte, sondern
auch ihnen immer noch voranleuchtete. Der Bau der Lingula, sagt Cuvier,
ist so sonderbar und so sehr von dem anderer Bivalven verschieden, dafs
für sie allein eine neue Classe von Mollusken gebildet werden müfste. Aber
sie steht nicht allein. Otto Friedrich Müller's Untersuchungen haben
über Terebraleln. 27
gezeigt, dafs dies auch die Form der sogenannten Patella anomala der nor-
wegischen Meere sei; Poli's Zergliederungen, dafs die Patella conica des
Mittelmeeres eben so gebaut sei ; endlich erweisen die wenigen Zeichnungen
lebendiger Terebrateln, dafs auch sie zu dieser neuen Classe gehören, welche
durch Mangel von Kopf und Fufs und durch zwei mit Franzen besetzte be-
wegliche Arme sich von allen übrigen Organisationen wesentlich unterschei-
den. Dafs nun Dumeril für diese ausgezeichnete Classe den Namen der
Brachiopoden erfand, dafs er sie zuerst in ein System aufführte, kann
schwerlich als etwas ihm Eigenthiimlicb.es, sondern im Grunde nur als eine
Anwendung der Cu vi ersehen Entdeckung angesehn werden. Die Systema-
tiker ergriffen lebhaft diese Classe, und ohne der Kenntnifs der Geschlech-
ter, aus denen sie besteht, irgend etwas Wesentliches zuzufügen, glaubten
sie sich ein Verdienst zu erwerben, sie bald am Anfang der Mollusken zu
setzen, bald an das Ende, und in ihr noch andere Geschlechter zu bringen,
welche dahin gar nicht gezählt werden konnten. So thaten es Bosc, de
Roissy, Ferussac, Latreille, endlich auch Blainville, der sogar den
nun schon völlig gangbaren Namen der Brachiopoden ohne Nothwendigkeit
in den von Palliobranchien umändern wollte. Nur Lamarck ging einen
Schritt weiter und trennte, von Cuvier aufgeregt, auch die Cirrhipoden
von den Mollusken; Cuvier selbst aber zeigte schon IS 17 in der ersten
Ausgabe des Regne a/iimal, dafs die Brachiopoden als eine ganz gleich ste-
hende Classe zwischen den Acephalen und Cirrhipoden, und nirgends an-
ders aufgeführt werden müfsten; und diese Ansicht wird auch wahrschein-
lich noch auf viele Jahre hinaus die fast aller gründlichen Naturforscher
bleiben.
Wichtiger als alle diese systematische Künsteleien , denen sich in
Deutschland auch Oken und Schweigger anschlössen, waren für die
Kenntnifs der Terebrateln die Bereicherungen, welche wir den Bemühungen
des trefflichen Sowerby verdanken. Seine Abbildungen und Beschreibun-
gen sind nicht allein so genau und lehren einen so grofsen Reichthum von
Formen erkennen , wie man sie vorher auch nicht einmal vermuthet ha-
ben würde; sondern er geht noch weiter und zeigt, dafs einige Formen
durch eine Art von innerem spiralförmigen Knochengerüst, andere wieder
durch die aufserordentliche Verlängerung der oberen Schaale über der un-
teren sich so sehr von anderen Terebrateln unterscheiden, dafs man sie nicht
D2
28 v, Buch
ohne Zwang mit ihnen vereinigen kann; er hildete daher und beschrieb 1812
sein neues Genus der Producta, und im Laufe des Jahres 1816 das des Spi-
rifer, beides Geschlechter, welche sogleich angenommen wurden und sich
auch ohne Zweifel unter den besseren und bestimmteren Namen von Dall-
mann, Leptaena und Dellhjris , erhalten werden, des Widerspruchs ohn-
erachtet, den der kenntnifsreiche Deshayes noch 1831 dagegen erhob,
sobald nur Sowerby's Bestimmungen genauer aufgefafst und besser um-
gränztsind, welches indessen, unbenutzt, schon 1809 sein trefflicher Vor-
gänger W. Martin (Fossi/ta Derbiensia p.6.) gethan hatte.
Andere neu gebildete Geschlechter, Pentamerus und Magas von So-
werby, Slrophomena , Strigocephalus } Thecidea } Chorisüles } Gypidia,
Atrypa, Cyrlhia, halten entweder eine strenge Prüfung nicht aus, oder sind
doppelte Namen für schon vorher benannte Formen. Nur Dallmann's
analytische Verdienste verdienen unter diesen neueren Arbeiten ausgezeich-
net zu werden. Hat er auch in seinem 182S in den Abhandlungen der Stock-
holm« Akademie bekannt gemachten Aufsatz über Terebraleln manche
Kennzeichen, welche ihn Geschlechter zu bilden vermochten, nicht gehörig
und aufmerksam genug auf alle ihre Verbindungen, durch die ganze Classe
durchgeführt, so hat ihn doch ein sichtliches und aufrichtiges Bestreben nach
Genauigkeit und Bestimmtheit Vieles bemerken lassen, welches anderen Be-
obachtern entgangen war, und viele vorher unbekannte Gestalten sind durch
ihn bekannt gemacht worden.
Von den Eigenschaften der Terebrateln.
Alle Brachiopoden ohne Ausnahme sind ohne Kopf. Sie haben da-
her auch keine Augen, keine Ohren, keine Zunge. Es entgehen ihnen alle
äufsere Sinnesorgane. Da sie noch dazu zwischen zwei Schaalen eingeschlos-
sen sind, so scheint bei dem ersten Anblick kein Zweifel, dafs auch sie zur
grofsen Classe der Bivalven, zu den Acephalen oder Kopflosen von Cu-
vier gerechnet werden müssen. Allein sie unterscheiden sich von allen übri-
gen Muscheln, von welcher Art sie auch sein mögen, durch eine, nur ihnen
allein zukommende, höchst merkwürdige Eigenschaft, welche bei Betrach-
tung fossiler Terebrateln und bei der Bestimmung ihrer Arten von der gröfs-
ten Wichtigkeit ist. Es ist die genaue und vollständige Symmetrie
ihrer Theile. So wie die eine Seile, so ist auch die andere gebaut; so dafs,
über Terebrateln. 29
wenn man eine Muschel dieser Classe ihrer Länge nach in der Mitte, und
rechtwinklich auf dem Schlofsrande , zertheilt, die eine Hälfte genau das
Abbild der anderen wird, nur dafs in der einen rechts liegt, was auf der an-
deren sich auf der linken Seite befindet. Das ist bei jeder anderen Muschel
unmöglich, selbst auch bei jedem anderen Thiere höherer Ordnungen; denn
immer bliebe doch das Herz auf der einen, die Leber auf der anderen Seite.
Terebrateln aber haben zwei Herzen, auf jeder Seite eins, und zwei Bluts-
umläufe, unabhängig von einander, aufser wo sie mit den Ernährungsorga-
nen zusammenhängen. Der Mund, der Magen, der Darmkanal liegen in
der Mitte und nehmen vom Gehäuse des Thieres nur einen sehr kleinen Raum
ein. Bei der Theilung der Muschel würde jedem Theile genau eine Hälfte
dieser Ernährungsorgane zufallen. Mit gleicher Symmetrie sind alle Mus-
keln vertheilt und auch die beiden, mit sonderbaren Franzen besetzten Arme,
welche die Stelle des unsymmetrischen Fufses anderer Bivalven einnehmen.
So sehr und mannigfaltig diese Arme sich auch in den verschiedenen Arten
biegen und wenden, so folgt doch stets der eine Arm genau den Bewegun-
gen des andern, und die geringste Formänderung auf dem einen ist von dem
andern auf dieselbe Art wiederholt. Diese Symmetrie mufs daher auch auf
der äufseren Schaale sich wiederholen, und beide Hälften einer Schaale wer-
den bis auf die geringste Kleinigkeit umgekehrt einander ähnlich sein müs-
sen. Diese merkwürdige und aulfallende Erscheinung würde allein schon
die Bildung einer ganz eigenen Classe von Thieren begründen.
Die Terebrateln sind daher als zwei Individuen zu betrachten, welche,
wenn auch in verschiedenen Wohnungen , dennoch sich zu einer gemein-
schaftlichen Haushaltung vereinigt, und der Bequemlichkeit wegen, diese
Haushaltung zwischen ihren beiden Wohnungen unter ein gemeinschaftliches
Dach gebracht haben. Der allen Bivalven eigenthümliche Mantel, die Haut
und Hülle der Thiere, aus deren äufserer Oberfläche die Schaale hervortritt,
umgiebt auch diesen Terebratelzwilling und ihre gemeinschaftlichen Organe.
Dort nun, wo diese letztere aufhören, in der Mitte der Länge, hat der Man-
tel nichts mehr zu umhüllen. Er fällt daher zusammen und bildet bis zum
Rande eine tiefe Furche, Rinne oder Graben zwischen beiden Individuen
nach der Länge des Rückens. Deshalb wird die Einsenkung des Rückens
am Rande jeder Terebratel oder der ihr ähnlichen Gestalten für sie Gesetz
und entwickelt sich unmittelbar aus der Eigenthümlichkeit dieser Thiere.
30 v. Buch
Es giebt eine Terebratel, welche diese Oconomie der Natur vortreff-
lich erläutert: es ist die, welche Catullo in Padua vor einigen Jahren (1827)
neu entdeckt zu haben glaubte, in seiner Zoologia fossile unter dem Namen
von Terebratula antinomia beschrieb und (Tab.V, p. 1.) schlecht abbilden
liefs. Allein sie war schon längst vorher, und besser, von Bruguieres in
der Encyclopedie methodique (T. 240. 4, a.b.) vorgestellt worden, und dann
wieder von Parkinson (Org. Rem.YLl, 16, ßg. 4.). Der letztere hatte sie
beschrieben und Terebr. triquetra genannt. Lamarck gab ihr den Namen
Terebr. deltoidea. (Bronn. Min. Zeitschr. 1828. 4b3. Graf Münster Jahrb.
der Min. 1831. 431.). Doch ein älterer Name hatte schon längst die Prio-
rität ; um so mehr, da er von einer vortrefflichen Beschreibung begleitet ist
und von einer Abbildung, welche das Auszeichnende und Lehrreiche der Form
viel besser aufgefafst hat, als alle späteren Nachfolger. Er ist von Fabio
Colonna und findet sich am Ende seiner Ecphasis slirpium minus cognita-
rum. Romae 1616, p. 49. (Fig. 12. ist die Copie von Colonna's Figur.)
„Diphyam dicimus concham, sagt Colonna, iwn quod ancipilis sit natu-
rae aut duplicis, ex genitalium maris et foeminae efßgie } quam in summo ver-
lice expnmi putatur, sed Diphjram } quin duplex, sive bifida aut bipartita,
sive gemina concha videatur, veluti si binos Mytulos laiere coniunctos natura
produxisset." Dieser Vergleich ist eben so richtig als schön. Er weist un-
mittelbar auf das Eigenthümliche der Gestalt; zwei mit einander vereinigte
Individuen , welche ihre Sonderung durch die für jeden Theil verschie-
dene Anwachsringe erweisen, was eben dasjenige ist, wodurch ein Mjtulus
sich besonders auszeichnet. Das Gerüst der Arme ist in dieser Muschel sehr
kurz ; es erreicht nicht die Mitte. Die Seiten gehen aber bedeutend ausein-
ander. Der Mantel wird also schon, von der Mitte der Länge an, durch keine
Organe erhoben, von den Seiten aber so stark ausgedehnt, dafs er sich wirk-
lich trennt. Nun kann in dieser Mitte, wo der ausscheidende Mantel fehlt,
auch keine Schaale ausgeschieden werden ; es bleibt ein wirkliches Loch in
der Muschel. Bei ihrer weiteren Vergröfserung berühren sich zwar wieder
die Ränder des Mantels, allein sie vereinigen sich nicht mehr zu einem ge-
meinschaftlichen Ganzen ; jede Mantelseite fährt fort ihre eigenen Anwachs-
ringe zu bilden, die ihren eigenthümlichen Mittelpunkt haben, und zwischen
ihnen bleibt eine grofse Vertiefung zurück. Es ist nun klar, wie die tiefe
Rückenbucht der meisten gefalteten Terebrateln, wie die grofse Einsenkung
über Tevebrateln. 3 1
der Mitte, wodurch alle Delthyris- Arten so besonders auffallen, immer aus
derselben Organisation und Trennung in zwei Individuen entsteht, und wie
diese Bucht nur für einzelne Arten in gröfserer oder geringerer Breite ab-
weicht, in Divergenz ihrer Seiten oder im Vorschreiten des vorderen Ran-
des, welcher dann durch eigene Schwere sich über den Rand der unteren
Schaale hinbiegt.
Wird nun durch äufsere Ursachen eine dieser Terebratelseiten ver-
letzt, wird sie in ihrem Wachsthum durch das gesellschaftliche Beisammen-
leben dieser Muscheln gehindert und durch die Unmöglichkeit, in der sie
sich vermöge ihrer Anheftung am Schnabel befindet, sich einen bequemern
Ort der Ausbreitung zu suchen, so wird dadurch die andere Seite auf keine
Weise gehindert, den Gesetzen ihrer Art zufolge weiter zu wachsen. Der
gehinderte Theil wird genöthigt, seine Ausbreitung tiefer oder höher zu
suchen, und dadurch wird, begreiflich, die Bucht des Rückens ausgeglichen.
und sie verschwindet. Solche Unregelmäfsigkeiten entstehen daher aus den
inneren Anwachsgesetzen nicht, und es kann wahrlich nur Mineralogen, nicht
Zoologen, verziehen werden, wenn sie die mannigfaltigen Formen, die aus
solchen hindernden äufseren Ursachen entspringen {Terebratula difformis,
dissimilis, dimidiata, obliqua, inconstans etc.), als eigene Arten aufführen.
Die Brachiopoden haben ihren Namen von zwei seltsamen Orga-
nen, welche die ganze Classe noch immer zwischen denen anderer Muscheln
ohne Verbindung erhalten. Denn wenn auch Cuvier's Bemerkung fein und
von Bedeutung ist, dafs die beiden Arme der Terebrateln die Stelle des feh-
lenden Fufses anderer Bivalven einnehmen, so würde es doch wenig gelin-
gen, aus diesem Fufse die Gestalt, die Lage und die Gesetze der Ausbrei-
tung der Arme herzuleiten. Sie nehmen in den meisten Geschlechtern bei
Weitem den gröfsten Raum ein, und nach ihnen richtet sich vorzüglich Form
und Ausdehnung der umgebenden Schaalen. Es sind zwei hornartige Bän-
der, welche ihrer ganzen Länge nach von bedeutend langen und sehr feinen
Franzen besetzt sind. Diese Bänder sind an eigene, knochenartige, frei
schwebende, äufserst dünne und zierliche Gestelle befestigt, welche in vie-
len, allein für beide Seiten immer genau symmetrischen Biegungen die Mu-
schel erfüllen. — Das ist das Bestimmte, was man von diesen Organen weifs.
Alles Übrige scheint zu beobachten so schwierig, dafs ein Jeder, der die Ge-
setze der Form dieser Theile bisher hat aufzeichnen wollen, sie immer auf
32 v. Buch
eine andere Art gesehen zu haben glaubt. Wir besitzen Zeichnungen des
innern Gerüstes von derselben Art, der Terebratida dorsata von Gründler,
von Chemnitz und von Gotthelf Fischer in Moskau. Jeder Zeichner
hat die Absicht gehabt, äufserst genau in der Abbildung der Natur zu sein,
und doch ist die Ähnlichkeit dieser drei Zeichnungen nur sehr entfernt. Was
ich selbst an der Terebratida truncatn gesehen habe, werde ich zu beschrei-
ben und daraus herzuleiten versuchen, was man für allgemein und den Or-
ganen wesentlich halten kann (s. Fig. 13. 14. 15.).
An dem obern Ende einer jeden Terebratel befindet sich ein Schlofs
von einer zwar einfachen, aber äufserst kräftigen Form. Es besteht aus zwei
starken, wulstartigen Zähnen auf jeder Schaale, welche einander gegenüber
stehen und durch eine tiefe Rinne bis zur Spitze der Schaale von einander
getrennt sind. Die Zähne der oberen, gröfseren Schaale stehen weiter von
einander, als die der unteren oder kleineren. Sie umfassen diese letzteren
und greifen wie eine Zange in eine kleine Vertiefung ihrer äufseren Seiten.
Beide Schaalen werden hierdurch so fest mit einander verbunden, dafs sie,
auch noch bei dem Leben des Thieres, nur gar wenig sich öffnen und ohne
zu zerbrechen, nie von einander getrennt werden können. Deswegen ist es
so selten, einzelne Schaalen von Terebrateln zu finden, und deswegen ist
es so schwer, die innere Einrichtung dieser Gehäuse zu untersuchen. An
der inneren Seite der Zähne des Schlosses, der unteren oder kleineren
Schaale, derjenigen, welche in den Sammlungen oben zu liegen pflegt, fin-
den sich in der Rinne, welche die Zähne trennt, von beiden Seiten zwei an-
dere Zähne, welche sich zu zwei gleichlaufenden, dünnen, frei schweben-
den Stäbchen oder Ribben verlängern und bis zur Mitte der Schaale hervor-
ragen. Da tragen sie schwebend das Gestell, an welchem unmittelbar zu
beiden Seiten die Arme befestigt sind. Man könnte dieses Gestell am besten
mit einem Lehnstuhl vergleichen, mit zwei sehr langen, weit vorspringen-
den, halb zirkeiförmigen Armen. Die hornartige Membran, welche die
Franzen trägt, ist auf dem Rande dieser Arme befestigt (siehe a.b.). Sie ist
doppelt; beide Hälften liegen bis zum Ende des Armes dicht aufeinander.
Nahe der Lehne des Sessels trennen sie sich (bei e.c). Der obere Theil
biegt sich vor der Lehne herab, krümmt sich in eine kurze Spirale und hört
auf; der untere Theil geht hinter der Lehne fort, immer unten von einem
soliden Knochenring unterstützt (g), und verbindet sich auf der andern Seite
über Terebrateln. 33
mit dem andern Arm, um aueh dort den unteren Theil der doppelten Mem-
bran zu bilden. So babe icb es ganz gleich, und wie ich glaube, vollkom-
men deutlich an zwei Exemplaren des hiesigen Museums gesehen. Das Ab-
weichende und von anderen Beobachtern oder in anderen Arten nicht Be-
merkte liegt in Folgendem : Die Membran endigt sich völlig gegen den äufse-
ren Band zu, und geht von dort nicht wieder zurück. Sie ist doppelt. Sie
zertheilt sich auf der Seite gegen das Schlofs, und der eine Theil senkt sich
in das Innere zwischen den Armen. So ungefähr ist auch die Zeichnung,
welche der Maler Gottfried August Gründler in Halle von dem Gerüst
einer ganz verschiedenen Art, der Terebr. caput serpentis, geliefert hat, eine
Zeichnung, die von Cuvier mit Lob angeführt wird (Naturforscher I,
2'" Stück, p.SO.). Nach anderen Zeichnungen, wie auch die der Terebr.
dorsata andeuten, sollte man vermuthen, die Membran mit den Franzen
wende sich, wo sie das Ende ihrer unterstützenden Bibbe erreicht, und gehe
gegen den Anfang zurück. Und nach Poli's trefflicher Abbildung leidet es
auch wohl keinen Zweifel, dafs dies die Form der Orbicula sei. Beide Arme
bilden eine, vom Ende in das Innere wieder hereingehende, gegen einander
gerichtete Spirale, welche sich in mehreren Windungen von unten herauf
in der patellenartigen Oberschaale erhebt. Diese Abbildung würde man
auch gern als das Vorbild der innern Structur der Delthyris- Arten Sower-
by's Spirifer ansehen, in welchen eine Spirale sich in vielen Windungen von
der Mitte, zu beiden Seiten entgegengesetzt, bis zum Bande bewegt.
Es ist unmöglich, wenn man eine so zusammengesetzte, und doch so
zierliche, leicht schwebende und bewegliche Einrichtung sieht, nicht nach
dem Zweck und der Absicht von Organen zu forschen, denen zugleich, da
sie einen so grofsen Baum einnehmen, eine grofse Wichtigkeit für die Oco-
nomie des Thieres ae»eben zu sein scheint. Herr Fischer in Moskau hat
darüber in einer eigenen Abhandlung, mit welcher Herrn von Humboldt's
Anwesenheit in Moskau gefeiert ward (sur le Systeme apophysaire des Tere-
bratules), eine Meinung geäufsert, welche sich doch wohl schwer würde ver-
theidigen lassen. Er hält diese feine, leicht bewegliche, schwebende und
elastische Bibben für Digestionsorgane. Pallas dagegen, und nach ihm
Blainville, glauben mit Sicherheit, in den Franzen der Arme die Bran-
chien zu erkennen. Dem ist jedoch Cuvier durchaus entgegen, und wohl
mit Becht. Er hat die wahren Branchien in der Lingula auf der inneren
Phys. Abhandl. 1833. E
34 v. Buch
Seite des Mantels entdeckt, in welcher sie rund umher vertheilt sind. Wie
liefse sich auch von Branchien denken, dafs sie das Thier nach Gefallen weit
hervorstrecken und damit, aufserhalb der Sehaalen, im Wasser umherspie-
len wird! Das hat doch Otto Friedrich Müller selbst erfahren. Er sagt
(Naturforscher St. 19. p. 163.), er habe nicht wenige Terebrateln aus dem
Grunde des Meerbusens von Dröback in Norwegen heraufgezogen, und, in
ein Glas mit Wasser gesetzt, mit Vergnügen dem Spiel ihrer schönen Haar-
locken zugesehen. Daher, glaube ich, wird Cuvier's Meinung, dafs diese
Arme bestimmt sind, von aufsen her dem Thiere nährende Stoffe zuzufüh-
ren, wohl die wahrscheinlichere sein. Auch denke ich, nur dem Ende ist
dieses Ausdehnen und Wiederzusammenziehen vergönnt, nicht dem ersten
Anfang oder der Mitte der Arme. Denn, betrachtet man die Membran auf
den Ribben in hellem Licht, so bemerkt man, dafs die Franzen daran ge-
gen ihre Basis immer mehr zusammenwachsen, endlich nur ein fortgesetztes
Band bilden, in dem sie noch durch Streifen zu erkennen sind. Und ganz
auf gleiche Art scheint dies feste Band, die Membran, in die Substanz der
Ribbe überzugehen. Vielleicht ist daher die Vorstellung nicht weit von der
Wahrheit entfernt, dafs an der Spitze nur locker verbundene Franzen leicht
beweglich sind, mit dem Alter aber unten zusammenwachsen, dann, wie der
Mantel, den Saft ausscheiden, aus welchem der Kalkspath hervortritt, wel-
cher Ribben und Schaale bildet. Die Schraube in der Dellhyris würde da-
her gegen die Mitte hin dem Thiere nur zur Unterstützung und zum Ausein-
anderhalten der Schaalen dienen, und auch bei ihnen würde nur die Spitze
aus der Schaale hervortreten können.
Eine andere, nicht weniger wesentliche Unterscheidung aller Brachio-
poden, welche auf ihre ganze Lebensweise, daher auch auf ihre Form, von
dem bedeutendsten Einflüsse ist, liegt in ihrer Anheftung an fremde,
aufserhalb der Schaale befindliche Gegenstände; gewöhnlich durch
eine Sehne, oder durch einen Muskel, welcher aus einer grofsen Vertiefung
in der oberen , gröfseren Schaale hervortritt. Diese Anheftung bestimmt
ihr gesellschaftliches Beisammenlcben, zu vielen Tausenden auf einer Stelle
vereint, wenn wenig entfernt gar keine mehr gesehen werden. Die junge
Brut saugt sich sogleich fest, wie die Mutter, von der sie sich trennt, und
kann daher über weite Räume sich nicht ausdehnen. Wie sehr mufs nicht
ein so beschränkter Aufenthalt auf Gröfse und Ausbildung dieser Geschöpfe
über Terebrateln. 35
einwirken ; selbst ihre Nahrung ist ganz von den äufseren, zufälligen Bedin-
gungen des Elements abhängig, in dem sie leben ; und man mufs sich in der
DO O O 7
That noch weit mehr verwundern, dafs noch gleiche Arten über verschie-
dene Meere verbreitet sein können, als dafs sie in Gröfse und auch in Ge-
stalt so sehr abweichen , ohne dafs diese Abweichungen doch hinreichend
wären, die Bestimmung einer neuen Art zu begründen. Terebrateln gleichen
darin den Austern und anderen festsitzenden Muscheln. Auch diese verändern
Form und Gröfse nach der Gegend, in der sie sich finden. Es wird einem auf-
merksamen Beobachter leicht sein, den Ort zu bestimmen, an welchem eine
Auster gefischt worden, und doch ist deswegen die Art nicht verschieden.
Die aus vielen feinen, mit einander verbundenen Längsfasern beste-
hende Sehne, mit welcher die meisten Brachiopoden sich festhängen, ist bei
der Lingula an beide Schaalen geheftet und hält sie auseinander; bei allen
Terebrateln dagegen ist sie nur allein an der gröfseren, oberen Schaale be-
festigt, nahe am Schnabel. Allen Beschreibungen und den meisten Abbil-
dungen zufolge durchbohrt sie nun die Spitze des Schnabels und tritt aus
einer runden Öffnung hervor; und wirklich haben auch die Terebrateln von
dieser Durchbohrung den Namen. Dies ist eine ganz irrige Vorstellung,
ohne deren Zerstörung man den ganzen Zusammenhang der Brachiopoden-
Geschlechter nicht einsehen kann. Der Anheftungsmuskel ist, wie alle Mus-
keln ähnlicher Art, nicht am beweglichen Mantel, sondern unter dem Man-
tel an der Schaale befestigt. Tritt er nun unter der Oberschaale hervor, so
zieht er das Stück des Mantels mit heraus, das ihn bedeckt. Er kann es
nicht, wie andere Muskeln, durchbohren, da beide Richtungen gleichlau-
fend sind. Dieses Mantelstück wird durch das Erheben von der gröfseren
Masse getrennt und hängt damit nur noch an der Basis zusammen. Es hegt
also am Anheftungsmuskel auf der Seite, welche der oberen Schaale entge-
gengesetzt ist; und da es immer noch den schaalbildenden Stoff aus seinen
Poren hervortreten läfst, so wird ein solches kleines Schaalstück den Muskel
auf seiner unteren Seite umgeben, und auf solche Weise in der That eine
runde Öffnung unter der oberen Schaale vollständig verschliefsen. Dieses
schliefsende kleine Schaalstück nenne ich das „Deltidium." Bei jedem An-
wachsen und Breiterwerden der Muschel wird auch das Dellidium mit grö-
fserer Breite hervortreten. Es erhält daher die Form eines an der Spitze
etwas abgerundeten Delta, und die verschiedenen Zeiträume des Anwachsens
E2
36 v. Buch
sind darauf jederzeit durch feine horizontale Streifen bezeichnet (s. a.f.b.
Fig. 1. 2 und 3.) Das DeltiJiian, so unbedeutend und klein es auch scheinen
mag, geht also unmittelbar aus der inneren Organisation der Terebrateln
hervor, und ist diese Organisation verändert, so wird auch zuverlässig dieses
Stück eine andere Form annehmen und dadurch die Veränderung des In-
nern anzeigen.
Herr Valenciennes in Paris hat es zuerst beobachtet, doch ohne
ihm eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und wahrscheinlich hat er
es auch nicht an vielen Arten verfolgt. Wir erfahren es durch Lamarck
(Animaux sans vertebresW.): „La rigole de ces coquilles est toitjows dose
par deux petites pieces laterales, qui sont cependant assez ecarlecs et trop pe-
tites pour se toucher } et alors il faut que le teste soit rempli d'une membrane.
Mehr sagt er nicht. Blainville läugnet diese Beobachtung (Dict. dliistoire
naturelle, Art. Terebr.), und behauptet, er habe sie an keine Art von Te-
rebratel wiederholen können. Und doch fehlt dies Stück nie, und kann nie-
mals vermifst werden. Auch hat es der aufmerksame Sowerby, wenn auch
nicht überall, doch recht häufig in seinen schönen Figuren gezeichnet. Wer
mag es auch auf den grofsen, glatten Terebrateln der Tertiärformation und
der Kreide verkennen? auf Terebr. longiroslris Wahl, oder giganlea Blum,
oder ampulla Brocchi, wo es in einem tiefen Canal liegt und oft mehr als
doppelt so hoch ist, als breit. Auch ist es dem scharfsichtigen Deshayes
nicht entgangen [Coquilles de Paris p.3SS.).
Dieses Deltidium erscheint vorzüglich in einer dreifachen Form, und,
was höchst merkwürdig ist, eine jede dieser Formen bestimmt fast ausschliefs-
lich eine sehr natürliche Section oder Unterabtheilung von Terebrateln. Es
ist entweder :
1) Umfassend (ampleclens), wenn es nicht blofs an der unteren Seite
des Muskels oder der Öffnung im Schnabel vorkommt, sondern mit sehr
dünnem Ringe auch noch den oberen Theil umgiebt (s. Fig. 1. Terebralula
lacunosd). Alle Terebrateln dieser Art sind gefaltet, und die Falten wach-
sen zwar gegen den Rand zu in der Breite, allein bleiben stets, wenige sel-
tene Ausnahme ungerechnet, in derselben Menge, als bei dem ersten Her-
vortreten am Schnabel. Es sind einfache Falten.
2) Sectirend. Das Deltidium bildet nur einen kleinen Theil desUm-
fangs der Öffnung. Die Falten der Oberschaale legen sich wie Stäbe im
über Terebrateln. 37
Kreise um den übrigen Theil. Terebrateln dieser Arl haben nie einfache
Falten, sondern sie dichotomiren gegen den Rand mehr oder weniger häufig.
Sie vermehren sich daher ansehnlich in der Zahl, wachsen aber nicht in
der Breite. Es sind die Terebrateln mit dichotomirenden Falten (siehe
Fig. 2. Terebratula orbicularis Sow.). Auch alle glatte Terebrateln ohne
Ausnahme haben ein sectirendes Deltidium, und bei den meisten ist es viel
höher als breit (s. Fig. 3. Terebratula loiigiroslris); bei der vorigen Abthei-
lung übertrifft aber die Breite jederzeit die Höhe.
3) Discret. Ein Deltidium, welches in der Mitte der Breite nicht
zusammenhängt, sondern bei jüngeren Individuen aus zwei getrennten Stük-
ken besteht, eben wie es Valenciennes gesehen hat. Im Alter vereinigen
sich die Stücke zu einem Ganzen ; doch bemerkt man auch dann noch im-
mer in der Mitte eine feine trennende Linie (s. Fig. 4. Terebratula pectuncu-
loides). Alle fossile Terebrateln dieser Art sind durch hoch hervortretende
Ribben ausgezeichnet, und vorzüglich durch eine wenig gebogene, häufig
ganz gerade laufende Kante des Schlosses.
Der Anheftungsmuskel wird durch diesen auszeichnenden Theil in die
Höhe unter der Spitze der Oberschaale erhalten. Wenn nun bei dem An-
wachsen der Muschel der frei schwebende Theil der Schaalen schwerer wird
oder wie ein längerer Hebelsarm wirkt, so krümmt sich die Muschel um die
Basis des Halses, wie um einen Mittelpunkt; die Spitze des Schnabels wird
ganz gegen die untere Sehaale gedrückt, und das Deltidium, häufig auch die
ganze Öffnung im Schnabel, wird zwischen beiden Schaalen versteckt. Dies
Krümmen geschieht aber nicht, wenn das Deltidium ganz fehlt: dann kann
sich der Anheftungsmuskel von der Spitze der Oberschaale bis zum Schlofs-
rande über einen weit gröfseren Raum verbreiten, und dadurch die ganze
Muschel mit gröfserer Unbeweglichkeit festhalten. Dieser Mangel bestimmt
wesentlich das Geschlecht der Delthjiis D allmann, Spirifer Sowerby.
Ein anderer, kaum minder wichtiger Theil dieser Muscheln für die
Erkennung und Bestimmung, nicht allein der Arten, sondern auch der Ge-
schlechter unter den Brachiopoden , und der unmittelbar aus den vorigen
Verhältnissen hervorgeht, ist das, was ich die „Area" nenne. Wenn in einer
frei schwebenden Terebratel, wie etwa Terebratula Caput seipeutis (Encycl.
T. 246. fig. 7.), die Schaale durch Fortwachsen sich nach allen Seiten hin
ausdehnt, so verhindert doch das Deltidium, dafs die Unterschaale der obe-
3S V. B U C H
ren gegen den Schnabel hin folgen könne; sie wird zurückgestofsen und
mufs in der Erhöhung suchen, was ihr in Erlangung nicht gestattet wird.
Hierin liegt der Hauptgrund der Ungleichheit heider Schaalen. Bei kurzem
Anheftungsmuskel berührt die Oberschaale selbst den Gegenstand, an den
sie geheftet ist. Der Theil, mit welchem sie aufliegt und mit welchem sie
über der Unterschaale hervorragt, bleibt deshalb eben, und die Anwachs-
ringe bilden darauf eine, mit dem Schlofsrande gleichlaufende, horizontale
Streifung. Dies ist die Area (s. c.f.d. Fig. t-5.). Bei dem sehr kurzen
Muskel, bei der Breite des Schlosses der gefalteten.Terebrateln liegt ein so
grofser Theil der Oberschaale am festen Anheftungskörper, dafs dadurch
die Area bedeutend an Gröfse zunimmt; und da sie in der Breite von bei-
den Seiten wächst, wie die Schaale selbst, so entsteht daraus die Form eines
scharf umgränzten, regelmäfsigen Dreiecks. Der vergröfserten Ausbreitung
des Heftmuskels der Delthjris gemäfs, vergröfsert sich auch ihre Area, und
sie wird bei ihr wirklich eines des hervorragendsten Stücke. Ja, in einigen
Arten kann sie einen so grofsen Raum einnehmen, dafs sie den ganzen übri-
gen, das Thier enthaltenden Rückstand der Muschel übertrifft; und das bil-
det eine so wunderbare Gestalt, dafs Dali mann sich nicht hat entschliefsen
können, sie mit anderen Arten zu vereinigen. Sie macht bei ihm unter dem
Namen Cyrihia ein eigenes Geschlecht. Allein nichts unterscheidet sie von
Delthjris, als nur diese, durch unmerkliche Übergänge vermehrte Gröfse
der Area. Und ganz dieselbe Einrichtung offenbart sich an der räthselhaf-
ten Calceola, die eben durch die Area sich zunächst den Delthjris - Arten
anschliefst und durch sie am meisten die Gültigkeit ihrer Ansprüche beur-
kundet, den Brachiopoden zugerechnet zu werden. Eine ganze Seite, und
bei weitem die gröfste der Muschel, ist bei ihnen Area, welche eben so spitz
anfängt und mit Anwachsstreifen in der Rreite zunimmt, wie bei der Tere-
bratel, bei Delthjris und Cyrthia. Die Ähnlichkeit beider wird hierdurch
so grofs, dafs Defrance durch sie sich hat verleiten lassen, eine gar nicht
zu bezweifelnde Delthj-ris, kleine Individuen von Spirifer cuspidatus Sow.,
als eine neue Art der Calceola anzusehen, und Deshayes hat ihm dieses
geglaubt (Ericjcl. method. Vers II. Calceole).
Ich kehre noch einmal zur Betrachtung der inneren Organisation der
Terebrateln zurück; denn noch sind die Eigenthümlichkeiten, wodurch diese
aufserordentlichen Muscheln sich vor allen anderen auszeichnen, nicht er-
über Terebrateln. 39
schöpft, und noch gieht es unter diesen einige, welche die Gestalt und die
Veränderungen der Schaale beherrschen; das. Einzige, was zur Bestimmung
der Arten bei fossilen Terebrateln benutzt werden kann. Es ist bekannt,
dafs die Bivalven durch Muskeln vereinigt und zusammengehalten werden,
die an der Schaale sich befestigen und mitten durch das Thier auf dem kür-
zesten Wege von einer Schaale zur anderen fortgehen. Ein Muskel, fast in
der Mitte der Schaale, bestimmt die Classe der Monomyaren, zwei Mus-
keln, nahe am Schlofsrande, unter den Zähnen, die der Dymyaren. Te-
rebrateln aber haben vier Muskeln, die beide Sehaalen mit einander verbin-
den. Sie sind ihnen auch sehr nothwendig. Denn andere Muscheln wer-
den, aufser dem Schlosse, noch durch ein hornartiges und sehr elastisches
Ligament vereinigt; dieses Ligament aber findet sich niemals in irgend einer
Art der Brachiopoden. Selbst das kräftige Schlofs würde nicht hinreichen,
die vom ganzen Thier gedrückte Unterschaale am Herabfallen zu hindern,
wenn nicht die vier Muskeln auf die künstlichste Weise Alles wieder verei-
nigten. Sie entstehen nahe unter dem Schlofs, und der Eindruck ihrer Ein-
setzung auf der Schaale bildet zwei grofse, und gewöhnlich sehr sichtbare
Vertiefungen. Diese eben sind es, welche, erhöht auf den Steinkernen der
Dellhyris, oder den Hysteroliten, die älteren Petrefactologen zu unanstän-
digen Vergleichungen veranlafst haben. Vom Schlofs gehen aber diese Mus-
keln nicht unmittelbar zur anderen Schaale hin, sondern sie durchkreuzen
das Innere in einer Diagonale, setzen über das Gerüst der Unterschaale weg
und verbinden sich mit dieser letzteren erst in ihrer Mitte, an der Seite der
Franzenarme, und schon weit vor dem Munde. So ist die Lage der beiden
Muskeln, die von der Oberschaale ausgehen. Die beiden unteren Muskeln
scheinen so weit nicht vorzudringen, sondern sich noch vor dem Gerüst an
eine Mittellinie der Oberschaale zu heften, die sich oft zu einem wahren Dis-
sepiment erhebt. Durch diese schiefe Lage der Muskeln sind die Terebra-
teln , wie Cuvier von der Lingula glaubt, nicht allein im Stande, ihre
Schaalen etwas zu öffnen, so weit es die Zähne des Schlosses erlauben, son-
dern auch sie zu schieben, und dies mag ebenfalls nicht wenig zur Ungleich-
heit der Schaalen beitragen. Der Eindruck dieser Muskeln, die grofse Ver-
tiefung im Innern, welche nothwendig an der äufseren Seite der Schaale eine
Erhöhung ist, verliert sich auf der ganzen Länge der Schaale nie wieder.
Zwei divergirende Linien nehmlich setzen die äufsere Begrenzung des Mus-
40 v. Büc h
kels fort bis zum Rande der Schaale, und man kann sie auf jeder Terebratel
ganz deutlich bemerken. Sie bilden überall die äufseren Kanten der grofsen
Bucht in der Mitte (s. Fig. 20. Terebr. vitrea, a.b. sind die Eindrücke des
Muskels, welche durch ein hervorstehendes Dissepiment von einander ge-
trennt sind). Und hierdurch geschieht es, dafs die Oberschaale der glatten
Terebrateln nahe am Schnabel bis fast gegen die Mitte der Länge ausgezeich-
net gekielt ist, und nur erst nach der Mitte anfängt, die Bucht des Rük-
kens bemerken zu lassen. Ist das Dissepiment zwischen beiden Muskeln bis
zum Rande der Schaale fortgesetzt, so bleibt diese Mitte wie ein Rückgrat
erhöht, und die grofse Rückenbucht wird hierdurch in zwei grofse Vertie-
fungen getheilt. Es bilden sich auf diese Art zwei Reihen von Formen der
glatten Terebrateln : die , bei welchen die Vertiefung des Rückens gegen
den Rand einfach ist und auf der unteren Schaale zur Erhöhung wird, und
die, bei denen der Rücken bis zum Rande gekielt bleibt, und von beiden
Seiten von zwei mehr oder weniger tiefen Buchten begleitet ist. Die erste
dieser Reihen wird ausgezeichnet durch Terebratula ornilhocephala Sow.
(s. Fig. 9.), die zweite durch Terebratula biplicata (Fig. 10.). In jener hebt
sich auf der Unterschaale der vordere Theil des Randes, oder was Sowerb v
die Stirn nennt. In dieser senkt sich diese Trennungslinie der Schaalen, und
die Unterschaale ist hier, den allgemeinen Gesetzen entgegen, vertieft.
Weniger auffallend sind die beiden, von den äufseren Seiten der Mus-
keleindrücke ausgehenden Linien oder Ribben der Unterschaale ; allein man
verfolgt sie doch leicht vom Schlofs bis an den Rand. Sie bestimmen die
Grenzen der Wulst, die der Bucht der Oberschaale immer und in allen Ar-
ten entgegensteht, so wie es die Fig. 9 und 10. beobachten lassen, in welchen
a.b.c. die Muskcllinien der Unterschaale, e.f. die der Oberschaale bezeich-
nen. Auf diesen Figuren sind die ersteren Linien (b.c.) von den beiden di-
vergirenden Ribben der Oberschaale eingeschlossen. Es liefse sich auch
wohl das Gegentheil denken, und man würde erwarten können, Arten zu
finden, bei welchen die Ribbenlinien der Unterschaale die einfassenden,
die der längeren oder Schnabelschaale die eingeschlossenen wären. Das
findet man auch in der That, wenn auch selten genug; aber der Charakter
der Terebrateln ist dann so verändert, dafs man in ihnen sogleich wieder
eine neue und zusammengehörende Gruppe erkennen mufs. Glatte Tere-
brateln haben sich unter diesen Arten gar nicht gefunden. Die so nahe
über Terebrateln. 41
zusammengedrängten Ribben des Rückens bilden zwischen sich nicht sowohl
eine Bucht, als vielmehr eine Rinne, welche schon vom Schnabel anfängt
und in zunehmender Tiefe bis an den Rand fortsetzt, und auf der Unter-
schaale steht ihr eine scharfe Wulst oder gar eine Ribbe entgegen. Es ist
die Abtheilung der Loricatae, nach einer alten, schon längst gebrauchten
Benennung.
Auch die Grenze des Überschreitens erreichen die Ribben nicht sel-
ten. Diese Grenze ist ihr Zusammenfallen von beiden Schaalen her, wo-
durch sie sich auf der Stirn zu vereinigen scheinen. Sie bilden dann gleich-
sam erhöhete Ringe oder Reifen über die Länge der Schaale, welche im
Scheitel sich berühren ; und dadurch entstehen wieder eine Menge verschie-
denartiger Formen, die alle von selbst sich in eine Familie zu sammeln schei-
nen ; einige von sehr abenteuerlicher, andere wieder von gar zierlicher Ge-
stalt. Sie haben alle gemein, dafs nicht blofs die Oberschaale in der Mitte
eingesenkt ist, sondern die Unterschaale zugleich ebenfalls, und hieran er-
kennt man diese kleine Abtheilung leicht. Die Arten, aus denen sie besteht,
heifsen Cinctae, die Gereiften. Auch Fabio Colonna's Terebralula di-
phya gehört ihnen an, und vorzüglich die schöne Terebratula trigonella, an
welcher die zusammenstimmenden Ribben oder die Ringe der Schaale be-
sonders stark und deutlich hervortreten (s. Fig. 8, in welcher a.a. die Rib-
ben der oberen, b.b. die der unteren Schaale vorstellen. Die Ansicht ist
vom Scheitel gegen die Stirn).
Es läfst sich nicht erwarten, dafs Organe, wie die Ovarien der Te-
rebrateln, ebenfalls auf die Form der äufseren Schaale von Einflufs sein kön-
nen. Sie ziehen sich an der inneren Seite des Mantels fort, und vertheilen
sich hier in vielen Asten und Zweigen, bis sie den Rand erreichen. So lange
noch etwas von äufserer Schaale übrig bleibt, sieht man sie auch niemals ;
wohl aber, und nicht eben selten, als Abdruck auf inneren Steinkernen.
Fig. 17. ist eine genaue Abbildung der Ovarien auf dem Kern einer Terebra-
tula lacunosa von Randenberg bei Schaffhausen, und, dieser ganz ähnlich,
findet man sie auf Dolomitkernen derselben Terebratel aus der, dem Zech-
stein analogen Formation des Dolomits von Humberton in Yorkshire. Es
sind gleichsam vier Hauptstämme, welche alle unter den Muskeln am Schlosse
entstehen, auf jeder Seite einer, und dies eben so auf der gröfseren, wie
auf der kleineren Schaale. Der Stamm ist mit der Ribbe gleichlaufend und
Phjs. AbhandL 1833. F
42 v. Buch
sendet drei Hauptäsle auf der Seite gegen den Rand. Der erste dieser Aste
zertheilt sich wieder in kleinere, die den gröfsten Theil des Raumes dieser
Seite umspannen. Den beiden folgenden Asten bleibt dann zur Verbreitung
ihrer Zweige nur noch ein kleiner Raum übrig. Ob diese Art der Verthei-
lung ein allgemeines Gesetz sei, auch für Ovarien der andern Abtheilungen
von Terebrateln, müssen künftige Beobachtungen entscheiden. Die Orbicula
norvagica besitzt ganz ähnliche Ovarien, welche von Otto Friedrich Mül-
ler in der Zool. Dan. vortrefflich abgebildet worden sind.
Von der geognostischen Vertlicilung der Terebrateln.
Ohne ihre Abdrücke in den alleren Gesteinschichten würden uns die
merkwürdigen , für die Entwickelung der Kenntnifs der Brachiopoden so
nothwendigen Geschlechter Leptaena [Producta) und Delthj ris (S/jirifer) eben
so unbekannt geblieben sein, als die Folge indo-bactriseber Könige ohne
die Münzen. Denn, weit entfernt, noch lebendig gefunden zu werden, ver-
schwinden sie bald in der Reihe der Formationen und erscheinen in neueren
Schichten nicht wieder. Daraus wird es auch wahrscheinlich, dafs sie in
der That zu verdrängten Geschlechtern gehören, und nicht etwa jetzt noch
in der Tiefe des Meeres gefunden werden könnten. Denn Muschelkalk und
Juraschichten sind wahrer Meeresboden, und belehren uns ziemlich voll-
ständig über das, was zur Zeit ihrer Bildung in der Tiefe gelebt hat. Ein
Sprung aber über so viele Formationen weg, um in dem jetzigen Zustande
der Erdoberfläche wieder zu erscheinen, ist nicht in den Gesetzen der Natur.
Auch verschwinden die vergangenen Gestalten nicht plötzlich, sondern einige
Spuren finden sich von ihnen immer noch in den Formationen, welche ihnen
zunächst liegen ; und zugleich mit ihrem Verschwinden erscheinen andere
Geschlechter dieser Classe, die sie zu ersetzen scheinen. Die Terebrateln,
welche in älteren Schichten mit Delthyris und Leptaena nur selten und nur
sehr untergeordnet vorkommen, vermehren sich, bilden endlich ganze Schich-
ten und zeigen sich dann in einer Mannigfaltigkeit der Formen, von der sie
bei ihrem ersten Auftreten weit entfernt waren. Die ersten und ältesten Te-
rebrateln in der Transitionsformation sind fast alle gestreift, und sehr eng
und scharf gestreift, selten wirklich gefaltet ; eben so selten ganz glatt. Die
breit gefalteten verlieren überdies ihre wenige Falten im Alter; sie werden
über Terehraleln. 43
auseinandergezogen und vergehen. Zugleich sind auf diesen gestreiften Te-
rebrateln die Anwachsringe sehr ausgezeichnet, sogar an ihrem Rande etwas
erhöht, wie Schuppen. Dadurch entsteht auf der ganzen Muschelfläche eine
schroff hervortretende, gitterartige Zeichnung, welche gar vielen Arten die-
ser Formalion ein eigenthümliches und nicht zu verkennendes Ansehn giebt.
Das Thier, was in diesen Schaalen gelebt hat, scheint bedeutend schwerer, als
ein Thier neuerer Terebrateln ; denn es senkt sich ganz in die Unterschaale
und dehnt sie aus. Die Oberschaale bleibt flach, mit einer seichten Bucht in
der Mitte, welche am Rande sich herabzieht und auch noch ein grofses Stück
der Unterschaale umgiebt. Der Rand oder die Stirn dieser letzteren steht
fast allezeit höher, als die Mitte der Schaale, und ihr Schnabel wird durch
die Ausdehnung so nahe an den Schnabel der Oberschaale gedrückt, dafs
alle Spur von Area verschwindet und auch die Öffnung des Heftmuskels
ganz versteckt liegt. Dalimann hat die Art der Entstehung dieser Eigen-
thümlichkeit übersehen und glaubt, diese Terebrateln hätten gar keine Öff-
nung. Er machte aus ihnen ein eigenes Geschlecht und nannte sie Atrypa.
Zu ihnen gehören vorzüglich Tereb. Pugnus von Martin, Tereb.acuminala,
afjinis, jdatjloba von Sowerby, helerotjpa, selbst auch T. prisca Schi, und
die zu ihr gehörigen T. aspera, explanata elc. } wenn auch bei ihnen die Mitte
höher ist, als die Stirn; und durch sie wäre allein schon die Transitionsfor-
mation weit von den neueren Bildungen entfernt worden. Durch Terebra-
tula tetraedra und triplicala im Lias wird diese Form in neueren Schichten
übertragen und mit der kleinen, aber zu Millionen vereinigten Terebratula
varians Schi, endigt sie sich in den mittleren Schichten der Juraformation.
Man erkennt auch diese fortwährend an dem Hervorstehen der Stirn der un-
teren Schaale über ihrer Mitte, wenngleich die Öffnung des Schnabels nicht
mehr versteckt bleibt.
Die ausgezeichneten und schönen Terebrateln der unteren Juraschich-
teil, Tereb. plicatella Sow., Tereb . decorata Schi., Tereb. coneinna Sow.
vermitteln den Übergang der Pugnaceen zur Form der Concinneen.
Noch immer ist die Gröfse der Unterschaale mächtig überwiegend, einem
angeschwollenen, verzierten Gefäfs ähnlich; allein die gröfste Höhe dieser
Schaale ist in der Mitte, nie mehr am Rande. So steigt diese Form bis zu
ihrem Mittelpunkt, der Terebratula lacunosa Schi., in den oberen Jura-
schichten, dem Coral Rag, Kelloway rock, in den Schichten der lithogra-
F2
44 v. Buch
phischen Steine von Solenhofen und der Höhlen von Muggendorf. Die
Höhe der Unterschaale erreicht nun kaum noch die Hälfte der Länge, und
die Breite ist ansehnlich vermehrt. Das Thier ist weniger von der Schwere
beherrscht und kann sich leichter in der Schaale schwebend erhalten. Mit
den weit ausgedehnten, fast geflügelten Terebratula plicatilis, alata } Vesper-
tilio verschwindet in der Formation der Kreide diese Form wieder und in der
Tertiärformation erscheint sie nicht mehr. Unter den lebendigen Terebra-
telu hat man gefaltete noch niemals gesehen.
Beständiger sind die glatten Terebrateln. Nicht häufig, doch eigenthüm-
lich ist ihr Anfang in der Transitionsformation, aber schnell vermehren sie sich,
und schon im Muschelkalk scheinen sie die einzigen, in dieser durch ihre
Producte so sonderbar isolirt stehenden Formation zu sein. In den mittleren
Schichten des Jura erreichen sie ihre gröfste Höhe, sowohl in Ausdehnung der
Individuen, als auch im Reichthum an Arten; doch nur, so weit man beob-
achten kann. Denn es wäre leicht möglich, dafs sie noch jetzt zu den Über-
wiegenden gehören. Terebrateln sind ausgezeichnet pelagische Muscheln,
welche nie die Küsten berühren, auch nicht einmal nach ihrem Absterben
jemals am Rande ausgeworfen werden. Was wir von den lebenden Gestal-
ten erfahren, beruht fast allein auf die wenigen Arten, welche sich an an-
dere Meereskörper festhängen und mit ihnen aus der Tiefe heraufgezogen
werden. Grofse Individuen , die am Felsen oder am Grunde des Meeres
hängen, bleiben uns unerreichbar. Dafs sie doch in dieser Tiefe so selten
nicht sein mögen, wird sehr wahrscheinlich, wenn man sieht, dafs nicht al-
lein die gröfsten von allen glatten Terebrateln in Tertiärgebilden gefunden
werden, sondern auch, dafs man wirklich lebendig alle glatte Gestalten er-
halten hat, die in Juraschichten vorkommen, Terebratula biplicata, welche
lebendig unter dem Namen von Terebr. rotundata bekannt ist, und Terebr.
ornilhocephala, die sehr wohl unter den Lebenden ihren Repräsentanten in
der Tereb . globosa findet (Encycl. Tab. 239.) Auch die Loricaten sind
eine Form, welche neueren Schichten angehört; sie werden erst in den ober-
sten Juraschichten auffallend und verlieren sich nicht wieder; denn unter
den lebendigen Terebrateln wird immer die gröfsere Zahl aus solchen be-
stehen, die ein gerades Schlofs mit einem discreten Deltidium vereinigen.
Sie haben ein sehr kurzes Ligament, kleben sich deshalb sehr fest an andere
Körper, so sehr, dafs ihre Unterschaale dadurch häufig ganz flach wird, und
über Terebrateln. 45
daher zieht man sie leicht mit Corallen und anderen Seegewächsen aus der
Tiefe herauf. Zu ihnen gehören Tereb. truncata, decollata, scobinata, rubra
und disculus von Pallas, und wahrscheinlich wird sich bei gröfserer Auf-
merksamkeit ihre Zahl noch bedeutend vermehren. Dennoch giebt es keine
Art dieser Section, welche man mit fossilen für völlig identisch halten könnte;
auch beschränkt sich diese völlige Gleichheit bis jetzt nur auf gar wenige
Arten, vielleicht gar nur auf zwei oder drei. Terebratu/a vitrea ist in der
Kreide nicht selten, und Tereb. striatula von Mantell und Sowerby, die
in Kreide und oberen Juraschichten vorkommt, unterscheidet sich wenig
von der sehr bekannten Terebratula caput serpentis. Höchst auffallend aber
ist es, dafs einige lebendige Arten die so lange vermifsten Formen der Tran-
sitionsschichten wieder zurückrufen. Tereb. psiltacea scheint ein Modell der
so sonderbar gestalteten gigantischen Terebrateln der Eifel, die man Strigo-
cephalus Burtini und Unciles grjphoides genannt hat. Der Schnabel der
Oberschaale ist gewaltig vorgezogen, wie ein Schiff, und das Deltidium, was
den Heftmuskel in die Spitze dieses Schnabels hinauftreibt, umgiebt den
Muskel, wie in gefalteten Arten ; dabei ist. es zugleich auch discret. Wenn
auch beide Flügel sich schon längst vereinigt haben, so ist ihre ursprüngliche
Trennung doch immer noch durch eine stets fortlaufende Scheidelinie zu be-
merken ; und dies findet sich an anderen Terebrateln so deutlich nicht wieder.
Eintheilung der Terebrateln.
Ohne genaue Einsicht der Stelle, welche die Terebrateln in der Ver-
wandtschaftssphäre der Brachiopoden einnehmen, wird es immer schwer,
vielleicht unmöglich sein, eine genaue und vollständige Charakteristik des
Geschlechtes zu geben und es bestimmt zu umgrenzen. Ein flüchtiger Blick
auf die anderen Geschlechter der Brachiopoden wird aber diese Verwandt-
schaft leicht hervortreten lassen; um so mehr, da bei den wenigen Ge-
schlechtern , aus denen sie bestehen , bei ihrer scharfen Absonderung von
anderen Classen von Mollusken, es immer noch möglich ist, einen logischen
Eintheilungsgrund, ohne eben das Gleichartige gewaltsam und schädlich zu
trennen, ziemlich consequent durch die ganze Classe zu führen.
Dieser Eintheilungsgrund liegt in der Art der Anheftung dieser Ge-
schöpfe. Ihre ganze Lebensart, ihre Form und Ausbildung wird durch diese
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über Terebraleln, 47
Das Delüdium bezeichnet also der Terebratel genau ihre Stelle. Wäre
bei der Lingula das Ligament mit einem solchen kleinen Schaalstück umge-
ben, so würde es ganz gegen die Oberschaale gedrängt werden, und die
Gleichheit beider Sehaalen würde verschwinden. Wäre es bei der Terebra-
tel weniger bestimmt, so würde sie auf der Area fester aufliegen und mehr
gegen die Seiten, weniger in der Länge sich ausbilden. Die grofse Area der
Delthyris ist Folge des Mangels eines Deltidiums. Der Muskel verläfst immer
mehr die obere Spitze und zieht sich gegen das Schlofs. Dafs einige Fasern
aber doch noch immer bis in die Spitze hinaufreichen, wird hinreichend
durch die Krümmung des Schnabels erwiesen, welche sogar zuweilen einen
grofsen Theil der Area versteckt. — Der Deltli) ris ganz nahe steht die Cal-
ceola ; gewifs viel näher, als man dem ersten Anschein nach glauben sollte.
Bei der Cyrtlna ist schon drei Viertheil der Seite Area, und ein grofser Theil
der unteren Schaale ist auf die Seite der oberen geworfen. Bei der Calcc-ola
ist die eine Seite ganz Area, und die kleinere Schaale liegt mit dem oberen
Theile der gröfseren auf dieser Area, wie auf einer Basis. Die Schwere des
Thieres wirkt nicht mehr auf diese Schaale, daher hat sie nicht mehr in der
Mitte eine Wulst oder die obere Schaale eine correspondirende Vertiefung;
daher bedürfen die Schaalen auch nicht mehr der starken Zahnbefestigung
am Schlofs, wie in Terebratula und DeltJiyris. Ein Zahn in der Mitte, der
sich in eine gegenüberstehende Vertiefung senkt, ist für den Zweck des Zu-
sammenhaltens völlig hinreichend. Die Area selbst, beweist durch ihre ho-
rizontale Anwachsstreifen und durch ihre ebene Fläche, dafs sie aufliegt,
daher nolhwendig am Boden befestigt sein mufs, aber nicht durch Fasern,
welche bis in die Spitze hinaufreichen ; denn diese Spitze löst sich ab und
ist gewöhnlich nach Auswärts gebogen, nicht nach Innen zu, wie bei Del-
thyris. Die Area selbst beider Geschlechter hat noch eine sehr merkwürdige
Übereinstimmung, welche unmittelbar ihre sehr nahe Verwandtschaft er-
weist. Die Horizontalstreifen nämlich sind auf beiden durch senkrechte Li-
nien gitterartig getheilt. Sie sind viel stärker am Schlofs und werden häufi-
ger und feiner gegen die Spitze. Offenbar ist es der Eindruck eines Organs,
welches am Schlofsrande hervordringt, und wahrscheinlich werden es wohl
Muskelfasern sein, um sich damit zu befestigen. Auf der Area der Tere-
bratel bemerkt man solche senkrechte Streifen niemals, der Delthyris sind
sie wesentlich und werden niemals vermifst. Und durch sie wird ein Über-
48 v. B u c h
gang oder eine Verwandtschaft zur Leptaena vermittelt, wenn nehmlich der
Delthyris Area ganz zusammensinkt und verschwindet.
Wie nahe stehen nun wieder Leptaena und Orbicula ! Die flache Un-
tersehaale ist heiden gemein ; in beiden ist das Thier in die Oberschaale ge-
gedrängt und wächst in die Höhe herauf; und auch das Schlofs der Leptaena
ist mit seinen schwachen Zähnen schon ganz der Übergang zum zahnlosen
Schlofs der Orbicula. Beide liegen mit ihrer unteren Fläche fest auf dem
Boden, und nichts bleibt bei ihnen noch schwebend.
Nicht ganz auf diese Art hat Deshayes die Verwandtschaften der
Brachiopodengeschlechter aufgefafst, wenn auch gewifs besser und genauer,
als alle seine Vorgänger. Seine Eintheilung ist folgende {Encycl. melhod.
Vers II, Brachiop.) :
I. Muscheln, welche durch ein mehr oder weniger langes sehniges Band
festhängen.
A. Band am Schlofsrande:
Lingula, Terebratula, Spirifer, Strigocephalus, Producta, Magas.
B. Band durch eine Öffnung in der Mitte der unteren Schaale:
Orbicula.
IL Muscheln, die nur mittelbar festhängen und im älteren Zustande frei
werden.
Thecidea, Crania, Calceola.
Zuverlässig ist Calceola mehr an den Boden geheftet, als Producta.
Wer aber möchte Crania von Orbicula trennen, oder Calceola von Spirifer !
Die Terebrateln vertheilen sich, wie es mir scheint, ziemlich natür-
lich in fünf grofse Abtheilungen, welche das folgende Bild umfafst:
über Terebrateln.
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50 v. Buch
Erklärungen.
Jede Terebratel besteht aus zwei Schaalen, von welchen die untere
die Ventralschaale heifst, die nach oben gerichtete aber die Dorsal-
schaale. Bei der Beschreibung wird jederzeit die zu beschreibende Fläche
nach oben gehalten, auf solche Art, dafs die Scheidung beider Schaalen in
eine mittlere Horizontallinie falle, und die Theile werden beschrieben, wie
sie in dieser Lage erscheinen. Die Kanten, welche die Schaalen unigeben,
ihre Lage, Form und Verhältnifs werden beobachtet und beschrieben, wenn
die Ventralschaale oberwärts liegt. Auch ist in den Zeichnungen stets die
untere, Ventralschaale nach oben gerichtet, weil die Muschel in den Samm-
lungen mit dieser Schaale oberwärts liegt. Die Spitze der Dorsalschaale
heifst der Schnabel, die Spitze der Ventralschaale der Buckel (natis).
Der Umrifs der Terebratel ist allezeit ein Pentagon (Tab. II, Fig.20.
21. 22.). Von den Seiten, welche dieses Pentagon einschliefsen, heifsen die
dem Schlofs zunächst liegenden AB, AC die Schlofs kanten. Sie umge-
ben die gröfsere Dorsalschaale und den Schnabel. Die an den Seiten lie-
genden Kanten BD, CE sind die Randkanten; die untere, die Randkanten
verbindende DE, heifst die Stirnkante oder die Stirn. Sie beendigt gemei-
niglich eine Vertiefung in der Mitte der Dorsalschaale, nehmlich die Bucht
oder den Sinus. Dieser Vertiefung entspricht auf der anderen Schaale eine
Erhöhung, die Wulst (jiigum).
Der Winkel, den die Schlofskanten einschliefsen, ist der Schlofs-
kantenwinkel; er ist entweder gerade (Fig. 22.), oder stumpf (Fig. 20.),
oder spitz (Fig. 21.), je nachdem die Schlofskanten im stumpfen oder spitzen
Winkel, oder in einer geraden Linie sich vereinigen.
AF ist die Länge der Muschel, BC ist die Breite ; und die auf der
Länge und Breite senkrecht stehende gröfste Dimension ist die Höhe oder
die Dicke.
Das die Öffnung des Schnabels verschliefsende kleine Stück, von ab-
gestutzt deltoider Form, welches auf dem Schlofsrande aufsitzt (/.a.b. Fig.
1 - 4.), heifst das Delüdium. Die dreieckige Fläche, welche vom Schlofs-
rande bis zum Schnabel aufsteigt (/.cd. Fig. 1 - 4.), wird die Area genannt.
über Terehrateln. 51
Diagnosen können vollständige Beschreibungen niemals ersetzen. Des-
halb sind sie eher schädlich als nützlich. Denn, sind sie zur schnellen Er-
kennung oder zur scharfen Sonderung der Arten gut ausgewählt, so werden
sie abhalten, durch das Auffassen aller in einander greifenden Verhältnisse
sich eine vollständige und deutliche Vorstellung der ganzen Gestalt, mit wel-
cher man sich beschäftigt, zu erwerben. Sie verleiten, die Unterschiede
der Naturkörper nur zu studieren, um aus diesen einen Catalog zu entwer-
fen, nicht, wie es doch sein soll, um sie zu einem allgemeinen, vollständi-
gen und harmonischen Bilde zusammenzusetzen. Sie schwächen und entfer-
nen die Neigung nach den Ursachen der Verschiedenheiten und der Ähnlich-
keiten zu forschen. Es mag bequem sein, durch eine einzige Thatsache eine
Art auf das Bestimmteste von allen ihr ähnlichen unterscheiden zu können ;
da aber alles in den organischen Gestalten in wechselwirkender, organischer
Verbindung steht, so wird auch alles Übrige mehr oder weniger verändert
sein müssen. Wer aber möchte es wohl unternehmen, zu beweisen, dafs,
was man als das Bestimmende hervorgehoben hat, auch wirklich alle andere
Veränderungen der Gestalt beherrscht habe? Tst aber dieses nicht, so hat
man eine Cabinetsbequemlichkeit dem wahren Studium der Natur unter-
geordnet. Die Diagnosen der Terebrateln sind überdies besonders un-
glücklich gerathen. Fast alle Naturforscher wiederholen, nicht blofs, was
ganzen Abtheilungen, ja sogar auch, dem ganzen Geschlechte gemein ist;
wie die Perforation des Schnabels, die ungleibhe Gröfse der Schaalen, oder
die Anwesenheit eines Sinus in der Dorsalschaale. Auch alles Übrige, was
sie anführen, ist gewöhnlich so wenig bestimmend und bezeichnend, dafs
man es selten mit der Gewifsheit benutzen kann, dadurch auf festen Boden
zu treten. Nur Dal man und Nielfson sind in dieser Hinsicht auszu-
zeichnen. Bei der Beschreibung läuft man weniger Gefahr, nur allgemeine
Kennzeichen anzuführen und das besonders Auszeichnende zu übersehen.
Um jedoch dieses Auszeichnende so viel als möglich sogleich hervortreten
zu lassen, ist in der Beschreibung Alles, was die Art von der ihr zunächst
stehenden vorzüglich und auffallend absondern kann, durch andere Schrift
besonders hervorgehoben und bemerklich gemacht worden.
Der Gang der Beschreibung ist folgender: Allgemeine Ansicht der
ganzen Gestalt. Betrachtung der Ventralschaale, diese nach oben gelegt.
Sie hat den Vorzug, weil ihre Form, fast in allen Abtheilungen, am meisten
G2
52 v. Buch
bezeichnend ist. Betrachtung ihres Längenprofils, ihres Queerprofils, ihrer
Seiten. Schlofsrand. Schlofskantenwinkel. Schlofskanten. Randkanten.
Stirn. Area. Deltidium. Betrachtung der Dorsalschaale, diese nach oben
gelegt. Sinus. Flügel. Falten; ihre Richtung, Form und Zahl. Dimen-
sionen nach Länge, Breite und Höhe. Die Dimensionen beziehen sich auf
die Länge als Einheit, aufser die Breite des Sinus, welche mit der gröfsten
Breite der Muschel verglichen wird. Die Zeichnungen der bisher wenig rich-
tig oder gar nicht abgebildeten Arten hat man der kunsterfahrnen Hand eines
jungen und talentvollen Naturforschers, des Herrn vonPlanitz, zu ver-
danken.
PLICATAE, Die Gefalteten.
Die ganze äufsere Fläche beider Muschelschaalen ist mit Längenfal-
ten bedeckt, welche, vom Schnabel aus divergirend, am Umfange des Ran-
des sich endigen.
Die Falten liegen ohne besondere Auszeichnung oder Symmetrie neben einander, und eine
besonders auffallende und regelmäßige, von beiden Seiten gleichförmige Theilung
der Flache bewirken sie nicht.
I. PLICOSAE, Einfach Gefaltete.
Die Falten über den Schaalen bleiben seit ihrem ersten Entstehen am
Schlofs gleich in der Zahl und vermehren sich nur in der Breite. Ihre
Form, im Durchschnitt, ist die eines Daches. Breite Basis und ebene, ge-
neigte Seitenflächen, welche oben in einer scharfen Kante zusammenstofsen.
In einigen seltenen Ausnahmen theilen sich einige Falten gegen den Rand
hin; allein es sind immer nur sehr wenige, und auch dann vergröfsert sich
dennoch die Breite der Falte in ihrem weiteren Fortlauf gegen den Rand.
Das Deltidium ist jederzeit umfassend (amplectens), oder es hebt sich von
der Basis der Area an der Öffnung des Schnabels herauf, weit über den ho-
rizontalen Durchmesser dieser Öffnung hinweg; meistentheils wird die ganze
Öffnung davon, selbst oben, wie mit einem feinen Ringe umgeben.
Da die Falten gegen die Spitze der Schaalen immer feiner werden, so verschwinden sie end-
lich dem Auge oder werden leicht abgerieben, wahrscheinlich auch schon bei dem
Leben des Thieres. Daher erscheinen Schnabel und Buckel entweder glatt oder doch
nur schwach gestreift. Mit einer Loupe erkennt man dennoch die Fortsetzung einer
jeden Falte ganz deutlich. Noch niemals hat man Einfach Gefaltete unter den leben-
digen Terebrateln gesehen.
über Terebrateln. 53
J. PUGNACEAE.
Tab. I, Fig. IS. 19-
Der Rand an der Stirn der Vcntralschaale steht höher, als ihre Mitte.
Die inneren Theile drangen sich gänzlich nach der vorderen Hälfte der Muschel und
verlassen die Gegend des Schlosses, oder, da die Ventralschaale die untere ist, so drücken
sie durch ihr Gewicht den mittleren Thcil dieser Schaale am Rande herunter. Die Ober-
schaale folgt dieser Bewegung, und der Sinus senkt sich vom Dorsalrande tief herab, recht-
winklich auf die Richtung der Dorsalschaale selbst. Diese Gestalten haben wenig Neigung,
sich in der Breite auszudehnen. Auch übertrifft sogar recht oft ihre Dicke die Länge und
Breite, welches bei anderen Abtheilungen nicht so leicht wieder vorkommt. Die obere oder
Dorsalschaale ist nur ein flacher Deckel auf der anderen, alle inneren Theile wie eine Büchse
einschliefsenden Schaale. Die Falten sind immer einfach.
1 . Teeebratula acuminata Martin.
Martin Fossilia Derbiensia Tab. 32. Fig.5-8. Sowerby Tab. 324. Fig. 1 u. 3
Tab. 495. Fig. 1-3. Encjcl.method.2h6. Fig. 1. mala.
Ohnerachtet diese merkwürdige Tercbratel fast immer ohne Falten gesehen wird, so
kann man sie doch, ihrer so nahen Verwandtschaft wegen, von der Abtheilung der Pugna-
ceen nicht trennen. Sie ist gleichsam die äufserste Grenze dieser Form. Auch ist sie wirk-
lich nicht ohne Falten. Die Spuren der Seitenfalten entdeckt man mit einiger Aufmerksam
keit ziemlich oft; sie sind nur in jungen Muscheln auffallend, werden aber in den älteren
auseinandergezogen und verwischt. Sowerby hat Tab. 495. solche Muscheln gezeichnet, an
denen auch noch im Sinus und auf der Wulst Falten zu bemerken waren.
Von welcher Seite man auch diese Terebratel ansehen möge, so erscheint der Um-
rifs jederzeit als ein gleichschenkliches Dreieck, die Ventralseite im Gesicht, sogar als
ein gleichseitiges Dreieck; sie verdiente daher mit vollem Rechte den Namen T. te-
traedra, weit mehr als die, welche von Sowerby mit diesem Namen belegt worden ist.
Das Mifsverhältnifs beider Schaalen ist ungemein grofs. Die Dorsalschaale ist wirk-
lich nur ein Deckel auf der tief herabhängenden Ventralschaale; diese letztere ist daher wohl
12 bis 16 mal dicker. Sie hebt sich vom Schlofs herauf Anfangs so steil, dafs sie sogar
eine Zeitlang überhängend wird; und den Rand erreicht sie unter einem Winkel,
der 45 Grad übersteigt. An diesem Rand wird sie vom Sinus der Oberschaale in einer
dreiseitigen Spitze berührt, von welcher die beiden dachförmig abfallenden Seitenhälf-
ten der Schaale zwei Seiten, die zungenartige Fläche des Sinus die dritte bilden. Fällt
man aus dieser Spitze einen Perpendikel auf die Dorsalschaale, so wird diese
genau im Mittelpunkt ihrer Fläche erreicht.
Der Schlo fskanten winkel ist sehr stumpf, gewöhnlich von 130 Grad. Die
Schlofskanten selbst sind mehr als doppelt so grofs, als die mit ihnen in AJbrundung verbun-
54 v, Buch
denen Randkanten; allein sie sind bedeutend kleiner, als die besonders breite Stirnkante. Die
Area ist durch keine Kante von der Dorsalfläche getrennt; sie hebt sich aber zu einem flach
gewölbten Ohr, dessen Länge fast die ganze Länge der Schlofskante einnimmt. Die Öff-
nung iles Schnabels bleibt stets unter der Ventralschaale verborgen. Ein gewaltiger Sinus,
der drei Viertheile der ganzen Breite einnimmt, senkt sich seit der Mitte in die Dorsalschaale
mit flach gegen einander gekehrten Seiten, welche vorzüglich gegen die Spitzen wie eine
Dachrinne zusammenstolsen. Seit der Stirn wendet sich dieser Sinus im rechten Winkel ge-
gen die Ebene der Dorsalschaale, seine Seiten convergiren und stofsen endlich in einer Spitze
mit der Ventralschaale zusammen, so dafs diese sogar noch etwas zurückgedrückt wird. Der
Sinus erhält dadurch, wie Sowerby bemerkt, die Form einer grofsen Zunge. Die-
ser Zungentheil ist stets länger, als die Länge der Dorsalschaale selbst; sie übertrifft diese
noch um mehr als ein Viertheil, ja oft fast um die Hälfte.
Die Seitenflügel der Dorsalschaale sind am höchsten unmittelbar über dem Sinus, und
neigen sich von hier sanft gegen das Schlofs in einer allmählig abgerundeten Fläche. Die
Schaalen sind überall fein gestreift, vom Schnabel aus gegen den Umfang, und die Streifen,
so fein sie auch sein mögen, sind doch nur sehr selten, und nur als Ausnahme zerspalten,
dichotomirend.
Länge 100, Breite 159 (154-175), Dicke 146 (144-150), Sinusweite zur Breite 73
( 7 l-"6), Zungenlänge 135 (127-144).
Breite und Dicke vermehren sich bei dem Anwachsen viel mehr, als die Länge. Das
Thier sinkt ganz in die Unterschaale herunter und schwellt sie an, gegen das Schlofs hin.
Diese ausgezeichnete Terebratel erreicht eine Gröfse von nahe an 2 Zoll, sogar sieht
man sie nur selten kleiner. Sie ist bisher nur in England und Irland gesehen worden; hier
aber findet sie sich häufig. Im Bergkalk (mountain limestone) von Bakewell und Buxton.
In derselben Gebirgsart zu Clitheroe Lancashire, zu Scaliber bei Settle in Yorkshire, und
häufig im schwarzen Kalkstein bei Cork in Irland.
2. Terebratula Pugnus Martin.
Martin Fossdia Derbiensia Tab. 22. Fig. 4 und 5. Sowerby Tab. 497 und Tab. 496.
(rcuiformis, platylobä) Tab. 8.3. Fig. 1. {lateralis) Tab. 1. Fig. 19.
Der Umrifs der Ventralschaale nach der Länge steigt ohne bedeutende Curve vom
Schlofs bis zum Rande. Die Spitzen des Randes sind aber wieder etwas herab-
gebogen, wodurch dieser Rand abgerundet scheint. Die Wulst in der Mitte oder der
Sinus der Dorsalschaale enthält 5 (3-6) kaum übereinander hervortretende
Falten; daher ist diese Wulst auf ihrer oberen Fläche breit und wenig gewölb t. Wulst
und Sinus zeigen sich erst, deutlich seit der Mitte der Länge. Die Seitenfalten sind breit
und werden, je mehr gegen die Schlofskan ten, um so undeutlicher, ja diesen Kan-
ten nahe verschwinden sie ganz, vorzüglich in älteren und gröfseren Muscheln. In jüngeren
zählt man 8 bis 9 Falten auf jeder Seite, in älteren nur 5 bis 6 Falten. Der Schlofskan-
tenwinkel ist sehr stumpf, gewöhnlich 130 Grad, und sinkt kaum unter 120 Grad herunter.
über Terebrateln. 55
Die Area ist sehr niedrig, mit flachem, gewölbten Ohr, das mehr als 4 mal langer als hoch
ist. Die sehr kleine, nur in jungen Muscheln sichtbare Öffnung versteckt sich ganz unter
der Ventralschaale, und auch das umfassende Dellidium ist nur selten sichtbar. Die Dorsal-
schaale ist ganz flach, 9 bis 10 mal niedriger als die Ventralschaale. Ihre beiden Seitenflü-
gel, daher auch die Seitenfalten darauf, liegen in einer Ilorizontalebene bis zu den Schlols-
kanten. Sie sind stets deutlicher und weniger verwischt, als die ihnen entgegenstehenden
der unteren Schaale. Der Sinus ist sehr breit; er zertheilt gewöhnlich mehr, als die Hälfte
der ganzen Breite. Die Länge seiner Production von den Randkanten bis zum Stirnrande
der Ventralschaale ist kleiner, als die Länge vom Schlols bis zu den Randkanten.
Das Verhältnifs der Höhe, Breite und Dicke dieser ausgezeichneten Art verändert sich
sich so vielfältig, dafs man oft glauben möchte, ganz verschiedene Arten zu sehen, wenn
nicht offenbare Übergänge und das Durcheinanderliegen an denselben Orten bewiese, dafs
alle diese Formen nur leichte Abänderungen derselben Art wären. Gewifs scheint es, dafs
durch das stete Herabdrücken des anwachsenden Thieres, vorzüglich gegen den Rand, die
Dicke schneller anwachse, als die Länge; auch bleibt diese sogar etwas unter der Rreite zu-
rück. Dabei verschwinden Seitenfalten , oder sie werden auseinandergezogen, die doch nä-
her gegen das Schlols sichtbar waren. Auch hier, am Ursprung, werden sie dann durch
Abschleiiung und Reibung verwischt und zerstört.
Das Mittel einer grofsen Menge einzelner Stücke, deren verschiedene Gröfse sich ohn-
gefähr verhielt, wie 2 : 3, ergab
für die kleinere, Jüngere:
Länge 100, Breite 131, Dicke 92. 4 Falten im Sinus, 8 auf jeder Seite (4 - 9);
für die grölsere, Altere :
Länge 100, Breite 135, Dicke 106. 4 Falten im Sinus, 5 auf jeder Seite (3-6).
Allein auch im Abfall der Mitte der Ventralstirn gegen die Seiten sind die Abände-
rungen zahllos. Einige sind geflügelt, wie T. alala (T. plaljloba Sow.), andere fallen schnell
ab, wie T. concinna (T. reniformis Sow.). Sowerby selbst aber hält alle diese verschie-
nen Gestalten nur Tür Abänderungen einer einzigen Art.
Diese Terebratelart ist vorzüglich auszeichnend für den oberen Transitions -Kalkstein
(jnountain limestone). Als solche ist sie vorzüglich in England gar häufig. Martin nennt
sie für Derbyshire eine gar gewöhnliche Art. In Irland bei Dublin und Cork. Häufig zwi-
schen Skipton und Graflington, Glocestershire.
3. Terebratula ringens n.
T. grimace Herault. Tab. II, Fig. 31. a.b.c.
Eine wunderbare Gestalt. Sie wird besonders auffallend durch das grofse und ganz,
ungewöhnliche Mifsverhältnifs der Länge zur Höhe. Diese letztere ist zuweilen fast dop-
pelt so grofs, als die Länge. Die Ventralschaale steigt Anfangs nicht blofs senkrecht, son-
dern sogar mit einem Bogen überhängend auf. Seit dem Viertheil ihrer Länge aber, wo Sei-
ten und Wulst sich trennen, steigt sie noch mit 70 bis 80 Grad bis zum Rand, wo sie vom
56 v. Buch
Sinus der Dorsalschaale zurückgedrängt wird. Die Wulst bildet eine einzige, glatte, dach-
förmige, aber etwas abgerundete Falte; zwei oder drei dicke Falten fallen halb-
mondförmig auf den Seiten herunter. Sie verlieren sich gänzlich gegen den Anfang.
Der Schlofskantenwinkel ist nahe ein rechter. Die Schlofskanten sind doppelt so grofs, als
die Randkanten. Der Schnabel ist nicht umgebogen; daher ist die, wenn auch kleine Öff-
nung, gut sichtbar, mit einem breiten, umfassenden Dellidium. Die flache Dorsalschaale
wird zum grüfsten Theile durch ihren breiten , tiefen und glatten , faltenlosen Sinus einge-
nommen. Die nächsten Falten der Seiten stehen scharf und spitz, wie Hörn er
darüber: es sind auch bei weitem die stärksten. Zwei andere, viel schwächere Falten ste-
hen viel tiefer, und neigen sich mit den Flügeln gegen die Area. Der Sinus ist vom Rande
weg, zuerst senkrecht, dann im Bogen, sogar zurückliegend gegen die Ventralschaale
fortgesetzt, mit immer mehr zusammenlaufenden Seiten, in Form einer sehr schmalen und
langen Zunge. Dieses zungenförmige Stück ist fast doppelt so lang, als die Schaale. In
der Mitte zieht sich eine Rinne fort, die, je weiter gegen die Spitze, um so tiefer und deut-
licher wird. Anwachsstreifen treten untereinander hervor und bilden von beiden Seiten ge-
gen die Rinne eine federartige Streifung. Durch dieses Hervortreten der späteren Schaalen
wird auch in der That die Vertiefung des Sinus gegen das Ende zu einer über die Seiten
hervorstehenden Wulst erhöht.
Länge 100, Breite 112, Dicke 134.
Diese merkwürdige Art ist vom Ingenieur des mines Herault im unteren Jura
zu Moustiers bei Caen entdeckt worden.
4. Terebrattjla varians Schlotth.
T. socialis Phil., obtrita Defr., Encycl. melhod. Tab.24l. Fig.5. Tab. I, Fig. IS.
Diese kleine und zierliche Terebratel ist da, wo sie vorkommt, zu Millionenweise ver-
sammelt. Ganze Schichten bestehen daraus; und so viele auch vereinigt sein mögen, selten
sieht man sie anders, als in den Verhältnissen einer mäfsigen Haselnufs.
Sie unterscheidet sich von ähnlichen: Vor anderen durch das Aufsteigen der Ventral-
schaale vom Scldofs her. Anfangs mit sehr sanfter, fast unmerklicher Wölbung, unter 45 Grad
bis gegen die Mitte, steigt nun schneller die Schaale und fäll am Rande scharf ab ge-
gen den Sinus. Die Spitzen am Pvande scheinen wie aufgeworfen durch die Falten des Si-
nus. Die Falten der Wulst gehen in gerader Linie vom Schnabel bis zum Rande. Da-
gegen fallen die Seitenfalten in einer Curve herunter, die wenig von einem Zirkelbogen ab-
weicht. Stärker und fast senkrecht sind auf den Seiten die Spitzen an der Basis abgestumpft.
Der Umfang in der Ansicht der Stirnseite ist ein gleichseitiges Dreieck. Die Basis
ist nicht gröfser als die Seiten, und drei Falten bilden oben, wo die Seiten sich vereinigen,
eine nur wenig abgestumpfte Spitze. Schnabel und Area sind sehr klein , doch nicht ver-
steckt. Die Area hat ein niedriges Ohr und eine scharfe Kante gegen den Rücken.
Der Schlofskantenwinkel ist gewöhnlich etwas kleiner als ein rechter. Die Dorsalschaale ver-
bindet sich auf den Seiten an den Schlofskanten mit der Ventralschaale in einer Horizontal-
über Terehrateln. 57
IJnie, welche seit der Hälfte der Kante durch die Falten gezahnt ist. Der Sinus senkt sich
tief seit der Mitte der Länge und zieht auf jeder Seite ein oder zwei Falten mit herunter.
Drei oder vier Falten bleiben ungeändert auf der ebenen Fläche des Sinus. Die nächste
Falte der Seitenflügel über dem Sinus ist auch die höchste, und von ihr aus neigen
sich die anderen Falten im allmähligen Abnehmen der Stärke und in sanfter Rundung
bis zur Area. Die Randkanten sind abgerundet und sehr klein im Vergleich der Schlofs-
und Stirnkante. Hierdurch geschieht es, dafs die gröfste Breite der Muschel schon jenseits
der Mitte der Länge gegen den Rand zu gefunden wird. Vier oder fünf Fal-
ten liegen im Sinus, oft auch bis sieben, oder auch selten nur drei. Grofsere haben acht
bis neun Falten auf jeder Seite, kleinere nur sechs bis sieben, und diese sind die ge-
wöhnlicheren.
Länge 100, Breite 110 (100-116), Dicke 83. Der Sinus ist 0,60 der größten Breite.
In den oberen und höchsten Theilen der mittleren Juraschichten in Deutschland. Sel-
ten wird man die Schicht, die aus diesen Muscheln gebildet ist, vermissen, wenn man der
grofsen, weifsen Felsreihe nahe ist, welche die oberen Juraschichten bildet. Auf diese Art
sieht man sie zu Beggingen und Osternngen im Canton Schaffhausen in unglaublicher Menge,
zu Fürstenberg, bei Bahlingen, am Wartenberg bei Doneschingen, am Bopfinger Nipf, hier
mit etwas weniger erhöheten Piandfalten, über Thurnau bei Culmbach, bei Amberg. Zu
Kllrichserbring in Braunschweig.
In Frankreich ausgezeichnet und den deutschen ganz gleich zu Barjac bei Mende.
Zu Scarborough und Hacknefs Yorkshire in Kellowav Rock. Philips.
Sowerby hat von dieser Art keine Zeichnung; die von Philips Tab. VI, Fig.S.
genügt nicht, und die von Defrance angeführte Abbildung, Encrclopcdie mclhodique
Tab. 241. Fig. 5-, ist sehr schlecht.
5. Terebratt/la livonica n.
Tab. II, Fig. 30. a. b.c.
Der erste Anblick dieser zierlichen Terebratel läfst sogleich die grofse Begelmä-
fsigkeit der Falten hervortreten, mit welchen ihre Oberfläche bedeckt ist. Diese Falten
stehen dennoch nicht scharf und dachförmig hervor, sondern sind, vorzüglich an den Seiten,
eng aneinander gelegt, so dafs meistens nur die äufsere, wenig von der inneren Seite
zu sehen ist. Der vorzüglichste und ausgezeichnete Charakter liegt aber in dem Verbal t-
nifs der Kanten der Dorsalschaale. Die Schlofskanten verbinden sich im gerad ab-
stehenden Schnabel im stumpfen Winkel von nicht völlig 100 Grad. Diese Kanten
sind aber so kurz, dafs eine Linie, welche ihre Endpunkte verbindet, auf dem Rücken
der Schaaie kaum ein Viert heil ihrer Länge abschneiden würde. Zwei viel gro-
fsere Randkanten ziehen sich mit leichter Krümmung und weniger Convergenz gegen die
Stirn und verbinden sich mit dieser durch eine etwas schnellere Krümmung. Daher ist die
Form des Umfanges ein Pentagon mit zwei gegenüber stehenden, abgerundeten Flächen.
Selten werden bei anderen Terehrateln ähnlicher Art die Randkanten um so Vieles die Schlofs-
kanten an Gröfse übertreffen.
Phjrs. Abhandl. 1S33. H
58 v, Buch
Die Ventralschaale steigt ziemlich gleichförmig mit etwa 45 Grad auf und ist nur in
der ersten Hälfte etwas gewölbt. Die Spitzen der Zähne des Randes sind nach vorn etwas
übergebogen. Ein umfassendes Deltidium ist am geraden Schnabel gewöhnlich ziemlich
deutlich sichtbar. Die Area ist klein, und abgerundet gegen den Rücken. Der Sinus der
Dorsalschaale ist bedeutend tief, mit convergirenden Seiten, welche fast in eine Spitze zu-
sammenlaufen. Gewöhnlich sechs, aber auch wohl acht Falten, ziehen sich in diesen Si-
nus herab; allein nur drei, oder höchstens vier Falten erhalten sich im Grunde. Die übri-
gen sind zwar auch auf den Seiten des Sinus immer noch sichtbar, doch werden sie
stets flacher und verschwinden, ehe sie den Rand erreichen. Eben dieses Fortsetzen
und Verschwinden am Rande bemerkt man an der correspondirenden Wulst der Ventralschaale.
Rei anderen Terebratcln werden die Falten gleich in den Grund herabgezogen, und
auf den Seiten sieht man sie nicht. Diese Erscheinung trägt vorzüglich bei, den Falten die-
ser Art ein so regelmäfsiges Ansehn zu geben. Die Seitenflügel der Dorsalschaale neigen
sich mit sanfter und gleichförmiger Rundung gegen das Schlofs. Auf der ganzen Schaale
sind gewöhnlich 32 einfache Falten vertheilt (27-36).
Länge 100, Rreite 102, Dicke 69. Rreite des Sinus 0,5.
Aus Mittel- Lief Iand, durch Herrn von Engelhardt gefunden bei Adsel am Bette des
Aastromes in einer Schicht von weifsem, dichten Kalkstein, in welchem diese Terebratel in gro-
fser Menge vereinigt vorkommt. Alle Stücke gleichen einander vollkommen, sowohl in Form,
als Gröfse, welche gewöhnlich \ Zoll noch nicht ganz erreicht. Zwischen diesen Muscheln
liegen Kerne einer Bivalve, welche durch eine gewundene Diagonal wulst sehr an Avicula
socialis erinnert. Dann findet sich ein langer Fusus mit deutlichem Canal, langer Spira
und bedeutend schneller anwachsenden letzten Windung, mit Knötchen auf der Carina, eine
Form, von der Fusus luberculatus, Encycl.klk. Fig. 4. eine Andeutung geben kann.
Es ist nicht deutlich, zu welcher Formation dieser Kalkstein gezählt werden könne;
da aber Hr. v. Engelhardt sagt, dafs auch Schlo ttheim's Tereb. slrialissima oft hier
vorkomme, so wird es wahrscheinlich, dafs auch dieser Kalkstein vielleicht eine obere Schicht
des Trilobitenkalkes der Gegend von Reval sei.
ü. Ierebratula depressa bow.
Sow. Tab. 502. nebst T. acuta dieser Tafel, (nicht Tab. 150.), compressa Lam.
Die Ventralschaale hebt sich zum Rand mit geringer Wölbung im Anfange, dann in
gerader Linie mit 30 bis 40 Grad Ansteigen. Zuweilen ist überdies der Rand noch etwas
aufgeworfen. Die Seiten bilden zwei herabhängende Flügel. Die Schlofskauten sind grö-
fser als die abgerundeten Randkanten. Der Schlofskantenwinkel ist ungefähr ein rechter,
allein nicht mehr. Der Schnabel ist gerade, abstehend, daher mit sichtbarer Öffnung. Die
Area mit scharfen Kanten gegen den Rücken, bildet ein Haches Ohr, welches die ganze Länge
der Seitenkante einnimmt. Die Falten sind sehr regelmäfsig über beide Schaalen ver-
theilt, scharf und breit, und auch im Sinus nicht verzogen, sondern sie setzen fort an
der Seite von Sinus und Wulst und verlieren sich erst gegen den Rand. Die Falten
Über Terehvatcln. 59
auf dm Seitenflügeln der Dorsalschaale liegen in einer Ebene, auf welcher sie an Starke
nur wenig gegen den scharfen Schlofsrand abnehmen. Alle Falten setzen fort, fast bis in
die Spitze des Schnabels. Auf jeder Seite stehen gewöhnlich 9 Falten und 6 Falten im Si-
nus, 24 bis 25 Falten in Allein (21-26).
Länge 100, Breite 121, Dicke 79, Sinusweite 5S.
Diese Terebratel hat viel Ähnlichkeit mit T. lu-onica, vorzüglich in der Regelmäßig-
keit ihrer Falten. Allein sie unterscheidet sich wesentlich von dieser durch die Länge ihrer
Schlofskanten, durch ihre viel gröfsere Breite, durch das viel geringere Aufsteigen der Ven-
tralschaale, durch die Ebene, in welcher die Seitenflügel der Dorsalschaale liegen, und durch
breitere Falten.
Nicht selten in Kreidemergel, an vielen Orten am See von Neuchatel, hinter Neu-
chatel selbst, zu Haute Rive, bei Cressier, mit vielen anderen Muscheln der Kreideformation
und mit dem, diesen Mergelschichten eigenthümlichen Ammoniles asper Mer. Auch die
englischen von Farrington sind aus Kreide, und auch die französischen aus craie chloriu-e,
Ooulaines bei Mans, Ilavre, Beauvais, Auxerre, Charrie bei Saumur.
7. Terebuatula Schlottheimii n.
Tab. II, Fig. 32.
Eine ganz kleine Terebratel, oft nur linsengrofs, gewöhnlich aber 4 bis 5 Linien lang,
welche man als eine verkleinerte Copie von T. tctraedra ansehen könnte; nur senken sich
bei der ersten die Seiten, wie Flügel; dagegen stehen sie bei T. lelraedra aufrecht, wie
in Concinneen.
Schon seit der Mitte hebt sich die Ventralschaale so wenig, dafs man ihr schwaches
Ansteigen gegen den Rand nur mit einiger Mühe bemerkt. Zuweilen wird auch der
Rand, wirklich etwas übergebogen sein. Die Stirnansicht giebt ein Dreieck mit breiter
Basis, dessen oberer Winkel ein stumpfer ist. Der Schlofskantenwinkel ist ein rech-
ter. Die Schlofskanten sind gerade und lang. Die Linie, welche ihre Endpunkte verbindet,
geht ziemlich genau durch die Mitte der Länge, daher durch den Mittelpunkt der ganzen
Muschel selbst. Sie sind doppelt so lang, als die wenig gebogenen und mit ihnen in etwas
stumpfem Winkel zusammenstofsenden Randkanten. Der Sinus ist im Grunde flach und auf
den Seiten ohne Falten. Gewöhnlich sind aber vier Falten im Sinus und auch vier auf der
flachen und abgeplatteten Wulst der Ventralschaale. Doch kann sich diese Zahl bis
zu zwei vermindern. Sehr auszeichnend ist es, dafs diese Falten von Sinus und Wulst
schmäler und enger sind, als die Falten der Seitenflügel. Auch bemerkt man gar oft
einige, aber nur auf der Wulst und im Sinus, welche dichotomiren. Dieses Mifs-
verhältnifs der Faltenstärke giebt der kleinen Terebratel bei dem ersten Anblick ein etwas
fremdartiges Ansehn. Die Flügel der Dorsalschaale neigen sich sanft gegen die Area, mit
abnehmender Stärke der breiten Falten. Die Area selbst ist mit ihnen nicht in scharfer
Kante, sondern durch Abrundung verbunden. Gewöhnlich findet man 5 oder 6 Falten auf
jeder Seite, daher ohngefähr 14 bis 16 Falten über das Ganze. Oft scheinen die Seiten-
H2
60 v. B u c ii
falten ganz verwischt, und man bemerkt nur die engen Falten auf Wulst und Sinus. Über-
haupt gehen die Falten niemals ganz bis zum Schlofs; daher scheinen junge Terebrateln die-
ser Art ganz faltenlos zu sein. Dies ist auch Schlotth eim's Meinung.
Länge 100, Breite 107, Dicke 68, Sinusbreite 64.
Diese Terebratel ist häufig im Dolomit von Gliicksbrunn bei Meiningen, welcher zum
Zechstein gehört, und durch die organischen Formen, welche sich darin finden, der Transi-
tionsformation näher steht, als dem Muschelkalk. Sie ist von Schlottheim entdeckt und
beschrieben worden (Schriften der Bairischen Akademie VI, 17 seq.). Sie wird von
ihm zu T. lacunosa gerechnet. Allein sehr bald überzeugt man sich , dafs auch diese Art
zu den Pugnaceen gerechnet werden müsse, und auch die Faltenverschiedenheit auf Wulst
und Seiten würde hinreichen, sie leicht von einander zu unterscheiden. Sie wird daher zweck-
mäfsiger den Namen des Entdeckers tragen können.
8. Terebratula telraedra Sow.
Sow. Tab. 83. Fig. h. 5. {media).
Die Ventralschaale steigt nur schnell auf nahe am Schlofs; von der Mitte an gegen
den Rand kann dies Ansteigen kaum noch auf 20 Grad gerechnet werden, oft
auch noch weniger, wodurch wohl zuweilen einige Ähnlichkeit mit T. concinna entstehen
kann. Die Flügel dieser Schaale fallen ziemlich schnell von der Mitte; es bleibt zwischen
Wulst und Flügel eine leere Fläche, auf welcher eine Falte ausgeglichen ist. Diese Falte
ist bis dahin vom ersten Anfang am Schnabel bis zur Mitte der Länge eben so deutlich, als
andere Seitenfalten. Selten ist der Schnabel gebogen, daher bleibt die Öffnung und das um-
fassende Deltidium deutlich sichtbar. Die Area ist klein, aber eben, ungestreift von der
Hälfte der Länge der Schlofskante, mit scharfem Rande und mit einem lang gezogenen
Ohr in einer Vertiefung gegen die Ventralschaale. Der Schlofskantenwinkel ist
sehr nahe ein rechter, zuweilen auch wohl etwas mehr. Die Schlofskanten gehen fort bis
zur Mitte der Dorsallänge und schliefsen sich stumpf an die mit der Stirn gleich breiten
Randkanten. Fünf Falten liegen im Sinus, sieben Falten auf jeder Seite, oder
ohngefähr zwanzig Falten in Allem; eine Zahl, die für den Sinus zwischen 3 und
5, für die Seiten zwischen 5 und 9 Falten schwankt.
Die erste Falte auf jeder Seite ist auch die höchste; alle übrigen Falten
auf jedem Flügel der Dorsalschaale vermindern sich allmählig in Höhe auf einer ziemlich
geneigten Ebene bis zum Schlofs.
In der Stirnansicht erscheint der Umfang als ein Dreieck mit breiter Basis, auf
welchem die Spitze an der Wulst ziemlich gerade abgestumpft ist, und eben so
abgestumpft sind auch die Seitenwinkel.
Auch die, im Vergleich anderer ähnlicher Gestalten nur geringe Dicke lälst sie, mit
anderen Kennzeichen vereinigt, bald und leicht unterscheiden. Die Schärfe der Falten fast
bis zum Schnabel ist ebenfalls dieser Art vor andern eigenthümlich.
über Tevehrateln. 61
Ihre Gröfse erreicht nie die von T. Pugnus oder acuminata. Doch gehört sie auch
nicht zu den kleineren. Gewöhnlich ist sie von der Gröfse einer kleinen Wallnufs.
Länge 100, Breite 103 (100 - 1 1 1), Dicke 76 (73 - 35).
Die meisten englischen von Whilby sind breiter und dabei doch weniger hoch.
Diese Terebratcl gehört besonders den Liasschichten; dann auch noch, aber seltener,
den untersten Schichten des mittleren Jura. Sie ist nicht selten, und weit verbreitet. Häufig
zu Whitby in Yorkshire, im unteren Oolith von Dundry, Ainhoe bei Bath. In Deutschland
oft unter der Kette des Jura zu Pforen am Wartenberg, zu Waldhausen bei Tübingen, bei
Amberg, zu Willershausen bei Nordheim.
9. Terebratula triplicata Phil.
Phil. Yorkshire Tab. XIII, Fig. 22. 24. (jbiplicaia).
Sie ist wenig von T. variabilis verschieden, doch hinreichend und bestimmt genug,
um überall erkannt zu werden. Sie ist im Ganzen weniger gewölbt und kugelförmiger als
T. variabilis. Sie ist breiter als lang. Die Ventralschaale hebt sich nicht mit gleichför-
miger Krümmung, sondern Anfangs fast senkrecht, wendet sie sich bald und steigt his zum
Rand in einer geraden Linie, welche 45 Grad geneigt ist. Die Spitzen am Rande
stehen in die Höhe und sind nicht vorgebogen. Drei Falten liegen auf jeder Seite, 2
oder 3 Falten auf der Wulst, welchen 1 oder 2 F\alten im Sinus correspondiren. Der Schlofs-
kantenwinkel ist etwas gröfser als ein rechter. Der Schnabel ist gebogen; die Öffnung darin
ist klein, läfst aber das umfassende Deltidium deutlich bemerken. Die Area ist schmal, ohne
Ohr. Die Dorsalschaale ist ganz flach, eben; auch die Flügel liegen in einer Ebene, mit
kaum merklicher Neigung gegen die Seitenränder.
Länge 100, Breite 112, Dicke 88, Sinusweite 67.
In oberen Schichten des Lias zu Amberg, bei Whilby in Yorkshire.
10. Terebrattla variabilis Schi.
Leonhard mineral. Taschenb. VII, Tab. 1. Fig.4.
Dicke und Krümmung der Schaale bei fast gleicher Länge und Breite geben
dieser Art ein ausgezeichnetes Ansehn. Die wenigen Falten lassen sich überdies selten bis
zum Schnabel verfolgen. Die Schaale ist im oberen Theile ganz glatt.
Die Ventralschaale steigt schnell, aber mit sehr regelmäfsiger Krümmung
bis zum Rande, wo die Spitzen noch etwas überhängen und eine stumpfe Stirn bil-
den. Der Umfang der Stirnansicht ist ein völliges gleichseitiges Dreieck, von welchem
alle drei Ecken stark abgestumpft sind. Die Dorsalschaale ist durch einen sehr breiten Sinus
zertheilt, der die ganze Stirnbreile einnimmt. Beide Flügel der Schaale liegen in einer
Ebene. Die Seitenkanten verbinden sich unter 80 Grad, daher unter weniger als einem
rechten Winkel. Die Area dehnt sich auf ihrer ganzen Länge hin ; sie hat im Anfange ein
bedeutend hohes Ohr, welches oft eben so hoch als lang ist. Der Schnabel ist umge-
62 v. Buch
bogen und läfst die Öffnung wenig hervortreten. Im Sinus zeigen sich 3 Falten, auf der
Wulst 4, und auf den Seiten sind auch 3 Falten sichtbar, oft nur durch die Spitzen am
Rande. Dieses Undeutliche und Verzogene der Falten ist nicht Abreibung, denn meistens sind
diese Terebrateln noch mit glatter, weifser Schaale versehen. Sie sind von Haselnufsgröfse.
Länge 100, Breite 107, Dicke 93, Sinusbreite 0,69.
Wahrscheinlich aus dem Lias bei Amberg.
1 1 . Terebratula acuta Sow.
Sowerby Tab. 150. Fig.1.2. Philips Yorkshire Tab. XIII, Fig. 25. Encycl. Tab. 255. Fig. 7.
Die Ventralschaale hebt sich vom Schnabel aus in einer geraden Linie bis zum
Rand mit etwa 50 Grad. Es ist vom Anfang an nur eine dachförmige, oben scharfe Falte.
Zwei oder drei andere, wenig deutliche Falten liegen zur Seite. Die Stirnansicht ist ein völ-
lig gleichseitiges Dreieck. Die Länge des Sinus vom Rande herab ist der Länge der
Dorsalschaale gleich. Die Sinusseiten sind glatt, der Boden eine scharfe Linie.
Im Lias zu Wiltoncastle und Bilsdale in Yorkshire, im unteren Oolith zu Staunton-
Hill, Gloucestershire und zu Ilminster. Im deutschen Jura ist diese Terebratel noch nicht
gesehen worden.
12. Terebratula rimosa n.
Ziethen Würlemb. Verst. Tab. 42. Fig. 5.
Sie hat ein ku gel förmiges Ansehen durch die Form der Ventralschaale. Diese steigt
schnell auf, vom Schlots weg, biegt sich aber noch vor der Mitte, und steigt nun weiter
sehr sanft, fast horizontal, bis zum Rand. Bei einigen Muscheln ist sogar das erste
Viertheil höher als der Rand, — indessen kann dies nur als Ausnahme betrachtet werden
und ist nicht häufig. Auch die Dorsalschaale ist nicht eben, sondern in der Mitte auf der
Hälfte der Länge deutlich gewölbt. Der Sinus ist breit und flach, mit wenig hervor-
stehenden Falten zur Seite. Die nächsten Falten über dem Sinus sind bei Weitem die höch-
sten, und von ihnen weg fallen beide Flügel der Schaale sehr schnell mit star-
ker Krümmung gegen die Area. Diese Area hat ein Ohr, zweimal länger als
hoch, in einer Vertiefung der Ventralschaale, und eine etwas scharfe Kante gegen den Rük-
ken. Der Schlofskantenwinkel ist kleiner als ein rechter, ohngefähr von SO Grad. Drei,
vier oder fünf Falten liegen im Sinus, fünf Falten auf jeder Seite, bis zur Hälfte
der Sc hlofs kante. Aber diese Falten bilden nur allein den Rand. Vorn Schlots an
sind sie fast alle gespalten. Die Tiefe dieser Spalten beträgt doch nur die Hälfte der
Intervalle der gröfseren Falten, und dadurch lassen sich diese bis zu ihrem ersten Anfange
verfolgen und unterscheiden. Länge und Breite dieser Terebratel sind völlig gleich grofs,
und auch ihre überall gleichförmige Dicke ist bedeutend.
Länge 100, Breite 101, Dicke 82. Breite des Sinus 0,7 der ganzen Breite.
In Steinkernen werden häufig die Zerspaltungen unscheinbar, und nur die gröfseren
Falten bleiben zurück. Da auch dann die übrigen Kennzeichen sich nicht verändern, so läfst
über Terebrateln. 63
sich dennoch auch dann die Muschel von andern gut unterscheiden. Aber auch wenn die
aufsere letzte Sensale erhalten ist, werden oft die Zerspaltungen nicht gesehen; — am deut-
lichsten und merkwürdig auffallend sind sie an verkiesten Stücken, wie die meisten von den
Terebrateln sind, die im Lias vorkommen.
In den oberen Mergelschichten des Lias überall, unter dem deutschen Jura nicht selten:
so zu Bähungen in Würtemberg, am Plienbach bei Boll, zu Ofterdingen bei Tübingen, zu
Blattenhardt, Denkendorf bei Stutlgard, am Steinbacher Steig bei Kirchheim. In Frankreich
zu Barjac bei Mende.
13. Terebratula furcillata Theodori.
Sie ist der T. rimosa ähnlich ; denn wie diese ist sie mit Falten doppelter Art geziert.
Feinere Falten verlieren sich vor dem Rande, und es bleiben nur wenige und sehr breite Fal-
ten zurück. Allein es ist nicht blofs eine Zerspaltung der gröfseren, sondern zwischen jede
dieser sind wohl 2, 3 oder mehr Falten. Vom Schnabel her sind sie häufig zertheilt (dicho-
tom), welches bei den gröfseren Falten in dieser ganzen Abtheilung der Terebrateln niemals
vorkommt. Gar oft sind sie durch einen Anwachsring wie abgeschnitten, und dann sieht es
aus, als wäre jede Schaale mit einem kleineren, eng gestreiften Plättchen belegt. Doch finden
sich auch bei dieser Art, wie bei T. rimosa, häufig Stücke, Kerne oder auch noch mit er-
haltener Schaale, welche mit keinem solchen gestreiften Plättchen belegt scheinen, so andere,
bei welchen die einfachen, gröfseren Falten allein vom Rand bis zum Schnabel fortsetzen.
Auch dann unterscheidet man sie noch ganz gut von ähnlichen Arten.
Ihre geringe Höhe macht sie besonders bemerklich. Die Ventralschaale steigt zwar
schnell, allein nicht hoch vom Schlofs aus, biegt sich noch vor der Hälfte und erreicht den
Rand fast in einer Horizontallinie. Drei breite Falten stehen an diesem Rande her-
vor, ohne im Geringsten vorn übergebogen zu sein. Drei andere, selten vier Falten, lie-
gen auf jeder Seite und verlieren sich schon am Ende der Schlofskanten. Der Schlofskanten-
winkel ist gröfser als ein rechter, doch nicht leicht bis 100 Grad. Der Schnabel ist gerade.
Die Area hat ein kleines, liegendes Ohr und ist mit starken Anwachsstreifen bedeckt,
welche von der Dorsalschaale herüberkommen und eine Schärfe der Kante verhindern.
Die Dorsalschaale ist in ihrer Mitte etwas gewölbt, mit wenig eingesenktem, brei-
tem, im G runde flachem Sinus, in welchem sich zwei, seltener drei grofse Falten
befinden. Die erste Falte der Seitenflügel ist die höchste; dann fallen diese Flügel mit bedeu-
tender Neigung und Rundung gegen die Area.
Länge 100, Breite 114 (111 - 122), Dicke 70 (61 - 84), Sinusbreite 67.
Diese Terebratel hält in Gröfse das Mittel zwischen der gröfseren T. letraeclra und
der kleineren T. rimosa.
Sie findet sich mit T. rimosa vereinigt in den oberen Mergelschichten des Lias im
Plienbach bei Boll, bei Bahlingen, zu Pforen bei Doneschingen, zu Willershausen bei Nord-
heim, zu Rottorff am Kley bei Braunschweig, am Rautenberg bei Scheppenstedt, unter Kloster
Banz am Main, zu Pont ä Mousson in Lothringen.
64 v, Buch
B. CONCINNEAE.
Tab. I, Fig. 24.
Die Mitte der Ventralschaale ist höher, als der Rand.
Die gröfsere Schwere des Thieres ist in der Mitte der Ventralschaale vereinigt, und sie
drückt diese wie einen Sack nieder. Der Rand der Stirn bleibt hierbei um so mehr zurück,
da dieses Herabdrücken sich weit mehr auf die ganze erste Hälfte der Länge äufsert, als auf
die letzte, gegen die Stirn.
a. INFLATAE.
Tab.I, Fig. 26.
Der Durchschnitt der Breite der Ventralschaale durch die Mitte ihrer Länge bildet in
seinem Umrisse die Hälfte einer in sich zurückkehrenden Curve, eine halbe Ellipse oder Zir-
kelbogen. Der Abfall von der Mitte der Ventralschaale gegen die Seiten ist daher Anfangs we-
nig merklich; näher aber gegen die Seiten wird er so steil, dafs beide Schaalen an den Seiten-
rändern in wenig scharfem , oft rechten Winkel zusammenstofsen. Wulst der Ventralschaale
und Sinus (Bucht) der Dorsalschaale sind in diesen Gestalten wenig merklich, und der letztere
oft nur durch seine Production über dem Rande der Stirn auffallend.
14. Terebratula concinna Sow.
Sow. Tab.SÖ. Fig. 6. Tab.I, Fig. 26.
Der Schlofskantenwinkel ist allezeit kleiner als ein rechter; gewöhnlich
78 Grad. Sehr breiter und flacher Sinus des Rückens, dessen Profil am Stirnrand eine mit den
Randkanten gleichlaufende, aber etwas höher liegende Linie bildet. Oft ist auch dieser Sinus
wenig zu bemerken, und fast erst nur am Rande. Sieben bis acht Falten im Sinus. Die glatte
Area hebt sich zum abgerundeten Ohr, das nur etwa doppelt so lang als hoch ist. Die Sei-
tenfallen umgeben dieses Ohr in flach gedrücktem Bogen und stellen sich, mehr oder
weniger genau, im reichten Winkel auf den Rand. Ohne alle Dichotomie. 33 Fal-
ten über der Rückenschaale (24 - 36).
Länge 100, Breite 95, Dicke 70, Sinusweite 64 der Breite.
In der Erzgrube zu Giengen an der Brenz finden sich oft Terebrateln, welche sich in
anderen Kennzeichen, selbst nicht in Form des Ohres von der gewöhnlichen T. concinna un-
terscheiden; allein sie haben nur 15 bis 20 einfache Falten und nur 5 Falten im Sinus. Man
kann sie doch nur als Abänderungen ansehen.
Die Ventralschaale ist zweimal so hoch als die Dorsalschaale, und zeichnet sich durch
die gleichförmige Rundung ihres Profils aus. An den Seitenrändern verbinden sich beide
Schaalen nicht im spitzen Winkel, sondern in einer geraden Linie.
Das Ohr der Area und der zunächst darüber stehende Theil der Ventralschaale liegen
in einer Vertiefung, welche sich auf der Hälfte der Schlofskante endigt.
In mittleren Juraschichten, wenig in höheren. Avallon, Sanka bei Krakau. England.
über Terehrateln. 65
15. Terebratula decorata Sclilotth.
Encycl. method. Tab. 244. Fig. 2. Tab. II, Fig. 36.
Die Ventralschaale liebt sieb so schnell und so bedeutend, dafs ihre Falten völlig einen
halben Zirkelbogen bilden. Ihre gröfstc Höhe ist sogar etwas vor der Mitte der Länge.
In der Dorsalschaale senkt sich ein Sinus, dessen Anfang schon wenig vom Schnabel entfernt
merklich wird, weiterhin aber sich so sehr vertieft, dafs die ersten Seitenfalten wie Hörner
darüber stehen. Durch die weite Production dieses Sinus über die Seitenränder im rechten
Winkel mit der vorigen Richtung entsteht, dafs der Umrifs der Terebratel, von der Seite an-
gesehen, ein völliges Quadrat wird. Die Falten sind breit und in geringer Zahl. Nur 3
oder 4 Falten im Sinus (2-5), und auch 3 oder 4 auf jeder Seite; 13 Falten in Allem (9-16).
Die Area liegt mit dem Rande der Ventralschaale in einer merklichen Vertiefung, und hebt
sich nur wenig zu einem flachen und sehr lang gezogenen Ohr.
Die Anwachsringe bilden häufig über die breiten Falten fortificationsähnliche Zeich-
nungen. Durch die grofse Aufblähung der Ventralschaale wird sie so nahe gegen den Schna-
bel gedrückt, dafs die Öffnung des Schnabels ganz versteckt und der Schnabel senkrecht herauf-
gebogen wird.
Länge 100, Breite 100 (85-104), Höhe 90 (88-93). Die Breite des Sinus ist 0,71
der ganzen Breite.
Die gröfste Breite ist nahe am Rande, auf solche Art, dafs Randkanten fast völlig ver-
schwinden.
In tieferen oolithischen Juraschichten zu Poix in den Ardennen, zu Moustiers bei Cai-n ;
auch nicht selten zu Amberg. Diese letzteren sind etwas weniger hoch, aber breiter, als die
französischen.
Lamaret hat sie Fälschlich für T. letraedra Sow. gehalten, wogegen schon So-
werby selbst sich erklärt. Auch Schlottheim hat in seiner Sammlung die Amberger für
T. letraedra gehalten. Diese aber gehört zu den Pugnaceen , deren Rand an der Ventral-
schaale sich höher hebt, als die Mitte. In der ausgezeichneten, h ahnen kämm förmigen
T. decorata liegt hingegen die gröfsere und schwerere Masse des eingeschlossenen Thieres
weil mehr nach dem Schnabel zu und zieht daher den mittleren Theil der Schaale gegen den
Schnabel hin.
16. Terebratula inconstans Sow.
Sowerby Tab. 277. Fig. 4.
Der Schlofskantenwinkel etwas mehr als ein rechter, 94 Grad. Die Dorsalschaale ist
breiter als lang; die Schlofskanten doppelt so grofs als die Randkanten. Die Area ist an der
Randkantc abgerundet, und bildet ein flach gewölbtes Ohr, welches mehr als dreimal so breit,
als hoch ist. Die Ventralschaale übertrifft in Höhe mehr als zweimal die Dorsalschaale. Ihre
Seitenfalten senken sich im flachen Bogen nicht völlig senkrecht zum Rande. Die F'alten sind
immer ohne alle Zerspaltung. Der Sinus der Mitte zieht allezeit eine ganze Seite der
Schaale mit sich herab, unbestimmt, ob die rechte oder die linke; 40 Falten (3S-50).
Phjs.Jbhandl.i833. I
66 v. Buch
Länge 100, Breite 107, Dicke 77.
So wenig das Verdrückte einer Seite bei anderen Terebrateln einen Charakter abgeben
kann, so beständig scheint es doch bei dieser Art. Denn noch kein Stück ist ohne diese Ver-
drückung gesehen worden.
Von T. Plicalella, der sie in Form und Umfang ähnlich ist, unterscheidet sie die stets
fehlende Dichotomie und die Form des Ohrs der Area, welche das Einsetzen der Seitenfal-
ten bestimmt.
In oberen Juraschichten. Sholoverhill bei Oxford, und bei Weymoulh. Ellrichser-
bring in Braunschweig über dem Eisensteinflöz.
1 7. Terebratula. Plicatella Sow.
Sow. Tab.i03. Fig. 1.
Der Schlofskantenwinkel ist kleiner als ein rechter, 75 Grad. Die Dorsalschaale
ist so flach, dals der Sinus in der Mitte oft nur erst durch seine Production über die Seiten-
ränder hervor merklich wird. Die Schlofskanten sind nur wenig länger als die Randkanten,
die Stirnkante aber völlig eben so breit. Diese Schaale endigt sich gegen den Schnabel mit
einer nur kleinen Area, selten von der Länge der Hälfte der Schlofskante. Allein diese Area
erhebt sich zu einem, fast halbzirkel förmigen Ohr, dessen Höhe eben so lang ist,
als der Durchmesser. Die vom Schnabel abgewendete Seite dieses Ohrs ist die steilere.
Die Ventralschaale ist wenigstens dreimal so hoch, als die Dorsalschaale. Ihre
Fallen umgeben h albzi rkelförmig das Ohr und stehen völlig senkrecht auf dem Rande
der Dorsalschaale. Die Falten sind zwar breit und scharf, allein einige von ihnen, im er-
sten Viertheil der Länge, sind allezeit zerspalten, vorzüglich an den Rändern des Sinus
der Dorsalschaale und der, diesem Sinus entsprechenden Wulst der Ventralschaale. Doch ist
der ganze Lmrifs der Muschel durch die Mitte der Länge, von der Stirn her gesehen, so re-
gelmäßig, dafs er ein, nur wenig über der Venlralseite gewölbtes Viereck bildet. Das Ohr
und die ersten Falten der Ventralschaale liegen in einer ausgezeichneten Vertiefung,
welche sich erst gegen das Ende der Schlofskante verliert. Die Falten werden gegen den
Schnabel so fein, dafs sie gewöhnlich gänzlich verschwinden. 42 Falten (38 -4S) zählt man
am Rande in Allem, von denen 13 Falten (12-14) den Sinus bilden.
Länge 100, Breite 83, Höhe 76. Die grüfstc Höhe liegt schon vor der Mitte der Länge.
Sowerby hat das hohe Ohr und die charakteristische Vertiefung, in der es mit den
ersten Falten liegt, wohl gezeichnet, allein er hat es nicht mit den Falten umgeben, wie es
doch die Natur will.
Im mittleren Jura. Chidcock bei Bridport, und ganz gleich zu Croizeville bei Mous-
tiers und zu Bayeux, Calvados.
Eine sehr schöne, grofse und zierliche Terebratel , welche sich von T. concinna vor-
züglich durch ilie gröfsere Höhe der Ventral- über die Dorsalschaale und durch die nie feh-
lende Dichotomie einiger Falten unterscheidet.
über Terebraleln. 67
18. Terebratula ocloplicata Sow.
Brogn. Descr. de Paris PI. L Fig. S. T. gibsianal Sow. 537. Fig. 1.
Diese Art steht zu T. plicalilis in dem Verhältnifs, wie T. alata zu T. concinna; die
Seiten der Ventralschaale fallen nehmlich steil ab gegen den Rand, und sind nicht in Flügeln
ausgedehnt.
Der Schlolskantenwinkel ist ein rechter. Die Schlofskanten selbst sind, vorzüglich ge-
gen die Randkanten hin, abgerundet, so dafs beide Seiten regelmäfsige Kreisbogen bilden, die
von der Stirn abgestumpft werden. Die Öffnung unter dem Schnabel ist sehr klein, die Area
schmal; daher der Schnabel nur wenig producirt. Der Sinus ist nur erst seit dem Rande be-
merklich; er ist breit und ilach. Viele enge Falten, und bis zu 14 Falten im Sinus, 18 oder
19 Falten auf den Seiten; daher 50 Falten in Allem.
Länge 100, Breite 102 (100-105), Dicke 65. Sinusweite von der Rreite 'i
b. Terebratttla Pisum Sow.
Sow. Tab. 536. Fig. 6. 7.
Sie scheint von T, octoplicala nicht wesentlich verschieden; nur allein in der Grölse.
8 bis 9 Falten im Sinus (5-12); 28 Falten in Allem.
Länge 100, Rreite 102, Dicke 72, Sinusweite 62.
Lage und Abrundung der Kanten, Umvifs, Area, Öffnung, Verbindung der Schaalen
am Rande, sind für beide dieselben.
Beide Abänderungen finden sich an denselben Orten, im Kreidemergel, in Sussex, zu
Ronen; im Plänerkalk zu Strehlen bei Dresden, häufig bei Töplitz, zu Meroniz im Mittelge-
birge, zu Bochum in Westphalen, auf Rügen, Pyroplager zu Trzeblitz.
19. Terebratula JVillsoni Sow.
Sow. Tab. 118. Fig.3. Dalman Tab. 6. Fig.l. T. lacunosa Wahl., Dalm.
Die Dicke dieser Terebratel übertrifft sehr oft ihre Länge. Kaum findet
sich ein solches Verhältnifs bei einer anderen Art wieder. Der Sinus der Oberschaale ist sehr
breit, doch erst am Rande zu bemerken. Er producirt sich gegen die Ventralschaale mit einem
senkrechten, faltenlosen Absatz, der fast die Hälfte der ganzen Hohe einnimmt, und bildel au
der Stirn eine horizontale, durch die Falten ausgezackte Linie. Die Ventralschaale fällt ge-
gen die Seiten erst ab, wenn sie schon unmittelbar über dem Rande steht; daher senkrecht.
Die Dorsalschaalc ist mehr als die Hälfte der Ventralschaale in Höhe. Sehr kleine Öffnung,
«eiche durch die untere Schaale gewöhnlich ganz versteckt ist.
Die Falten der Ventralschaale bilden einen völligen Halbkreis an der Seite, ehe sie den
Rand erreichen. Auch an der Stirn fallen sie senkrecht den von der Dorsalschaale heraufkom-
menden zu, wodurch diese Stirn ein sonderbar auffallendes, stumpfes Ansehn bekommt. 4 bis
S Falten liegen im Sinus, 8 bis 12 Falten auf jeder Seite. 7 F'alten im Sinus, 10 auf Am
Seiten, ist das Gewöhnlichere.
T2
68 v. B u c h
Länge 100, Breite 107, Höhe 80. Sinusbreite 66 der ganzen Breite.
Im schwarzen Transitionskalkstein in Herfordshire, bei Porsgrund in Norwegen, in
der Gegend von Chris tiania; häufig in Gothland; auch in der Eifel (Berliner Sammlung).
Nach Dalman sollen einige Falten in Stücken von Norwegen gegabelt sein; das ist
doch gewifs selten. Unweit Valognes im Cotentin, bei Chimai, 13 Linien lang und 1 Zoll
dick; überall im Transitionskalkstein. Zu Beauvais in der weifsen Kreide (?) (Defrance
Diel, d'hisl. nal.), welches wohl zweifelhaft ist.
20. Terebratula Mantiae Sow.
Sow. Tab. 277. Fig. i.
Die Schlofskanten sind so lang, dafs die Bandkanten verschwinden und mit der
Stirn in einem flachen Bogen vereinigt sind, so dafs der Umrifs (was auch Sowerby be-
merkt) ein gleichseitiges Dreieck bildet, mit abgerundeter Stirnseite. Der Schlofskan-
tenwinkel ist sehr spitz, 68 Grad. Der Schnabel ist abstehend, nicht gebogen. Die Area
ist mit einem Ohr versehen, in einer Vertiefung, und mit einer scharfen Kante gegen den
Bücken. Die Seitenflügel fallen fast senkrecht gegen die Area. Gewöhnlich ist eine Seite
verborgen, so dafs der Sinus nicht deutlich hervortritt. Die gröfste Breite findet sich in
\ der Länge. Über die Schaale ziehen sich 25 einfache Falten. Sowerby zählt 16 Falten.
Länge 100, Breite 95, Höhe 68.
Sie ist der T. concinna sehr ähnlich, unterscheidet sich aber durch geringere Höhe,
und vorzüglich durch die Gröfse der Schlofskanten. Von T. roslrata unterscheidet sie der
starke Abfall ihrer Seiten, und daher der elliptische Umrifs ihres Breitendurchschnitts.
Im Übergangskalkstein der Gegend von Christiania, in der Schlo tth eim ischen Samm-
lung. Die Sowerby'sche ist von Irland. Von Bensberg bei Cöln (Berliner Sammlung).
b. A L A T A E.
Tab. I, Fig. 25.
Der Umrifs des Durchschnitts der Breite bildet eine Curve, deren Schenkel stets mehr
und schneller auseinandergehen. Hierdurch fallen die Seiten Anfangs schnell vom Bücken der
Ventralschaale, später nur sehr allmählig. Die Seiten scheinen Flügel , die einem mittleren
Körper angesetzt sind. Beide Schaalen vereinigen sich unter scharfem Winkel und die Sei-
tenfalten der Ventralschaale neigen sich in sehr flachem und gedrückten Bogen gegen den
Rand.
21. Terebratula. alnta Brogniart.
Nielfson Petrif. Suec. Tab. IV, Fig. 8. Brogniart Descr. de Paris PI. IV, Fig. 6.
Der Schlofskantenwinkel ist etwas mehr als ein rechter. Die Falten sind alle einfach,
ohne alle Zerspaltung. Die Area erhebt sich zu einem lang gezogenen, convexen Ohr und
ist mit dem Bücken durch eine scharfe Kante verbunden. 5 bis 7 Falten liegen im Sinus
der Dorsalmittc, 13 Falten auf jeder Seite; daher 32 bis 34 Falten in Allem.
über Terebrateln. 69
Lange 100, Breite 120 (108-135), Dicke 70 (62 -80). Sinus 63 der Breite.
Die scharfe Kante der Area, das Olir und der Mangel aller Zerspaltung der Falten
unterscheiden diese Terebratel leicht von der oft sehr ähnlichen T. lacunosa. Diese Kante
ist bei Nielfson Fig. S. B. erträglich gezeichnet.
Häufig ist der wenig tiefe Sinus durch Verdrückung, Erhöhung oder Vertiefung einer
Seite ganz verschwunden, und es entsteht, was als T. dissimilis, difjormis, obliqua an-
geführt wird.
Kleine oder junge Stücke sind oft sehr flach, fast ohne Sinus. Ihre Höhe vermehrt
sich mit der Gröfse, doch fällt die Ventralschaale ziemlich schnell von der Mitte gegen die
Seite und gieht dem Ganzen mehr ein flächenartiges, als kugliches Ansehn. Wahrscheinlich
gehört hierher, wenigstens zum Theil, was Schlottheini T. pcctunculata genannt hat.
Die Falten treten scharf hervor, mit breiter Basis, wie ein Dach, und sind durch An-
wachsringe auf den Seiten fein gestreift. Sie vergrößern sich schnell in der Breite, sind
aber am Schnabel kaum sichtbar.
Sic findet sich in oberen Juraschichten bei Amberg, Giengen, und oft bei Kellheim
und Aue, hier mit Diceraten vereinigt. Häufiger noch ist sie in der Kreide , zu Teltschen
im Plauischen Grunde bei Dresden. In Frankreich bei Martigues, ohnvveit Marseille; zu
St. Paul trois chateaux, dann Meudon, Beauvais bei Paris. In Schonen sowohl in weifser
Kreide, wie in Kreidesandstein. Nielfson.
22. Terebratula lacunosa.
Ziethen Tab.. 4t. Fig.5. Tab. 42. Fig. 4. Schlotth. Leonh. Taschenb. VII, Tab.l. Fig.2.
Der Schlo fs kanten winkel ist ein rechter. Im Sinus des Bückens finden sich
gewöhnlich sechs Falten, eine Zahl, die zwischen 8 und 3 Falten schwankt. Auf jeder
Seite erheben sich sechs bis zehn Falten. Die Seitenfalten erreichen in so flachem Bogen
den Band, dafs die Länge des Bogens dreimal seine Höhe übertrifft. Gewöhnlich sind es
28 Falten in Allem, selten 34 Falten. Nicht leicht ohne Dichotomie oder Zerspal-
tung einiger Falten; ohne Begel, und mehr in der Mitte, als gegen den Schnabel.
Area mit Anwachsringen, ohne sich zu einem Ohr zu erheben. Sie ist durch Ab-
rundung, ohne scharfe Kante mit dem Bücken verbunden.
Länge 100, Breite 120 (115-124), Dicke 71 (61-S1), Sinus 58 (51-68) der Breite.
Die Breite dieser Terebratel ist allezeit bedeutend grölser als die Länge; aber die Linie,
welche die Endpunkte der Schlolskanten vereinigt, oder die gröfste Breite, geht gewöhnlich
ziemlich genau durch die Mitte der Länge. Die Bandkanten sind nur \ der Schlofskanten.
Der Sinus oder die Bucht des Rückens senkt sich zwischen den Randkanten mit mehr
als der halben Breite des Ganzen. Die Senkung ist aber nicht tief, flach im Grunde, und
fängt erst an, seit dem Bande besonders bemerklich zu werden. In der Nähe des Schnabels
enthält dieser Sinus ziemlich beständig 6 Falten, welche sich zuweilen durch Zerspaltung bis
zu 8 am Rande vermehren. Diese Zerspaltung unterscheidet sich von der, welche der Ab-
theilung der Terebrateln mit sectirendeni DcUidium wesentlich ist, theils dadurch, dafs sie
70 v. B u c h
nur an wenigen Falten statt findet, noeli mehr aber, dafs die Fallen dennoch in Drehe sich
immer vergröfsern: Auch werden sie gegen den Schnabel hin flach und wenig deutlich,
welches ebenfalls den wesentlich dichotomen Terebrateln nicht eigen ist. Diese Anzahl der
Falten des Sinus kann sich bis 4 vermindern, selten wohl bis zu 3. Die gewöhnliche Zahl
der Seitenfalten ist 7 oder 8. Selten erhebt sich die Area zu einem lang gedehnten, und auch
dann nur wenig auffallenden Ohr.
Die Ventralschaale ist doppelt so hoch als die Dorsalhälfte. Sie steigt Anfangs senk-
recht vom Schnabel auf, erreicht ihre gröfste Höhe gewöhnlich genau in der Mitte der Länge
und fällt dann wieder gegen den Rand, wenn auch nur wenig. Die Seitenfalten der Wulst,
welche dem Sinus des Rückens jederzeit gegenübersieht, läfst dieses Abfallen besser beobach-
ten, als die mittleren Fallen, welche durch Verdrückung und Verschiebung nicht selten wie-
der etwas in die Höhe zu steigen scheinen. Diese Wulst hat immer eine Falte mehr als der
Sinus, daher 7 an der Stirn; und diese Fallen zerspalten sich ebenfalls, wo die Flügel zuerst
anfangen, sich deutlich von der Wulst zu trennen. Meistens gehören die beiden äußersten
Falten der Wulst unter die Zerspaltenen.
Oft ist eine Seite verdrückt, herauf- oder herabgedrückt , und bildet denn, was man
T. dissimilis, dimidiata etc. nennt. Doch ist es hier seltener, als bei T. alala, oder sol-
chen, welche zur Abiheilung der Concinneen gehören.
Es ist aus Fabio Colonna's Figur und seiner Beschreibung ziemlich einleuchtend,
dafs unter der Anoinia triloba lacitnosa vorzüglich die gegenwärtige gemeint sei, und Lange
und Sc heue hz er haben keine andere darunter verslanden. Wahrscheinlich hatLinne alle
die unter dem Namen lacunosa zusammenfassen wollen , deren Rückensinus bei gefalteter
Oberfläche auffallend war. Wenn daher die schwedischen Naturforscher die Benennung auf
T. TVdlsoni einschränken wollen, so würden sie selbst Linne's Autorität dafür nicht mit
vollem Recht anführen dürfen.
Diese Terebratel ist in oberen Schichten des Jura sehr gewöhnlich; ja sogar, wie es
scheint, für diese auszeichnend. Man findet sie mit dein Heere der Corallen vereinigt, welche
«•inen großen Tlieil dieser Schichten bilden, und mit Ammonites triplicatus, flcxuosns,
altenians, bifurcatus. Einige ausgezeichnete Fundörter in Deutschland sind folgende: Die
Höhen des Lägerberges und des Randen bei Schaffhausen, Fürstenberg, Giengen an der Rrenz,
Beibringen bei Göppingen, der Lochenberg bei Bahlingen, ilohenzollern, Neresheim, Wili-
baldsburg bei Aichstedt, die Höhen von Streitberg, der Staffelberg am Main. Auch, wie-
wohl etwas selten, zu Kellheini an der Donau.
Sowerby hat keine Zeichnung, welche auf diese Art zu beziehen wäre; daher scheint
sie wohl den neueren Oolithschichten in England zu fehlen. Dagegen findet sie sich im
Dolomit (magnesian limeslonc) von Humberton in Yorkshire, wie viele Stücke im Berli-
ner Cabinet erweisen, welche Herr von De eben dort niedergelegt hat. Da im Dolomit
sich nur Kerne erhalten, so sieht man auf diesen Kernen die Verzweigung der Ovarien bes-
ser, als auf den erhaltenen Terebrateln des Kalksteins. Im deutschen Zechstein ist diese Te-
rebratel nicht vorgekommen. Auch in anderen Formationen hat man sie bisher noch nicht
gefunden.
über Terebrateln. 71
23. Terebratula trilobata Münster.
Ziethen VViiit. Verst. Tab. 42. Fig. 3. ,
Dem ersten Anblick nach würde diese Terehratel zu der Aufhellung der Pugnaceen
gezählt werdeu müssen; allein man bemerkt sehr bald eine so grofse Übereinstimmung zwi-
schen ihr und der T. lacunosa, dafs man beide nur als sehr nahe stehend ansehen kann.
Bei näherer Betrachtung ergiebt sich dann, dafs zwar wohl der Rand der Ventralschaale be-
deutend höher steht als die Mitte; allein bei den meisten ist seit dem Stirnrande eine
Art von Bruch sichtbar, wodurch die Mitte einigermaafsen vom verlängerten Sinus getrennt
ist. Hierdurch äufsert sich doch noch ein Bestreben des Thieres, mehr die Mitte herabzu-
drücken, als den Rand, worin eben der verschiedene Charakter beider Abtheilungen, der Con-
cinneen und der Pugnaceen liegt. Aufserdem, was hier entscheidend ist, geht bei den letz-
teren, den Pugnaceen, der Sinus allezeit senkrecht auf die Ebene der Dorsalschaale herab,
niemals im stumpfen Winkel.
Das Ansteigen der Ventralschaale dieser Terebratel ist Anfangs zwar steil; allein bei
weitem nicht senkrecht. Bald aber wird es sanfter und übersteigt nicht 40 Grad. Die Wulst
in der Mitte springt vor, über den Stirnrand heraus, und die Seiten bleiben wie Flügel zu-
rück, so dafs die Muschel, wie ein Kleeblatt, in i Theile getheilt zu sein scheint. Der Schlofs-
kantenwinkel ist ein rechter, auch wohl noch grüfser. Die Schlofskanten übertreffen die ab-
gerundeter, 1 kleinen Randkanlen um mehr als das doppelte. Der Sinus der Dorsalschaale setzt
über den Stirnrand oft noch einmal so weit fort, als die Länge der Schaale, aber jederzeit
im stumpfen Winkel, der 110 bis 115 Grad betragen kann; niemals senkrecht herunter.
Die Flügel stehen mit schiefer Neigung über dem Sinus. Erst die dritte Falte, nicht die
erste, ist die höchste, und von hier neigen sich die Flügel mit starker Rundung gegen
die Area. Auch diese Area selbst hat keine scharfe Kante, auch kein sehr bemerkliches
Ohr. Alles Verhältnisse, welche dieser Art völlig mit T. lacunosa gemein sind. Die Über-
einstimmung findet sich noch mehr in den Falten. Sechs Falten liegen im Sinus, sieben
Falten auf der Wulst, von denen einige, gewöhnlich die äufsersten, mehr oder weniger
vom Schnabel entfernt, dichotomiren oder sich zerspalten.
Auf jeder Seite liegen 9 Falten, von denen auch einige, ohne bestimmtes Gesetz, ge-
gen den Anfang hin sich vereinigen. Es sind daher etwa 25 F^alten in Allem.
Länge (ohne Production des Sinus) 100, Breite 140, Dicke 109, Sinusbreite 65-
In oberen Juraschichten mit T. lacunosa vereinigt. Über Amberg. Höhen von Streit -
berg. Wasseralfingen.
24. Terebratula plicatilts Sow.
Sow. Tab.502. (lata), Tab. 118. Fig.l. Brogniart Paris Tab.4. Fig.5u.8. (octoplicata)
Der Schlofskantenwinkel ist fast stets gröfser als ein rechter. Die Schlofskanten sind
doppelt so grofs als die Randkanten, und mit ihnen durch Abrundung verbunden; daher der
Imrifs mehr dreieckig als fünfeckig erscheint. Ohr der Area flach, zum wenigsten dreimal
72 v. Buch
so lang als breit, mit scharfer Kante gegen den Rücken. Sehr anliegende, aber ganz
einfache Falten; in grofser Zahl, von 40 bis 70.
Länge 100, Breite 130, Dicke 65.
In 6 Pariser Linien Entfernung umspannen 6 Linien 18 Falten , bei T. alata nur
10 bis 12, selten 14 Falten. Der Sinus des Rückens ist breit, nimmt mehr als die Hälfte
der ganzen Breite ein und enthält gegen 12 Falten; eine Zahl, die zwischen 8 und 18
schwanken kann.
Die grofsc Breite, der stumpfe Schlofskantenwinkel, das sehr allmählige Abfallen von
der Mitte der Ventralschaale gegen die Seitenränder unterscheiden sie von der mehr kug-
lichen T. octoplicata.
Sie ist ausschließlich der Kreideformation eigenthiimlich, sowohl dem Sandstein, als
der festen Kreide. In jenem ausgezeichnet bei Essen an der Ruhr, mit sehr vielen Falten,
auf der Höhe des Fis in Savoyen (Brgt). Sussex, Normandie, bei Töplitz, auf Moen, am
Sulmerberge ohnweit Goslar.
25. Terebratula Vesperülio Brocchi.
Encyel. mithod. Tab. 245. Fig. 1. Brocchi Couchil. fossile Tab. 16. Fig. 10.
Sie steht zu T. ocloplicala ohngefähr in dem Verhältnils, als T. Irilobata zu T. la-
cunosa. Denn auch hier hebt sich die Ventralschaale gegen den Rand, wenn au. i nur we-
nig, und würde deshalb zu den Pugnaceen gezählt werden müssen. Allein der Sinus senkt
sich nicht senkrecht herab, sondern in so stumpfem Winkel, dafs man seine Fortsetzung
noch als einen Anhang oder Schweif der Dorsalschaale ansehen kann. Das Ansteigen der
Ventralschaale gegen den Band ist doch nur gering und geht über 20 Grad nicht hinaus.
Der Schnabel ist abstehend, mit kleiner Öffnung. Die Area hebt sich mit flach gewölbtem
Ohr und scharfer Bückenkante. Der Schlofskantenwinkel ist ein rechter. Die Schlofskanten
sind klein; die Verbindungslinie ihrer Endpunkte fällt etwas über ein Viertheil der Dor-
sallänge. Die Randkanten sind mit ihnen gleich lang, fast parallel, und leicht gekrümmt,
vorzüglich gegen die Stirn. Die Seiten des Sinus sind mit sanfter Bundung geneigt, und
die über das Ganze sehr regelmäfsig vertheilten Falten gehen auch an den Sinusseiten fort
und werden nur ganz nahe am Bande undeutlich und flach. Die Falten sind fein und we-
nig hoch, durchaus ohne Dichotomie. 10 Falten liegen im Sinus, 21 Falten auf jeder Seite;
52 Falten in Allem. Die Flügel neigen sich sehr sanft gegen die Area, doch jede in einer
Ebene, nicht gewölbt.
Länge 100, Breite 105, Höhe 67, Sinusweite 61, Breite der Zunge oder des Sinusbodens 37.
Eine sehr zierliche Terebralel, welche der Kreideformation eigenthiimlich ist, was
schon die Menge und die Regelmäfsigkeit der Falten und die Kleinheit der Öffnung im
Schnabel erweist. Bei Rouen, Montagne de St. Catherine. St. Quirico bei Siena. Bei
Perigueux.
Sie mag wohl oft als T. alata aufgeführt werden. Brocchi's Abbildung giebt einen
stumpferen Schlofskantenwinkel und einen breiteren Sinus.
über Terebrateln. 73
26. Teeebbatula Mantelliana Sow.
Sow. Tab. 537. Fig. 5.
Der Schlofskantenwinkel ist etwas geringer als ein rechter. Die Schlofskanten sind
so grofs als die Randkanten; diese aber sind rund, wie die Stirn, und werden nur wenig
durch einen Sinus unterbrochen. Wenige, aber scharfe und schnell breiter wer-
dende Falten, im Sinus, wie über das Ganze, wodurch sich diese Art von T. Pisiim
schnell unterscheidet. 15 Falten in Allem, 3 bis 4 Falten auf dem Sinus. Von Erbsengröfse.
Länge 100, Breite 90, Hübe 60.
Ziemlich gleiche Form und Verhältnisse und gleiche Menge der Falten haben einige
Terebrateln, welche Anfangs, in der Nähe des Schnabels, ganz glatt sind, aber unter einem
starken Anwachsringe hervor plötzlich die Falten erscheinen lassen, mit einem Sinus, von
dem man vorher nichts sah.
Die ersteren sind häufig zu Hamsey, Sussex. Aus dem Lugothal bei Verona (Schlo ti-
li eim ische Sammlung). Die letzteren aus England, von Rügen. Im Kreidcmergel.
27. Terebbatula rostrata Sow.
Sow. Tab.537. Fig.12. T. pectuneulata Schlotth., Leonh. Taschenb. VII, Tab.l. Fig. 5.
Der Schlofskantenwinkel ist sehr spitz, 70 Grad. Die Schlofskanten sind dop-
pelt so lang als die Randkanten; daher verschwinden diese fast ganz, und die äufsere
Form wird die eines gleichschenklichcn Dreiecks mit kurzer Basis. Die Kanten gehen durch
Abrundung in einander. Der Sinus ist wenig ausgezeichnet, selten am Ramie gegen die Ven-
tralschaale erhoben. Alle wenig häufige, allein scharfe und breite Falten sind einfach bis in
den Schnabel; sehr wenig hoch, wodurch überhaupt das Ganze ein sehr flaches Ansehn
bekommt. Die gröfste Breite ist weit jenseits der Mitte der Länge, nahe am Rande. 23
Falten in Allem (17-27), 4 Falten im Sinus (2-4).
Länge 100, Breite 10S (S4-112), Höhe 60 (45- 68).
In oberen Juraschichten. Grumbach bei Amberg, Giengen an der Brenz. Schweiz.
Krcidemergel von Sussex. Galgenberg bei Hildesheim.
Vielleicht lassen sich mit dieser Art ebenfalls vereinigen T. nueiformis, acuta Sow.
Tab. 502.
Zwei Terebrateln dieser Abtheilung würden an sich Hauptabtheilungen zu bilden im
Stande sein, so sehr sind sie in ihrer Form verschieden, wenn sie nur nicht in diesen Haupt-
abtheilungen ganz allein ständen. Sie müssen, bis mehrere ihrer Art gefunden sind, als ein
Anhang betrachtet werden.
2S. Terebbatula peregrina n.
Die Ventralschaale ist fast eben, nur sehr wenig in der Mitte erhoben. Dagegen
hebt sich die obere Dorsalschaale gar sehr, bildet unmittelbar über dem Schnabel einen gc-
Phjs. AbhandL 1833. K
74 v. Buch
kielten Buckel, welcher dann gleichförmig nach allen Seiten abfallt. Daher ist flie grüfste
Höhe dieser Schaale schon vor dem ersten Viertheil ihrer Länge, die der Ventralschaale in
der Mitte der Länge. Der Umrifs des Ganzen ist völlig zirkclförniig, ohne Sinus, so dafs
auch Schlafs und Randkanten sich nicht unterscheiden. Die Seitenansicht ist herzförmig, ohn-
gefähr einer Venus gleich, stark gebogen von der Seite der Dorsalschaale; wenig auf der
unteren Seite.
Die Schlofskanten bilden einen stumpfen Winkel von 115 Grad. Die Area ist aber
sehr kurz, mit scharfer Kante gegen den Rücken, mit einem wenig erhöhten Ohr. Der Schna-
bel ist gebogen und verdeckt die sehr kleine Öffnung.
Die einfachen scharfen und in Breite schnell zunehmenden Falten senken sich an den
Seiten in sehr flachen und langen Bogen, und verbinden sich am Rande von beiden Schaa-
len her unter einem sehr spitzen Winkel; daher ist dieser Rand selbst sehr scharf und durch
das Ende der Falten stark gezahnt. 35 Falten bedecken die Fläche. Zwischen ihnen laufen
ungemein feine Anwachsringe.
Länge 100, Breite 100, Dicke 45.
Eine ungemein grofse Terebratel, mehr als 2 Pariser Zoll im Durchmesser, von sehr
geringer Höhe, im Verhältnils der Länge. Daher sie auch sehr flach aussieht.
Wahrscheinlich in Kreide von Marguier, Departement du Gard.
Andere Terebrateln mit ebener Ventralschaale haben keine einfache Falten, und auch
die Seiten des Schlofsrandes der Ventralschaale in einer Linie, welche zugleich die grüfste
Breite des Ganzen ist, wie T. truncata oder T. gracilis. Dagegen giebt es in der ganzen
Ahtheilung der gefalteten Terebrateln keine andere Art wieder, deren Dorsalschaale so viel
die untere Schaale an Höhe überträfe.
Sowerby's Abbildung Tab. 277. Fig. 5. (T. dimidiatd) würde ein ziemlich richtiges
Bild des Umrisses und der Vertheilung der Falten auf der Ilachen Ventralschaale geben können.
29. Teuebratula Theodor/ Schlotth.
(Calalogp.6.$. 11.), Ziethen Würt. Verst. Tab.-ij. Fig.2. (T. acuticosta).
Die Schlofskanten gehen in einer geraden Linie an der ganzen Breite fort, oder der
Schlofskantenwinkel ist ISO Grad. Das ist bei dieser Abtheilung der Terebrateln sehr fremd.
Diese Schlofslinie bildet zugleich die grüfste Breite der Muschel. Von hier convergiren die
beiden Randkanten ohngefähr im rechten Winkel, und werden, bevor sie zusammenkommen,
von einer gleich grofsen Stirnkante abgeschnitten. Die Fläche beider Schaalen ist mit sehr
scharfen Falten bedeckt; sie sind höher als breit; ihre Zwischenräume erscheinen daher be-
sonders tief. 3 bis 4 Falten liegen im Sinus, 6, selten 8 Falten auf jeder Seite. Der Sinus
ist nicht am Schnabel, sondern erst gegen die Mitte bemerklich, wodurch ebenfalls diese Te-
rebratel sich von Dellhyris wesentlich unterscheidet. Alle Falten, sowohl im Sinus, als an
den Seiten, sind durchaus einfach, vergrüfsern sich daher ziemlich in Höhe und Breite. Die
Area ist so breit als das Schlofs, mit feinen, horizontalen Anwachsstreifen und scharfem
Bande gegen den Rücken. Doch ist ihre Höhe sehr gering. In der Öffnung des niemals
über Terchrateln. 75
gebogenen Schnabels ist ein Dchidium sehr auffallend; Anfangs discret, vereinigt es bald
die Hälften, welche dann die Öffnung fast gänzlich umfassen.
Die inneren Theile des Thieres scheinen sich in der Mitte der Ventralschaale beson-
ders zu vereinigen; denn die Dicke dieser Mitte wird gröfser mit der Breite, fällt aber ab
gegen den Rand, und noch viel schneller gegen die Seiten, welche daher geflügelt erschei-
nen. Dicke und Breite vergröfsern sich im Verhältnils, nicht aber die Länge. Junge oder
kleine Individuen sind daher flacher und weniger breit, als die gröfseren.
Länge 100, Breite 130, Höhe 80, Sinusweite 48.
Jüngere: — 100, — 105, — 58, — 50.
Im Liasmergel , zu Kloster Banz am Main und zu Boll, Heiningen und Reichenbach
bei Göppingen in Schwaben.
Schlottheim hat dieser Art den Namen des, um die Kenntnifs der Producte von
Banz sehr verdienten Herrn Theodori gegeben, von dem er auch zuerst diese Terebratel
bekommen hatte. Der von Ziethen gebrauchte Name ist später, und auch später bekannt
gemacht worden.
II. DICHOTOMAE, Die Zerspaltenen.
Drei Eigenschaften vereinigen sich, diese Abtheilung wesentlich und
bestimmt vor allen übrigen auszuzeichnen. Ein jederzeit sectirendes Del-
tidium; die Zerspaltung oder Dichotomie der Falten; das Fortsetzen
der Falten, ohne merklich an Höhe zu verlieren, bis in die Spitze des
Schnabels.
Sollte eines dieser Kennzeichen weniger deutlich hervortreten, so wird
doch sogleich durch die anderen dessen Anwesenheit verrathen. Die Falten
stehen um den als halbe Röhre gebogenen Schnabel wie Stäbe, und auch
an der Spitze der Ventralschaale verstecken sie sich, noch immer deutlich
getrennt, in den Schlofsrand. Diese Falten vermehren sich ungemein in der
Zahl im weiteren Fortlauf gegen den Rand, allein wenig oder gar nicht in
der Rreite. Sie sind auch seltener dachförmig und scharf, sondern meistens
abgerundet, mit senkrechten Seiten.
Niemals steht bei diesen Terebrateln der Rand der Ventralschaale hö-
her als die Mitte. Sie haben im Ganzen wenig Neigung, in die Breite zu
gehen oder Flügel zu bilden ; daher ist auch selten der Sinus tief eingesenkt,
oft auch sogar unmerklich. Der Schnabel ist jederzeit gegen die Ventral-
schaale übergebogen und wird hier vom Deltidium bis zu etwa ein Viertheil
K2
76 v. B u c ii
seines Umfanges geschlossen. Dieses DcUidium, wenn auch Anfangs discret,
ist doch schon überall vereinigt, und eine feine Trennungslinie läfst zuwei-
len beobachten, dafs es auch hier ursprünglich aus zwei, in der Mitte ver-
einigten Stücken besteht.
1. Terebratula sulsiniilis Schlotlh.
Petrefactenkunde p.264. {T. grafuma n.) Tab. II, Fig. 28. a.b.
Sie hat eine sehr grofse Übereinstimmung mit T. lacunosa und verbindet daher durch
fast unmerklichen Übergang die beiden verschiedenen Abtheilungen, zu welchen diese Arten
gehören. Doch sind die Kennzeichen, durch welche sie sich unterscheiden, zu bestimmt, als
dafs man Gefahr laufen könnte, sie leicht zu verwechseln.
Die allgemeine Form dieser Terebratel ist die einer Concinnea. Der Rand der Ven-
tralschaale steht bedeutend tief unter der Mitte; ja nicht selten findet sich die gröfste Höhe
auch sogar schon vor der Mitte der Länge. Die Seiten fallen ziemlich schnell gegen den
Rand, seltener und nur in gröfseren Stücken so sanft, dafs man sie als gelliigelt ansehen
könnte. Die Wulst ist breit und gewölbt, und wenig von den Seiten geschieden. Der
Schlofskantenvvinkel ist spitz; niemals ein rechter, gewöhnlich von SO Grad (70-90). Der
Schnabel ist fast im Halbkreis übergebogen und von starken Falten umgeben. Oft ist
hierdurch die Öffnung fast ganz versteckt. Die Area ist vom Rücken wenig geschieden;
sowohl Anwachsringe als Längenfalten sind noch auf ihr zu bemerken, und sie geht durch
völlige Abrundung in die Dorsalschaale über. Das Ohr ist sehr flach und breit, und hebt
sich sehr wenig. Die Seitenkanten übertreffen die Randkanten um die Hälfte in Länge; diese
letzteren aber neigen sich schnell mit sanfter Rundung gegen einander, so dafs sie vor der
Stirn in einem rechten Winkel zusammenlaufen würden, wäre nicht dieser Winkel durch die
Stirn abgestumpft. Der Sinus ist breit und flach, mit scharfen, dachförmigen Falten.
So sind auch die Falten der Flügel, welche sich in fortdauernder Abrundung ziem-
lich schnell gegen die Area neigen. Die Zerspaltung der Falten erscheint eben so gut
in der Mitte und am Rande, wie am Schnabel; sie scheint keinem allgemeinen Gesetz zu
folgen. Bald sieht man sie mehr in der Mitte, bald mehr auf den Seiten. Doch scheint sie
weniger häufig am Rande. Auch ist es eine wirkliche Zerspaltung, kein Einsetzen einer
Anfangs dünneren Falte zwischen zwei gröfseren. Am Rande zählt man 33 Falten
(31-40), von welchen 9 oder 10 Falten im Sinus liegen (9-13). Ganz nahe und um den
Schnabel selbst liegen aber nur 10 Falten, von welchen nur 4 Falten späterhin sich
in den Sinus herabsenken.
Länge 100, Breite 104, Höhe 69, Sinusweite 68.
In den oberen Schichten des Jura, mit T. lacunosa vereinigt. Häufig bei Amberg,
bei Heiligenstadt und über Streitberg.
Die grofse und nie fehlende Dichotomie der Falten, die durch die Falten stark ge-
reiften Buckel am Schlofs und der spitze Schlofskantenwinkel unterscheiden sie vollkommen
von T. lacunosa. Gröfsere Stücke werden der T. plicatella Sow. sehr ähnlich, unterschei-
über Terebrateln. 77
den sich aber doch wieder leicht durch den allen Terebrateln der Abtheilung der Dichoto-
inen cigcnthümlichen Charakter und dann durch den Mangel des kurzen, senkrechten, oben
halbkreisförmig gewölbten Ohres. Die Amberger sind gröfstentheils alle verkieselt, gewöhn-
lich 1 Zoll, auch wohl \\ Zoll lang. Kleinere Stücke sind weniger breit und lassen deut-
licher die näher zusammengedrängte Dichotomie bemerken, so wie auch das sectirende Del-
tidium unter dem übergebogenen Schnabel.
2. Terebrattla. oblonga Sow.
Sow. Tab.535. Fig. 4. 5. 6.
Länger als breit. Die Ventralschaale hebt sich wenig; auch gegen die Seiten neigt
sich die Fläche nicht sehr, so dafs sie überhaupt nur wenig gewölbt scheint. Häufig ist die
Mitte sogar etwas eingesenkt und bildet einen flachen, undeutlichen Sinus. Gegen den Rand
fällt diese Ventralschaale so tief, dafs sie wirklich in die Dorsalschaale eingreift.
Auch ist die Dorsalschaale gar nicht eingesenkt, sondern vom Schnabel aus zieht sich
gegen den Rand ein immer breiter und flacher werdender Kiel (carina). Die Seitenflügel
fallen von beiden Seiten schnell ab gegen die Area. Der Schnabel ist gerade abstehend,
wenig oder gar nicht gebogen und zur Hälfte von den Falten umgeben. Die Area
ist horizontal, glatt, mit scharfer Kante gegen den Rücken. Auch das Schlots der Ven-
tralschaale ist etwas abstehend und zeigt eine schmale Area. Die Schlofskanten dieser Schaale
stofsen in so stumpfem Winkel gegen einander, dafs sie fast in einer Linie zu liegen schei-
nen und dadurch der getrennten Ventralschaale selbst die Form eines länglichen Rechtecks
geben. Das Dellidium ist breit, wenn auch sectirend, mit einer deutlichen Scheidungslinie
in der Mitte. Der Schlofskantenwinkel ist sehr spitz, 50 Grad. Die Schlofskanten länger
als die Randkanten. Diese, wenig oder gar nicht gebogen, neigen sich im spitzen
Winkel gegen einander, welcher durch die gleich breite Stirn abgestumpft wird.
Am Rande endigen sich 26 Falten, am Schnabel stehen nur 16. Die Dichotomie geschieht
vorzüglich in der oberen Hälfte.
Länge 100, Rreite 80, Höhe 60.
Sowerby's Abbildung und Reschreibung stimmt mit den deutschen Muscheln in we-
sentlichen Dingen so genau, dafs man nicht leicht eine andefe Art als die abgebildete erken-
nen möchte. Die allgemeine Form, die horizontale Area, das so deutlich getheilte sectirende
Dellidium, die Abstumpfung an der Stirn sind ganz gleich, auch das gekielte, nicht einge-
senkte des Rückens. Dagegen sieht man nickts von dem Eingreifen und Aufsteigen der Ven-
tral- in die Dorsalschaale, welches, wenn auch nicht bedeutend, den deutschen Stücken doch
nie fehlt. Sowerby's Stücke sind aus dem Sandstein der Kreideformation zu Farringdon
und bei Sandgate in Kent. Die deutschen Terebrateln dieser Art finden sich dagegen , und
nicht selten, in oberen Schichten des Lias am Rautenberge bei Scheppenstedt und bei Schan-
deloh ohnweit Hildesheim.
Die gleichsam umgewendete Natur dieser Terebratel mit gekieltem Rücken und ein-
gesenkter Ventralschaale, welches bei gefalteten Terebrateln äufserst selten vorkommt, macht
sie besonders bemerkenswert!).
78 v, Bich
3. Terebratula. orbicularis Sow.
Sowerby Tab.535. Fig.3. Fig. 1 u. 2. T.flabellula u.furcata.
Länger als breit. Die gröfste Breite jenseits der Mitte. Die Ventralschaale ist bauchig
im Anfange, erreicht ihre gröfste Höhe vor der Mitte der Länge und fällt dann sanft, aber
tief gegen den Rand. Die Falten fallen in sehr flachen Bogen an den Seiten herunter und
verbinden sich von beiden Schaalen her im spitzen Winkel. Auch die Dorsalschaale ist in
der ersten Hälfte am höchsten, mit sehr wenig ausgezeichneter Einsenkung eines Sinus. Der
Schnabel wendet sich in abgerundetem, rechten Winkel von der Dorsalfläche herauf und ist bis
zur Öffnung von den scharfen Falten, wie von Stäben umgeben. Der Schlofskantenwinkel ist
sehr spitz, kaum über 50 Grad. Die Area ist glatt, allein mit horizontaler Kante in der Höhe,
mit concav gezogener Kante gegen den Rücken. Die Falten sind besonders scharf, und vorzüg-
lich am Anfange und in der ersten Hälfte zerspalten, wenig und selten am Rande. Deshalb
nehmen sie auch in gröfseren Stücken an Breite zu, und nur kleinere oder junge lassen gleich
breite Falten, und damit auch Dichotomie, bis nahe am Rande beobachten. Bei gröfseren zählt
man 32 Falten am Rande (24-38), aber nur 14 am Schnabel. Randkanten und Stirn verbin-
den sich zu einer fortlaufenden, von einem halben Zirkelbogen kaum abweichenden Curve.
Länge 100, Breite 90, Höhe 61.
Im unteren Oolith bei Bath sehr häufig; Sowerby sagt, auch im Lias. In einem
Steinbruch im Oolith, 2 engl. Meilen von dieser Stadt entfernt, hat sie Herr von Dechen
in Menge gefunden und im Berliner Mineralcabinet niedergelegt. Zu Weingarten bei Wci-
Isenburg in braunem, eisenschüssigem Sandstein, der wahrscheinlich zu unteren Juraschich-
ten über dem Lias gehört.
4. Terebratula spinosa.
KnorrP. II, i. Tab.ZJ.IV, Fig. 4.
Line ziemlich kugelförmige, hochge wölbte Art. Doch übertrifft die Breite im-
mer die Länge, und zuweilen bedeutend. Die Ventralschaale hebt sich schnell aus dem Schlofs,
mit steiler Krümmung, erreicht ihre gröfste Höhe vor der Mitte der Länge und fällt dann
sanfter, aber in gleichförmiger Krümmung, gegen die Stirn. Die Stirnansicht giebt ein hal-
bes, sehr regelmäßiges Oval im Umrifs. Deshalb fallen auch die Seitenfalten fast senkrecht
gegen den Rand. Die Schaale ist daher wenig geflügelt. Der Schnabel ist allezeit so
weit umgebogen, dafs er nur selten erlaubt, die Öffnung und das unten sehr breite, secti-
rende Dcllidium zu sehen. Die Area ist klein, kaum mit einem Ohr, aber gewöhnlich mit
starken Anwachsringen darauf, ohne Falten. Die Schlofskanten vereinigen sich am Schnahel
zu einem rechten Winkel; sie sind doppelt so lang als die runden Randkanten, und mit
der Stirn von gleicher Lange. Die Dorsalschaale ist flach , ebenfalls am höchsten vor der
Mitte der Länge. Sie senkt sich gegen den Rand zu einem sehr flachen Sinus mit sehr sanft
aufsteigenden Seiten, so dafs die F"alten durch diese Einsenkung auf keine Art verzogen wer-
den. Die Seitenflügel fallen schnell gegen die Area; wirklich sind beide Schaalen am An-
fange in Höhe wenig verschieden. Die Falten dichotomiren aufserordentlich stark. Man
über Terebratcln. 79
sieht sie deshalb kaum breiter am Rande als am Schnabel. Dabei sind sie viel breiter als hoch,
und auf der Hohe gerundet. Ihre Vermehrung geschieht nicht sowohl durch eine Zerspal-
tung (wie bei T. oblonga, orbicularis , lacunosa), sondern durch ein Einsetzen einer neuen
Falte in dem Zwischenräume zweier anderen. Die neue Falte erreicht aber sogleich die Breite
der alteren. Es ist daher bei dieser schnellen Vermehrung nicht möglich, die Zahl der Fal-
ten zu bestimmen. Gewöhnlich stehen 15 bis 18 Falten am Anfang des Schnabels, dagegen
schon einige 40 Falten am Rande; am häufigsten 34; seltener mehr als 50. Auf dem Bo-
den des Sinus sieht man 8 bis 10 Falten. Auf allen Falten erheben sich von Zeit zu Zeit
kleine Dornen in immer weiter von einander liegenden Abständen; offenbar Erhebungen
der Falte am Rande, welche bei dem Fortwachsen wieder verlassen werden. Dennoch schei-
nen diese Dornen aus dem Innern der Falte hervorzukommen, und ihre Spur ist schon lauge
unter der Schaale sichtbar, ehe sie hervortreten. Auch sind sie braun, hornartig und glän-
zend, die Schaale dagegen weifs und matt. Auf ihrer Spitze bemerkt man eine kleine Öff-
nung. Sollten es hervortretende Branchienstrahlen sein?
Länge 100, Breite 112 (107-118), Höhe71 (67-78).
Diese ausgezeichnete Terebratel ist häufig in den unteren Schichten des Jura, über
dem Lias. Die von Muttenz bei Basel waren schon den älteren Pctrefactologen sehr bekannt.
Ebenso linden sie sich zu Blomberg bei Fürstenberg, am Wartenberg, zu Schweinsmühl bei
Rabenstein, zu Kasendorf bei Thurnau, am Stuifenberg bei Göppingen, bei Giengen. In gro-
Iser Menge versammelt an der Burgweder Egge bei Venne, nördlich von Osnabrück (Gymna-
sialsammlung). In Frankreich im Eisenoolith von Croizeville und Moustiers bei Caen. Zu
Ranville bei Caen, wo nach der Versicherung von Defrance (Dict. d'hist. nat.) die Dor-
nen bis 6 Linien lang werden. Zu St. Perine bei Falaise. In England im unteren Oolith
von Dundry (Berliner Cabinet). Sowerby hat sie nicht gezeichnet.
Die Gröfse dieser Art ist in enge Grenzen eingeschränkt; überall erreichen sie ^ bis
\ Zoll Länge, und nicht leicht mehr.
5. Terebratula sentscosa.
Ziethen Verst. Würtemb. Tab. 44. Fig. 1.
Eine der T. spinosa sehr nahe stehende Art, und eben so stark mit spitzen Dornen
besetzt, wie diese. Allein ihre Hache Gestalt und geringe Höhe macht sie leicht als eigen-
thümlich bemerklich.
Sowohl Ventral - als Dorsalschaale heben sich nur sehr wenig und breiten sich bald
nach allen Seiten hin aus, so dafs sie am Rande mit grol'scr Schärfe zusammens to-
fsen. Die Dorsalschaale ist etwas höher und in ihrem Anfange flach und breit gekielt. Der
Schnabel ist nur selten gebogen; die Ventralschaale stöfst eine Spitze hinein, welche oft das
Deltidium versteckt. Die Schlofskanten stofsen unter sehr spitzem Winkel zusammen,
50 Grad und weniger. Die Area mit flachem Ohr ist auch noch mit feinen Längen -
falten bedeckt, wie die Schaalen. Die Schlofskanten gehen bis zur Mitte der Länge; Rand-
kanten und Stirn aber bilden eine forllaufende Krümmung. An den häufigen, abgerundeten
Falten ist gar keine Vermehrung in Breite bei ihrem Fortlauf zu bemerken; sie zertheilen
80 V. BüCE
sich, vorzüglich an den Seiten, wie Adern. Nnr 3 oder 4 Falten in der Mitte bleiben oft
vom Schnabel bis zum Rande ganz ohne Dichotomie, welches sehr auffällt. Gar oft sind
auch die Falten gänzlich verschoben, verdrückt und an ihrem Fortlaufen gehindert, — eine
Erscheinung, welche diese Art der Terebrateln bisher nur noch allein gezeigt hat. Zuwei-
len scheint es ein wahres Durchkreuzen der Falten zu sein. Die Dornen stehen mit bedeuten-
der Länge hervor, braun, glänzend und glatt; allein auf freien Stücken werden sie bald abge-
brochen, und man sieht auf den Falten nur noch die Alveolen, in denen sie eingesenkt waren.
Länge 100, Breite 89, Höhe 48.
Die Länge übertrifft immer die Breite, und die Höhe ist, selbst nur im ersten Vier-
theil, nicht die Hälfte der Länge. In der Mitte und näher gegen den Rand ist diese Höhe
noch viel geringer.
Stücke von \ Zoll sind schon sehr grofs; gewöhnlich geht ihre Länge wenig über
', Zoll. Allein viele sind auch kleiner.
In den unteren Schichten des Jura, über dem Lias, zu Grumbarh bei Amberg.
6. Terebratula substriata Sclilotth.
Ziethen Würtemb. Verst. Tab. 42. Fig. 2. {slriatula).
Sie ist flach und, aufser dem Schnabel, fast rund. Gröfsere werden länger; gewöhn-
lich ist doch die Breite von der Länge wenig verschieden. Die Ventralschaale hebt sich fast
gar nicht, neigt sich aber gegen die Seiten, und bildet dadurch gegen die Stirn eine stets
breiter werdende, sehr flache, aber doch deutlich aufgeworfene Wulst, wie eine grofse
Welle in Richtung der Länge. Gegen das Schlofs ist diese Schaale scharf begrenzt und hat
keine Ohren an den Seiten. Der Schlofskantenwinkel ist, mit seltener Ausnahme, stets
kleiner als ein rechter; doch nicht unter 80 Grad. Der Schnabel steht gerade, umgebo-
gen, und seine Öffnung scheint bedeutend, weil das Dellidium nicht blofs ein sectirendes,
sondern auch ein discretes ist. Daher sind Stücke ganz häufig, in welchen die zwei Flügel
des Dellidium sich noch nicht vereinigt haben, wodurch die Basis der Öffnung bis zur Ven-
tralschaale reicht. In gröfseren Muscheln hat sich das Dellidium zu einem Ganzen verei-
nigt und trennt die Öffnung gänzlich vom Schlofs. Die Area ist klein, mit umgebogenem
Band und mit Längenfalten und Anwachsringen, allein ohne Ohr. Es ist nur eine Unibie-
gung der Dorsalschaale. Diese letztere senkt sich in der Mitte zu einem flachen Sinus,
durch welchen der äufserste Rand der Stirn vor den Seiten merklich vorgerückt wird.
Die feinen Falten, welche beide Schaalen bedecken, divergiren vom Schnabel aus auf sehr
zierliche Art. Keine einzige wird breiter, sondern fortwährend erscheinen feinere Falten
zwischen den gröfseren und vermehren sehr schnell ihre Zahl.
Länge 100, Breite 88, Höhe 40 (37-43).
Das Vorgerückte (producirle) der Stirn, der Mangel ohrartiger Fortsätze der Ven-
tralschaale und das Aufgeworfene in der Mitte, oder der correspondirende weite Sinus der
Dorsalschaale, unterscheiden diese Terebratel wesentlich von der sonst überaus ähnlichen T.
slriatula Man teil. Sow.
über Terebrateln. 81
Sic ist in den obersten Juraschichten in Menge und an vielen Orten zu finden. Zu
Schefloch bei Amberg, auf den Höhen von Mnggendorf, bei Heiligenstadt, in den grofsen
Brüchen von Aue an der Altniühl, und bei Kellheim selbst; zu Mühlheim bei Tuttlingen an
der Donau, zu Gruibingen bei Doli, auf dem Randen, am Lögerberg. Aber auch im Muschel-
kalk von Tarnoviz bat man sie gefunden (Schlottheimische Sammlung).
7. Terebratula (Defrancii Brgt), strialula Mantell., Sow.
T. Miinteri Schiott h. Catalog p 64. n.50. und Sammlung. Mantell. Geol. Sussex Tab. 25
Fig. 7- S. 12. Sowerby Tab.536. Fig.3.4.5. Philips Yoikshire Tab. 2. Fig. 28.
Diese Terebratel hat eine auffallende Ähnlichkeit mit der lebenden T. Caput serpentis,
so sehr, dafs man beide nur für Abänderungen derselben Art erkennen mochte. Doch bleibt
T. striatula in ihren Kennzeichen beständig, welche hinreichend zu sein scheinen, beide Ar-
ten zu trennen. Schwerer wird es, genügende Unterschiede mit T. Defrancii zu finden, und
wahrscheinlich werden diese Arten auch als gleichartig zusammen vereinigt werden müssen.
Dann hätte der letztere Name die Priorität und müfste vorgezogen werden.
Die Form ist die eines lang gezogenen Pentagons. Die Ventralschaale hebt sich nur
wenig, und am höchsten über den Buckeln. Dann bleibt sie in fast nicht abfallender Höhe bis
nahe zum Rande. Ihre Seiten laufen sehr spitz gegen das Schlofs zusammen; dort an beiden
Seiten des Buckels und unmittelbar unter dem Deltidium lassen sie einen kleinen Fortsatz
bemerken, zwei Ohren, die der stets genaue Sowerby gut, noch besser und ausgezeich-
neter aber Ph i Ups vorgestellt hat. Dieser kleine Fortsatz unterscheidet die Terebratel leicht
und wesentlich von der sonst so ähnlichen T. substriata. Die Schlofskanten stofsen in sehr
spitzem Winkel zusammen, etwa von 55 Grad. Bei T. Caput serpentis ist dieser
Winkel nahe ein rechter. Die Schlofskanten selbst gehen bis zur Mitte der Länge und sind
grüfser als die Randkanten, welche ziemlich gerade, ohne auffallende Biegung herablaufen.
Sie sind länger als die Stirn, welche ihren Zusammenstofsungswinkel abstumpft. Die Stirn-
linie ist in der Mitte eingebogen (emarginirt), daher nicht producirt. Diese Einbie-
gung correspondirt mit einem kaum merklichen und engen Sinus derDorsalschaale, und auch die
Ventralschaale zeigt hier am Rande eine ganz tiefe Einsenkung, zum wenigsten nie eine Wulst,
wie T. substriata. Der Schnabel ist abstehend, oft ziemlich lang, mit einem Anfangs discre-
ten, aber bald zusammenwachsenden, sectirenden Deltidium. Die Trennungslinie beider Flü-
gel bleibt noch immer sichtbar, auch wenn sie vereinigt sind. Die Area ist eine blofs runde
Umbiegung der Dorsalschaale, mit Faltenstreifen und ohne Ohr. Die Dorsalschaale selbst ist
leicht und breit gekielt, verbreitet sich aber bald und gleichförmig abfallend gegen die Seiten
und gegen die Stirn. Beide Flächen sind mit einer grofsen Menge feiner Falten oder
Streifen bedeckt, welche nie an Breite zunehmen, sondern, wenn der Raum, den sie be-
decken sollen, gröfser wird, sogleich neue Falten zwischen sich aufnehmen. Sie fangen um
den Schnabel her mit 14 Falten an, sind aber sogleich darauf um das doppelte vermehrt. In
10 Millimeter Entfernung vom Schnabel zählt man schon 29 Falten in der Breite von 5 Mil-
limeter. Bei T. Caput serpentis sind in dieser Breite und Entfernung vom Schnabel nur 14
Falten, welche mit 11 Falten angefangen haben.
Phys . Abhandl. 1833. L
82 v. Buch
Länge 100, Breite 74, Höhe 41, und auch dieses nur im ersten Viertheil, Sinushreite 40.
Gewöhnlich nahe einen Zoll lang, \ Zoll breit.
Diese Terebratel ist der Kreideformation eigentluimlich, wahrscheinlich doch mehr ihren
unteren Schichten. So findet sie sich in Sussex und Yorkshire. Ausgezeichnet zu Faxöe auf
Seeland (7". Mit uteri). Bei Bochum in Westphalen.
8. Terebratula Defrancü Brogniart.
Brogn. Paris Tab.3. Fig.6. Nielfson Petrif. Suec. Tab. 4. Fig. 7. Encycl. me'th. 24l. Fig 2.
Sie ist grofs, nahe an 2 Zoll, und ist mit einer grofsen Menge feiner Falten oder Strei-
fen bedeckt. Schon am Schnabel stehen 45 umher. Allein in 10 Millimeter Entfernung vom
Schnabel enthalt ein Baum von 5 Millimeter nur 23 Streifen, während T. strialula unter
denselben Bedingungen 29 Streifen beobachten läfst. Das ist bei einer so häufigen Zertheilung
und Vermehrung der Streifen kein wesentlicher Unterschied. Der abstehende Schnabel ist
von einem ebenen, in der Mitte durch eine starke Furche getheilten Deltidium geschlossen.
Der Band der Dorsalschaale bildet an dein Deltidium herab eine kleine, sehr scharfkan-
tige, oben ebene Wulst. Das bemerkt man weniger an T. strialula , weil sie kleiner
ist, und daher diese Theile weniger deutlich bemerken läfst. So ist es auch mit den beiden
Ohren der Ventralschaale, von welchen das linke Ohr (der Schnabel oben gelegt) tiefer an
der Schlofskante herabgeht, als das Ohr der rechten Seite. In allen übrigen Verhältnissen
wäre die Beschreibung durchaus nur eine Wiederholung der von T. strialula. Der flache
Sinus der Dorsalschaale ist zuweilen etwas mehr sichtbar; schwerlich aber so sehr und so weit,
bis in den Schnabel, als es Nielfson's Figur angiebt. Sehr merkwürdig ist es, dafs Nielfson
sagt, diese Terebratel sei allezeit ungleich, die linke Seite der Ventralschaale etwas breiter
als die rechte. In der That geht auch die Schlofskante auf der linken Seite etwas tiefer herab
als auf der rechten. Dies ist aber genau eben so bei T. Münteri (strialula) von Faxöe.
Brogniart's Figur läfst diese, einer Terebratel überhaupt so wenig eigenthümliche Ungleich-
heit nicht bemerken. Ob sie wohl beständig sein mag?
Länge 100, Breite 70, Höhe 42.
In weifser Kreide bei Meudon , Bouen. In Schonen im Kreidesandstein zu Mörby.
Baisberg. Ignaberga.
9. Terebratula chrysalis Schlotth.
Faujas Monlagne de St. Pierre Tab. 26. Fig. 9-
Eine sehr kleine, gewöhnlich nicht über 3 Linien, selten 4 Linien grofse Art. Sie ist
lang und schmal, und wächst erst seit der Mitte bemerklich in der Breite. Die Ventralschaale
ist am höchsten am Buckel selbst; dieser aber versteckt seine Basis in der besonders gro-
fsen Öffnung der Oberschaale, so dafs in jungen Muscheln das Zusammenwachsen des An-
fangs discreten Deltidiums ganz verhindert wird. Vom Buckel fällt die Schaale nach allen
Seiten gleichförmig ab, ohne Wulst. Sie ist oben mit zwei besonders grofsen Ohren ver-
sehen, auf welchen die gekörnten Falten fortsetzen. Der Schnabel ist nicht gebogen; die
über Terebrateln. 83
grofse Öffnung ist sogar mit ihrer Mündung etwas rückwärts hingerichtet. Die Area ist
ziemlich scharf gegen den Rücken, concav und mit einem flach abfallenden Ohr versehen. Der
Schlofskan ten winkel ist ungemein spitz, 58 Grad bei kleineren, 65 Grad bei grö-
fseren Muscheln. Die Schlofskanten sind lang bis jenseits der Mitte, und die Randkanten ver-
binden sich mit der Stirn zur fortlaufenden Rundung. Auf der, ebenfalls überall gleichmäfsig
abfallenden Dorsalschaale ist nur selten zwischen den Falten die Spur eines Sinus zu finden.
Die Falten sind scharf und hoch, doch schmäler als ihre Intervalle. Durch starke Anwachs-
ringe sind sie zierlich in der Q uere zers ch n i tten und gekörnt. Ihre Vermehrung ge-
schieht durch Einsetzen feinerer Falten in die Intervallen, welche oft von den älteren Falten
ganz unabhängig zu sein scheinen. Acht Falten stehen am Schnabel umher und umfassen drei
Viertheile des Unifanges; 23 bis 28 Falten zählt man am Rande bei 2'--, Linien Länge. Die
gröfste Breite findet sich etwas jenseits der Mitte, die gröfste Höhe an den Buckeln.
Länge 100, Breite 65, Höhe 35.
Im Kreidemergel des Berges St. Pierre bei Maastrich. Dr. Philipp i hat sie auch in
der Kreide am Capo Passaro in Sicilien gefunden. Dort ist der enge Sinus etwas deutlicher;
er geht zwischen zwei starken Falten oder Ribben bis in den Schnabel, und scheint dadurch
einen Übergang dieser Form in die der Loricaten zu verrathen.
10. Terebratula flustracea Schlotth.
Catalog p. 65. n. 62.
Eine kleine Terebratel, nur 3 Linien grofs, welche der T. substriata zunächst steht.
Sie ist Anfangs ganz rund, wird aber nach und nach länger. Die Ventralschaale ist in der
Mitte am höchsten und fällt gleichmäfsig nach allen Seiten ab. Sie hat keine Ohren.
Der Schnabel ist etwas gekrümmt und die Öffnung ungemein klein. Area fehlt. Der
Schlofskantenwinkel ist ein rechter. Die Schlofskanten gehen nicht ganz bis zur Mitte der
Länge. Randkanten und Stirn sind in Rundung verbunden. Die Dorsalschaale ist nicht ge-
kielt, läfst aber einen deutlichen Sinus bemerken, der die Mitte der Länge etwas vorschiebt.
Doch oft zieht dieser Sinus eine ganze Seite herunter und verursacht eine Ungleichheit beider
Hälften. Die feinen Falten, welche die Oberfläche der Schaalen bedecken, dichotomiren
nicht häufig und vergröfsern sich sichtlich in der Breite. Die Vermehrung ge-
schieht auch durch wirkliche Zerspaltung, "nicht durch Einsetzung feinerer Falten zwi-
schen den gröfseren. Man zählt in 6'-r, Millimeter oder 3 Linien Entfernung vom Schnabel
36 Falten, und etwa 10 bis 12 Falten am Anfange. T. substriata würde mit nahe
an dreimal so viel Falten bedeckt sein.
Länge 100, Breite 80, Höhe 50.
Sie wird zwischen Corallenstämmen festsitzend gefunden, in den Brüchen von Faxöe
auf Seeland.
L2
84 v. Buch
1 1 . Terebratula gracilis Schlotth.
Petrefactenkunde p.270. Schlottheim in Leonh. Min. Taschenb. VII, Fig. 3. Sow. Tab. 536.
Fig. 2. (rigida), Tab. II, Fig. 35. a. b. c. vergi öfsert d. e.
Eine kleine, fast ganz runde Terebratel mit flacher Unterschaale. Doch sind nur \
des Umkreises ganz regelmäßig abgerundet; der obere Theil läuft in eine stumpfe Spitze aus.
Die Ventralschaale ist nicht blofs ganz flach, sie ist sogar in der Mitte merklich, wenn
auch nur wenig eingesenkt, und hebt sich wieder gegen die Ränder herauf. Der Schna-
bel ist nur zuweilen gebogen, aber die Öffnung, die er umgiebt, ist überaus klein; so
auch die Area, welche nicht ein Viertheil der Schlofskanten einnimmt. Der Schlofskanten-
winkel beträgt etwas mehr als ein rechter, aber die Schlofskanten biegen sich bald, wenn
auch nur erst seit der Mitte, völlig zur Zirkelkrümmung. Die Dorsalschaale ist gekielt, ohne
Sinus. Beide Flächen sind mit wenigen, aber stark hervortretenden, oben abgerundeten Fal-
ten bedeckt, welche durch die Zerschneidung der Anwachsringe gekörnt sind; doch nicht so
zierlich, grofs und perlenartig, wie T. chrysalis. Neun Falten stehen am Schnabel um-
her, 36 Falten am Rande, in Z\ Linien Entfernung. Die Vermehrung geschieht durch
Einsetzen einer oder auch wohl zweier neuer, feinerer Falten in den Zwischenräumen der
gröfseren. Am Rande dehnen sie sich alle mehr in der Breite und verlieren an Höhe. Ihre
Zahl ist gering in Vergleichung mit anderen dichotomen Terebrateln.
Länge 100, Breite 94, Höhe 32.
Li der weifsen Kreide, an der Stubbenkammer auf Rügen, zu Norwich in England.
1 2. Terebratula pectita Sow.
Sow. Tab. 138. Fig.l. Brogniart Paris Tab.9. Fig.3. N ielfson Petrif. Suec. Tab.4. Fig.y.
Der Umrifs dieser Terebratel ist ein Pentagon mit zwei gröfseren und paralle-
len Seiten, welche von den Randkanten gebildet werden. Auf dem oberen Ende dieser
parallelen Randkanten steht unmittelbar die Area in einer fast geraden Linie an der Ven-
tralschaale hin. Die Schlofskanten umgeben sie mit scharfem Rande gegen die Dorsal-
schaale. Beide Kanten verbinden sich oben in einem rechten Winkel. Die Area ist daher
ein rechtwinkliches, horizontales Dreieck, das ein Viertheil der Länge der Muschel
einnimmt. Die Ventralschaale ist am höchsten über den Buckeln, und fällt dann mit sehr
sanfter Krümmung gegen Rand und Seiten. Die Dorsalschaale biegt sich zum Schnabel, doch
nicht bedeutend. Gegen die Stirn ist sie breit gekielt, mit einer ebenen Fläche
oben, welche am Rande zum flachen Sinus wird. Die Seiten fallen schnell gegen den
Rand. Viele runde Falten bedecken die Schaalcn mit etwas breiteren Intervallen. Am Schna-
bel umher stehen 14 Falten, von denen 4 zum später sich zeigenden Sinus gehören. In
6 Linien Entfernung stehen 48 Falten am Rande, von denen 8 Falten im Sinus. Die Ver-
mehrung geschieht durch Zerspaltung.
Länge 100, Breite 100, Höhe 69, Sinusbreite 40.
In Nielfson's Abbildung macht die Basis der Area einen bedeutenden Winkel an
der Spitze der Ventralschaale; weniger merklich, und fast schon gänzlich eine gerade Linie,
über Terebrateln. 85
zeigt es Brogniart's Figur. Wahrscheinlich ist bei Nielfson diese Brechung der Area-
Basis etwas zu grofs. Auch meint er, Brogniart lasse nicht die ebene Fläche auf der Dor-
salschaale hervortreten, von welcher Sowerby rede. Aber diese Fläche ist nur sehr schmal,
und fällt noch weniger auf, da sie mit Falten bedeckt ist
Nach Smith ist dies eine der charakterisirenden Muscheln des Kreidesandsteins. In
der That hatte sie Sowerby aus dem „Green-Sand" der Gegend von Warminster; die
französischen sind von Havre, die schonischen von Ignaberga; sonst auch noch bei Maastricht
zu Serifontaine bei Beauvais, IS Linien lang bei le Mans, Caen, le Puy (Defrance Dict.
d'hist. naturelle, Tere'bratule), im Kreidesandstein am Bach von Pellykowa in Ostgalizien,
durch Herrn Friedrich Dubois gesammelt.
13. Terebratula pecüniformis .
Faujas Montagne de Maastrich Tab. 27. Fig. 5. (sehr schlecht). Tab. 3. Fig. 41.
(Fig. c. ist umgewandt, die Dorsalschaale oben).
Die Bandkanten laufen mit der Stirn in eine abgerundete Spitze zusammen. Der ge-
rade Schlofsrand ist zugleich die gröfste Breite der Muschel. Die gröfste Höhe der Ventral -
schaale ist in der Mitte; sie Fällt von hier nur gegen Buckel und Stirn, nicht gegen die Sei-
ten. Das sind die Eigenthümlichkeiten, wodurch diese Art sich von der sehr ähnlichen T.
peclita sogleich und bestimmt unterscheiden läfst. Vielleicht gelingt es, zu zeigen, dafs beide
besser und richtiger ihre Stelle unter der Abtheilung der Loricaten einnehmen würden.
Die Ventralschaale ist niedrig und flach; sie ist nur halb so hoch als die Dorsal-
schaale. Vom Schlofsrande her hebt sie sich bis zur Mitte, wie eine Welle, auf der gan-
zen Länge desSchlofsrandes, ohne bemerkbaren Buckel. Diese Erhöhung ist sehr
allmählig. Seit der Mitte senkt sich gegen den Band ein breiter und flacher Sinus mit
stark divergirenden Seiten. Die Kanten am Schlofsrande bilden eine scharfe, gerade
fortlaufende Linie; sie bestimmen zugleich die gröfste Breite der Schaale n. Die
Schlofskanten vereinigen sich unter sehr stumpfem Winkel von 127 Grad. Sie endigen
sich am Schlofsrande. Die längeren Bandkanten convergiren ziemlich schnell und und lassen
sich von der, in eine abgerundete Spitze auslaufenden Stirn mit Bestimmtheit nicht trennen.
Dieses giebt der Ventralschaale die Form eines Herzens. Die Area ist viermal breiter
als hoch, glatt und mit sehr scharfen Bändern gegen die Dorsalschaale. In ihrer Mitte er-
hebt sich, durch eine feine Furche abgesondert, eiu grofses Deltidium, das vorzüglich mit
der Öffnung, der es zuläuft, in gar keinem Verhältnifs zu stehen scheint. Es ist viel hö-
her als breit, und endigt sich in der Spitze eines sehr feinen, nur wenig überge-
bogenen Schnabels, in einer Öffnung, die so klein ist, dafs man oft einer Loupe bedarf,
um sie zu finden. Die Dorsalschaale ist stark gekielt, in der Mitte am höchsten. Der Kiel Fällt
von dort gleichmäfsig ab gegen die Seiten. Die Herzform des Umrisses ist auf dieser Seite
nicht auffallend. Die Falten über die Flächen sind oben abgerundet, mit schmaler Basis,
und auch schmäler als ihre Intervalle. Häufige Anwachsringe, vorzüglich am Bande, machen
sie rauh. Sie vermehren sich durch Einsetzung; die neue Falte trennt sich als ein feiner
Faden von der älteren , erreicht aber schnell die Breite der Nachbarsfalten. Die Trennung
86 v, Buch
geschieht mit einer Art von Symmetrie. Auf der Ventralschaale trennt sich die junge Falte
stets auf der inneren, auf der Dorsalsehaale auf der äufseren Seite der älteren Falte.
12 Falten stehen am Buckel der Ventralschaale, 27 Falten am Rande, in 4 V, Linien Entfer-
nung. Dieses ist auch die gewöhnliche Gröfse der Muschel. Von einer Mittelfalte im An-
fange entstehen auf dieser Länge 5 Falten im Sinus.
Dinge 100, Breite 104, Höhe 44.
Aus dem Krcidemcrgel hei Maastrich.
14. Terebratula. truncata.
Encycl. mälhod. Tab. 2kl. Fig. 2.
Sie hat mit T. pectila einige entfernte Übereinstimmung durch die fast in einer ge-
raden Linie stehenden Schlofskanten der Ventralschaale und durch die breite, die ganze Länge
des Schlofsrandcs einnehmende Area; dagegen unterscheidet sie sich, nicht blofs als Art, son-
dern sogar als Untersection, durch die eingebogene Ventralschaale. Diese Schaale würde in
der Thal, ganz flach , und nur höchstens gegen die Stirn etwas stärker niedergebogen sein,
wenn nicht seit dem ersten Viertheil ein sich immer mehr erweiternder Sinus oder eine
flache Einbiegung erschiene, durch welche die beiden Flügel dieser Schaale in der Mitte
leicht erhoben werden. Ihre Schlofskanten weichen nur unmerklich von einer geraden
Linie ah, welche in der Mitte durch den nur wenig erhöhten Buckel getrennt ist. Die
etwas nach aulsen ausgeschweiften Bandkanten stehen in rechtem Win kel daran, gehen
ziemlich parallel herab und vereinigen sich in allrnähliger Krümmung mit der breiten Stirn.
Die Schaale ist viel breiter als lang. Das Ver h ä 1 1 n i fs der Länge zur Breite ist
wie 100:130. Die Area erhebt sich über dem Schlofsrande auf ihrer ganzen Länge mit
Schnell zusammenfallenden Seiten, so dafs sie in der Spitze des durch sie gebildeten Dreiecks
unter einem stumpfen Winkel von 132 Grad zusammenstofsen. Diese Area ist hori-
zontal, eben, doch durch starke Anwachsringe stark in die Quere gestreift, und von
der Dorsalschaale ist sie durch eine scharfe Kante geschieden. Die Öffnung des Fleftmuskels
ist so übermäfsig grols und weil, dafs sie mehr als ein Drittheil der Area einnimmt. Daher
geschieht es, dafs selten die beiden Theile des getrennten Deltidiums zusammenstofsen kön-
nen, welches nur in allen Muscheln dieser Art geschieht. Da nun die beiden einzelnen Stücke
gar leicht abgeslofscn werden oder von selbst abfallen, so scheint das Dcltidium hier gänz-
lich zu fehlen und die Öffnung unmittelbar auf die Basis des Schlofsrandcs zu stehen. Die
Figur in der Eficyblopddie hat es aber deutlich angegeben, wie es wirklich der Natur ge-
mäl's ist. Die Dorsalschaale hat keinen Schnabel; sie steigt noch etwas bis zum ersten Vicr-
theil der Länge, che sie gegen den Kand abfällt. Sie ist auf ihrer ganzen Länge zwar
sehr flach, aber deutlich gekielt. Die Fallen sind sehr eng und zahlreich; 12 Falten
am Anfange der Ventralschaale, 87 Fallen am Bande in f) Linien Entfernung. Sie seheinen
fein gekörnt; bei aufmerksamerer Betrachtung mit starken Loupen ist aber dieses scheinbar
gekörnte vielmehr die Falte selbst, die etwas in die Höhe steigt und einen kleinen Dorn
bildet. Das ist an lebenden Muscheln dieser Art nicht zu sehen.
über Terel ratein. 87
Länge 100, Breite 113, Höhe 30.
Sie ist von Dr. Philippi in den Muschelbänken bei Palermo gefunden worden. Auch
hat sie Hr. Friedrich Dubois in Sandstein und Kreidemergel an der Mühle von Pribu-
lina in Ostgalizien entdeckt. Aus anderen Muschelschichten hat man sie bisher noch nicht
angeführt. Lebend ist sie nicht selten.
15. Terebratula borealis Schlotth.
Catalog p.65. n.SS. Schlotth. Nachträge I, Tab. 20. Fig. 6. (T. lacunosa).
Sie ist wirklich der T. lacunosa ähnlich genug, allein beide sind vorzüglich durch
den ganz durchgehenden Sinus so weit von einander geschieden, dafs sie schon hierdurch gar
keine Vereinigung zulassen.
Die ganze Muschel ist sehr viel breiter als lang, und auch bedeutend hoch. Die gröfste
Höhe der Ventralschaale ist in der Mitte, oder auch schon etwas vorher, und von da
fällt sie im Bogen ab gegen den Band, ohngefähr wie ein halber Zirkelbogen, und der Form
einer Concinnea gemäfs. Schon von dem ersten Aufsteigen des Buckels (natis)
an erhebt sich hierauf deutlich und bestimmt eine Wulst, dem Sinus der Dorsalschaale cor-
respondireinl, welche, allmählig sich erweiternd, am Bande der Stirn mit flach gewölbter
Höhe und glatten Seiten abfällt. Die Seiten sind geflügelt, oder die Curve ihres Um-
risses geht, einer Hyperbel ähnlich, nicht wieder in sich zurück. Die Folge ist, dafs die
Seitenfalten in sehr flach gedrückten Bogen zum Bande herabkommen. Der Schlofskanten-
winkel scheint veränderlich; doch wird er gröfstentheils über einem rechten Winkel hinaus-
fallen, schwerlich darunter. Die Schlofskanten sind doppelt so grofs als die Bandkanten,
welche nur gegen die Stirn sich abrunden. Der Schnabel ist vorwärts gebogen, mit der
länglichen Öffnung bis in die Spitze. Das Dellidiuni bildet von dieser nur einen sehr klei-
nen Theil des Umfanges und ist gewöhnlich versteckt. Die Area ist grofs, glatt, mit
bedeutendem, aufsteigendem Ohr, in einer Vertiefung beider Schaalen. Die Dorsal-
schaale zeichnet sich sogleich aus durch den Sinus, der schon von der Spitze des Schna-
bels aus merklich und vertieft ist; vielleicht das einzige Beispiel in der ganzen Abthei-
lung der gefalteten Terebrateln. Dieser Sinus breitet sich gegen den Band aus, und zwei
oder drei Falten im Anfange vermehren sich darin auf dem flachen Grunde zu 6 oder 8
Falten am Bande. Die Seiten des Sinus sind glatt; die zunächst darüber stehenden Falten
sind nicht die höchsten, sondern die zweiten oder dritten. Von diesen weg senken sich die
übrigen ziemlich schnell auf ebener Fläche gegen die Area. Die Falten sind ausgezeichnet
dichotcm durch Zerspaltung; dennoch vergröfsern sie sich in Breite gegen den Band und
sind dachförmig. 3 Falten am Schnabel vermehren sich zu 8 Falten auf jeder Seite am
Bande, so dafs der Band der Dorsalschaale im Durchschnitt mit 24 Falten bedeckt ist, welche
in Form von 8 Stäben den Schnabel umgeben.
Länge 100, Breite 122, Höhe 91, Sinusbreite 57.
Aus dem Encriniten- (Übergangs-) Kalkstein der Insel Gothland. Aus der Eifel im
Berliner Cabinet.
88 v. B u c h
Es ist kaum zu zweifeln, dafs auch die Terebratula Plicatella der Schweden hierher
gehöre (Dalman p. 56. Tab. 6. Fig. 2.). Denn nach der Beschreibung würde auch bei ihr
der Sinus bis in den Schnabel fortlaufen, und die Zeichnung, so schlecht sie auch ist, hat
deutlich das Ohr der Area abgebildet. Hierdurch scheint sie völlig ausgezeichnet. Die Fal-
tenmenge ist von der Gröfse abhängig. Dafs der Dichotomie nicht erwähnt ist, scheint um
so mehr ein Übersehungsfehler, da die Zeichnung die Dichotomie im Sinus (Fig. 2. a. d.) be-
stimmt angiebt. Diese T. Plicalella soll aber eine der häufigsten in Gothland sein, auch
nicht selten in gleichem Kalkstein in Ostgothland gefunden werden, zu Borenshult und Hus-
byfiöl, und sehr geneigt könnte man sein, hiermit auch Alrypa canalicu lala (Dalm. Tab. 4.
Fig. 4.) zu vereinigen, die sich sogar an denselben Orten wie die vorige findet, und gewifs
keine wesentlichen Kennzeichen zur Unterscheidung beobachten läfst.
16. Terebratula primipilaris Schlotth.
Catalog p.64. und Sammlung. Tab. II, Fig. 29. a.b.c.
Der äufsere Umrifs dieser merkwürdigen Terebratel ist ein fast gleichseitiges
Pentagon. Die Ventralschaale hebt sich nur Anfangs am Schlofs; bald geht sie fast horizon-
tal, nur mit wenigem Ansteigen, bis zur Stirn. Auch auf den Seiten fällt sie nur wenig
ab, doch so, dafs in der Mitte eine breite, oben flache Wulst zurückbleibt. Der Schlofskan-
tenwinkel ist stumpf, oder gröfser als ein rechter. Die Schlofskanten sind kürzer als die
Randkanten; diese gehen wenig gebogen und mit geringer Convergenz an den Seiten
herunter und verbinden sich fast im rechten Winkel mit der noch breiteren Stirn. Beide
Schaalen stolsen nirgends scharf zusammen, sondern sind rund umher, bis zu den Schlofs-
kanten, wie abgestumpft. Der Schnabel ist gebogen, steht aber nur gar wenig über dem
Schlofsrand. Er umgiebt eine überaus kleine Öffnung, in welcher das kleine, sectirende
Dellidium nur einen sehr geringen Kreisabschnitt einnimmt. Daher ist auch die Area nur
sehr klein, mit flachem Ohr, ohne Falten. Die Dorsalschaale senkt sich jenseit der Mitte zu
einem im Grunde flachen Sinus, der sich noch weit und spitz gegen die Ventralschaale her-
abzieht. Die nächsten Falten an den Seiten stehen wie Hörner oder Dornen darüber, die
folgenden Falten aber senken sich nur allmählig gegen die Area. Die Form dieser Falten
ist sehr merkwürdig. Anfangs laufen sie einfach aus, gabeln sich erst gegen die Mitte,
nicht alle, sondern nur einige, und nähern sich mit vermehrter Breite dem Rande.
Bevor sie ihn aber erreicht haben, zerspalten sie sich alle, und einige gegen die Mitte
sogar in mehr als zwei Theile. Diese neue Falten sind dünner als die Hauptfalten, welche
aus ihnen wie Stämme hervortreten. Hierdurch erhält diese Terebratel ein ganz eigenthüm-
liches, leicht erkennbares Ansehn. Der Schnabel wird von 14 (11 - 16) Falten umgeben; am
Bande in 5 Linien Entfernung stehen 37 Falten (30 - 42). Von diesen gehören 13 Falten
zum Sinus am Bande, welche von 5 Falten am Schnabel auslaufen.
Länge 100, Breite 102, Höhe 70, Breite des Sinus 58.
Aus dem Transitionskalkstein zu Gerolstein in der Eifel. Sie ist von Bonn aus zuwei-
len unter dem Namen Terebratula dichotoma verschickt worden.
über Terehrateln. 89
Sehr nahe steht dieser Terebratel die von Dal man beschriebene und Tab. 6. Fig. 6.
(schlecht) abgebildete T. marginalis. Aufsere Form, Grüfse, Kantenverhältnifs, Schnabel,
Öffnung, Faltenmenge, die ganze Beschreibung stimmt vollkommen, aufser nicht der glatte
Rand, statt dessen die weitere Zertueilung sichtbar sein sollte. Allein ein solcher glatter Rand
scheint nicht natürlich nv.J mag wohl durch "aulsere Umstände hervorgebracht worden sein.
Sie ist aus dem Encriniten - (Transitions-) Kalkstein des Klinteberges auf Gothland. Die
Schlottheimische Sammlung bewahrt auch wirklich ein Stück mit einem Trilobitenkopf
vereinigt, aus Gothland, in welchem der Rand eben so zertheilt ist, als an den Stücken der
Eifel. Die Wulst ist hier bis in den Schnabel zu verfolgen, was nur einem Zufall zuzuschrei-
ben sein wird.
17. Terebrattjla Lyra Sow.
Encycl. meth. Tab.243. Fig.l. Sow. Tab. 138. Fig. 2. T. costata Wahl. Nielfs. Dalm.
Nach Sowerby würde diese auffallende Art sich vorzüglich durch die besonders grofse
Lange des Schnabels der Dorsalschaale unterscheiden. Er allein ist so lang als die ganze Ven-
tralschaale. Sowohl Area als Deltidium sind daher eben so lang, und deutlich von einander
geschieden. Die Area ist horizontal (wie in T. pectita), eben und glatt. Das Deltidium
nimmt schnell ab gegen die Spitze, und ist daher sehr eng sectirend. Sowohl Ventral- als
Dorsalschaale sind in der Mitte am höchsten, mit flachem Abfall. Ihre breite Falten sind häufig
zerspalten, vorzüglich am Rande. Ein Sinus scheint zu fehlen.
Im Kreidesandstein bei Horningsham. Bei Havre. Cap la Heve.
Nielfson glaubt es wenig Zweifel unterworfen, dafs T. costata der Schweden hier-
her gehöre. Zwar hat seine Abbildung auch nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit der von
Sowerby; gröfser ist die Übereinstimmung in der Beschreibung, doch auch nicht so sehr,
dafs man beide zu vereinigen aufgefordert gewesen wäre. Das Zeugnifs eines so erfahrnen
Naturforschers ersetzt aber, was der Zeichnung und der Beschreibung abgeht. In Kreide zu
Baisberg und Kjugestrand in Schonen.
18. Terebratula Grj-phus.
Gypidia Conchidium Dalm., Uncites Gryphoides Defrance, Penlamenis Knighlü Sow.,
Schlottheim Nachträge I, Fig.l.
Eine der gröfsten unter den bekannten Terehrateln; dabei ist sie durch ihren frei ste-
henden, langen, an der Spitze weit übergebogenen und gekrümmten Schnabel so auffallend,
dafs man sich sträubt, in dieser Gestalt noch eine Terebratel wieder zu erkennen. Dennoch
fehlt ihr das Hauptkennzeichen nicht: die Scheidung des Heftbandes vom Schlofsrande durch
ein zwischenliegendes Deltidium. Die Scheidewände im Innern, welche Sowerby und Dal-
inan als bestimmend für ein neues Geschlecht ansehen, sind, mehr oder weniger grofs, allen
Terehrateln gemein. Die Wände, welche Dalman gezeichnet hat und die unter der Venlral-
schaale convergiren, gehen überall zwischen Area und Deltidium herunter und dienen den
Zähnen zur Unterstützung. Man findet sie eben so gut in den lebenden Terehrateln, und sogar
denen von T. Gryphus ganz ähnlich, nur divergirend in T. psittacea.
Phj-s.Jbhandl.i833. M
90 v. Buch
Die Form ohne den Schnabel ist die eines Rhombus, mit zwei oberen, sehr
langen, und zwei unteren, sehr kurzen Seiten und mit stark abgerundeten Ecken.
Ihre gröfste Breite ist in \ der Länge der Muschel. Die Ventralschaale hat ihre gröfste Höhe
in der Mitte und fällt steil, zuletzt fast senkrecht in den Schnabel, dagegen mit weit gerin-
gerer Krümmung gegen den Rand. Die Kanten dieser Schaale neigen sich mit 50 Grad ge-
gen einander, doch bildet ihre Spitze im Schnabel keine scharfe Ecke, sondern vielmehr das
Segment einer Kugel. Der Sc hlofs kante nwinkel ist ungemein spitz, gewöhnlich
von 40 Grad. Die Schlofskanten ziehen sich bis zu % der Länge der Muschel herab. Die
Randkanten stofsen dann in stumpfem, abgerundetem Winkel zusammen, ohne
Stirn; sie erreichen daher häufig nur ', der Länge der Schlofskanten. Die Area zieht sich
bis gegen die Spitze des Schnabels herauf, dann wieder herab, so lang als die Schlofskanten
selbst. Sie erhebt sich zu einem bedeutenden, flach gewölbten Ohr, das stark mit
Anwachsringen, nicht aber mit Falten bedeckt ist. Die x/rca-Kante gegen den Rücken ist
abgerundet. Das Dcltidium, was in kleinen Stücken gar nicht zu verkennen ist, nimmt die
Form des Stücks der Ventralschaale an , das von ihm berührt wird. Daher stofsen die An-
wachsstreifen darauf von beiden Seiten her in der Mitte in einen Winkel zusammen, oder
es ist federartig gestreift mit nach oben stehendem Winkel. So verschliefst es den ach-
ten Theil der ziemlich bedeutenden Öffnung in der Spitze des Schnabels. In grofsen Stük-
ken wird dieses Dellidium eingedrückt und zerstört; der Schnabel scheint dann hohl zu sein.
Dieser Schnabel selbst ist aber selten gerade, sondern meistens in seiner Krümmung noch
gewunden; sogar abwechselnd nach mehreren Seiten, welches ganz begreiflich so sein mufs,
wenn man sich die Muschel nur an der Spitze eines so langen Schnabels befestigt, und das
Übrige beweglich denkt, welches aber unmöglich wäre, hätte das Heftband den ganzen, offen
stehenden Raum von der Spitze bis zur Schlofsbasis ausgefüllt. Die Dorsalschaale ist wenig
gewölbt, beinahe flach auf dem Rücken, doch ohne Spur eines Sinus. Sie fällt sehr all-
mählig gegen die Stirn, aber senkrecht gegen die Schlofskanten.
Beide Schaalen sind mit eng stehenden Falten bedeckt, welche durch Zerspaltung di-
chotomiren. Sie sind häufig doppelt so breit als ihre Intervalle, und an ihrem Anfang eben
so deutlich als am Rande. In 8 Linien Länge finden sich 25 (21-29) Falten am Rande,
14 Falten an der Spitze. Die schwedischen scheinen etwas breitere und dachförmige Falten
zu besitzen, welche auch an Breite etwas mehr zunehmen. 14 Falten stehen an der Spitze
des Schnabels, 25 Falten am Rande. Die Falten auf dem flachen Rücken sind an diesen
Stücken nicht gegabelt, sondern nur die an den Seiten.
Bei kleineren Stücken:
Der grüfseren Schaale Länge 100, Kleinere Schaale 68, Breite 65, Höhe 50.
oder „ „ „ „ 140, „ „ 100, „ 95, „ 73.
Bei gröfseren Stücken:
Der gröfseren Schaale Länge 100, „ „ 77, „ 66, „ 53.
oder „ „ „ „ 129, „ „ 100, „ 86, „ 68.
Die gröfseren sind bis 2 k, Zoll lang, die kleinsten nur von 3 Linien, und zwischen
diesen Grenzen findet man sie von allen Abstufungen der Gröfse. In der Grauwacke am
über Terebrateln. 91
Klutstein bei Gladbach ohnweit Cöln ganz häufig. Weniger bei Bensberg. Klein bei Ge-
rolstein. Die schwedischen finden sich nur allein am Klinteberg in Gothland im Transitions-
kalkstein , die englischen in „moltnlain limeslone" zu Downton in Herefordshire und bei
Walbrookdale.
Man findet einen vollkommenen Übergang von der lebenden T. psillacea zur T. Lyra
der Kreide bis in die- T. Gryphus der Transitionsformation. Der ersteren von diesen hat
man ihre Natur als Terebratel noch nie abgesprochen; um so weniger darf man also in der
letzten eine eigenthümliche, einem ganz verschiedenen Geschlecht zugehörige Form suchen.
Sie gehören aber offenbar zu einer eigenen kleinen Familie, welche man, wie Dal man, ganz
bequem Rhinchora nennen könnte.
19. Terebrattjla prisca Schlotth.
Schlottheim Nachtrage I, Tab. 17. Fig.2. Sowerby Tab. 324. Fig.2. (T. aßnis).
Das Eigenthümliche dieser weit verbreiteten Art liegt in einem besonders hervortre-
tenden Drangen des in der Muschel eingeschlossenen Thieres gegen den oberen oder Schlofs-
Theil der unteren (Ventral-) Schaale. Je gröfser die Muschel wird, um so mehr erhebt
und wölbt sich dieser obere Theil, und der Rand oder die Stirn bleibt zurück. Dies ist der
Natur der Pugnaceen gerade entgegengesetzt, in welchen sich das Thier ganz gegen die Stirn
drängt und sich vom Schlofsrande entfernt, weshalb der Rand der Ventralschaale bei ihnen
immer besonders hoch hervorsteht.
Diese Eigentümlichkeit der T. prisca bewirkt, dafs bei ganz ausgewachsenen Mu-
scheln die Ventralschaale nicht blofs vom Schlofsrande so steil aufsteigt, dafs sie gewöhnlich
Anfangs senkrecht zu sein scheint, sondern dafs sie wirklich zuweilen etwas überhängend
wird. Indefs biegt sie sich bald, schon lange vor dem ersten Viertheil der Länge, erreicht
nun mit sanftem Aufsteigen ihre gröfste Höhe in der Mitte der Länge, und fällt von da
mit sanfter Biegung und kaum mit 30 Grad bis gegen die Stirn. Der obere Theil bildet
zwar eine sanft gewölbte Wulst, sie ist aber von den Seiten gar nicht, oder doch kaum
merklich geschieden.. Diese Seiten fallen schnell und gleichförmig gegen den Rand.
Die Schlofskanten liegen in einer geraden Linie nebeneinander, welche nur durch
das Hervortreten des Schnabels unterbrochen wird. Sie verbinden sich durch abgerundete
Ecken rechtwinklich mit den senkrecht herablaufenden Randkanten und sind kürzer als diese.
Mit gröfserem Bogen vereinigen sich diese sonst nur wenig ausgeschweifte Randkanten mit
der Stirn, welche vollkommen so breit ist als beide Schlofskanten zusammen, und nur durch
Producirung von Wulst und Sinus in seltneren Fällen unterbrochen wird.
Die Area ist so klein, dafs sie sich fast gänzlich versteckt; sie hat sehr scharfe
Ränder gegen die Dorsalschaale. Auch die Öffnung, die an sich nur klein ist, wird bald
durch das Anschwellen der Ventralschaale verdeckt und kann nur an jungen, noch wenig er-
höhten Stücken erkannt werden. Dann aber auch deutlich, mit sehr bestimmtem Dellidium.
Die Dorsalschaale scheint nichts anders als ein dünner Deckel auf der unteren Schaale.
Sie wächst nur im Umfange, gar nicht in der Höhe. Daher ist sie auch fast ganz flach,
M2
92 v. Buch
und in der Gegend des Schnabels ist sie wenig und sehr breit gekielt. Seit der Mitte
senkt sich der Sinus, zuerst sehr breit, allein mit schnell convergirenden Seiten, ohne scharfe
und bestimmte Scheidung von den Flügeln. Die Spitze des Sinus ist abgerundet.
Die Falten der Schaalen sind sehr stark und her ^tretend; doch oben abgerundet, nie
scharf. Sie sind häufig zerspalten, im Alter noch mehr al: im Anfang. Daher sind sie
nicht selten am Rande statt breiter, wirklich schmäler, als in der MitiM Am Schnabel ste-
hen 15 Falten umher, welche sich in 1 Zoll Entfernung auf 64 Falten vermehren. Starke
Anwachsringe durchschneiden die Falten; so stark, dafs sie sogar etwas aufgeworfen sciii.'-
nen. Diese Ringe stehen immer enger zusammen , je näher sie dem Rande kommen. Da-
durch wird endlich der Rand selbst ganz rauh und die Fläche scheint nun um so deutlicher
gitterartig gestreift.
Länge 100, Breite 104, Höhe 70, Sinusbreite 65.
Diese Abänderung wird vorzüglich häufig in der Grauwacke zu Bensberg und Glad-
bach bei Cöln gefunden ; dann in England in den Malvern Hills Glostershire, zu Dudley und
bei Horncastle.
Dagegen ist eine andere Abänderung, var. angusli-costata, noch weiter verbreitet,
welche als eigene Art angesehen werden müfste, wenn nicht, wie es scheint, vollkommene
Übergänge beide mit einander verbänden. Es ist die schwedische Anomia oder Alrypa
reticularis.
Sie ist zuerst auffallend durch viel enger zusammenstehende Falten, dann durch ge-
ringere Breite; sie steht weit unter der Länge; endlich durch die Form der Dorsalschaale,
welche nicht flach ist, sondern deren Flügel, vorzüglich am Anfang, sich bedeutend nach
beiden Seiten hin senken. Die Falten sind merklich enger auf der Wulst und im Sinus.
Noch stehen zwar auch hier 13 oder 14 Falten am Schnabel, aber schon 84 Falten in 1 Zoll
Entfernung. Der Sinus ist gar wenig eingesenkt, allein durch eine breite Fläche auf dem
Rücken schon seit dem ersten Viertheil angedeutet. Die Ventralschaale fällt von der Mitte,
wie von einem Centrum aus, nach allen Seiten steil ab, doch ziemlich gleichförmig. Der
Abfall gegen den Schnabel ist wenig steiler, als der gegen den Rand. Länge 100, Breite 85,
Höhe 72. So sind alle die, welche man im Transitionskalkstein von Ober -Kunzendorf bei
Freyburg in Niederschlesien findet. Dalman Tab. 4. Fig. 2. könnte ohne Fehler auch als
eine Abbildung dieser schlesischen Terebratel angeführt werden. Auch die Beschreibung ist
ganz übereinstimmend. Länge 100, Breite 97, Höhe 63. Die schwedischen finden sich un-
gemein häufig im Transitionskalkstein von Gothland und im Thonschiefer von Westgothland.
Ganz ähnliche finden sich bei Blanckenheim in der Eifel, zugleich mit anderen, in welchen
die Neigung der Flügel der Dorsalschaale allmählig verschwindet. Diese Schaale selbst wird
flach, und die Ventralschaale bauchiger gegen den Schnabel.
Dafs diese Terebratel einige Ähnlichkeit mit der lebendigen T. dorsata habe, welche
in der Magellanischen Meerenge vorkommt, läfst sich nicht läugnen. Doch hat diese kein
so grofses Mifsverhältnifs zwischen der Höhe der Ventral- und Dorsalschaale; auch hat sie
eine sehr grofse Öffnung für das Heftband und eine bedeutende, dreieckige Area.
Var. explanata, asper. Schlot th. Nachtr. Tab. 18. Fig. 2 u. 3. Dalm. Tab.4. Fig.3.
über Terebrateln. 93
Schlotthein» hat mit grofsem Recht diese so sehr verschieden aussehende Form nur
für jüngere Stücke von T. prisca gehalten. Denn man kann sie durch alle Stufen ihres
Wachsthums verfolgen, von der ganz flachen ejcplanata bis zu der hoch angeschwollenen
Form der T. prisca. Zwar sagt üalman, dafs der Unterschied der Falten so bedeutend
sei, dafs die stets kleinere T. asper nur ein Viertheil der Falten der gröfseren besitze. Er
hat aber übersehen, dafs eben durch ihre Zerspaltung die Falten jederzeit in gröfseren Stük-
ken sich, vermehren. Am Schnabel stehen auch hier jederzeit nur 13 bis 15 Falten umher.
Auch sind sie noch nie an einem andern Ort gefunden worden , als wo T. prisca ebenfalls
vorkommt. Da die Ventralschaale noch so wenig erhoben und über das Schlofs ausgedehnt
ist, so läfst sich die Öffnung des Schnabels, das Deltidium und die Area fast in allen Stücken
beobachten, und so gut, dafs man nicht einsieht, wie sie einem so aufmerksamen Beobachter,
als Dal man, entgehen und ihn veranlassen konnten, sein unstatthaftes Geschlecht Atrypa
zu bilden.
T. asper gehört der eng gefalteten Varietät mit abfallenden Flügeln der Dorsalschaale,
T. explanata dagegen der Abänderung mit flachen, in einer Ebene liegenden Flügeln. Für
diese letztere finden sich folgende Verhältnisse: Länge 100, Breite 123, Höhe 42. Die Höhe
ist also noch wenig mehr als die Hälfte von dem, was sie sein sollte. Auch die Breite ist
zu grofs und beweist, dafs die Schaale weit mehr in Richtung der Länge sich vergröfsert,
als in Richtung der Breite.
III. LORICATAE.
Die Dorsalribben der gröfseren Schaale sind die eingeschlosse-
nen, die der Ventralschaale die einschliefsenden. Die Ribben verthei-
len sich in bestimmter Zahl und völlig symmetrisch auf beiden Seiten,
einige wenige Fälle ausgenommen, in welchen nur die mittleren Ribben her-
vortreten. Diese Muscheln sind meistens breiter als lang, wenig erhöht;
mit geradem, seltener mit gebogenem Schlofsrande an der Ventralschaale
und mit breiter Area. Das Deltidium ist häufig discret, oder seine Flügel
sind nicht vereinigt und lassen noch einen freien Zwischenraum übrig. Der
Sinus zwischen den Dorsalribben erstreckt sich jederzeit vom Rande bis
in den Schnabel, und ihm entsprechend ist eine Mittelribbe oder eine
Wulst auf der Ventralschaale bis auf den Buckel zu verfolgen.
94 v. Buch
1 . Terebratula pectunculoides Schlotth.
Tab.I, Fig.4. T. tegulata Ziethen Würtemb. Verst. Tab. 43. Fig.4.
Der Umfang, aufser dem Schlofs, ist meistens etwas länglich rund, seltener kreisrund.
Auf der Dorsalschaale erheben sich zwei nahestehende Dorsalribben. Ihnen
zunächst stehen zwei kleinere Lateralribben, weiter zwei noch kleinere Cardinal rib-
ben, endlich diesen ganz nahe und eben so nahe am Schlofsrande noch zwei kleine Ribben,
welche oft kaum noch von den Cardinalribben getrennt sind. Es befinden sich daher acht
Ribben auf der Dorsalschaale. Diesen entgegengesetzt erhebt sich auf der Ven tralschaale
genau in der Mitte eine Medianribbe, dann zwei Lateralribben, welche den Sinus
und die ersten Ribben der Dorsalschaale einschlicfsen, dann zwei Cardinalribben mit noch
zwei kleineren, mit ihnen verbundenen Ribben. Daher sieben Ribben in Allem.
Diese Zahl und Stellung findet sich schon in den kleinsten Stücken und verändert sich
durch den Wachsthum nicht sehr. Die Ribben sind dachförmig gestaltet, oben scharf, und
nehmen schnell an Rreite zu. Die Intervalle zwischen der Median- und den Lateralribben
der Ventralschaale sind sehr tief; viel tiefer als die folgenden, seitwärts liegenden, und die-
sem gemäfs liegt dagegen wieder der Boden des Sinus der Dorsalschaale viel höher als die
Intervalle zwischen Dorsal- und Lateralribben. Die Ventralschaale hebt sich sehr merk-
lich vom Schlofs aus und wird bauchig; daher bilden auch die Ribben Anfangs einen Bo-
gen, der nur erst gegen den Rand in eine gerade Linie ausläuft. Weniger schnell steigt die
Dorsalschaale, dagegen aber auch bis zum Rand fort, wenn auch nur mit sehr geringem Win-
kel. Der Schlofsrand oberhalb der Ventralschaale läuft in einer geraden Linie fort, welche
auch sehr nahe zugleich die gröfste Breite der Muschel ist. Die Schlofskanten erheben sich
darüber, umschliefsen eine breite, aber wenig hohe Area, und vereinigen sich über dem Schna-
bel in einem stumpfen Winkel von 106 bis 115 Grad. Die Area ist nicht völlig so breit
als der Schlofsrand; sie liegt horizontal, ist eben, mit starken Anwachsstreifen, und hat eine
scharfe Kante gegen die Dorsalschaale. Das Deltitlium schliefst selten zusammen; daher scheint
die Öffnung des Schnabels sehr grofs. Sind die beiden Flügel des Dellidiums verbunden,
so bleibt doch immer noch zwischen ihnen eine Trennungslinie sehr deutlich. Die Basis ist
sehr breit, die Seiten gehen mit den Schlofskanten parallel. Die Randkanten sind gröfser als
die Schlofskanten; sie neigen sich gegen einander, bis sie die Stirn erreichen, welche von
der Basis der Medianribbe gebildet wird. Beide Schaalen sind mit sehr starken und eng
stehenden Anwachsringen bedeckt. Die Ribben sind dadurch auf ihrem Rücken, dann
wieder auf den Seiten zickzackförmig zerschnitten. Von 1 Linie bis \ Zoll Länge.
Länge 100, Breite 112, Höhe 64, Sinusweite 36.
In den obersten Juraschichten zu Grumbach bei Amberg. Klein auf den Höhen von
Streitberg und Heiligenstadt. Zu Nauheim bei Giengen.
Es wäre zu wünschen, dafs der von Ziethen auf diese Tercbratel übertragene Name
sich im Gebrauch erhalten könne, statt des von Schiott heim gebrauchten, welcher zu leicht
Verwechslungen mit T. Pectunculus erlaubt; um so mehr, da Schlottheim's T. tegulata
über Terebrateln. 95
von Maastrich weder abgebildet noch beschrieben worden, und auch an sich in seiner Samm-
lung nur ein unbestimmbares Fragment ist.
•2. Terebratula Sayi Morton.
Tab. II, Fig. 38. Fig. c. ist umgewandt, die Dorsalschaale oben.
Der Umfang, aufser dem Schlofs, ist völlig kreisrund. Die Ventralschaale hat keinen
Buckel; sie steigt nur in sehr leichter, fast unmerklicher, aber regelmäfsiger Krüm-
mung gegen die Mitte, dann etwas schneller gegen die Stirn. Doch nur die Mittelribbe,
weshalb der Theil zwischen beiden Lateralribben wie ein flacher Sinus eingesenkt ist.
Alle andere Ribben neigen sich fast gar nicht gegen den Rand. Aufser der Mittelribbe und
zwei Lateralribben finden sich noch vier Cardinalribben auf jeder Seite; daher eilf Rib-
ben oder Falten über der Fläche, denen nothwendig zwölf Ribben auf der Dorsalschaale
entsprechen. Sie endigen sich alle mit gleicher Bestimmtheit, sogar mit gleicher Gröfse am
Schlots. Im Fortgange aber nehmen sie schnell an Breite und Höhe zu; sie sind oben
scharf, mit sehr ebenen, geneigten Seitenflächen. Die Anwachsringe sind seh r fein, fast
unmerklich, und bewirken daher auch nur eine sehr leichte, schiefe Streifung auf den
Seitenflächen der Ribben. Die Mittelribbe ist gewöhnlich seit der Mitte der Länge von zwei
kleinen, an jeder Seite sich ablösenden Falten begleitet, deren entsprechende auf der Dorsal-
schaale an den inneren Seiten des Sinus stehen. Auch andere Falten sind zuweilen von sol-
chen Ablegern begleitet, welche stets auf der inneren Seite gegen die Mitte stehen. Die
Seilenflächen sind durchaus und sehr zierlich schwarz punktirt. Diese Ribben stehen ver-
hältnifsmäfsig eng zusammen.
Die Ventralkanten des Schlofsrandes sind nur gar wenig gegen einander ge-
neigt; man kann sie sehr nahe als eine gerade Linie ansehen. Der Schlofskantenwinkel ist
stumpf, von 115 Grad. Die Schlofskanten sind etwas gebogen und gehen bis zur Mitte
der Länge. Die Area mit sehr scharfem Dorsalrande trennt sich in der Hälfte der
Schlofskante vom Schlofsrande; sie ist nahe an sechsmal so breit als hoch, und gerade ab-
stehend. Das Deltidium ist nur doppelt so breit als hoch, stufst aber mit seinen Flügeln
nur selten zusammen, daher ein Theil der grofsen Öffnung den Schlofsrand berührt. Die
Dorsalschaale erreicht ihre gröfste Höhe jenseits der Mitte ; doch ist auch hier der Bogen,
mit welchem sie sich erhebt, sehr flach, nur steiler gegen den Rand, als gegen den Schna-
bel. Die Ränder beider Schaalen stofsen mit grofser Schärfe zusammen.
Länge 100, Breite 107, Höhe 48, Sinusweite 24.
Diese ausgezeichnete Terebratel ist sechs Linien lang und findet sich in dem grünen
Kreidesandstein von New Yersey. Sie ist von Say in dem Sil lima mischen American.
Journal II, 45. unter dem schon vorher gebrauchten Namen Terebratula plicata beschrie-
ben worden. Herr Samuel G. Morton hat sie deshalb im American. Journal of Sciences
XVII, 277 seq. als Terebratula Sayi aufs Neue angeführt. Sie ist durch Herrn Feucht-
wanger auch nach Berlin geschickt worden.
96 v. B u c h
3. Terebratula pulchella Nielfson.
Nielfson Petrif. Suec. Tab.3. Fig. 14. pag.36.
Weder Figur noch Beschreibung sind so genau, ">ls man wohl wünschen möchte.
Der Abbildung zufolge ist die Ventralschaale gegen den Rand bedeutend erhoben und ihre
Kanten gegen den Schlofsrand stofsen nicht in einer Linie, sondern im stumpfen Winkel
von 150 Grad zusammen. Von den Ribben scheinen nur die Mittelribhe, zwei Lateral - und
zwei Dorsalribben sich im Buckel zu vereinigen; daher nur fünf, und ihnen entsprechend
sechs auf der Dorsalschaale. Zwischen jeder Hauptribbe setzt sich noch eine starke Mit-
telribbe ein, welche sich zwischen zwei anderen verliert, ehe sie den Anfang erreicht. Der
Schlofskantenwinkel ist ein rechter; der Schnabel stark nach Vorwärts gebogen, mit
sehr kleiner Öffnung und zusamm enstofsendem, nicht getrenntem Deltidium. Der
Sinus der Dorsalschaale scheint bedeutend tiefer als die Intervalle der Seitenribben.
Die Terebratel ist nur klein, 3 Linien lang, und findet sich in weifser Kreide, bei
Charlottenlund in Schonen.
4. Terebratula ferita n.
Tab. II, Fig. 37.
Von der Form eines ziemlich regelmäfsigen Rhombus, dessen wenig stumpfe
Winkel von den Scblofskanten und an der Stirn gebildet werden, die Seiten aber von den
Schlofskanten und Randkanten. Durch die Stirn wird der untere Winkel nur wenig abge-
stumpft. Die Ventralschaale ist aufser der Mittelribbe noch mit 4 Ribben auf jeder Seite
bedeckt, daher von neun Ribben, folglich die Dorsalschaale von zehn Ribben. Diese
Ribben, wenn sie mit breiter Basis und geringer Höhe die Mitte ihrer Länge erreicht ha-
ben, breiten sich nun im Bogen auseinander; sie divergiren viel schneller als vor-
her und stehen am Rande etwas aufgeworfen in die Höhe. Die Mittelribbe vergröfsert sich
während dessen stark in der Breite; sie ist besonders stark aufgeworfen am Rande, und
nun ist sie wieder an ihrem Ende gespalten. Allein diese Zerspaltung setzt nicht einmal
bis zur Mitte der Ribbe herauf und verliert sich bald in eine feine Linie, ohnerachtet sie
doch am Rande wirklich die Ribbe in zwei Theile zertheilt. Dieser Zerspaltung entspricht
im Sinus der Dorsalschaale eine feine Falte, welche sich bald im Sinus verliert.
Alle Ribben vereinigen sich im Schnabel oder im Buckel, nur die breite Mittelribbe allein
nimmt schnell ab an Breite, bleibt bedeutend unter der Höhe der Lateralribben zurück und
scheint sich am Ende zwischen diesen fast zu verlieren. Die Ventralschaale steigt vom Buckel
mit starkem Bogen auf, erreicht ihre gröfste Höhe schon vor der Mitte und fällt dann sehr
sanft bis zum aufgeworfenen Rande der Stirn. Der Schlofskantenwinkel ist etwas stumpf,
von 94 Grad. Die Schlofskanten sind mit den Randkantcn von gleicher Länge. Der Schna-
bel ist gerade abstehend, umgebogen, mit sehr kleiner Öffnung. Auch die Area mit
abgerundeter Dorsalkante erreicht nicht die Hälfte der Länge der Schlofskanten. Das Del-
tidium ist mit einer feinen, kaum sichtbaren Scheidungslinie in der Mitte vereinigt. Die An-
wachsringe sind sehr fein und treten wenig hervor. Von 3V> Linien Länge.
über Terebrateln. 97
Länge 100, Breite 114, Höhe 55, Sinusbreite 40, aber in der Mitte der Länge ist
diese Sinusbreite nur noch 15.
Im Transitionskalkstein der Eifel, wahrscheinlich von Gerolstein.
Diese sonderbare Terebratel hat offenbar sehr viel Übereinstimmung mit der von Dal-
nian beschriebenen T. diodonta aus Gothland (Da Im. p. 50. Tab. 6. Fig. 4.). Allein die ge-
spaltene Mittelfalte ist es bis zum Buckel hinauf, und eine entsprechende Falte geht bis in
die Spitze des Schnabels. Auch sind die Falten oder Ribben weder stärker divergirend seit
der Mitte, noch aufgeworfen am Rande. Dafs T. diodonta, mithin auch T. bidentala, in
die Abtheilung der Loricaten gehöre, bleibt, Abbildung und Beschreibung ohnerachtet, eine
zwar wahrscheinliche, aber nicht scharf durchzuführende Vermuthung.
5. Terebratila loricala Schlotth.
Ziethen Würt. Verst. Tab. 43. Fig. 6. [T. truncata), Sow. Tab. 537. Fig. 3. (T. truncala).
Der untere Umfang ist nahe kreisförmig. Das doch immer noch hervortretende Pen-
tagon convergirt stark mit den oberen Schlofskanten, wenig mit den unteren. Die Stirn bil-
det die fünfte Seite.
Die Ventralschaale scheint in drei Theile getheilt, in die Wulst und in die beiden
Seiten; denn die Wulst tritt schon von dem Buckel her besonders stark und hoch aus der
Fläche hervor. \ Auch findet man nur am Anfange die regelmäfsige Vertheilung der Bibben,
wie sie den Loricaten zukommt. Zwei Lateralribben nehmlich, zwei Cardinalribben, und
zuweilen auch noch zwei andere ganz nahe am Schlofsrande, und in der Mitte die Wulst
oder die Mittelribbe, oder auf der Dorsalschaale zwei hohe Ribben, welche einen tiefen und
breiten Sinus einschliefsen, zwei Lateralribben, zwei oder seltener vier Cardinalribben. Alle
vereinigen sich in einen gemeinschaftlichen Punkt am Buckel oder am Schnabel. Aber nicht
lange haben sie den Ort ihrer Entstehung verlassen, als sie schon anfangen sich zu zer-
theilen, jede Ribbe unabhängig für sich, so dafs jede als das Stück eines auseinanderlau-
fenden Büschels erscheint. Dieses Zertheilen geschieht mit einer Iiegelmäfsigkei t und
Symmetrie, wie sie bei der Section der Dichotomen niemals vorkommt. Die Mittelribbe
nehmlich sondert gegenüberstehend zwei kleinere, schwach und niedrig anfangende Aste,
jede Seitenribbe einen solchen xVst gegen die innere Seite. Diese secundäre Ribben verstär-
ken sich, und bald zertheilen sie sich wieder nach demselben Gesetz, so wie auch dem ge-
mäfs die Hauptribben fortfahren sich zu zertheilen. Die Fläche ist daher mit abwechselnd
höheren und feineren Falten bedeckt. Durch solche Zertheilung geschieht es denn, dafs man
in Stücken von 6 Linien Länge statt der ursprünglichen fünf Ribben schon dreifsig zählt,
neun auf jeder Seite und zwölf auf der Wulst. Die sehr starken und häufigen Anwachs-
ringe, deren Rand sogar etwas in die Höhe steht, zerschneiden alle diese Ribben in kleine
gekörnte Theile, welche über die ganze Fläche das Ansehn eines stark hervortretenden Git-
ters verbreiten.
Die Ventralränder am Schlofs sind wenig gebogen, doch bilden sie auch nicht völlig
eine gerade Linie. Gewöhnlich vereinigen sie sich mit 150 Grad. Die ganze Ventralschaale
hebt sich übrigens nicht sehr, und nur über dem Buckel. Ohne die so stark hervortretende
Phjs. Abhandl. 1S33. N
98 v. Buch
Wulst würde sie ganz flach scheinen. Daher stofsen auch die Ränder beider Schaalen mit
einer Schärfe zusammen.
Der Schlofskantenwinkel ist von 85 Grad; daher nicht völlig ein rechter. Die Schlofs-
kanten ziehen sich nicht weiter als die Area; dann senken sich die längeren, gebogenen
Randkanten mit weniger Convergenz und werden von der Stirn abgestumpft , welche so
grofs als die Schlofskante ist.
Die Area ist nur wenig gebogen, mit starken, horizontalen Anwachsstreifen. Sie ist
so lang als der Schlofsrand, und viermal breiter als hoch. Das breite Dellidium ist ge-
wöhnlich discret, doch nur so viel, dafs die grofse Öffnung in der Spitze des Schnabels nur
noch mit einer offenen Spalte den Schlofsrand erreicht. (Ziethen hat dieses Dellidium
in der vergrößerten Figur f schön gezeichnet; nur sind den Falten auf dieser Figur unna-
türliche Richtungen gegeben. Sie müssen alle im Buckel, wie in einem Mittelpunkt zusam-
menlaufen).
Auf der Dorsalschaale heben sich die Dorsalribben besonders hoch ; alle andere ver-
schwinden dagegen. Daher sind die Seitenflügel steil abfallend und wenig erhoben. Auch
der Sinus ist schon von der Spitze des Schnabels an ausgezeichnet und tief, mit flachen Sei-
ten. Er wird schnell, doch gleichförmig breiter gegen den Rand.
In Gröfse sind sie veränderlich zwischen 2^ bis 7 Linien.
Bei grösseren, 6 Linien:
Länge 100, Breite 96, Höhe 64, Sinusbreite 52. In der Hälfte der Länge 34.
Bei kleineren, 2V, Linien:
Länge 100, Breite 110, Höhe 51, Sinusbreite 41.
Länge und Höhe vermehren sich im Fortwachsen auf Kosten der Breite.
In den obersten Schichten des Jura, zu Grumbach bei Amberg, auf den Höhen von
Streitberg, zu Nattheim bei Giengen, am Lochenberg bei Ballungen. Die von Sowerby
abgebildete ist von Farringdon, daher wahrscheinlich in Kreide, welches merkwürdig ist.
6. Terebratula Mehardi Lamarck.
Tab. III, Fig. 42. Fig. c. ist umgewandt, die Dorsalschaale oben.
Von den Bibben sind nur die beiden des Rückens hervorstehend, und durch sie wird
ein Sinus gebildet, der vom Schnabel anfängt und sich erweiternd bis zum Rande fort-
setzt. Auf der Ventralschaale erbebt sich eine Wulst, dem Sinus der Dorsalschaale entspre-
chend, und dann erheben sich auch die beiden Flügel durch die darin verborgenen Ribben,
welche also die einschliefsenden sind, und daher hierdurch die ganze Muschel den Lori-
caten einordnen.
Beide Schaalen sind mit einer Menge dichotomirender Falten bedeckt, welche
dachförmig gestaltet sind, sich aber dennoch durch Einsetzung, nicht durch Zerspaltung
vermehren. 10 Falten stehen am Schnabel , 27 Falten am Bande in 4 Linien Entfernung.
Von diesen liegen 4 Falten im Sinus; sie erreichen aber den Schnabel nicht. Anwachsringe
stehen nur sehr entfernt von einander, und am Rande mehr als am Anfange. Die Ventral-
schaale ist breiter als lang; sie ist in der Mitte fast gar nicht erhöht. Auch die Wulst hebt
über Terebrateln . 99
sich nur durch die Vertiefungen an der Seite. Die Kanten am Schlofsrande liegen in einer
geraden Linie. Darüber erhebt sich etwas überhängend die ganz ebene Area mit sehr
scharfen Dorsalrändern und mit einer Basis, welche sehr nahe die Länge des ganzen Schlofs-
randes erreicht. Auch das Deltidium ist breit; es nimmt ein Drittheil der Area ein und
bildet mehr als ein Viertheil des Umfanges der grofsen Öffnung. Der Schlofskantenwinkel
ist wenig von einem rechten verschieden. Die Schlofskanten sind kürzer als die Bandkan-
ten. Diese gehen ziemlich parallel nieder und biegen sich nur unten gegen die Stirn. Von
4 Linien Länge.
Länge 100, Breite 118, Höhe 66, Sinusweite 41.
In der Kreide zu Coulaines bei le Maus.
Den Mangel der hervortretenden Seitenribben hat diese Terebratcl mit der T. rcii-
cularis gemein.
7. Terebrattla reticularis Schlotth. Sow.
T. coaretata Park. Sow. T. decussata Lam. Sow. Tab. 312. Encycl. melk. Tab. 245. Fig. 4.
Der Umrifs ist ein sehr lang gezogenes Pentagon durch die Länge des Schna-
bels. Die Ventralschaale allein bildet ein vollkommen regelmäfsiges Pentagon. Die Ventral-
schaale ist nur am Buckel erhöht, und auch da nur wenig; dann fällt sie gegen den Band, tiefer
als sie gestiegen war. Seiten und Wulst bilden eine nur wenig unterbrochene Fläche, und in
der Profilansicht, von der Stirn her, liegt wirklich die Wulst mit den Seiten gleich
hoch in einer horizontalen Linie und wird von ihnen nur durch zwei Furchen ge-
schieden. (Schon die Profilansicht Encycl. Fig. 4. c. vom Schlofs her zeigt dieselbe Form).
Die Ventralschaale ist daher nicht hoch; sie erreicht nur ein Drittheil der Höhe der Dorsal-
schaale. Von den auszeichnenden Bihben haben hier die beiden Dorsalribben ein ent-
schiedenes Übergewicht. Sie geben durch ihr mächtiges Hervortreten der ganzen Ge-
stalt die äufsere Form. Sie stehen nahe beisammen und divergiren nicht sehr. Der Sinus,
den sie einschliefsen, erreicht keine grofse Tiefe, daher auch die correspondirende Wulst der
Ventralschaale keine grofse Erhebung; ja auf Steinkernen scheint dieser Raum eine ebene
Fläche. An dem Buckel und am Schnabel erkennt mau noch wohl das Erheben der Late-
ralribben, allein nur auf geringe Weite. Die Cardinalribben sind nicht mehr zu unterschei-
den, denn diese Bibben dichotomiren schnell und häufig durch Einsetzung feinerer Strei-
fen, so dafs die ganze Oberfläche mit abwechselnd feineren und stärkeren Streifen dicht be-
deckt erscheint. In 5 Linien Länge zählt man am Rande 56 bis 86 Streifen, von denen 12
bis 18 Streifen die Wulst bedecken. Da nun noch stärkere, aber an den Bändern nicht
aufgeworfene Anwachs ringe in gleicher Dichte queer die Längenstreifen durchsetzen, so
entsteht daraus eine auffallende, überaus zierliche, gitterartige Bedeckung beider Schaa-
len. Der Winkel der Ventralkanten am Schlofs ist von 120 Grad. Der Schlofs-
kantenwinkel dagegen ist sehr spitz, nur von 60 Grad oder wenig darüber. Denn die
Area ist gerade abstehend und nur am Ende etwas gekrümmt, abgerundet gegen die Dorsal-
schaale und mit Streifen und starken Anwachsringen bedeckt. Das Deltidium ist ganz, ver-
schliefst nur einen kleinen Theil der Öffnung und ist gewöhnlich gleich hoch als breit. Die
N2
100 v. Buch
Schlofskanten ziehen sich herab bis zur Mitte der Länge der Ventralschaale und sind fast
doppelt so lang als die Randkanten. Diese convergiren mit ausgeschweiften Rändern, An-
fangs convex gegen aufsen, dann, nahe der Stirn, concav nach auswärts hin. Die Cardinalrib-
ben der Dorsalschaale bilden einen halben Rogen, der gegen den Rand flacher ist als ge-
gen den Schnabel. Dieser letztere steigt wie ein Haken aufwärts, bis die Öffnung der Spitze
mit der Richtung der Schaalen gleichlaufend wird. Die Seitenflügel der Dorsalschaale fallen
sehr steil, mit 50 Grad, gegen den Rand, und sind leicht concav, häufig fast eben. Selten
ist diese Terebratel \ Zoll grofs, gewöhnlich 4 bis 5 Linien.
Länge 100, Breite 79, Höhe 62, Sinusbreite 50. In der Mitte Sinusbreite 33.
In französischen Stücken ist die Breite 92, daher ist die Länge etwas geringer.
Im mittleren Jura zu Grumbach bei Amberg, bei Cai : n, Calvados; zu Hinton und an
anderen Orten bei Bath; auch an vielen Orten in Wiltshire (J. Farey Slralifical Index, bei
Sowerby IV.).
Die äufsere gegitterte Schaale löst sich nicht selten. Die zurückbleibenden Kerne ha-
ben dann ein glattes Ansehn, erhalten aber noch den Sinus oder die Fläche des Rückens, und
daher den auszeichnenden Charakter der Loricaten, dafs die Dorsalribben die eingeschlos-
senen, die Ventralribben die einschliefsenden sind.
8. Terebratila antiplecla n.
Tab. II, Fig. 39.
Herr Graf Münster in Baireuth bewahrt in seiner reichen Sammlung Stücke, welche
aus einem wahren Conglomerat von Terebrateln bestehen , der Angabe nach vom Thale Ca-
prun, wo man nach Rauris zugeht, Heiligenblut zu erreichen, in Salzburg; eine Angabe, die
der Restätigung zu bedürfen scheint. Es sind in diesen Stücken drei verschiedene Arten von
Terebrateln vereinigt. Zuerst ausgezeichnet T. concinna , durch welche die Formation als
zum mittleren Jura gehörend, ziemlich gut bestimmt wird; dann T. Pala; endlich auch
viele Stücke, welche der T. biplicata ganz ähnlich sind. Untersucht man sie aber genauer,
so findet man, dafs die Falten nicht auf der Ventral-, sondern auf der Dorsalseite stehen,
und der Sinus, den sie einschliefscn, geht bis in den Schnabel hinauf. Sie gehören also zu
den Loricaten und sind der T. biplicata durch ihre Falten entgegengesetzt. Da man nur
Steinkerne findet, so lassen sich Streifen auf den Flächen nicht beobachten; doch kann man
wohl vermuthen, dafs sie den Schaalen eigenthümlich sein werden.
Die allgemeine Form ist die eines Dreiecks; gleichseitig bei kleinen, mit kürzerer
Basis bei gröfseren Stücken. Auf der Ventralschaale erheben sich zwei, seit der Mitte stark
divergirende Lateralribben , welche eine breite Mittelribbe einschließen. Gegen den Buckel
vereinigen sie sich zu einem Ganzen. Auf der natürlichen Schaale würde man sie wahrschein-
lich bis in den Buckel getrennt sehen. Ihnen correspondirend laufen zwei enger stehende Dor-
salribben vom Schnabel zum Dorsalrande, und zwei stark hervortretende, scharfe Lateralrib-
ben bilden die Seitenränder.
Die Ventralschaale hebt sich nur sehr sanft vom Buckel auf, senkt sich aber schnell auf
die Seiten, der starken Erhebung der Lateralribben auf der Dorsalfläche entsprechend. Der
über Terebrateln. 101
Schlofskantenvvinkel ist 70 Grad. Die Schlofskanten sind sehr laug und erstrecken sich bis
jenseits der Mitte der Länge. Die stumpf daran stofsenden Randkanten haben nicht
die Hälfte ihrer Länge, und da sie sich mit einer Rundung vereinigen, so wird hierdurch die
Form des Pentagons in die einem Dreieck sehr ähnliche verändert. Die breite Stirn hat \ der
Länge der Schlofskanten. Die Ventralkanten am Schlofsrande stofsen unter einem rechten
Winkel zusammen. Die Area darüber ist abgerundet gegen die Dorsalschaale: der Schna-
bel ist gebogen und seine Öffnung berührt die Spitze der Ventralschaale. Das Dehidium bleibt
versteckt.
Länge 100, Breite 84, Höhe 63, Sinusbreite 28. In der Mitte der Länge 15.
Kleinere: — 100, — 100, — 63.
Sehr deutlich steht diese Terebratel am Anfang oder am Ende einer Reihe, welche mit
stark gebrochenem Schlofsrand und wenigen Rihben durch alle andere Gestalten dieser Ab-
theiluug bis zu Terebratula Sayi fortgeht, an welcher der Schlofsrand in einer geraden Li-
nie liegt und eilf Ribben sich über die Schaale vertheilen.
IV. CEsXTAE.
Die Ribben correspondiren auf beiden Schaalen und verbinden sieb
an der Stirn und auf den Seiten zu einem in sieb zurückkebrenden Reife (*).
Daber entsprechen sieb auch gegenseitig die Erhöhungen und Vertiefungen
der Schaale , so dafs der Vertiefung der einen eine Vertiefung auf der an-
deren Schaale gegenübersteht, und eben so die Erhebungen. Wenn die
Ribben sich nicht gleichsam freistehend hervorheben, so ist doch aus die-
sem gegenseitigen Entsprechen der Unebenheiten ihre Verbindung zu einem
fortlaufenden Reife unter der Schaale zu erkennen, und daher die Abthei-
lung, zu welcher die zu untersuchende Terebratel gerechnet werden mufs.
Da nun eine Schaale der andern in ihren Unebenheiten ganz gleich wird,
so kann die Linie ihrer Scheidung auf den Seiten und an der Stirn weder
aufwärts noch abwärts gebogen sein, und vorzüglich an der Stirn erscheint
sie als eine völlige Horizontallinie, oder eine solche, welche mit der
Richtung der Schaalflächen und ihrer Scheidung parallel läuft, rechtwink-
lich auf ihre Länge. Alle hierher gehörende Terebrateln haben selten mehr
als vier Ribben auf jeder Schaale. Sie sind, aufser diesen Ribben, ganz
(') Diese Correspondenz zuerst beobachtet zu haben, ist ein Verdienst des Herrn Profes-
sor Bronn.
102 v. Buch
glatt, ohne Falten (T . amphitoma ausgenommen); aufserdem sind sie mei-
stens flach, nur sehr selten dick, und die Schlofsränder der Ventralschaale
sind bei allen, zuweilen unter bedeutendem Winkel, gebogen.
1 . Terebratula Peclunculus Schlotth.
Tab. II, Fig. 34.
Sie wird auch von Schlo ttheim selbst mit kleinen Stücken von T. peclunculoides
verwechselt. Beide lassen sich doch leicht durch die Correspondenz der Ribben beider Schaa-
len auf der ersten Muschel, durch ihr Abwechseln auf der andern, von einander unterscheiden.
Jede Schaale ist mit sechs Ribben bedeckt, welche scharf über der Oberfläche her-
vorstehen; es sind zwei Ventral- oder Dorsalribben, welche die Stirn einsclilicfsen, zwei
Lateralribben, die in der Mitte der Randkanten von beiden Schaalen her sich vereinigen,
und zwei Cardinalribben, unmittelbar auf dem Schlofsrande selbst. Diese Rib-
ben laufen alle mit gleicher Höhe und Scharfe im Buckel und Schnabel zusammen. Zu ihnen
gesellt sich noch, ebenfalls correspondirend auf beiden Schaalen, eine auch noch hervorste-
hende, allein viel feinere Mittelribbe, welche von der Stirn her allmählig niedriger
wird und sich verliert, che sie den Anfang erreicht. Sie fehlt niemals; seltener wird
sie auf den Seiten von zwei anderen, noch niedrigeren Ribben begleitet, welche auch noch
weniger hoch heraufgehen, und dann finden sich ähnliche Sccundärribbcn zwischen den Ven-
tral- und Lateral-, oder zwischen den Dorsal- und Lateralribben, ja auch zwischen den übri-
gen Ribben gegen den Rand, immer correspondirend von beiden Seiten her, und Anfangs mit
schwachem Aufsteigen zwischen den Hauplribben. Doch ist die einfachere Form bei Weitem
die gewöhnlichere. Starke Anwachsringe ziehen sich zwischen den Ribben fort (12 - 20), wie
Queerfäden eines Spinnengewebes, in jedem Zwischenraum mit einer starken Concavität nach
Aufsen hin. Beide Schaalen sind in Höhe wenig verschieden; die Ventralschaale ist etwas
gewölbt, am höchsten mehr über dem Buckel, und dann gleichm'afsig abfallend gegen die Sei-
ten. Ihre Kanten gegen den Schlofsrand haben nur unmerkliche Neigung gegen einander und
können als gerade angesehen werden. Die Schlofskanten verbinden sich über dem
Schnabel mit 105 Grad. Sie sind etwas kürzer als die Randkanten, und gleich grofs mit der
Stirn. Die Area ist so lang als der Schlofsrand, horizontal und eben, mit scharfem Dorsal-
rand. Doch erhebt sie sich etwas gegen den Schlofsrand und vereinigt sich hier zu einer
gekrümmten Ebene, mit einer kleinen, von den Cardinalribben der Ventralschaale herab-
konunenden FTdche. Das Deltidium schliefst nur selten mit den Flügeln zusammen. Von 2^
bis 3 Linien Gröfse.
Lange 100, Breite 116, Höhe 60, Sinusbreite 42.
In oberen Juraschichten bei Amberg.
Dals zum wenigsten Schlottheim vorzüglich diese Terebratel als T. Peclunculus
aufgeführt habe, ist aus den Etiquetten seiner Sammlung einleuchtend. Dafs auch Lange und
Scheuchzer dieselbe unter diesem Namen verstanden haben, geht aus ihrer unvollkommenen
über Terebrateln. 103
Abbildung nicht deutlich hervor; doch ist es wahrscheinlich. Unter denen von Lamarck
oder Defranee beschriebenen Terebrateln läfst sie sich nicht auffinden
2. Terebratula Trigonclla Schlotth.
Tab.I, Fig.S. - Ziethen Wärt. Verst. Tab. ; l3. Fig. 3. T. aculeata Catullu.
T. Hoenirighausii Defranee Dict. d'hist. nat.
Vier hoch hervorstehende Ribben geben dieser Art ihre äufsere Form. Zwei
längere Ribben stehen in der Mitte, zwei kürzere unmittelbar über dem Schlofs-
rand. Diese letzteren werden von jeder Schaale her durch eine kleine, senkrecht ste-
hende, ebene Fläche begrenzt, die sich am Schlofsrande selbst mit der gegen-
über liegenden zu einer Ebene verbindet. Dieses ist ein auszeichnendes und ein nie
fehlendes Verhalten, durch welches die Schlofskanten stark abgestumpft scheinen. Die Fläche
an der Dorsalschaale ist die Area selbst. Die beiden Flächen der Ventralschaale oder die
Ventralkanten am Schlofsrande stofsen unter einem bedeutenden Winkel zusammen, ge-
wöhnlich von 94 Grad. Der Winkel der Schlofskanten am Schnabel ist etwas spitzer, doch
nur um wenige Grade, weil der Schnabel selbst sich nur wenig von der Ventralschaale ent-
fernt; indessen erreicht er den rechten Winkel nur selten; 85 Grad könnte am häufigsten
vorkommen. Die Gröfse der Kanten wird durch die Punkte bezeichnet, an welchen die Rib-
ben von beiden Schaalen her zusammen sich vereinigen. Doch ist das Verhältnifs dieser Gröfse
veränderlich. In kleinen Individuen sind die Schlofskanten länger, in grüfseren haben die
Randkanten den 'S orzug; doch scheint der letztere Fall der seltnere zu sein- Dann sind die
Randkanten mit der Stirn ziemlich gleich lang. Die Anwachsringe zwischen den Ribben
sind nur fein, und gewöhnlich, doch nicht immer, concav gegen die Ränder. Das Deltidium
ist breit, geschlossen, mit einer Trennungslinie in der Mitte, und bildet mehr als ein Drit-
theil der bedeutend grofsen Öffnung. Rcide Schaalen sind übrigens wenig hoch; die Ven-
tralschaale am höchsten über dem Ruckel, die Dorsalschaale in der Mitte ihrer Länge. Von
2'-r, bis 6 Linien Länge. Die Schlottheimische Sammlung hat ein Stück von Tarnoviz
von 9 Linien Länge und 1 Zoll Rreite.
Länge 100, Breite 115, Höhe 56, Ribbenbucht 41.
In obersten Juraschichten und im Muschelkalk. Das ist sehr auffallend, da sie in zwi-
schenliegenden Schichten nicht gefunden wird. Doch ist zwischen den Individuen aus die-
sen beiden Formationen kein wesentlicher Unterschied zu bemerken.
Im Sohlgestein der Friedrichsgrube zu Tarnoviz, bei Stubendorf ohnweit Grofs-Streh
litz (Muschelkalk). Bei Scheffloch ohnweit Amberg, zu Oberfellenbach über Streitberg, zu
Heidenheim, zu Aue bei Kellheim an der Donau; — sehr häufig zu Rovegiana im Val d'Agno
über Vicenza. Catullo sagt, im Muschelkalk. Doch finden sich mit ihnen zugleich scharf
gekielte, glatte Terebrateln und andere kleine, welche zur kleinen Abänderung der Terobr.
biplicata gehören.
104 v. Buch
3. Terebratula quadrifida Lamarck.
Tab. II, Fig. 27.
Vier Ribben auf den Schaalen; allein sie sind wenig erhoben. Deswegen sind auch
die Buchten, welche sie einschliefsen, nur leicht und mit flachen Seiten ausgehöhlt.
Sie verschwinden gegen Buckel und Schnabel , und so auch die Ribben selbst. Diese Rib-
ben divergiren stark und treten um ein Merkliches über den Rand hervor; daher werden
die drei correspondirenden Buchten beider Schaalen, die mittlere und zwei Seitenbuchten,
zu tiefen Einschnitten am Rande. Beide Schaalen sind wenig hoch, und auch wenig in Höhe
unter sich verschieden. Der Schlofskantenwinkel ist stumpf und beträgt gegen 110 Grad.
Die Schlofskanten reichen bis zur Mitte der Länge; die Randkanten sind viel kleiner, und
auch noch kleiner als die Stirn. Die Area ist eben, mit scharfem Dorsalrand, halb so lang
als die Schlofskante und in der ersten Hälfte mit einem flachen Ohr. Sie tritt schief gegen
die Ventralschaale herauf und scheint sich hier mit der Fläche zu verbinden, welche von der
Cardinalribbe der Ventralschaale abfällt. Diese Fläche ist aber nicht eben, wie bei T. Tri-
gonella , auch ist ihre Kante gegen die Ribbe abgerundet. Das Dellidium ist geschlossen,
halb so hoch als breit; die Öffnung etwas übergebogen. Von 13 Linien Länge.
Länge 100, Breite 110, Höhe 50, Ribbenweite 43 der Breite.
Von St. Marie du Mont, Departement de la Manche; bei Bayeux und bei Caeii in
mittleren Juraschichten. Defrance.
4. Terebratula numismalis Lamarck.
Encycl. melhod. Tab.2/i0. Fig.l. Ziethen Würtemb. Verst. Tab. 39. Fig. 4. 5.
Sie gleicht einer flachen, fünfeckigen Scheibe, um so mehr, da keine Seite vor
der anderen besonders hervortritt, selbst auch der Schnabel nicht. Die Bibben treten gar
nicht hervor; man erkennt aber ihre Correspondenz auf beiden Schaalen an der Correspon-
denz der Erhöhungen und Vertiefungen. Beide mittlere Buchten, sowohl die der
Ventral- als der Dorsalschaale, können zwar wohl bis zum Schnabel und Buckel verfolgt
werden, doch nur erst seit der Mitte wird ihre Einsenkung merklich. Die Lateralribben
können nur aus den Ecken geschlossen werden, in denen sie sich endigen und wo sie mit
Rand- und Schlofskanten zugleich in einen Punkt sich vereinigen. Die Ventralschaale ist am
höchsten lange vor der Mitte; ihr letzter Abfall gegen die Area, obgleich nur klein, ist
doch fast senkrecht und erinnert an die senkrechte Fläche, welche in T. Trigonella sich mit
der Area zu einer Ebene vereinigt. Der Schlofskantenwinkel wird mit zunehmender Gröfse
immer stumpfer; in kleinen Individuen ist er 95 Grad; in den mittleren, wie sie am häufig-
sten vorkommen, wächst er bis 106 Grad; in den seltenen, grofsen, mehr als Zoll langen
Stücken kann dieser Winkel auch wohl 116 Grad erreichen. Die Kanten sind in Gröfse
wenig verschieden. Rand- und Schlofskanten verbinden sich durch allmählige Abrundung;
die Randkanten und die Stirn mit einer scharfen Ecke. Die Stirn ist kleiner als die Rand-
kanten und durch die beiden Buchten der Mitte tief ausgeschnitten. Die Area ist merk-
über Terebrateln. 105
würdig klein. Sie geht nicht bis zur Hälfte der Schlofskante herab, und auch ihre Breite
ist äufserst gering. Sonst ist sie eben, mit scharfem Dorsalrand. Auch die Öffnung im
Schnabel ist überaus klein, so klein, wie man sie sonst nur von Terebrateln der Kreide-
formation zu sehen gewohnt ist. Demobnerachtet ist doch das Dellidium sehr breit, wohl
dreimal breiter als hoch, und geht fast in eine Spitze zusammen, um nur einen kleinen Sec-
tor der Öffnung zu verschliefsen.
Länge 100, Breite 100, Dicke 40; in der Mitte der Länge 34. Sinusbreite 41.
Es ist eine auszeichnende, eine sogenannte Leitmuschel, für Bestimmung der
oberen Schichten des Lias, oder die Schichten, welche vorzüglich die Bclemniten des Lias
enthalten. So findet sie sich, nicht selten, und wie fast überall, verkiest, am Plienbach bei
Boll, bei Eislingen, zu Blattenhardt, Denckendorff, zu Gönningen zwischen Tübingen und
Hechingen, bei Bähungen; sehr grofse zu Scheffloch und Eckersdorff bei Amberg. Häufig
am Rautenberg bei Scheppenstedt, zu Rottorf am Klei bei Braunschweig, durch Hrn. Prof.
Hoffmann im Berliner Cabinet. Aus England kennt man sie nicht.
5. Terebra.tula vicinalis Schlotth.
Sow. Tab. 446. Fig. 4. (T.cornuta).
Ein stark hervortretendes, fast gleichseitiges Pentagon mit abgerun-
deten Seitenecken und von auffallender Dicke der Schaalen. Ihre gröfste Breite ist
in der Mitte der Länge. — Die Ventralschaale ist nur halb so hoch als die Dorsalschaale,
aufgeschwollen im ersten Viertheil, aber sehr flach abfallend im übrigen Theile. Die Ribben
der Mitte sind schon vom Buckel her merklich und stehen am Rande wie Spitzen hervor;
aber die Bucht, welche sich zwischen ihnen herabzieht, fängt erst an, nach der Mitte sich
einzusenken. Die Ventralkanten am Schlofsrande verbinden sich mit 128 Grad Neigung ge-
gen einander. Der Schlofskantenwinkel ist etwas grüfser als ein rechter, 94 Grad gewöhn-
lich. Die Schlofskanten sind convex, die Randkanten concav (welches schon Sowerbv
bemerkt); doch tritt dieses nicht an allen Stücken gleich deutlich hervor. Sie verbinden sich
mit einander mit einer starken Abrundung, der Mitte der Länge der Muschel gegenüber.
Die Stirn ist zwischen den Hörnern der Ribben tief eingebuchtet. Die Area ist etwas ge-
bogen, fast so lang als die Schlofskante, mit scharfem Rande am oberen Theile gegen den
Schnabel. Dieser Schnabel ist meistens stark vorwärts gebogen , und hierdurch wird das
Dellidium versteckt. Es ist bedeutend breiter als hoch, und füllt nur einen kleinen Theil
der Öffnung. Auch die Dorsalschaale ist am höchsten im ersten Viertheil. Die Ribben bil-
den Anfangs eine kleine Fläche auf dem Kiel, welche sich immer mehr vertieft, bis zur Stirn.
Nach den häufigen Anwachsringen zu urtheilen, ist diese Bucht im Anfange wenig sichtbar
und vergröfsert sich mit dem Alter. Gewöhnlich 6 Linien lang, doch auch bis 10 Linien.
Länge bis zum Ende der Hörner 100, Breite 85, Höhe 65, Sinusbreite 43.
Aus dem oberen Theil von mittleren Juraschichten von Muggendorf und Amberg, bei
Aarau, zu Ilminster. Mit wenig erhöhter Ventralschaale am Rautenberg bei Scheppenstedt.
Phjs.Jbhandl.iS33. O
106 v. B u c ii
Von T. digona unterscheidet sie sich vorzüglich dadurch, dafs sie in der Mitte breiter
ist als am Rande; T. digona nimmt aber stets zu und ist am breitesten am Rande selbst.
Terebratula indentaia.
Sow. Tab.445. Fig.2. Ziethen Würt. Verst. Tab. 39. Fig. 8. und Tab. 44. Fig.3.
Sie ist wahrscheinlich nur eine Abänderung der vorigen. Sie ist länger als breit, wie
ein Oval. Denn Schlofskanten und Randkanten bilden eine fortlaufende Curve und sind nicht
bestimmt von einander geschieden. Die gröfste Rreite bleibt noch in der Mitte. Dagegen
wird die Höhe zuweilen so bedeutend, dafs der Sinus zwischen den Mittelribben sich gar
nicht mehr einsenkt, sondern dafs die Ribben nur scharf von beiden Schaalen her auf der
Stirn zusammenstofsende Kanten bilden, welche Stirn und Randkanten trennen.
Länge 100, Rreite 74, Höhe 61, Sinusweite 50.
Sie findet sich auf mittleren Höhen von Streitberg, Muggendorf. Amberg mit T. vi-
cinalis vereinigt. Die englische zu Ranbury unter Oolith. Zu Reichenbach, Gruibingen und
Burckhaldcn bei Roll. Würtemberg. Zu Hohnstein bei Dresden im dortigen Kalkbruch.
6. Terebratula. digona Sow.
Sow. Tab. 96. Encycl. method. Tab.240. Fig.3. T. marsupialis Schlotth.
Von der Form eines länglichen Dreiecks. Die Schlofskanten ziehen sich mit
fortgehender Divergenz an den Seiten herab und verdrängen entweder die Randkanten ganz,
oder diese letzteren convergiren nicht, sondern gehen senkrecht herunter, so dafs die gröfste
Breite der Muschel zugleich auch die Rreite der Stirn ist. Daher bleiben auch
nur zwei Ribben auf jeder Schaale, welche zwar einen scharfen Seitenrand bilden, so dafs
beide Schaalen auf der Seite sich in einer senkrechten Ebene vereinigen; sie treten
selbst aber nicht deutlich heraus. Die Stirn ist nur wenig eingebuchtet, meistens eine ge-
rade Linie. Der Schlofskantenwinkel ist kleiner als ein rechter, 76 bis 82 Grad. Die Schlofs-
kanten sind gebogen bis gegen die Mitte; dann setzen sie in gerader Linie fort. Die Ven-
tralschaale ist nur in ihrem ersten Anfange gewölbt, und auch dann nicht stark. Ihre gröfste
Höhe findet sich in der Nähe der Mitte der Länge; dann fällt sie schnell ab, und vereinigt
sich mit der Dorsalschaale häufig an der Stirn mit solcher Schärfe, dafs beide Schaalen hier
ganz flach aufeinander zu liegen scheinen, ohne etwas zu umhüllen. Die Dorsalschaale ist
durchaus flach gewölbt und wenig gegen die Seiten abfallend, aufser seit der Kante der
Ribbe, wo dann der Seitenabfall senkrecht wird. Die Area verliert sich mit der Seite und
ist nur am Schnabel bemerklieh. Das Dellidium, etwas breiter als hoch, wird in der Mitte
durch eine feine Linie getrennt. Von 8 bis 9 Linien Länge.
Länge 100, Breite 73, Höhe 50.
Die Höhe ist sehr veränderlich.
In oberen Schichten des mittleren Jura zu Muggendorff. Sehr häufig über der gro-
fsen Oolithschicht bei Bath, in Cornhrash bei Bradford, Felversham. Zu Ranville in Calva-
dos, bei Caen, Valognes. Rei Maus, Domfront, Dijon, Angers.
über Terebrateln. 107
8. Terebratula Ingenalis Schlolth.
Tab. III, Fig. 43.
Sie zeichnet sich aus durch ihre überaus grofse Länge im Verhältnifs der Breite,
und da die Dorsalschaale einen glatten Kiel hat, so erhält das Ganze dadurch eine auffallende
Ähnlichkeit mit einem kleinen Boot.
Die Ventralschaale steigt wenig schnell, erreicht ihre gröfste Höhe schon vor der
Mitte und fällt erst etwas schneller ganz nahe an der Stirn, wo die beiden, mit. denen der
Dorsalschaale correspondirenden Bibben stärker hervortreten und zwischen sich eine ebene
Fläche bilden.
Der Schlofskantenwinkel beträgt 60 Grad, wenn die gröfste Breite unter der Mitte
sich findet; 70 Grad, wenn sie oberhalb der Mitte steht. Die Schlofskanten sind gebogen;
theils länger, theils kürzer, als die häufig coneaven Bandkanten, und mit ihnen durch Abrun-
dung verbunden. Die Stirn bildet eine Ilorizontallinie ohne Einbiegung oder Einschneidung,
und die Schaalen vereinigen sich ebenfalls auf der Stirn in einer Horizontallinie, wo-
durch diese Art von ähnlichen zu T. biplicala gehörigen sich leicht unterscheidet. Die Area
hat abgerundete Dorsalkanten und ist ohne Spur von Ohr. Anwachsstreifen ziehen vom
Bücken her darüber hin. Das Delddium hat eine breite Basis und ist sectirend. Die Dor-
salschaale übertrifft die Ventralschaale an Höhe; sie ist Anfangs am Schnabel gekielt, brei-
tet sich aber bald aus und erreicht die Stirn mit ebener Fläche auf dem Bücken, welche
dann stark der ähnlichen Fläche der Ventralschaale zufällt. Auf den Seiten fällt die Schaale
ziemlich schnell gegen den Band.
Länge 100, Breite 50, Höhe 53.
In unteren Schichten des mittleren Jura zu Wöschnau bei Aarau (die gröfste Breite
unter der Mitte), und zu Grumbach bei Amberg (gröfste Breite über der Mitte).
S. Terebratitla bullata Sow.
Sow. Tab.435. Fig.4. Tab. 4iS. Fig.2. (T. bucculenla).
Sie steht der T. lagenalis contrastirend entgegen. Was diese in Länge, das gewinnt
sie in Dicke, und dies schon von den kleinsten Individuen an. Die Ventralschaale bildet vom
Buckel bis zur Stirn völlig einen halben Zirkel mit der gröfsten Erhebung in der Mitte der
Länge. Fast eben so zirkeiförmig ist auch die Dorsalschaale gestaltet, mit so stark überge-
bogenem Schnabel, dafs er fast den Buckel der Ventralschaale berührt. An der Stirn zeigen
sich die beiden correspondirenden Bibben, die von jeder Schaale her sich vereinigen, ganz
deutlich und bestimmt, und beide Schaalen sind zwischen diesen Bibben etwas vertieft.
Der Schlofskantenwinkel ist wenig von einem rechten verschieden. Die Schlofskanten bilden
mit den Bandkanten einen gedrückten Zirkelbogen und sind nicht von einander geschieden.
Die Area erhebt sich mit einem kleinen Ohr und hat eine scharfe Dorsalkante gegen die
Spitze des Schnabels. Die Öffnung ist nicht grofs. Von 3 bis 9 Linien Gröfse.
Länge 100, Breite 92, Höhe 80, Stirnbreite 51.
02
108 v. Buch
Im mittleren Jura von Grumbach bei Amberg; im unteren Oolith von Nunney und
Frome, England.
9. Terebratula diphjra Fabio Colonna.
T. triquetra Park, delloidea Lam. antinomia Ca t ullo. Tab. I, Fig. 12.
Encycl. me'th. Tab. 2/(0. Fig. 4.
Auch diese sonderbare Terebratel mufs hierher gerechnet werden, weil Erhöhungen
und Vertiefungen auf beiden Schaalen correspondiren und keine Erhöhung auf der einen
Seite eine Vertiefung auf der anderen nach sich zieht.
Die ganze Muschel ist ein Dreieck, gewöhnlich sogar ein gleichseitiges Drei-
eck, dessen Winkel an der Basis wie ein Zirkelbogen gerundet sind. Beide Schaalen sind
flach und mit der gröfsten Bestimmtheit in zwei gänzlich geschiedene Hälften getheilt, nach
Richtung der Länge, so dafs eine Hälfte auf der rechten, die andere auf der linken Seite
liegt. Man erkennt dieses gar leicht an den Anwachsringen, welche rund, wie Zirkelbogen,
bis zum Rande fortliegen. Jede Hälfte hat einen eigenen Mittelpunkt am Buckel oder am
Schnabel für diese Anwachsringe, und sie berühren sich nur in der Vertiefung der Mitte,
fliefsen aber nicht in einander.
Der Schlofskantenwinkel ist von 92 Grad. Die Schlofskanten sind schon vom Anfang
her gebogen, werden es aber völlig zum halben Zirkel gegen die Stirn. Randkanten fehlen.
Die Stirn ist in der Mitte tief ausgeschweift, den beiden Längenvertiefungen der Schaale ge-
mäfs. Sie besteht daher aus zwei Zirkelsegmenten. Die untere (Ventral-) Schaale scheint
an der ganzen Stirn hin mit ihrem Bande etwas über die Dorsalschaale zu greifen, wie ein
Schachtcldeckel. Beide Schaalen fallen nahe der Stirn mit scharfer Kante , fast senkrecht
herab, welches eine ringförmige, ebene Fläche um die Stirn bildet. In der Mitte beider
Schaalen befindet sich eine dreieckige Öffnung, welche ganz durchgeht und gar
nicht bedeckt ist. Unterhalb der Mitte schliefscn die Schaalen wieder zusammen , nachdem
sie sich allmäblig genähert haben. Eben durch diese Öffnung, welche eine wahre Trennung
des Mantels voraussetzt, wird das Zusammenschliefsen der Anwachsringe jeder Seite verhin-
dert. Die Area liegt ganz auf der Seite, geht aber nicht bis zum Schnabel herauf; denn
dieser Schnabel ist so stark übergebogen , dafs die Dorsalschaale selbst auf der Ventralseite
herüberkommt und den Buckel der Ventralschaale berührt. Der obere Theil der Area wird
hierdurch ganz versteckt. Die Öffnung des Schnabels ist länglich und grofs, welches der
sonst herrschenden Eigenthümlichkeit aller Kreide -Terebrateln entgegen ist. Mehr als ein
Zoll lang. Länge 100, Breite 112, Höhe 37.
Aus der Kreide. Colonna sagt nicht, von welchem Orte die von ihm gezeichnete
und beschriebene gewesen sei. Doch wohl aus dem oberen Italien, wo sie öfters gefunden
zu werden scheint. Catullo (Zoologia fossile 207) hat sie bei Grezzano entdeckt, im Val
Pantine über Verona, in den Seite Commune und bei Belluno. Sennoner sah sie ganz nahe
bei Trient. Eine sehr schöne Hälfte in der Schi Ott heimischen Sammlung wird angegeben
von der französischen Grenze des Cantons Basel. Auch findet sie sich in der Kreide von
Marguier, Departement du Gard, mit T. peregrina. Endlich besafs sie auch Dr. Brückner
in Ludwigslust, von Grofs -Methling bei Demmin.
über Terebrateln. 109
Die Abbildung der Encyclopedie Tab. 240. Fig. 6. zeigt diese Terebratel mit spitzen
Ecken an der Stirn, im übrigen aber mit der Öffnung der Mitte, mit den doppelten Anwachs-
ringen und mit dem übergeschlagenen Rand der Ventralschaale. So ungefähr ist auch die
der Schlo »heimischen Sammlung. Auf dieser letzteren erscheinen auch unter der Schaale
die Ovarien ganz deutlich. Es sind 6 oder 7 grofse Aste oder Kanäle, welche vom Schna-
bel her die Länge der Schaale durchziehen und fast nur erst an der Stirn, wenig an
der Seite, sich zu kleineren Zweigen vertheilen. Der in der Mitte stehende Ast hat, wie
dieses sich wohl im Voraus vermuthen liefs, durchaus keinen Zweig, welcher von einer Seite
der Schaale zur anderen herüberliefe.
10. Terebrattla triangulus Lamarck.
Encycl. method. Tab. 24l. Fig. 1.
Ein regelmäfsiges Dreieck mit spitzen Ecken und Seiten, welche gröfser sind,
als die Basis.
Es ist ein Übergang zur T. diphya, allein beide Seiten haben sich noch nicht getrennt,
und die Anwachsringe gehen einfach von dem Anfange aus ohne Enterbrechung über beide
Seitenweg. Die Ventralschaale ist flach, nur an den Seitenrändern senkrecht herabgebo-
gen, vorzüglich im ersten Viertheil der Länge, wo sie sich tiefer herabzieht und gegen die
Dorsalschaale eine Art Ohr bildet. An der Stirn zieht sich diese Schaale über die Stirn-
kante weg, wendet sich senkrecht und dringt ansehnlich tief in die Oberschaale
ein. Der Schlofskantenwinkel ist sehr spitz; kaum erreicht er 60 Grad. Die Schlofs-
kanten sind völlig gerade und verbinden sich, ohne Randkanten, unmittelbar mit der
Stirn. Diese mifst \ der Schlofskantenlänge und ist in der Mitte tief eingebogen. Die Ein-
biegung correspondirt einer flachen Einsenkung der Ventralschaale. Die horizontale Area
ist nur an den Seiten sichtbar; unter dem Schnabel wird sie vom übergebogenen Saum der
Dorsalschaale bedeckt- Die Öffnung ist grofs, das Deltidium erfüllt davon nicht mehr als
den achten Theil des Umfanges. Die Dorsalschaale ist ganz leicht und flach gewölbt,
mehr am Schnabel, weniger gegen die Stirn; allein keine Vertiefung in der Längenrichtung
ist zu bemerken. Der Saum gegen die Area ist scharf bis etwas unter der Mitte der Länge.
Die grüfste Breite der Muschel ist zugleich die Breite der Stirn. Ein Zoll grofs und mehr.
Länge 100, Breite 93, Höhe 57.
Sie ist von Herrn Sennoner nahe bei Trento gefunden worden. Die in der Ency-
clopedie abgebildete wird wahrscheinlich eine französische gewesen sein. Lamarck nennt
ihren Geburtsort nicht. Die Abbildung läfst die Ovarien sehr hervortreten; sie haben nicht
allein einen Hauptstamm in der Mitte, der sich gegen den Rand symmetrisch verzweigt, son-
dern noch zwei andere Stämme, welche ebenfalls vom Anfang her auslaufen und sich ge-
gen die Seitenränder verzweigen.
Die grofse L bereinstimmung mit T. diphja, dann die Correspondenz der Seitenkan-
ten, welche sich an den Enden der Stirn zu einer scharfen Ecke vereinigen, lassen nicht
wohl diese Terebratel an eine andere Stelle versetzen. Doch sind der durchaus nicht ein-
110 v. Buch
gesenkte Rücken und das Producirte des Randes der unteren Schaale an der oberen herauf,
Erscheinungen, welche der völligen Correspondenz der Schaale entgegenstehen.
1 1 . Terebratula Sacculus Martin.
Martin Foss. Derb. Tab.46. Fig. 1.2. Sowerby Tab.446. Fig. 1. Dalman Tab.6. Fig. 7.
T. didyma.
Sie ist rund, fast kugelförmig. Die Ventralschaale steigt schnell auf, ist am höch-
sten nahe am Buckel und füllt dann mit fortgehender Rundung gegen Seite und Stirn.
In der Mitte senkt sich eine schwache Vertiefung, welche sich an der Stirn mit der Ver-
tiefung verbindet, welche die Dorsalschaale zertheilt. Die Kanten am Schlofsrande verbinden
sich mit 94 Grad. Sie bilden an ihrer Vereinigung eine Spitze, mit welcher die
Ventralschaale unter dem Schnabel vordringt. Der Schlofskantenwinkel ist von 86 Grad.
Die Schlofskanten sind kurz, die Randkanten länger und im Zirkelbogen gekrümmt; die we-
nig breite Stirn ist gerade, aufser der geringen Einhöhlung der Mitte. Die Area ist nicht
ausgezeichnet und scheint nur der umgebogene Rand der Dorsalschaale. Das Deltidium der
kleinen Öffnung versteckt sich gewöhnlich unter dem Schnabel; denn dieser Schnabel ist
stark übergebogen, so dafs die Öffnung unterhalb, nicht mehr auf seiner Spitze erscheint.
Auch die Dorsalschaale hat ihre gröfste Höhe noch im ersten Viertheil, und fällt dann sanft
uach der Stirn, stärker mit Rundung gegen die Seiten. Der Sinus zeigt sich schon auf der
grölsten Höhe der Dorsalschaale als eine feine Linie, welche gegen die Stirn sich zu einer
zertheilenden Bucht ausbreitet. Ein ganz leichtes Aufwerfen der sonst horizontalen Stirn-
linie gegen die Ventralschaale hin zeigt, dafs der Dorsalsinus mehr Gewicht habe, als der
ihm von der anderen Schaale her entsprechende, — ein leichter Übergang zu der Abthei-
lung der glatten Terebrateln.
Länge 100, Breite 100, Höhe 66.
Aus Transitionskalkstein von Gothland, und in gleichem Kalkstein recht häufig, wie
Martin sagt, in Derbyshire bei Eyem und Middleton, auch bei Matlock.
12. Terebratula amphiloma Bronn.
Jahrb. für Min. III, 62. Tab. III, Fig. 45.
Die Correspondenz der Erhöhungen beider Schaalen und die auf beiden bis zum
Schlofs reichende Vertiefung weist ihr in dieser Abtheilung ihren Platz an; doch sind Rib-
ben nirgends hervortretend, alles ist gerundet, und Falten bedecken die Schaalen, welches
bei keiner anderen Art sich wieder findet.
Sie ist viel breiter, als lang. Ein Sinus in der Mitte zertheilt sie in zwei ganz ge-
schiedene Hälften. Die Ventralschaale hebt sich schnell bis vor der Mitte der Länge und
wird bauchig; dann fällt sie nach allen Seiten ab und verbindet sich rund umher mit der
Dorsalschaale zu einem sehr scharfen Rande. Der Schlofskantenwinkel ist sehr stumpf, von
115 Grad. Die ziemlich geraden Schlofskanten endigen sich vor der Mitte der Länge; die
über Terebrateln. 111
Randkanten bilden einen Zirkelbogen, und die Stirn setzt ihn fort bis zur Einsenkung
und Vertiefung der Mitte. Die Stirn ist länger als die Schlofskanten. Die Area ist ganz
klein und schmal; sie erstreckt sich nicht über ein Viertheil der Länge der Schlofskante.
Daher ist auch das Dcltidiiuu sehr klein; und auch die Öffnung im Schnabel ist von so
geringem Durchmesser, dafs man sie nur selten auffindet. Doch ist sie in einigen Exem-
plaren überaus deutlich. Der Schnabel ist nur wenig gebogen. Der Sinus der Dorsalschaale
fängt schon im Schnabel an und setzt fort mit flachen Seiten stark divergirend bis an den
Rand. Beide hierdurch getrennte Hälften bilden eine Längenwulst, welche vorzüglich gegen
die Seitenränder stark abfällt. Die Ealten, welche beide Schaalen bedecken, sind auf den
Seiten sehr breit und oben flach, im Sinus jedoch um vieles schmaler und schärfer, so wie
man es bei Dellhyris aperlurala sieht. Einige von diesen Falten dichotomiren , vorzüg-
lich von den schmalen im Sinus. Über das ganze zählt man 26 bis 30 Falten in 5 t Zoll
Entfernung vom Schnabel.
Länge 100, Breite 137, Höhe 60.
Sie ist von Hrn. Pusch in Warschau im Transitionskalkstein von Kielce in Polen
entdeckt worden, wo sie in grofser Anzahl wie ein Conglomerat dick auf einander gehäuft
vorkommt. Die von Hrn. Bronn beschriebene ist vom Dürrenberge bei Hallein.
Offenbar hat sie viel Übereinstimmung mit Dellhyris, durch den ganz bis in den Schna-
bel laufenden Sinus, und durch die Natur ihrer Falten. Allein die Correspondenz der Ver-
tiefungen, und noch weniger die kleine Area, Delädium und Schnabelöffnung können auf
Dellhyris hinweisen.
V. LAEYES, Glatte.
Die Ribben der oberen (Dorsal-) Schaale sind die einschliefsen-
den, die der untern (Ventral-) Schaale die eingeschlossenen; dabei-
ist jeder Falte oder Erhöhung auf der einen Schaale eine Vertiefung auf der
andern entsprechend.
Über die Schaale hervortretende Theile erscheinen erst seit der Mitte
der Länge.
Sie haben gröfstentheils alle eine gröfsere Neigung sich in Richtung
der Länge, als in der Breite auszudehnen. Sie hängen an Felsen und Co-
rallenstämmen, vermöge des mehr oder weniger langen Heftbandes, und
sind deshalb einer schwebenden Beweglichkeit fähig. Die Folge ist, dafs
ihre Area niemals ganz bestimmt von der Oberschaale abgesondert erscheint,
niemals so eben und mit so scharfen Dorsalrändern, als bei aufliegenden
112 v. Buch
Loricaten und anderen, aus der Abtheilung der Gefalteten. Das Bedürfnifs
die Unterschiede der Arten im Thiere, nicht in der Schaale zu suchen, wird
in dieser Abtheilung noch fühlbarer, da bei Vielen nur äufsere Form leiten
kann, welche nach den verschiedenen Bedingungen des Lebens bei dersel-
ben Art sich sehr mannigfaltig abändert. Die Untersuchung vieler Indivi-
duen mufs hier über das Bestimmende belehren. Das Deltidium ist bei allen
Arten sectirend und zuweilen sehr lang. Nicht selten bemerkt man durch
eine Trennungslinie in der Mitte, dafs es Anfangs aus zwei Stücken gebildet
gewesen sein müsse, welche man indessen immer schon vereinigt findet.
A. JUGATAE.
Die Mitte der Rückenschaale, der oberen, ist an der Stirn zu einem Sinus ein-
gesenkt; die Mitte der Ventralschaale ist, dem entsprechend, zu einer Wulst erhöht. Die
Dorsalschaale ist daher allezeit flach und breit, und tritt niemals so sehr hervor, vorzüglich
in der Richtung ihrer Länge, als bei den gekielten Terebrateln. Dagegen wird zuwei-
len die Wulst der Ventralschaale zum Kiel und scheint die Form jener Terebrateln umzukeh-
ren. Die Stirnkante, in der geraden Ansicht gegen die Stirn, zeigt stets eine mehr oder
weniger starke Ausbiegung gegen die Ventralschaale hin; abwärts in der natürlichen
Lage der Muschel, aufwärts, wenn die Ventralschaale oben liegt, wie das in Sammlungen
gewöhnlich ist.
a. REPANDAE.
Der Sinus der Dorsalschaale verräth sich mehr durch die Ausbiegung der Stirnkante
gegen die Ventralschaale hin, als durch wirkliche Einsenkung zwischen den Seiten. Die Dor-
salschaale ist gegen die Ventralschaale hin gekrümmt, zurückgebogen, wenn auch bei eini-
gen Arten fast nur unmerklich. (T. incisa und T. incurva sind als Ausnahmen anzusehen).
1 . Terebratula tmlgaris Schlotth.
Ziethen Würt. Verst. Tab. 39. Fig. 1. (Vortrefflich).
Ist es schon schwer, für glatte Terebrateln überhaupt bestimmte und durchgreifende
Kennzeichen aufzustellen , so wird es noch mehr bei einer Art, welche durch ihr Vorkom-
men hinreichend darthut, dafs sie eine eigene, von ähnlichen ganz gesonderte Art sein müsse,
und dennoch sich in so abweichenden Formen zeigt, dafs nicht oft alles Unterscheidende zu-
gleich an den einzelnen Stücken aufgefunden werden kann. Dann giebt es kaum ein ande-
res Mittel, als die Kennzeichen an vielen Individuen aufzusuchen, ehe man sich über die Art
entscheidet, welche man erkennen will; hierdurch wird es aber auch möglich, durch diese
Vergleichung diese für die Formation des Muschelkalks so auszeichnende Terebratel selbst
in sehr abweichenden Formen herauszufinden.
über Terehrateln. 113
Ein Hauptunterschied und eine hervorstechende Eigentümlichkeit, so geringfügig sie
auch Anfangs scheinen mag, liegt in der Form der Vent ralschaale. Sie steigt vom
Schiofsrande herauf, viel weniger schnell als andere ähnliche Arten, und erreicht in sanf-
ter Rundung ihre grüfste Höhe in der Mitte der Länge. Mit gleicher Rundung fällt
ihre Fläche gegen den Rand ab; der Buckel bleibt daher zurück, ohne besonders sich auszu-
zeichnen. Die Folge ist, dafs man am Buckel, nahe am Schiofsrande und von hier bis ge-
gen die Mitte, die innere Unterstützungswand der Franzenärme wie eine dunkle Linie
hervorschimmern sieht; ja gewöhnlich erscheint sie in einer flachen Vertiefung an der
Stelle des Buckels, oder auch als eine feine Rinne, welche bei Steinkernen zuweilen sehr tief
eindringt. Der Umfang der Ventralschaale ist kreisrund; nur die Stirn tritt etwas vor, und
hier ist auch nicht selten eine oben flache Wulst auf der Schaale zu bemerken, deren Kan-
ten sich wenig erheben. Die grüfste Breite der Schaale ist oberhalb der Mitte der
Länge, wenn auch nicht viel. Die Area unterscheidet sich von der Dorsalschaale wenig,
und nur in älteren Stücken, deren Schnabel sehr gebogen ist, hat sie unter diesem Schnabel
einen scharfen Dorsalrand. Das Deltidium ist sehr breit, halb so breit als die Area, und
viermal breiter als hoch. In älteren Individuen, in denen der Schnabel sehr stark vorwärts
gebogen ist, wird es versteckt. Dann ist auch die Stirn weiter vorgeschoben, die Wulst am
Stirnrande deutlich erhoben und der Hals des Schnabels mehr angeschwollen, als in jüngeren
Muscheln. Der Sc hlofs kanten winkel ist ein rechter. So grofs wird er bei ähnlichen
Gestalten niemals. Die Schlofskanten erreichen nicht völlig die Mitte der Länge und bilden
mit den Randkanten und mit der Stirn einen fortlaufenden Zirkelbogen. Die Öffnung ist nicht
grofs; kleiner als in T. ornithoeephala und gröfser als in T. earnea oder T. numismalis.
Das Deltidium bildet ein Viertheil des Umfanges. Die Dorsalschaale ist nur am Schnabel
breit gekielt, nur wenig höher als die Ventralschaale, und fällt regelmäfsig gegen die Rän-
der, wie die Oberfläche der Seiten eines sehr flachen Kegels. Die allen Terebrateln gemein-
schaftliche Längenstreifung unter der Schaale tritt bei dieser Art zuweilen so deutlich her-
vor, dafs man in solchen Stücken eigene Arten (T. radiala) zu sehen geglaubt hat. Von
4 Linien bis 1 Zoll lang; gewöhnlich von 9 bis 10 Linien Länge.
Länge 100, Breite 89 (87-90), Höhe 53. Die Wulst hat 0,32 der größten Breite.
Sie gehört und ist vorzüglich die Leitmuschel der Formation des Muschelkalks. Sie
ist auch beinahe die einzige, welche in dieser Formation vorkommt; allein wo sie sich fin-
det, ist es in ganzen Schichten aufeinander, Millionenweise. So in den Brüchen von Bind-
loch und Berneck bei Baireuth, bei Rothenburg am Neckar, in Thüringen bei Querfurt, zu
Tarnoviz in Schlesien.
Eine auffallende Abänderung ist die von Schlottheim als T. radiata aufgeführte
von Tarnoviz. Sie ist lang, mit spitzem Schlofskanten winkel, stark auf der Ventralschaale
erhöht, und mit deutlichen, strahlförmig auseinander laufenden Streifen über die Flächen. Da
sie aber mit gewöhnlichen und regelmäfsigen vereint vorkommt, und auch nur sparsam, da
überdies die Vertiefung am Buckel noch sichtbar ist, so kann man diese Abänderung nicht
anders ansehen, als Tür eine zufällige Veränderung der gesetzmäfsigen Form.
Phjs. Ahhandl. 1S33. P
114 v. Buch
Man kann mit Bestimmtheit versichern, dafs diese Terebratel in anderen Formationen
nicht vorkommt. Findet man auch Individuen, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind, so
wird man sie doch nie gesellschaftlich beisammen, sondern nur als Seltenheit finden; daher
wahrscheinlich eine zufällige Veränderung einer anderen Form.
CRETACEAE. No.2-6.
Eine kleine Familie, die nur in der Kreide vorkommt, die sich aber durch einige ge-
meinschaftliche Kennzeichen sogleich als zusammengehörend ankündigt. Der Schnabel ist
bei allen sehr klein , aber stets übergebogen. Das Dellidium steht senkrecht darunter und
endigt sich in einer äufserst kleinen, oft kaum bemerkbaren Öffnung unter dem Schnabel.
Es ist durch einen kleinen, freien Zwischenraum von der Ventralschaale getrennt. Die Sei-
tenränder der \ entralschaale erstrecken sich in der Länge der Area etwas über die andere
Schaale hinaus mit sehr scharfem Rande und bilden einen kleinen einspringenden Winkel in
der Gegend des Schlosses. Die Fläche beider Schaalen ist besonders fein, zart und regel-
mäfsig punktirt.
2. Terebratula carnea Sow.
Brogniart Descr. de Paris Tab. 4. Fig. 9. Sow. Tab. 15. (subrotunda, Ofata).
Eine fast völlig kreisrunde, und bei geringer Höhe discusartigc Form.
Beide Schaalen sind wenig in Höhe von einander verschieden. Die Ventralschaale hebt
sich am meisten in der Schlofshälfte ihrer Länge und steigt gewöhnlich sehr steil zum Buk-
kel hinauf; sie fällt dann wieder sehr flach gegen die Ränder, doch stärker gegen die Sei-
ten als gegen die Stirn, so dafs am Stirnrand eine versteckte Widst und, ihr entsprechend,
eine leichte Erhebung des Stirnrandes gegen die Ventralschaale hin sichtbar wird.
Gegen das Schlofs stöfst diese Schaale eine Spitze vor, welche ein wenig über ihre sehr
stumpfsich vereinigende Kanten hervorragt. Der Schlofskantenwinkel ist stumpf, von 120
Grad. Die Schlofskanten sind wenig gebogen und gehen zuweilen bis zur Mitte der Länge
herab, in jüngeren und flacheren Muscheln auch nur bis zum Viertheil. Hier bilden sie mit
den Randkanten einen Winkel, welcher die sonst sehr gleichförmige Rundung des Um-
kreises unterbricht. Die Randkanten und die Stirn sind weniger deutlich von einander ge-
trennt. Die schmale, zuweilen ganz horizontal liegende Area mit scharfen Dorsalkanten zieht
sich tief herab, fast bis an das Ende der Schlofskanten. Ihr gegenüber endigen sich die An-
wachsringe der Ventralschaale ebenfalls mit scharfer Kante, von welchen die frühere stets
etwas vor der späteren vorspringend ist. Hierdurch entsteht auf der letzten Hälfte der
Schlofskante ein auffallender, scharfer, einspringender Winkel, mit welchen beide
Schaalen zusammenstofsen. Der kleine Schnabel ist sehr gebogen und enthält in seiner Spitze
eine sehr kleine Öffnung (wie die meisten Terebrateln der Kreide). Das Delüdium
unter der Öffnung steigt senkrecht auf und ist fast jederzeit durch einen freien Zwi-
schenraum von der Ventralschaale getrennt. Es ist sehr breit, mehr als viermal so breit
als hoch, bildet daher ein Dreieck mit sehr flachen Sei ten und ist mit starken, im Win-
kel von den Seiten gegen die Mitte zusammenstofsenden Anwachsstreifen bedeckt. Diese
über Terebrateln . 115
Queerstreifen werden deutlich gitterartig von Längenstreifen durchschnitten, genau wie die
Area der Delthyris zu sein pflegt. Die Dorsalschaale ist flach , nur am Schnabel deutlich
gekielt, was gegen die Stirn sich gänzlich verliert. Eine wahre Vertiefung der Schaale ist
doch nicht sichtbar und wird nur durch das leichte Aufwerfen des Stirnrandes gegen die
Ventralschaale hin verrathen. Von 6 Linien bis 2 \ Zoll Gröfse.
Länge 100, Breite 88, Hübe 53.
Doch ist die Höhe gar häufig geringer und steigt nicht über 43. Dieses würde auch
bei T. Lens Nielfs. (Petrif. Suec. Tab. 4. Fig. 6.) sich so finden; eine Muschel, welche, wie
es scheint, nur eine Abänderung von T. carnea sein kann.
In der weifsen Kreide nicht selten, bei Meudon, in Sussex, bei Bochum, am Gal-
genberg bei Quedlinburg, zwischen Battenberg und Achenrein in Tyrol. Stubbenkammer
auf Bügen.
Es wird schwer sein, genügende Unterschiede zwischen dieser und der lebenden T.
vitrea zu finden.
3. Terebrattla incisa Munter.
Schlottheini Catalog p. 75. n. 71.
Die Schlottheimische Sammlung bewahrt unter diesem Namen viele grofse und
schöne Exemplare aus der Kreide von Faxöe in Seeland. Sie haben mit T. carnea so
viel Übereinstimmendes, und dieses in wesentlichen Eigenschaften, dafs man sie nicht ohne
Zwang und Schaden von einander trennen kann; es wäre sogar nicht unmöglich, dafs sie
durch viele Übergänge zu einer Art zusammenfielen. Dennoch gehört diese Terebratel sehr
bestimmt in die Abtheilung der Carinaten; denn sie ist nicht blofs vom Schnabel bis zur
Stirn gekielt, sondern die Ventralschaale ist auch am Bande zu einem Sinus vertieft.
Sie ist länger als breit, von Ovalform. Die Ventralschaale hebt sich schnell vom
Schlofs her bis gegen die Mitte, aber gleichförmig auf der ganzen Breite, ohne her-
vortretenden Buckel. So fällt sie auch wieder gegen die Stirn , und nur wenig gegen die
Seiten. An der Stirn selbst ist sie, schon von der Mitte her, zu einem sehr flachen, aber
ganz deutlichen Sinus eingesenkt. An den Bändern über dem Schlofs dringt eine Spitze
vor, wie bei T. carnea. Der Schnabel ist eben so vorgebogen, die Öffnung eben so klein.
Das Dellidium steht senkrecht herauf und ist durch einen freien Zwischenraum von der Ven-
tralschaale getrennt, wie bei T. carnea-, und wie bei dieser, bilden an dem Ende der Schlofs-
kanten die schmale und lang gezogene Area und die mit einer sehr scharfen Kante unter
einander hervortretenden Anwachsringe der Ventralschaale einen einspringenden Win-
kel. Der Schlofskantenwinkel ist von 86 Grad. Die Schlofskanten gehen wenig gebogen
bis jenseits der Mitte der Länge; daher ist auch die gröfste Breite nach der Mitte. Kein
Winkel, nur eine Rundung, trennt sie von den Randkanten, und diese sind wieder deutlich
von der Stirn geschieden. Der Kiel der Dorsalschaale ist in der letzten Hälfte zwar breit
und oben flach, allein dennoch mit Bestimmtheit bis zum Bande fortgesetzt, und dem ent-
sprechend biegt sich auch die Stirnkante mit bedeutend grofsem Bogen gegen die
Dorsalschaale hin. Die untere Schaale dieser Muschel ist äufserst fein punktirt, viel
P2
116 v. B u c h
feiner als die Terebrateln der Juraformation zu sein pflegen. Genau eben solche fein punk-
tirte Oberflache findet sich aber auch bei T. carnea. Von 1 bis 1^ Zoll Gröfse.
Lange 100, Breite 82, Höhe 53.
4. Terebratüla semiglobosa Sow.
' Brogn. Descr. de Paris Tab. 9- Fig. 1. Sow. Tab. 15. {intermedia, subundata).
Man würde sie ohnerachtet ihrer grofsen Dicke und ihres kugelförmigen Ansehens
doch leicht für eine Altersabänderung von T. carnea halten, wäre nicht der Schlofskanten-
winkel jederzeit etwas kleiner als ein rechter.
Die Ventralschaale hat ebenfalls eine Spitze am Buckel gegen das Schlofs. Sie steigt
bis zur Mitte und fällt gegen die Stirn wie gegen die Seiten in gleichförmigem Bogen; erst
nahe an der Stirn mit einer breiten Wulst, welcher entsprechend die Stirnkante gegen
die Ventralschaale hin stark ausgebogen ist. An jüngeren Muscheln stehen, wie bei
T. carnea, auch hier die Anwachsringe mit scharfem Band über die Seiten hervor. Der
Schnabel ist sehr stark übergebogen, so stark, dafs er die kleine Öffnung, und somit
auch das Dcltidiu/n ganz gegen die Ventralschaale verbirgt. Daher ist auch kein Zwischen-
raum zwischen Schnabel und Schaale. In älteren Muscheln ist diese Biegung so stark, dafs
die Dorsalschaale am Halse des Schnabels so mächtig aufschwillt, dafs dieser Hals, wie in
Transitions -Terebrateln, wirklich über den Schnabel hervorsteht. Der Schlofskan-
tenwinkel ist von 88 Grad. Die Kanten bilden ein ziemlich geradliniges Pentagon, in wel-
chem die Schlofskanten um ein Drittheil gröfser sind als die Bandkanten. In der Seitenan-
sicht bilden diese Kanten eine S förmig gebogene Linie, die Schlofskanten nach oben,
die Bandkanten nach unten, der Dorsalschaale zu gebogen. Die sehr gewölbte Dorsalschaale
erreicht ihre gröfste Höhe vor der Mitte der Länge, wird dann auf dem Rücken sehr breit
und senkt sich endlich zu einem breiten, flachen, sehr wenig vertieften Sinus,
dessen Boden über die Seiten vorspringt, um so mehr, je näher die Anwachsringe ge-
rückt sind, und dadurch das höhere Alter der Muschel erweisen. \.\ Zoll lang.
Länge 100, Breite 85, Höhe 66.
In der weifsen Kreide, gröfstentheils mit T. carnea vereinigt, Montagne de St. Ca-
therine bei Bouen, Warminster, Bochum, Insel Bügen, Charlottenlund in Schonen, Insel
Moen, Nienstedt am Harz.
•
5. Terebratula pumila Laraarck.
Magas pumilus. Sowerby Tab. 119. Brogniart Descr. de Paris Tab. 4 Fig. 9.
Eine sehr kleine Terebratel, welche sich durch die flache, fast ganz ebene Ventral-
schaale sehr auszeichnet. Sie hat aber in ihrer Form dennoch sehr viel Übereinstimmendes
mit T. incisa, und leicht könnten beide Arten in eine zusammen fallen. Denn auch bei
T. pumila ist diese Schaale in ihrer ganzen Breite herabgezogen gegen die Stirn, welches
bei sehr kleinen Stücken unmerklich wird. Sonst ist wenig Unterschied zwischen Erhöhung
über Terebrateln. 117
der Mitte und der Seiten zu bemerken; selbst der Buckel erhebt sich nicht über die ebene
Fläche. Gegen das Schlofs ist die Schaale ganz unter dem überhängendem Schna-
bel versteckt; dagegen greifen die Seitenränder mit scharfer Kante über die Dor-
salschaale heraus. Die Kanten gegen das Schlofs vereinigen sich am Buckel zu einer gera-
den Linie. Der Umrifs der Schaalen bildet einen Zirkelbogen, in denen sich die Länge
der verschiedenen Kanten nicht gut unterscheiden läfst. Area und Dellidium stehen senk-
recht über der Ventralschaale hervor. An der Spitze des letzteren, und an der
Spitze des feinen, umgebogenen Schnabels steht die sehr kleine Ö ffnung, welche
ein etwas verdickter Rand leicht erkennen läfst. Der Kiel der Dorsalschaale verbreitet sich
bald. Die Seiten fallen schnell, und die ganze Schaale ist halbmondförmig gekrümmt. In
der Mitte der Stirn zeigt sich deutlich eine Vertiefung, welche ziemlich weit herauf ver-
folgt werden kann, ein wahrscheinlich in grüfseren Stücken sich mehr entwickelnder Sinus
Beide Flächen sind sehr fein punktirt. Ton 3 und 4 Linien Gröfse.
Länge 100, Breite 91, Rühe 51.
In der weifsen Kreide in England und zu Meudon bei Paris.
Die nahe Verwandtschaft dieser Terebratel mit den anderen, der Kreide eigentüm-
lichen Arten würde an sich schon die Vermuthung begründen, dafs Alles, was Sowerby
vermocht hat, aus ihr ein neues Geschlecht zu bilden, auf Zufälligkeiten beruhe, wenn nicht
auch die Schlo ttheimiseben Stücke auf das deutlichste die runde Öffnung im Schnabel,
und das, in diese Öffnung hineingehende Dellidium erkennen liefsen.
6. Terebratula. ineurva Schlotth.
Catalog p. 65. n. 12. T. exsecala. Tab.n, Fig. kO.
Ihre Natur als eine Terebratel der Kreideformation läfst sich gar nicht verkennen.
Der kleine, spitze Schnabel, die ungemein kleine Öffnung darinnnen, der leere Raum, der
den Schnabel vom Buckel der Ventralschaale trennt, endlich der scharfe, überstehende Rand,
welcher die Ventralschaale über der Area begrenzt, sind alles Eigenthümlichkeiten, welche
viele Arten dieser Formation zu einem Ganzen verbinden. Damit vereinigt T. ineurva ei-
nen gewaltigen Dorsalsinus, welcher fast die ganze Breite der Muschel einnimmt.
Die Ventralschaale bildet über der ganzen Fläche ein sehr gleichförmiges Ge-
wölbe; sie steigt schnell im Anfange, erreicht ihre grüfste Hohe in der Mitte, fällt aber
dann nur wenig wieder gegen die Stirn. Desto schneller und steiler ist ihr Abfall gegen
die Seiten. Die Profilansicht von der Stirn her, giebt den Umrifs des Scheitels einer
ziemlich engen Ellipse. Der Schnabel ist senkrecht gebogen; aber sehr klein, und
die sehr kleine Öffnung darin würde sich vielleicht lange der Aufmerksamkeit ent-
ziehen, wenn nicht ein verdickter Rand an der Mündung, sie bemerklicher machte. Das
Dellidium steht senkrecht. Die Area mit abgerundeten Kanten versteckt sich mit einem
flachen Ohre unter dem scharf überstehenden Rande der Ventralschaale. Der Schlofs-
kantenwinkel ist wenig von einem rechten Winkel verschieden. Der Umrifs der Kanten ist
ein, am Schnabel verlängertes Pentagon, in welchem die Schlofskanten gerade, die Rand-
118 v. Buch
kanten im flachen Bogen gekrümmt sind. Die Schlofskanten sind länger und mit der
breiten Stirn gleich lang. Die flache Dorsalschaale senkt schon seit der Mitte den breiten
Sinus mit abgerundeten Seiten. Seit dem Rande der Stirn wendet sich dieser Sinus in rech-
ten Winkel gegen die Ventralschaale hin, so dafs die Stirnkante in der Mitte und fast auf
ihrer ganzen Ausdehnung tief gegen die Ventralschaale hin aus gebogen ist; mit ab-
gerundetem Winkel an der Spitze des Sinus. Von S bis 10 Linien Länge.
Länge 100, Breite 93, Hühe 65.
Sinusbreite 71; daher nahe an drei Viertheil der ganzen Breite der Muschel.
In der weifsen Kreide zu Faxöe auf Seeland, (Schlottheimische Sammlung); Gal-
genberg bei Quedlinburg, (Münstersche Sammlung). Sie würde der Regel zufolge zu den
Excavaten gerechnet werden müssen.
7. Terebratula ovoides Sow.
Sowerby Tab. 100. (lata).
Die Ventralschaale dieser grofsen Terebratel ist nie so hoch als die ihr entgegenste-
hende. In jüngeren Muscheln hat sie sogar ein ganz flaches Ansehn. Sie springt mit einer
stumpfen Spitze gegen das Schlofs, und erhebt sich an der Stirn zu einer wenig hervor-
tretenden Wulst. Ihre gröfste Breite erreicht sie unter der Mitte, so dafs diese gewöhnlich
an Gröfse die Länge übertrifft. Der Schlcfskantenwinkel ist kaum von einem rechten ver-
schieden. Die Schlofskanten sind etwas nach auswärts gebogen, und nur wenig grüfser, als
die Randkanten. Beide stofsen, mit Abrundung in einem rechten Winkel zusammen. — Die
Area ist breit, mit einem flachen Ohr und mit stark abgerundeten Dorsalkanten. Das Del-
tidium nimmt davon nur einen kleinen Theil ein, ohnerachtet es viel breiter ist als hoch.
Der Schnabel ist sehr wenig gebogen; die sehr grofse Öffnung darin steht mit
ihrer Mündung schief gegen die Richtung der Schaalen; eben so wie bei T.
gigantea. Die Dorsalschaale ist nicht gekielt, sondern verbreitet sich gleich vom Schnabel
aus gegen die Seiten. Ein Sinus am Rande wird kaum auf andere Weise bemerklich, als
durch das Vorspringen der Stirnlinie gegen die Ventralschaale.
Länge 100, Breite 90 (96), Höhe 50 (41).
Aus Sandstein der Kreide (Greensand) zu St. Georges unterhalb Angers, und bei Lo-
vestoft in Suffolk.
8. Terebratula longirostris Wahlenberg.
Tab. I, Fig. 3. Nielfson Petrificata suecana. Tab. IV, Fig. I.
Eine ungemein lange Gestalt mit schmalem Halse. Die gröfste Breite findet sich erst
in -5 der Länge. Die Ventralschaale ist nicht hoch; der Bogen, den sie vom Buckel bis zur
Stirn beschreibt, ist sehr flach. In der ganzen Ausdehnung, auch an der Area, liegen die
Ränder beider Schaalen dicht aufeinander. Die Area wird von der umgewandten
Dorsalschaale gebildet; das Deliidium nimmt davon die Hälfte ein; dennoch ist es hö-
her als breit. Denn nicht allein ist der Schnabel der Dorsalschaale weit fortgesetzt, son-
über Terebrateln. 119
dem er steht auch ganz gerade, und ist durchaus gar nicht gekrümmt; daher ist auch
der Schlofskantenwinkel ungemein spitz und geht nicht über 50 Grad hinaus. Das Del-
tidium scheint in einer kleinen Vertiefung zu liegen, und ist mit starken, etwas convex ge-
krümmten Anwachsstreifen bedeckt. Die Öffnung im Schnabel ist sehr grofs und ihre Mün-
dung steht schief auf die Richtung der Schaalen. Auch die Dorsalschaale bildet vom Schna-
bel bis zur Stirn nur einen flachen Bogen, verräth aber, durch Vorspringen des Stirnrandes
gegen die Ventralschaale, die Depression gegen die Stirn, und das Erlieben einer entsprechen-
den Wulst der Ventralschaale. Unter den Anwachsringen und der fein punktirten Schaale
erscheint eine feine Längenstreifung sehr deutlich. Von 1 \ bis 2 Zoll Länge.
Länge 100, Breite 50, Hübe 46.
Im Kreidesandstein in Schonen bei Baisberg und am Ifösjö, in Blekingen bei Mörby;
im Kreidemergel bei Essen an der Ruhr.
Hr. Nielfson glaubt, das an dieser Art so auszeichnende, hohe Deltidium setze nicht
in das Innere der Öffnung, und sei daher nicht als ein Schaalstiick zu betrachten, welches
die Öffnung verschliefse. Das beruht nur auf Täuschung. Das Band im Innern der Öff-
nung schleift die inneren Wände glatt, um so mehr auf der Seite des Deliidiums, da es
diese Seite mit dem ganzen Gewicht der Muschel zusammenprefst. Die Scheidungslinie im
Innern wird daher sehr bald durch Reibung verwischt. Indessen geschieht das nicht immer,
und eben auf den Muscheln von Essen ist diese Scheidung auch im Innern ganz deutlich zu
sehen, um so mehr, da die Anwachsstreifen des Tlieiles vom Umkreise der Öffnung, welche
von der Dorsalschaale gebildet wird, an der Scheidung des Deltidiums in die Höhe gehen,
und nicht, mit denen des eingesetzten Tlieiles fortlaufen. Auch beweisen die discreten, noch
nicht mit ihren Flügeln verbundenen Deltidien hinreichend ihre Bestimmung; so lange sie
nicht vereinigt sind, wird auch die Öffnung nie geschlossen vorkommen.
9. Terebratula omithoeephala Sow.
Tab.I, Fig. 9- Sowerby Tab. 101. (Lampas). Ziethen Tab.39- Fig.2.
Sie steht der T. biplicaia sehr nahe, und kann mit ihr leicht verwechselt werden,
wenn man nicht ausgezeichnete Stücke untersucht. Der Mangel einer vortretenden Mittel-
falte auf dem Rücken, und eines entsprechenden Sinus auf der Ventralschaale leitet dann
leicht und bestimmt.
Die Ventralschaale erreicht ihre gröfste Höhe schon vor der Mitte und fällt dann
flach gegen die Seiten. In der Mitte ziehen sich zwei divergirende Kanten gegen die Stirn,
welche gegen den Rand eine breite und oben flache Wulst erheben. Der Schnabel
ist stark vorwärts gebogen, in älteren Muscheln so stark, dafs die Öffnung die Ventralschaale
berührt. Diese Öffnung ist bedeutend grofs, mit umgebogenen Rändern. Hierdurch
unterscheiden sich leicht runde Abänderungen von T. carnea. Die Jrea hat nur scharfe
Kanten unter dem Schnabel. Das Deltidium bildet ein Viertheil des Unifanges der Öffnung.
Der Schlofskantenwinkel ist kleiner als ein Rechter; 81 Grad (76-85). Die Schlofs-
kanten sind mit den Randkanten im fortlaufenden, gleichförmigen Bogen verbunden;
120 v. Buch
und in älteren Muscheln sind sie etwas länger. Dann findet sich auch die grüfste Breite
etwas jenseits der Mitte der Länge; gewöhnlich ist sie in der Mitte selbst. Die Stirn ist
gerade abgeschnitten, eine nicht eingebogene Horizontallinie; sie hat etwa ein Drittheil
der Breite. Die Dorsalschaale ist weniger hoch als die Ventralschaale, erreicht ihre grüfste
Höhe sogleich unter dem Schnabel, verflächt sich dann sehr, und läfst im letzten Viertheil
einen flachen, breiten, gegen die Ventralschaale zurückgebogenen Sinus bemerken,
welcher die Stirn vor den Seiten zungenförmig vortreten läfst. Jüngere Individuen sind
häufig ganz rund; man unterscheidet sie dann von T. vulgaris durch den spitzen Schlofs-
kantenwinkel und durch den hohen Buckel, welcher die gröfste Erhebung noch vor der Mitte
veranlafst. Sie verlängern sich mit dem Alter, doch endlich nur wenig. Die untere Schaale
ist jederzeit sehr zierlich und regelmäfsig punktirt (en quinconce). Die Punktirung ist aber
gröfser als die auf Kreideterebrateln. Von 7 Linien bis 1 j- Zoll grofs.
Länge 100, Breite 80, Höhe 54; Breite der Wulst 37.
Vorzüglich in mittleren, seltener in oberen Juraschichten, mit T. biplicala ver-
einigt. Zu Babenstein bei Baireuth, im Pvomansthal unter dem Staffelberg bei Banz; unter
Gräfenberg, am Nipf über Bopfingen, oberhalb Wasseralfingen bei Aalen, bei Bähungen,
über Spaichingen, am Wartenberge bei Don -Eschingen, an der Egg über Wöschnau bei
Aarau; im oberen Jura: bei Urach, bei Giengen an der Brenz, bei Neresheim, im Corn-
brash (mittlere Jura) zwischen Oxford und Woodstock.
10. Tbbebratula elongata Schlottb.
Schlottheim Nachträge I, Tab. 20. Fig. 2. Schriften der Münchener Akademie für 1S16
Tab. 7. Fig. 7, und Fig. 3. {lata).
Ein schmales Dreieck. Beide Schaalen sind auf ihrem Bücken flach und laufen, einem
Meifsel gleich, in eine Schärfe aus. Die Ventralschaale erreicht ihre gröfste Höhe schon
am Buckel; daher noch vor dem ersten Viertheil der Länge. Von hier senkt sie sich
nur gar wenig gegen die Stirn, und gegen die Seiten fällt sie erst nahe über den Seiten-
rändern selbst. Da nun die Länge die Breite sehr übertrifft, die gröfste Breite aber erst
nahe an der Stirn gefunden wird, so vergrößert sich die Fläche auf der Schaale, bis sie
am Bande die ganze Breite der Stirn, einnimmt. Auf der Dorsalschaale ist diese Fläche ge-
bogen, fast im halben Zirkel gegen den Schnabel einerseits, gegen die Ventral-
schaale herauf auf der anderen Seite. Oben, gegen das Schlofs, geht die Ventralschaale in
eine Spitze aus, ohnerachtet ihre Bänder schon an sich sehr spitz zusammenlaufen. Der Schna-
bel ist so weit gebogen, dafis die Öffnungsmündung mit der Bichtung der Schaalen parallel
liegt. Die Area hebt sich zum flachen Ohr und hat keine scharfe Dorsalränder. Der Schlofs-
kantenwinkel ist sehr spitz, von 70 Grad. Die Schlofskanten gehen bis zu drei Vier-
theil der Länge herunter; die sehr stumpf daran stehenden Bandkanten sind nur ein
Drittheil so lang, und die Stirn wieder, mit geradem Horizontalrand, ist häufig dop-
pelt so grofs als die Bandkanten. Bei kleineren und jüngeren Muscheln ist die Ecke zwi-
schen Bandkanten und Stirn abgerundet, und nicht so scharf als bei gröfseren. Die Fläche
über Terebraleln. 121
der Dorsalscliaale ist etwas eingesenkt in der Mitte; dagegen die Ventralschaale zu einem Lis
zur Stirn fortlaufenden, flachen Kiel erhoben, und die Stirn ist in der Mitte ein wenig ein-
gebogen. Länge der gröfseren 6 bis 7 Linien, der kleineren 3 bis 4 Linien. Der gröfse-
ren: Länge 100, Breite 72, Höhe 51; der kleineren: Breite 85, Höhe 44. Daher vergröfsern
sich diese Muscheln schnell in der Länge, wenig in der Breite.
In dem Transitionskalkstein von Grundt am Harz, und in unglaublicher Menge im
Zechstein -Dolomit von Glücksbrunn bei Meiningen.
11. Terebratula linguata n.
Sie hat Ähnlichkeit mit T. elongata, auch eben so viel mit T. prunum, und steht
ihr auch wohl zunächst. Wie bei dieser, steigt die Ventralschaale wenig mehr, nachdem sie
sich zum Buckel erhoben hat; an einigen ist die gröfste Höhe am Rande selbst, an anderen
sinkt die Begrenzungslinie der Länge in der Nähe der Stirn etwas weniges wieder herunter.
Die Seiten bilden ein abfallendes Dach ; allein sie gehen oben nicht in eine Schärfe zusam-
men, sondern werden durch eine Wulst abgestumpft, oben mit flachem Gipfel. Diese
Wulst tritt über die Stirn hervor. Der Schlofskantenwinkel ist sehr stumpf; er kann 105
Grad erreichen, scheint aber in gröfseren Individuen spitzer zu werden. Die Schlofskanten
verbreiten sich gar nicht weit; schon vor dem ersten Viertheil der Länge endigen sie
sich. Daher ist auch hier die gröfste Breite der Muschel. Dann folgen die mehr als
zweimal längeren, fast gleichlaufenden Randkanten, welche von der halbmond-
förmigen Stirn begrenzt werden. In der Profilansicht der Breite hebt sich die Stirnkante
gegen die Ventralschaale nicht mit einem Dreieck (wie in T. prunum), sondern als ein wei-
ter, oben ganz flacher Bogen. Schnabel, Area und Öffnung sind überaus klein,
die letzteren doch sichtbar.
Die Dorsalscliaale ist merkwürdig und auszeichnend. Der Schnabel wird Anfangs in
einem scharfen Kiel fortgesetzt; allein die Seiten verflachen sich bald und erreichen die
Ränder mit gar wenig Neigung. Auch der Kiel hat sich durch Abflachung verloren,
ehe er die Mitte erreicht. Die Schaale wird ganz eben, krümmt sich gegen die Ventral-
schaale im stumpfen Winkel und wird am Ende durch eine runde Kante begrenzt, so
dafs die ganze Schaale in allen ihren Theilen einer Zunge ähnlich wird. Die Seitenränder
an der Stirn stehen nur wenig über diese Zunge hervor, und gerade so viel, um zu bewei-
sen, dafs dieser mittlere Theil ein sehr flacher und breiter Sinus sei.
Weder Längsstreifen noch Anwachsringe sind auf den Steinkernen zu bemerken. Sie
sind klein, nur 3 bis 5 Linien grofs, selten über 7 Linien.
Länge 100, Breite 76, Höhe 54, Sinusbreite 69.
Im älteren Kalkstein der Gegend von Prag mit Trilobiten. Oberhalb des Spinnhauses
bei Hoff, mit Delthyris speciosa.
b. EXCAVATAE.
Der Sinus der Dorsalschaale ist bestimmt und deutlich zwischen den Seiten eingesenkt.
Phjs. Abhandl. 1S33. Q
122 v. Buch
12. Terebratula cassidea Dalman.
Dalman Scliwedische Akad. Verh. für 1817. Tab. 5. Fig. 5. {Atrypa cassidea).
Zuweilen ist sie länger als breit, zuweilen auch breiter als lang. Die Ventralschaale ist
in der Mitte am höchsten. Eine undeutliche Wulst zieht sich in der Mitte bis gegen die Stirn.
Am Schlofs endigt sich die Schaale in einer hervorstehenden Spitze, welche tief in
den Schnabel der anderen Schaale eindringt und gewöhnlich das Dellidium zer-
stört, so dafs der Rand der Öffnung unmittelbar auf dieser Spitze steht. Der Schlofskanten-
winkel ist stumpf, von 110 Grad, wird aber, vorzüglich in älteren Muscheln, bis unter einem
rechten Winkel herabgebracht. Die Schlofskanten divergiren stark, endigen sich in der Mitte
der Länge und bilden mit den Randkanten einen rechten Winkel. Die Stirn ist wenigstens
mit den Randkanten von gleicher Länge, gerade und horizontal. Die Area ist die über-
geschlagene Oberschaale, das Deltidium aber ist nur in jungen Muscheln sichtbar.
Auffallend ist es, wie sehr die Dorsalschaale am Halse des Schnabels sich auf-
bläht. In älteren Stücken ist sie über den Schnabel hinaus producirt. Sie fällt sogleich vom
Halse gegen den Rand und verflacht sich. Schon seit dem Viertheil erscheint der Sinus
in der Mitte als eine leichte Abplattung. Deutlicher und bestimmt, wenn auch nicht tief,
zeigt er sich am Rande, und dieser Rand ist daher etwas gegen die Ventralschaale hin ausge-
schweift. Eine sehr feine, faltenartige Streifung ist unter den concentrischen Anwachsstreifen
nicht zu verkennen und bildet mit ihnen eine gitterartige Zeichnung. Von 4 bis S Linien Länge.
Länge 100, Breite 84, Höhe 64.
Im Grauwackengebirge zu Bensberg bei Cöln. In Ostgothland bei Borenshult im Tran-
sitionskalk. Aus Zechstein, vom Fufse des Kohnsteins bei Salza ohnweit Nordhausen. Diese
bilden ein breites Pentagon; Breite 105, Höhe 60. Die vorspringende Spitze der Ventral-
schaale in den Schnabel, das dick Aufgeschwollene des Halses und der flache Sinus der Dor-
salschaale lassen die Art doch leicht durch alle Formenänderungen erkennen und geben den
Individuen bei dem ersten Anblick ein leitendes Familienansehn. Daher kann man auch nur
als Abänderung ansehen :
Terepratula sufflala Schlotth.
Schriften der Bairischen Akad. der Wissensch. für 1S17. Tab. 7. Fig. 10.
Sie ist nur 3 bis 4 Linien grofs, auch wohl noch viel kleiner. Dennoch beweisen die
am Rande nahe aufeinander gedrängten Anwachsringe, dafs diese Muscheln sich schon im aus-
gewachsenen Zustande befinden. Sie sind dicker als die von Bensberg oder von Salza, sonst
ihnen völlig gleich. Der Dorsalsinus ist zuweilen bis weit über die Mitte herauf sichtbar und
der aufgeblähte Schnabelhals ist sehr breit.
Länge 100, Breite 93, Höhe 69, Sinusweite 47.
Sie finden sich in unglaublicher Menge im Ilühlenkalkstein (Zechstein) oder im Dolomit
von Glücksbrunn in Meiningen. Andere noch kleinere, ja so klein, dafs sie nicht eine Linie
erreichen, dann wieder bis 3 Linien anwachsen, im Kalkstein von Schmerbach bei Gotha,
stehen in ihrer Form der cassidea noch näher. Die Schichten scheinen hier mit dieser klei-
nen Terebratel ganz erfüllt zu sein.
über Tercbrateln. 123
13. Teeebratula tumida Dalm.
Dalman Schwed. Akad. Abh. für 1817. Tab. V, Fig.3.
Die Breite übertrifft die Länge. Beide Schaalen sind sehr dick und aufgeblasen
in der Nähe des Schlosses, fallen aber schnell ab, und ihre Ränder an Seiten und Stirn ver-
einigen sich mit einer grofsen Schärfe. Ihre gröfste Höhe erreicht die Ventralschaale
schon lange vor der Mitte; gegen das Schlofs schiebt sie eine Spitze vor (wie so viele
Terebrateln der Grauwackeformation zu thun pflegen), welche sich unter dem kurzen und
übergebogenen Schnabel verbirgt. Seit der Mitte erscheint auf der Schaale eine breite
Wulst, und diese ist wieder nahe am Stirnrande durch eine Rinne zerspalten. Es ist
das Umgekehrte von dem, was man bei T.ferila bemerkt, wo die Wulst der Dorsalschaale
auf diese Weise gespalten erscheint. Die Rinne geht nicht weit herauf.
Der Schlofskantenwinkel ist sehr stumpf, von 115 Grad; daher divergiren die Schlofs-
kanten sehr und endigen sich, ehe sie die Mitte der Länge erreichen. Eine ansehnlich grofse
Rundung vereinigt sie in spitzem Winkel mit den Randkanten, und diese werden durch
die gleich breite Stirn gerade abgestumpft. Von Area ist an den Seiten des Schnabels nur
gar wenig zu sehen. Dellidium und Öffnung sind gänzlich versteckt. Es scheint, als
greife sogar der Rand der Ventralschaale etwas vor, an der Area hin, ohngefähr wie in der
Abtheüung der Delthyris, welche Dalman Orthis genannt hat. Die Dorsalschaale gleicht
in ihrer allgemeinen Form , in ihrem schnellen Anschwellen und in ihrem Abfall gegen die
Ränder, der Ventralschaale; sie ist völlig ohne Kiel. Schon von der gröfsten Höhe an zeigt
sich in ihrer Mitte eine Rinne, wie eine Linie, welche bis zum Rande der Stirn fortsetzt.
Die Seiten neigen sich immer mehr, aber ganz flach, gegen diese Rinne, und bilden am Rande
einen flachen Sinus, welcher sich etwas gegen die Ventralschaale herabbiegt und eine be-
deutende Ausbiegung des Stirnrandes in Form eines stumpfen Dreiecks verursacht. In die-
sem Sinus bemerkt man zuweilen einige Falten, ja sogar auf den Seiten scheinen sich davon
noch einige Spuren zu zeigen. Von 10 Linien Länge.
Länge 100, Breite 131, Höhe 68.
Dalman bestimmt diese Maafse: Breite 117, Höhe 73.
Aus Transitionskalkstein der Insel Gothland. Aus Deutschland, Frankreich oder Eng-
land ist diese Terebratel nicht bekannt.
14. Terebratttla concentrica n.
Sie hat viel L'bereinstimmung mit T. lumida in Hinsicht der äufseren Form und des
Sinus; allein sie unterscheidet sich wesentlich durch eine gleichförmigere Höhe und durch
das weniger Aufgeblasene der Schaale am Schlofs. Hierdurch geschieht es, dafs die Öffnung
nicht versteckt wird, sondern an jedem Stück deutlich hervortritt.
Die Ventralschaale wird im ersten Viertheil am höchsten und fallt dann nur wenig
gegen den Rand. Eine breite Wulst tritt schon seit der Mitte hervor. Am Schlofsrande
steht eine, doch nur mäfsige Spitze, welche in die Öffnung des Schnabels eindringt,
Q2
124 v. Buch
das Dellidium zerstört und seine Stelle einnimmt. An den Seiten dieser Spitze tritt die
Schaale um ein Weniges vor und Lüdet dadurch einen scharfen Rand, der so weit fortgeht,
als die Hälfte der Area -Breite betrügt. Der Schnabel ist nur wenig gebogen; die be-
deutend grofse Öffnung darin steht noch mit ihrer Mündung rückwärts schief gegen
die Richtung der Schaalen; daher noch nicht einmal horizontal. Der Schlofskanten-
winkel ist gewöhnlich 97 Grad, zuweilen weniger. Die Kanten bilden ein ziemlich ge-
radliniges, gedrücktes oder breites Pentagon, dem der T. tumida ähnlich, mit we-
nig in Gröfse verschiedenen Seiten. Die Schlofskanten erreichen nicht die Mitte der Länge.
Die Dorsalschaale ist ganz flach gewölbt, ohne Kiel, und schon vom Schnabel aus zieht
sich die ganze Länge hin eine vertiefte Rinne herab, welche in \ der Länge in einen
Sinus mit schnell divergirenden Seiten hinabläuft und sich an der Stirn endigt. Die
Stirn ist durch diesen Sinus gegen die Ventralschaale herabgebogen und ein wenig über die
Seiten hinaus producirt. Die ganze Oberfläche beider Schaalen ist mit dicht an einan-
der stehenden Anwachsringen bedeckt, concentrische Streifen, welche mit ihren
scharfen Rändern etwas aufgeworfen sind und dadurch gar sehr hervortreten. Die
gewöhnlichen feinen Längenstreifen sind durch diese concentrische Queerstreifen ganz unter-
drückt und nur noch mit dem bewaffneten Auge zu finden.
Länge 100, Breite 103, Höhe 62, Sinusbreite 50.
Im Transitionskalkstein von Gerolstein in der Eifel, mit Dellhyris rostrata.
15. Terebratula aequirostris Schlotth.
Sie hat durch den grofsen Dorsalsinus, welcher fast die ganze Breite der Muschel
einnimmt, eine grofse Ähnlichkeit mit der T. ineurva der Kreide; allein diese Ähnlichkeit
ist nur in der äufseren Form, und nicht in denen, die Kreideterebratcln so wesentlich aus-
zeichnenden Kennzeichen. Die Ventralschaale ist gewaltig aufgebläht; sie steigt senk-
recht zum Buckel in die Höhe und fällt dann sogleich im weiten Bogen bis zur Stirn.
An den Seitenrändern, gegen die Area, weit entfernt mit scharfer Kante hervorzustehen, ist
sie im Gegentheil eingedrückt, so dafs sie auf beiden Seiten, wo die Schaalen an der Area
sich vereinigen, eine Lunula bildet, der Lumila der Conchiferen ganz ähnlich. Dadurch
wird die Spitze des Buckels zu einem zweiten Schnabel, der zurückgebogen ist, und
mit dem Schnabel der Dorsalschaale zusammenstöfst. Daher sieht man vom Dellidium nur
die unteren Flügel; die Öffnung auch nicht immer, aber doch zuweilen. Sie ist klein, doch
bei Weitem nicht so klein als in Kreideterebrateln. In der Mitte breitet sich der Rücken
der Ventralschaale aus, und bildet eine undeutliche Wulst mit schneller Divergenz der
Ränder, und mit ebener, ja zuweilen flach eingesenkter Fläche im obern Theile. Der Schlofs-
kantenwinkel ist ein rechter; die Schlofskanten laufen bis weit über die Mitte hinaus;
die Randkanten sind halb so lang, halbmondförmig; die Stirn wieder gerade laufend, hori-
zontal, und den Schlofskanten in Länge wenig nachstehend. Auch die Dorsalschaale ist auf-
gebläht, und daher am höchsten nahe am Schlofs; allein nur halb so hoch als die Ventral-
schaale. Der Rücken wird sogleich flach und breit, mit den Seitenabfällen erst ganz nahe
über Terebrateln. 125
am Ramie. Sehr bald senkt sich die Mitte zum breiten Sinus, der an der Stirn sich gegen
die Ventralschaale producirt, und dadurch die Stirnkante weit gegen diese Schaale hin aus-
biegt. Die Mttie dieser Ausbiegung wird von einer geraden Linie, nicht von einer im
abgerundeten Winkel gebrochenen Kante, gebildet. Die Oberfläche der Schaalen ist zwar
sehr fein punktirt, doch nicht so fein, dafs man nicht bemerken sollte, wie diese Punkte
überall nur aus der Durchschneidung der Ainvachsringe und der feinen Längenstreifen dar-
unter, entstehen. Sie sind die Vertiefungen zwischen diesen, sich durchkreuzenden Linien.
Von 9 bis 10 Linien Länge.
Länge 100, Breite 103, Höhe 78; Weite des Sinus 75.
In Transitionskalkstein bei Reval. Schlottheimische Sammlung.
16. Terebratula prunum Dalm.
Dalman Schwed. Abh. für 1S17. Tab.5. Fig.2.
Eine ungewöhnliche, daher ausgezeichnete Gestalt. Die Ventralschaale hebt sich mit
leichtem Bogen bis zum Viertheil der Länge, dann scheint sie fast in gleicher Höhe
fortzusetzen, und nur am Rande senkt sie sich wieder ein wenig. Das ist die Witte der
Schaale; ein ausgezeichneter Kiel, vom Buckel an bis zur Stirn. Die Seiten fal-
len ab, wie ein Dach bis an den Rand, oben stehen sie mit 90 Grad an einander. Die
Profilansicht der Stirn erscheint daher als ein gleich schenkliches Dreieck mit breiter
Basis. Der Schlofskantenwinkel ist stumpf, doch wenig auffallend, denn die Schlofskanten
sind sehr klein; sie erreichen nicht das Viertheil der Länge. Mit Abrundung schliefsen sich
daran die Randkanten, welche dreimal länger, parallel und nur wenig gebogen, an den
Seiten herablaufen. Daher ist die Stirn den beiden Schlofskanten zusammen an Gröfse gleich.
Der Schnabel, ohnerachtet nicht sehr hervorstehend, legt sich dennoch auf den Buckel, und
das Deltidium wie die Öffnung werden ganz versteckt. Auch die Area ist nicht bestimmt
von der Dorsalschaale zu unterscheiden. Die Dorsalschaale selbst ist im Anfange aufge-
schwollen, breitet sich bald aus, und senkt sich nach der Mitte zum flachen Sinus, dessen
Seiten unter der Stirn in eine Spitze zusammenlaufen, so dafs die Ausbiegung der Stirn-
kante gegen die Ventralschaale die Form eines Dreiecks erhält. Dieser Sinus ist übri-
gens nicht tief und dehnt sich über die ganze Breite der Stirn aus. Das producirte Dreieck
des Sinus steht noch im stumpfen, nicht im rechten Winkel von der Dorsalschaale herab.
Zehn Linien bis mehr als ein Zoll grofs.
Länge 100, Breite 81, Hohe 68; Sinusbreite 56.
Der Kiel der Ventralschaale, der Parallelismus der Seiten und die gleiche Höhe in
welcher sich das Kiel erhält, dann noch die in einer Spitze auslaufende Zunge des Sinus
lassen diese Terebratel leicht von allen ähnlichen unterscheiden.
Im cbergangskalkstein von Gothland.
126 v. Buch
17. Terebratula curvata Schlotth.
Schlottheira Nachträge I. Tab. 19. Fig.2.3.
Eine wunderbare Gestalt, welehe sich unmittelbar der T. acuminata anschliefst, und
auf diese Art den völligen Übergang in die Klasse der Pugnaceen vermittelt. Die Ventral-
schaale, statt auf ihrem Rücken mit der Dorsalschaale ohngefähr parallel zu gehen, verei-
nigt sich mit ihr im rechten Winkel. Sie steigt senkrecht auf, bildet einen Bogen
und hebt sich an der Stirn wieder etwas in die Höhe. Dadurch wird sie aber, (in ausge-
wachsenen Muscheln) so wenig vorwärts gebracht, dafs ein Perpendikel von ihrem Rande
auf die Dorsalschaale gefallt, diese noch lange vor der Mitte ihrer Länge erreicht. Im
Ganzen hat die Ventralschaale die Form eines Sattels; der Kiel auf der Höhe ist abge-
rundet. Der Schlofskantenwinkel ist 105 Grad. Die Schlofskanten sind doppelt so lang
als die Randkanten, die im rechten Winkel sich mit ihnen vereinigen. Schnabel und Buckel
liegen dicht an einander, daher zeigt sich die Öffnung nur in jüngeren Muscheln. Die
Dorsalschaale ist ganz flach, einem Deckel gleich; anfangs mit einem schwachen Kiel vom
Schnabel her. Bald aber senkt sich ein tiefer Sinus herunter, der die ganze Breite der
Stirn einnnimmt; dann nicht blos anfangs im rechten Winkel mit der vorigen Richtung
fortläuft, sondern am Ende sogar wieder über die Ventralschaale hin zurückgebogen ist.
Diese Veränderung der Richtung geschieht allmählig in einem halben Zirkelbogen,
und die Seitenränder des Sinus convergiren mit eben solchen Zirkelbogen bis sie in eine
Spitze zusammenlaufen. Diese Spitze wird um so auffallender, da die Seitenflächen des
Sinus im Grunde unter einem stump fen Winkel zu einer Rinne zusammenstofsen.
Bei jüngeren Muscheln erscheint dieser Sinus noch soweit producirt nicht, daher ist das An-
steigen der Ventralschaale noch nicht senkrecht, sondern nicht einmal von 45 Grad. So
sehr bleibt das Thier bei dem Anschwellen im vorderen Schlofstheile zurück! So wenig
dehnt es sich aus in der Länge ! 7 Linien lang.
Ausgewachsene: Länge 100, Breite 132, Höhe 114.
Jüngere: .... — 100, — 122, — 47.
Sie ist vom Hrn. Berg-Rath Pusch in Warschau im Grauwackenkalkstein entdeckt
worden, zu Radzielnia Gora bei Kielce in Polen.
Hiervon ist sehr verschieden, was Schlottheim in der Petrefactenkunde 280. T.
curvata genannt hatte, aus der Eifel. Diese gehört nicht zu den Terebrateln, sondern ist
eine Delthyris. Man erkennt sie leicht, an dem, schon von der Spitze des Schnabels die
ganze Länge fortlaufenden Sinus, der allen Delthyrisarten gemein zu sein pflegt.
B. CARINATAE.
Der Rücken ist auf seiner ganzen Länge bis zur Stirn gekielt. Die kleinere (Ven-
tral-) Schaale ist in der Mitte vertieft. Daher läfst die Stirnlinie, in der Stirnansicht,
eine Ausbiegung in der Mitte gegen die Dorsalschaale hin beobachten. Ein siche-
res Kennzeichen um in zweifelhaften Fällen den Platz der Arten in dieser Abtheilung zu
bestimmen.
über Terebrateln. 127
a. SINUATAE.
Zwei Buchten ziehen in der unteren Hälfte der Dorsalschaale an jeder Seite des
Kiels fort. Es ist der gesetzmäfsige Sinus dieser Schaale, welcher durch das Dazwischen-
treten des Kiels in zwei besondere Buchten zertheilt ist. Ihnen entsprechend erheben sich
zwei Falten auf der Ventralschaale, mit einem schmalen Sinus in der Mitte.
1. Terebratvla biplicata,
Tab.I, Fig.10. Sow. Tab.90 und Tab. 437. Fig. 2. 3. (auch Fig.l. T. Sella undTab.436. Fig. 4.
T. maxillala). Ziethen Würt. Verst. Tab.40. Fig. 3.
Ein langes Pentagon mit sehr spitzem oberen Winkel. Die Muschel ist jeder-
zeit viel länger als breit, welches um so mehr auffällt, da die gröfste Breite erst
jenseits der Mitte der Länge, oft erst in \ der Länge erreicht wird.
Die Ventralschaale ist nur wenig hoch, mit geringer Neigung vom Buckel bis zur
Stirn. Ihre gröfste Höhe liegt etwas vor der Mitte. Seit dieser Mitte, bei jungen Indivi-
duen auch nach der Mitte, senkt sich ein Sinus allmählig bis zur Stirn, den zwei aus-
gezeichnete Falten auf beiden Seiten begränzen. Ein neuer, flacherer Sinus mit län-
gerem Abfall von der Mittellinie her trennt diese Falten von den Seiten. Der Schlofskan-
tenwinkel ist spitz, 72 bis 75 Grad, zuweilen auch noch spitzer. Die Schlofskanten gehen
in gerader Linie bis unter der Mitte herab und sind durch einen, wenn auch abgerundeten
Winkel von den Randkanten geschieden. Diese, um die Hälfte kleiner, bilden mit
einem Zirkelbogen den Umfang des Seitensinus jeder Seite, die Stirn aber beschreibt mit
flachem Bogen den Umrifs der mittleren Bucht. Die Area mit abgerundeten, übergeschla-
genen Dorsalrändern und starken Anwachsringen hebt sich zu einem flachen Ohr und zieht
sich so weit am sehr gebogenen Schnabel, dafs dem Dcltidium nur ein Achtel des Umfan-
ges der Öffnung zu füllen übrig bleibt. Die Dorsalschaale ist sehr ausgezeichnet. Das durch
die Kanten gebildete Pentagon tritt hier bestimmter hervor. Selbst die Randkanten erschei-
nen hier als gerade oder nur wenig coneave Linien , und die Stirn bildet eine kaum gebo-
gene Horizontallinie, welche beide Buchten der Schaale verbindet. Der sehr übergebogene
Schnabel bildet einen Kiel, welcher hervortretend bis an den Rand der Stirn
fortläuft. Schon vor der Mitte trennen sich zwei breitere Seitenfalten von diesem Rük-
ken und bestimmen dadurch zwei immer tiefer sich einsenkende Buchten zu beiden
Seiten des Kiels. In der Stirnansicht von vorn oder in der Profilansicht, die Ventralschaale
oben, ist daher der mittlere Theil der Stirnlinie eingesenkt, gewöhnlich mit einem
Winkel von SO Grad, seltener mit stumpf zusammenstofsenden Seiten.
In diesen Kennzeichen vereinigen sich alle zahlreiche Abänderungen dieser Terebratel.
Die am meisten hervorstehenden sind, aufser dem grofsen, den Sinus zertheileuden Kiel und
den zwei daraus entstehenden Falten, die geringe Aufblähung der Ventralschaale, die gröfste
Breite jenseits der Mitte und das Zusammenstofsen der Schlofs- und Randkanten in einem
Winkel. Diese letztere Erscheinungen unterscheiden die Art leicht und bestimmt von T.
12S v. Buch
perovalis. Dagegen verändert sich so sehr das Verhältnifs von Breite zur Länge, oder das
des Sinus, oder der Faltenentfemuiig zur Breite, der Schlofskantenwinkel und manches Ähn-
liche, dafs man in Kabinetten sehr leicht eine grofse Menge Arten zusammenlegen könnte.
Will man jedoch die Unterschiede angeben, so entdeckt sich bald, dafs sie gar keiner be-
stimmten Umgrenzung fähig sind, und daher nur als Abänderungen angesehen werden kön-
nen , welche zwar an denselben Arten ziemlich gleich bleiben , aber eben deswegen wahr-
scheinlich nur in den verschiedenen Bedingungen des Lebens dieser Thiere, nicht in einer
verschiedenen Organisation ihren Grund haben. Einige der vorzüglichsten dieser Abände-
rungen sind folgende:
1. Terebratula biplicata plana. Von der Egg über Wöschnau bei Aarau. Die
Ventralschaale ist fast ganz flach; der Schlofskantenwinkel sehr spitz, nie bis 70 Grad. Die
Falten sind sehr scharf und tief. Länge 100, Breite 74, Höhe 42. Entfernung der Ventral-
falten: Breite 40.
2. Terebratula biplicata lata. Die gewöhnlichere. Häufig bei Moustiers ohnweit
Cai : n. Die Falten sind wenig hervorstehend ; die Buchten breit und flach ; der Schlofskan-
tenwinkel 75 Grad; der Winkel an den Bandkanten gerundet. Fast auf jedem Stück ist eine
ganz feine Längenstreifung von der Spitze bis an den Band deutlich. Hat sich etwas von
der Schaale erhalten, so ist auch diese fein gefaltet, wie T. Defrancii. Unter den Streifen
erscheinen die Steinkerne fein punktirt. Dieses ist jedoch allen gemeinschaftlich und findet
sich noch deutlicher auf den schwarzen von Aarau. Die Anwachsringe sind fein; auf den
Aarauern liegen sie schuppig aufeinander, vorzüglich am Bande. Länge 100, Breite 82, Höhe
54. Ventralfalten: Breite 54.
3. Terebratula biplicata acuta. Sie ist klein und spitz. In Kreidemergel des Jura,
bei Neuchatel, Haute Bive. Die Falten stehen scharf hervor und eng aneinander. Ihre ge-
ringe Gröfse von 6 Linien würde die Vermuthung begründen, dafs sie eine eigene Art sein
könne, wenn nicht auch in ähnlichen Kreidemergellagen Terebrateln dieser Art bis 1!; Zoll
grofs vorkämen. Länge 100, Breite 80, Höhe 52. Ventralfalten: Breite 34.
4. Terebratula biplicata inflata. Von Grumbach bei Amberg. Die Ventralschaale
wird bauchig, erreicht ihre grüfste Höhe vor der Mitte und fällt im Bogen gegen den Band.
Auch die Dorsalschaale ist sehr gewölbt, und daher der Kiel durch den Sinus nur flach.
Die Längenstreifung der Schaalen ist auf den gelben Kernen gut zu sehen. Von 5 bis 7
Linien. Länge 100, Breite 76, Höhe 66. Ventralfalten: Breite 40.
Sowerby Tab. 90. hat junge Terebrateln dieser Art abgebildet, an welchen es deut-
lich ist, wie die Falten nur erst bei älteren Muscheln hervorkommen, bei jungen aber die
Stirn ohne Einschneidung bleibt, so dafs es schwer wird in dieser runden Gestalt, die spä-
ter so ausgezeichnet lange und doppelt gefaltete wiederzuerkennen. Die wenige Erhebung
der Ventralschaale und der Schlofskantenwinkel sind hier fast das einzige Leitende. Daher
dürfen alle junge Exemplare nur erst für bestimmt angesehn werden, wenn auch die zu ih-
nen gehörigen älteren Muscheln aufgefunden worden sind. Das Alter erkennt man theils
an denen am Bande sehr auf einandergesetzten, nahestehenden Anwachsringen, theils an der
Wulst, welcher die Öffnung des Heftmuskels umgiebt, und vorzüglich gegen die Ventral-
über Terebraleln. 129
schaale herabgedrückt ist. In jungen Muscheln findet sich solche Wulst nicht; das Dellidium
verschiefst unmittelbar die Öffnung, und Schnabel und Öffnung sind kaum vorwärts gebogen.
In mittleren Schichten des Jura und in der Kreideformation. Sowerby kennt sie
nur aus dieser letzteren: im Kreidesandstein bei Warminster, im Kreidemergel bei Cambridge,
Hunstanton. Ebenfalls im Kreidemergel bei Bochum in Westphalen; die Varietät n.3, acuta,
in den Mergeln von Neuchatel. Die von Aarau und bei Wöschnau liegen in unteren Schich-
ten des mittleren Jura; so findet man sie auch am INipf bei Bopfingen; sehr schön und grofs
zu Croizeville bei Moustiers ohnweit Caen, zu Szczerbakow bei Wisliza ohnweit Krakau in
ISO Lachter Tiefe.
Im oberen Jura bei Pappenheim, bei Heidenheim, Donzdorf, Geislingen, Gruibingen.
2. Terebratula perovalis Sow.
Sowerby Tab.436. Fig.2.3. Ziethen Würt. Verst. Tab.-'lO. Fig. 1. T. insignis.
Die Oval form ist für sie auszeichnend, und dient auch wirklich, sie leicht zu er-
kennen. Die-Muschel ist länger als breit; aber die gröfste Breite findet sich schon in der
Mitte, oder vielleicht auch wohl vor der Mitte der Länge. Dabei laufen Schlots- und Band-
kanten in einem nicht unterbrochenen, fortgesetzten, regelmäfsigen Ovalbo-
gen an beiden Seiten hin. Die Ventralschaale ist im ersten Viertheil erhoben und senkt sich
von dort merklich gegen die Stirn. Die zwei Falten, welche an der Stirn einen Sinus cin-
schliefsen , erscheinen erst nach der Mitte und werden niemals bedeutend. Auch sind sie
wirklich überhaupt nur an völlig ausgewachsenen Individuen sichtbar. Bei jüngeren wird das
Oval beider Seiten mit gleicher Begelmäfsigkeit über den Stirnrand fortgesetzt, und nur eine
leichte Herabdrückung des Stirnrandes in der Mitte verräth die Bucht, die sich hier bilden
will. Auch auf der Dorsalschaale werden die Falten erst seit der Mitte sichtbar und bleiben
stets sehr flach. Auch der Kiel wird vom Schnabel her sehr bald flacher und breitet sich
aus. Der Schnabel ist sehr gebogen, so dafs die Öffnung horizontal steht, oder paral-
lel mit der Richtung der Seh aalen. Die Area ist klein und nur eine Unibiegung der
Dorsalschaale mit fortsetzenden Anwachsstreifen und ohne scharfe Kanten. Das Deltidium ist
breiter als hoch.
Von 3 Linien bis 2 Zoll grofs und mehr.
Länge 100, Breite 72, Höhe 48. Ventralsinus: Breite 42.
In mittleren und oberen Juraschichten und in Kreide, zu Moustiers bei Caen; häufig
über dem Lias zu Lucy le Bois bei Avallon. Im oberen Jura unter der Wilibaldsburg bei
Aichstedt, bei Pappenheim, bei Oettingen, über Streitberg bei Heiligenstadt, bei Amberg.
In Kreide bei Gignac am See von Berre ohnweit Marseille. Die englischen, von Sowerby
abgebildeten sind aus tieferen Juraschichten von Dundry bei Bristol; sehr ausgezeichnet, mit
sehr feinen Anwachsringen und aufgebogener Stirn der Ventralschaale, zu Angoulin bei Ro-
chelle, und von Loix auf der Insel Rhe; an beiden Orten in oberen Juraschichten.
Eine Abänderung ist die von Herrn S c h ü b 1 e r T. insignis genannte. Sie läfst nur
Spuren von Falten sehen, und daher auch nur eine geringe Vertiefung in der Mitte der Wulst
der Ventralschaale. Im Übrigen unterscheidet sie sich nicht.
Phjs, Abhandl. 1833. R
130 v. Buch
Im oberen Jura zu Nauheim und Abegg bei Ulm, zu Leisacker bei Neuburg an der
Donau, zu Kelllieim und Aue, auch zu Faxöe auf Seeland. Zu Ostrowice bei Sanka ohn-
weit Krakau im mittleren Jura (durch Hrn. Zeuschner entdeckt).
3. Terebratula gigantea Schlotth.
Pelrefaclenkunde p.27S. Deshay es Coquilles de Paris Tab. 65. Fig. 1. (T. bisinuata).
Sowerby Tab. 576. (7". variabilis).
Die Seiten bilden ein Oval, das in der Mitte convex ausgeschweift ist. Die
gröfste Breite ist in der Mitte. Die Ventralschaale steigt zu einem flachen Gewölbe auf und
erreicht gegen die Mitte ihre gröfste Höhe. Diese Wölbung fällt, vorzüglich gegen die
Seiten, schnell ab (wodurch diese Art von T. perovalis sich sehr unterscheidet). Zwei Fal-
ten trennen sich und erreichen ziemlich flach und eng stehend den Rand mit eingeschlosse-
nem Sinus.
Der Schlofskantenwinkel ist grofs; er oscillirt um SO Grad. Die Schlofskanten,
welche schon vom Anfang her gebogen sind, erschweren diese Bestimmung. Dennoch giebt
häufig die verschiedene Neigung der Schlofs- und Randkanten eine Grenze und einen Punkt
ihres Zusammentreffens, wodurch das Pentagon mit runden Seiten ziemlich deutlich hervor-
tritt. Die Area ist sehr breit, ohne scharfe Kanten, selbst am Schnabel nicht, und
mit starken, gebogenen Anwachsstreifen. Am Rande, wo sie vom Deltidium berührt wird,
sieht man einen erhöhten Rand, dessen äufsere Seite durch eine scharfe Linie bezeichnet
ist, welche vom Schnabel bis zum Schlofsrande reicht. Anwachsstreifen gehen nicht darüber
hin. Das Deltidium verschliefst ein Sechstheil der Öffnung; es ist stark federartig durch
Anwachslinien gestreift, läfst aber nie eine Trennung bemerken. Die Öffnung ist sehr grofs;
sie steht schief gegen die Richtung der Schaalen (ein Kennzeichen, auf welches
Deshay es ein besonderes Gewicht legt), und hat in älteren Stücken stark umgebogene
Ränder, vorzüglich nach vorn gegen das Deltidium, welches dann durch mehrere zirkei-
förmige Anwachslagen im Innern von der Öffnung getrennt wird. Die Dorsalschaale ist
breit und wenig gewölbt. Der Kiel trennt sich erst in der Mitte, über den beiden
Buchten zur Seite, und bleibt bis zum Rande flach und breit; daher auch die Buchten. Oft
sind sie noch schwer zu erkennen. Der Schnabel ist zwar gebogen, allein sehr bald ist er
durch die grofse, schiefe Öffnung völlig abgestumpft. Sehr auffallend sind starke und
häufige Anwachsringe über die Fläche, welche mit ihren Rändern rauh hervor-
stehen. Wie gewöhnlich, häufen sie sich sehr in der Nähe des Randes. Von 2 bis 3
Zoll Gröfse.
Länge 100, Breite 79 (76-88), Höhe 50 (47-51). Ventralsinus: Breite 34 (33-36).
In Tertiärschichten häufig zu Astrup bei Osnabrück, am Domberge bei Bunte, in
Meklenburg. In der Umgegend von Paris zu Grignon , Parnes, Chaumont, Courtagnon,
Mouchy (calcaire grossier) und zu Valognes.
über Tereb ratein. 131
4. Terebkatula ampulla Brocchi.
Brocchi Conchiol. subapp. Tab. 10. Fig. 5.
Desliayes (Coi/uilles de Paris 3S9.) dringt sehr darauf, diese Art nicht mit der
T. giganlea zu verwechseln; die Lage der Öffnung am Schnabel unterscheide beide bestimmt
und mit grofser Beständigkeit. Diese Bemerkung scheint sehr gegründet; doch bedarf sie
noch genauerer Bestätigung. Denn unter vielen, diesen gemäfs gebildeten hat Herr Prof.
Hoff mann auch andere aus Sicilien gebracht, welche die Lage der Öffnung nicht anders
als T. giganlea zeigen.
Das Pentagon dieser Muschel ist deutlich, wenn gleich auch hier die Seitenränder
ein fortlaufendes, aber sehr ausgeschweiftes Oval bilden. Die Ventralschaale steigt an-
sehnlich bis gegen die Mitte; die Falten gegen die Stirn bilden jedoch nur die Kanten einer
schwach hervortretenden Wulst, an deren Rand eine Einsenkung in der Mitte sich
kaum erkennen läfst. Diesen Verhältnissen entsprechend verflächt sich der Kiel der
Dorsalschaal e gegen den Rand, und beide Buchten zur Seite verfliefsen in eine einzige,
sehr wenig eingesenkte Fläche. Bei T. giganlea ist von den zwei Falten, sowohl der Ven-
tralschaale, als auf dem Rücken, immer noch mehr sichtbar. Der Schlo fskanten w i nkel
ist grofs, oft von 86 Grad, und nicht unter 78 Grad. Die Schlofskanten endigen
sich etwas vor der Mitte der Länge; die Randkanten sind etwas länger und abgerundet;
die Stirn endlich bildet zwischen den Randkanten eine wahre horizo ntal e Abstum p fung.
Die Area ist fast horizontal, mit abgerundeten Dorsalrändern. Die Öffnung in der Spitze
des Schnabels liegt horizontal, oder ihre Mündung ist gleichlaufend mit der Rich-
tung der Schaalen. Denn der Schnabel ist gewaltig gebogen; so sehr, dafs der Band der
Öffnung die Ventralschaale berührt; daher versteckt sich auch das sehr breite Dellidiurn
unter diesem Rande. Doch sieht man es an den Seiten hervortreten. Die kleine Wulst oder
der Rand der Area am Dellidium ist hier weniger auffallend, als an T. gigantea. Die
äufsere Begrenzungslinie ist zwar noch am Schnabel, aber nicht am Schlofsrande deutlich.
Die Öffnung des Schnabels ist übrigens klein, und wird nur im Alter durch überschla-
gende Bänder so grofs, als sie Brocchi abgebildet hat.
Die Dorsalschaale ist nur im Anfange gekielt, wird aber bald flach, nur selten mit
noch merklichen Buchten und zwischenliegender breiten Mittelfalte gegen die Stirn herab.
Die Anwachsringe sind feiner und nicht so schuppig über einander, als bei T. giganlea.
Länge 100, Breite 80, Höhe 52, Wulstbreite der Ventralschaale 41.
Sie ist in oberen Tertiärmergeln durch ganz Italien verbreitet. Im Piemontesischen
Val Andona. Häufig zu Castel Arquato Piacenza. Bei St. Geminiano und Lajatico in Tos-
cana, in Calabrien (Scilla f'ana Spec.), am Cap Plemyrium bei Syracus, wo sie in grofser
Schönheit von Hrn. Dr. Philippi gefunden und nach Berlin gebracht worden ist.
R2
132 v. Buch
10. Terebratula Haiiaiu S. G. Morton.
Silliman Americ. Journ. of Sciences XVIII, PI. 3. Fig. 16 n. Fig. 17. (T.fragilis).
Sie ist zweimal länger als breit; daher schmal, mit parallelen Seiten. Eine
oblonge Form. Die Ventralschaale ist wenig vom Buckel entfernt am höchsten. Seit der
Mitte divergiren zwei undeutliche Falten, und über der Stirn erscheint zwischen ihnen eine
sehr flache Vertiefung. Am Schlofsrande ist diese Schaale abgerundet, ohne Spitze.
Die Schlofskanten sind schon am Schnabel gerundet, so daf's ein Winkel ihres Zusammen-
stofsens nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann. Die Breite erhält sich gleich,
vom ersten bis zum letzten Viertheil der Länge; daher ist es auch nicht möglich,
Schlofs und Bandkanten zu trennen. Der Schnabel ist sehr gekrümmt; dennoch scheint die
Öffnung schief zu stehen. Sie ist sehr grofs. Das Deltidium ist fast so hoch als breit,
mit starken Anwachsstreifen. Die Dorsalschaale ist sehr breit gekielt, doch zuweilen deut-
lich mit zwei Buchten zur Seite , in der Gegend der Stirn. In gröfseren Stücken sind je-
doch diese Buchten kaum angedeutet. Feine Anwachsringe überdecken in grofser Zahl die
natürliche Schaale. Sie verlieren sich auf den Steinkernen. 1 i; bis 1\ Zoll lang.
Länge 100, Breite 56, Höhe 50, Sinusweite der Ventralschaale 41.
Im Grünsand der Kreideformation zu New Egypt und an anderen Orten am Dela-
ware. New Yersey. Durch Herrn Feiich twanger sind von ihr Exemplare nach Berlin
gekommen. Ganz ähnliche, nur kleiner, 8 bis 10 Linien grofs, finden sich in der Schlott-
heimischen Sammlung vom Kressenberge bei Traunstein iu Baiern.
6. Terebratula globuta Sow.
Sow. Tab. 436. Fig. 1. 435. Fig.3. (spheroidalis). Ziethen Tab.40. Fig. 6. (T. bullata).
Ihre zirkelrunde Form und grofse Höhe durch welche sie oft kugelförmig wird, macht
sie bemerklich. In der Stirnansicht, die Ventralschaale oben, ist allezeit eine Biegung
der Stirnlinie nach unten sichtbar. Hierdurch unterscheidet sie sich sogleich von der
sehr ähnlichen T. bullata, und verräth die Abtheilung zu welcher sie gehört. Die Ventral-
schaale ist in der Mitte am höchsten und fällt nach allen Seiten gleichförmig ab. Ihre Höhe
ist jedoch veränderlich. Weniger die Breite, welche nur wenig unter der Länge zu-
rückbleibt. Diese Gleichheit beider Dimensionen, mit so grofser Höhe verbunden, be-
stimmt das Hervorstechendste der Art. Die Schaale hat eine Spitze in der Mitte gegen den
Schlofsrand. Der Schlofskantenwinkel ist von 87 Grad. Die Schlofskanten bilden mit den
Bandkanten einen halben Zirkelbogen und sind mit ihnen gleich lang. Der Schnabel
ist sehr gebogen, so sehr, dafs die Öffnung gewöhnlich horizontal liegt. Die Dorsalschaale
hebt sich und senkt sich im halben Zirkelbogen, ohne hervortretenden Kiel, und
ohne Falten und Buchten. Der Best der Schaalen vieler Stücke ist durchaus fein punktirt,
welches aber nichts liigenthümliches ist, sondern jeder Terebratel zukommt, wenn sie ihre
äufsere Schaale verloren hat. Von S Linien bis 1 \ Zoll Gröfse.
Länge 100, Breite 84, Höhe 65, (64-70).
über Terebiateln. 133
In unteren Schichten des mittleren Jura zu Bergen bei Weifsenburg im Nordgau, bei
Bopfingen, zu Sauka bei Krakau, am Braunenberg bei Wasseralfmgen, am Stuifenberg bei Göp-
pingen. Die englischen von Nunney und Dundry bei Bristol; zu Malton, Westow, Whit-
well in Yorkshire (Philips). Bis 2\, Zoll grofs zu Croizille bei Moustiers ohnweit Cae'n.
Ob wohl T.obesa Sowerby Tab. 43S. Fig. 1. hierher gehören mag? Wesentliche
Verschiedenheiten finden sich nicht; sie ist aus der Kreide.
b. ACUTAE.
Der Kiel setzt fort, hervorstehend, vom Schnabel bis zur Stirn, und fällt gleichför-
mig und schnell bis zum Bande, ohne zwischenliegenden Sinus. — Die Ventralschaale ist
muldenförmig und breit vertieft.
7. Terebratula impresso, Bronn.
Tab.I, Fig. 11. Ziethen Würt. Verst. Tab. 39. Fig. 11.
Der Umfang dieser ausgezeichneten kleinen Terebratel ist kreisrund, aufser dem
doch nur wenig hervorstehenden Schnabel, dabei besteht ein grofses Mi fsver hältnifs in der
Höhe beider Schaalen. Die Dorsalschaale hat so sehr das Übergewicht, dafs die Ven-
tralschaale nur ein Deckel darauf zu sein scheint. Die gröfste Höhe dieser Ventral-
schaale ist in dem Buckel selbst. Die Seiten erhalten sich in dieser Höhe bis zur Mitte.
Die Mitte aber senkt sich mit immer gröfserer Breite zu einer flachen Vertiefung,
welche endlich an der Stirn die Hälfte der Schaalenbreite erreicht. In der Mitte geht
über dem Buckel allezeit eine Linie, bis jenseits der gröfsten Höhe, welche das Unter-
stützungsdissepiment der beiden Franzenarme bezeichnet. Am Schlofsrande geht die Schaale
in gleichmäfsiger Abrundung ohne Spitze vorüber. Der Schlofskanten winkel ist ein
rechter; die Schlofskanten reichen bis zur Mitte, und sind nur wenig länger als
die Bandkanten, diese aber sind mit der horizontalen Stirn von gleicher Gröfse. Die Stirn-
linie im Profil ist im grofsen Bogen gegen die Dorsalseite gesenkt. Die Area ist klein,
eben, mit etwas scharfen Dorsalrändern. Das Dellidium hat eine breite Basis und bildet
mehr als ein Viertheil des Umfanges der Öffnung. Diese Öffnung selbst, auf der Spitze
des Schnabels ist klein, viel mehr als man es an einem so stark aufwärts gebogenem Schna-
bel erwarten sollte. Denn die Dorsalschaale ist schon am Halse dieses Schnabels so
aufgeblasen, in der Mitte des Kiels, dafs sie schon hier, im ersten Viertheil ihrer Länge
ihre gröfste Höhe erreicht. Dann fällt sie ab gegen Seiten und Stirn, wie ein Kegel des-
sen Spitze nach der Ventralschaale hin gebeugt wäre. Starke, aber nicht eng stehende An-
wachsringe erscheinen auf den Schaalen, vorzüglich gegen den Band.
Länge 100, Breite 89, Höhe 62.
Von 4 bis 7 Linien Gröfse; auch findet man sie häufig viel kleiner.
Diese Art findet sich zu Millionen in den Mergeln vereinigt, welche die Grundlage
der oberen Corallen erfüllten Juraschichten bilden, und sie ist für diese Mergel ganz aus-
134 v. B ü
C H
zeichnend. So wird man sie in ganz Würtemberg nirgends vermissen, wo das Jurage-
birge aufsteigt; am Stuifenberg bei Wisgoldingen, zu Reiclienbaeh unter Böhringen, zu
Gruibingen bei Boll, am Randen bei Schaff hausen, am Lägerberg bei Baden unter ilohen-
zollern, kleiner bei Urach; grofs hingegen oberhalb Thurnau bei Baircuth.
S. Terebratula angusta Schlotth.
Petrefactenkunde p. 2S5. Tab. II, Fig. 33. Die Figur c. ist umgewandt, die Ventralschaalc un ten.
Die Dorsalschaale sieht einem Pferdehuf ähnlich. Sie ist hoch gekielt, mit stark
übergebogenem Schnabel. Sie bleibt hoch bis in die Mitte, und fällt dann schnell gegen
die Ränder ab, mit fortgesetztem Kiel bis zur Stirn. Die gröfste Breite ist tief un-
ter der Mitte der Länge, und von dort bleibt der Unirifs der Schaalen rund; oberhalb
gegen den Schnabel bildet er ein spitzes Dreieck.
Die Ventralschaale hat gar keine Höhe; ihre Form ist vielmehr die einer Ein-
:■ en kung. In der Mitte zieht sich durch die ganze Länge eine scharfe Rinne bis zur
Stirn hin, wie ohngefähr das Dissepiment einer Caffeebohne, und gegen diese Rinne hin,
fallen die Seiten von den Rändern mit sanfter Neigung. An der Stirn ist die Schaale we-
nig nach der Dorsalschaale zu gebogen, so dafs die Stirnlinie im Profil in der Mitte ab-
wärts geneigt erscheint. Am Schlofsrandc bilden die Kanten der Schaale eine Spitze
von 74 Grad Neigung. Der Schlofskantenwinkel ist ungemein spitz, gewöhnlich von
63 Grad, einen Winkel, den wenige andere Terebrateln erreichen. Die Schlofskanten sind
gerade Linien, die um ein Drittheil die Länge der Randkanten übertreffen. Diese und die
Stirn sind in fortsetzender Rundung verbunden. Die Öffnung des Schnabels ist klein, und
fast ganz versteckt; denn die Biegung dieses Schnabels ist so stark, dafs der Hals vor der
Mündung hervorsteht, oder aufgeblasen scheint, ein Character der gar vielen glatten Tere-
brateln älterer Formationen eigenthümlich ist. Das Ganze dieser Terebratel hat die Form
einer kleinen Exogyra Columba. Sie ist nur 2 i; bis 4 Linien grofs.
Länge 100, Breite 74, Höhe 52, welche allein der Dorsalschaale zukommt.
Aus dem Sohlgestein der Friedrichsgrube zu Tarnowitz in Schlesien, im Muschel-
kalk. Audi dieses Vorkommen ist sehr merkwürdig; denn die Terebrateln des Muschelkalks
beschränken sich sonst fast nur allein auf T. rnilgaris. Uberdem hat T. angusta ihre na-
türliche Perlmutterschaale erhalten, da sonst alle organische Beste dieser Formation nur
Steinkerne zu sein pflegen.
9. Terebratula Paln.
Tab. III, Fig. 44. Die Figur c. zeigt die Ventralschaale unten, die Dorsalschaale oben.
In des Grafen Münster zu Baireutli ausgewählten und ansehnlichen Sammlung von
Versteinerungen, der gröfsten in Deutschland, befinden sich Stücke eines Conglomerates von
Terebrateln, in weifsem dichten Kalkstein, in welchem T. concinna mit zwei ausgezeichnet
neuen Arten vereinigt vorkommt. T. antiplecta und T. Pala. Als Fundort ist die Ge-
über Terebrateln. 135
birgskette vom Thale Caprun angegeben auf dem Wege nach Rauris in Salzburg; eine An-
gabe, die Bestätigung erwartet.
T. Pala besteht aus zwei parallelen Seiten, welche rech t winklich durch
die Stirn abgestumpft sind; wie ohngefähr T. digona sein würde. Allein die Dorsal-
schaale ist hoch gekielt, und ihr Längenumrifs bildet einen halben Zirkelbogen. Die
Ventralschaale ist nur ein concaver Deckel ohne Erhebung. Von dem Schlofsrande her
zieht sich in der Mitte eine Linie oder eine Rinne fort, welcher die Seiten, wie
die Seitenränder einer Dachrinne zufallen. Die ganze Ventrallläche ist concav gebogen,
vom Schlofs aufwärts bis zum ersten Viertheil, dann abwärts gegen die Stirn. DieSchei-
dungslinie beider Schaalen an der Seite folgt dieser Krümmung; die Stirnlinie
aber neigt sich gegen die Dorsalseite mit einem Bogen, welcher den ganzen Raum der
Stirn einnimmt. Die Ventralkanten am Schlofsrande sind gebogen und stofsen stumpf,
ohne Spitze zusammen. Der Schlofskantenwinkel ist von 65 Grad. Die Schlofskanten sind
sehr kurz, endigen sich schon im Viertheil der Länge und erreichen nur die Hälfte der Länge
der parallel herablaufenden Randkanten. Auch die Stirn ist noch breiter. Der Schnabel ist
sehr stark übergebogen, doch nicht mit vorspringendem Halse, und auch nicht so weit, dafs
die, übrigens nicht bedeutend grofse Öffnung versteckt würde. Sogar das Delticlium ist in
seiner ganzen Ausdehnung sichtbar. Es bildet mehr als ein Viertheil des Lmfangs der Öff-
nung. Die Dorsalsrhaale steigt mit gleichförmigem Bogen bis gegen die Mitte und fällt mit
gleichem Bogen gegen die Stirn. Gegen die Seiten ist hingegen ihr Abfall steil und schnell.
Seit der Mitte trennen sich zwei divergirende, nur sehr undeutlich hervortretende Kanten,
welche in die Ecken der Stirn und der Randkanten auslaufen. Von 7 Linien Länge.
Länge 100, Breite 74, Höhe 62, welche allein der Dorsalschaale zukommt.
10. Terebratula nucleata Schlotth.
Ziethen Würt. Verst. Tab 39. Fig. 10.
In Gröfse und Form einer Haselnufs (Schlotth. pag. 2S1.). Die Ventralschaale ist
zwar flach, allein nicht concav. Beide Seitenflügel erheben sich über die Mitte und
fallen dann gegen die Seitenränder. Seit dem Buckel senkt sich in der Mitte ein Si-
nus allmählig tiefer gegen die Stirn mit divergirenden Seiten. Mit diesem Sinus greift
die untere Schaale über die Stirn hinaus, weit in die obere hervor, indem der flache
Boden des Sinus im rechten Winkel mit der vorigen Richtung gegen die Dorsal-
schaale hin gebogen ist. Ein solcher Sinus und ein solches Eingreifen in die andere Schaale
geht sonst, und sogar gesetzmäfsig von der Dorsalschaale, nicht von der Ventralschaale aus.
Die Terebratel ist daher gleichsam umgedreht (resupinata). Der Schnabel ist sehr stark ge-
bogen, mit stark aufgeschwollenem Halse, so dafs dieser oft über die Spitze hinaus-
greift. Die Öffnung ist nicht klein; sie steht horizontal und berührt die Spitze der Ventral-
schaale. Daher ist das Dellidium nur oben am Rande der Öffnung sichtbar, an welchem
es den achten Theil des Umfanges bildet. Die Ventralkanten am Schlofsrande liegen bei-
nahe in einer geraden Linie, und werden in der Mitte durch eine, gegen die
136 v. Buch
Öffnung gerichtete, stumpfe Spitze unterbrochen. Die Area hat umgebogene, runde
Dorsalkanten. Die Dorsalschaale ist sehr gewölbt, seit der Mitte aber senkt sich der Kiel
nur wenig gegen die Stirn; um so schneller mit gebogenen Flächen gegen die Seitenränder.
Er ist schon seit dem Anfange nicht scharf, erhält aber seit der Mitte oben eine wenig ge-
wölbte Fläche, welche über der Stirn eine dem Sinus der Ventralschaale correspondirende
Wulst zu sein scheint. Diese, oben flache Wulst giebt dem Ganzen etwas sehr
Eigen thiim liebes und Auszeichnendes. Der Schlofskantenwinkel ist von 76 Grad
("4 - 7S). Die Schlofskanten endigen sich vor der Mitte der Länge; die gebogenen Rand-
kanten sind gröfser, laufen parallel oder wenig convergirend an den Seilen herunter, und
werden horizontal durch die eingebogene Stirnlinie begrenzt. Von 4 bis 7 Linien Länge.
Länge 100, Breite 95, Höhe 75, Sinusbreite 60.
In oberen Juraschichten bei Amberg, über Streitberg, am Stuifenberg bei Göppingen,
unter Fiirstcnberg, und wahrscheinlich noch an vielen anderen Orten von gleicher geognos-
tischen Lage.
Sie ist einigemal mit T. rcsupinctia Sow. verwechselt worden, welche aber die oben
flache Wulst des Dorsalkiels nicht besitzt, mit viel breiterem Sinus an der Stirn herabgeht
und mit gröfserem Schlofskantenwinkel auseinander geht.
1 1 . Terebratula resupinata Sow.
Sowerby Tab. 150. Fig. 3. 4.
Sie ist breit, geflügelt. Mit flacher Ventralschaale, deren wenig erhobener Buckel
mit den Seiten in einer Ebene liegt. In der Mitte aber senkt sich bald, stets mehr sich
erweiternd, ein sehr breiter Sinus, welcher am Rande mehr als die Hälfte der Breite
einnimmt. Der Boden des Sinus ist gegen die Dorsalschaale producirt, und biegt
sich dahin zu gelangen, nicht blos im rechten, sondern sogar in etwas spitzem Winkel.
Seine Ränder convergiren bis sie über der Dorsalschaale in einer stumpfen Spitze zu-
sammenlaufen. Die Vcntralkanten am Schlofs vereinigen sich unter dem Buckel mit einem
Winkel von 140 Grad. Der Schnabel ist stark übergebogen, so dafs die kleine Öffnung
horizontal steht, und dafs ihr Rand den Buckel berührt, Der Hals des Schnabels ist wenig
geschwollen. Auch ist die gröfste Höhe der Dorsalschaale nicht in der Mitte, sondern sie
steigt wieder schneller und wie aufgeworfen durch die herauftretende Zunge der Ven-
tralschaale fort bis zur Stirn; schon vom Schnabel her ist der Kiel sehr breit, mit flachen,
gleichförmigen Abfällen gegen die Seitenränder. Das aufgeworfene an der Stirn bildet ein
kleines Dach darauf, dem die vorigen Seitenabfälle wie Flügel angesetzt sind. Der Schlofs-
kantenwinkel ist ein rechter. Die Schlofskanten erreichen nicht das Viertheil der Länge,
sind aber dennoch um ein Drittheil gröfser als die halbmondförmig gekrümmten Rand-
kanten; die breite Stirn dagegen ist in ihrer ganzen Ausdehnung durch den Sinus ein-
gebogen. Von 3 bis S Linien lang.
Länge 100, Breite 123, Höhe 71, Sinusweite 62.
über Terebrateln. 137
In mittleren Jurasclu'chten, doch ist in Deutschland diese Terebratel noch nicht ge-
sehn worden. Hr. Prof. Zeuschner in Krakau hat sie in den Karpathen südlich von Kra-
kau entdeckt, bei Rogocznick ohnweit Szafley, wo sie mit Ammoniles Murchinsonae und
anderen Juraversteinerungen vorkommt. Die von Sowerby beschriebenen sind von II-
minster, im unteren Oolith. Die Ansichten der Zeichnungen sind nicht gut gewählt; die
Beschreibung scheint mit der carpalhischen übereinzustimmen, ohnerachtet Sowerby sagt,
die Muschel sei länger als breit, welches vielleicht nur eine Abänderung begründen könnte.
12. Terebratula. Strigocephalus Defrance.
Strigocephalus Eurtini Defr. Planches du Dict. d'hist. naturelle PI. 75.
Diese aufserordentliche Terebratel steht hier mehr als ein Anhang, in der Erwartung
der Stelle, welche sie einnehmen sollte, als durch ein Recht mit Bestimmtheit in diesen Abthei-
lungen aufgeführt werden zu müssen. Ihr entschiedenes und sehr hervortretendes Deltidium,
daher die Öffnung in der Spitze des Schnabels und von dem Schlofsrande entfernt, erlaubt
gar nicht sie von Terebrateln zu trennen. Ihre glatte, ungefaltete Schaale führt sie in die
Abtheilung der glatten Terebrateln. Ihr über den ganzen Rücken fortlaufender Kiel und
die, gegen die Dorsalschaale eingebogene Stirnlinie, läfst sie den gekielten (carinalae) zu-
rechnen; endlich gehört sie durch den Mangel der Buchten an der Seite des Kiels zu den
scharfgekielten (acutae); dennoch hat sie so viele und so ausgezeichnete Eigenthümlich-
keiten, dafs man ihr unmöglich viel Verwandschaft mit den Arten zutrauen kann in deren
Nähe sie aufgeführt wird.
Ihr weit hervorspringender Schnabel giebt ihr mit T. Gryphus viel Ähn-
lichkeit. Die Yentralschaale erhebt sich ziemlich hoch und schnell bis gegen die Mitte, fällt
aber dann mit gleichförmiger Wölbung rund umher gegen die Ränder. Nur gegen den
Schlolsrand senkt sie sich in fortdauernder Wölbung so weit, dafs sich ihr äufserster Rand
in das Innere versteckt. Die Kanten am Schlofsrande liegen in einem sehr flachen, von ei-
ner geraden Linie wenig verschiedenen Bogen; sie vereinigen sich zu einem Ganzen, ohne
in der Mitte des Schlofsrandes von irgend einer hervortretenden Spitze unterbrochen zu
werden. Der Schnabel der Dorsalschaale ist stark vorwärts gebogen. Die Area zieht sich
an seinem Rande bis in die Spitze herauf; diese Area ist eben, mit scharfen Dorsal-
rändern, sie ist mit horizontalen Anwachsstreifen bedeckt; diese aber werden wieder
von senkrechten Streifen durchschnitten: das ist eine Eigenthümlichkeit aller Del-
thyrisarten und findet sich auf keiner anderen Area irgend einer anderen Terebratel wieder.
Das Delädium ist von einer ungewöhnlichen Breite; es erfüllt mehr als die Hälfte
(0,56) der Areafläche in ihrer Mitte, und dennoch ist es eben so hoch; denn es ist um-
fassend, und zieht sich ganz über der Öffnung hinweg, welche hierdurch ganz von der
Dorsalschaale getrennt wird. Wieder den Gesetzen für glatte Terebrateln ganz entgegen.
Die rauhen und hervorstehenden Anwachsstreifen darauf ziehen sich in einer mittleren Schei-
dungshnie herauf, welche eine immer noch fortgesetzte Trennung des Deliidiums in zwei
Flügel erweist. Die Öffnung ist oval, unten in einer Schärfe auslaufend, und nicht ganz
Phjrs. Abhandl. 1S33. S
138 v. Bdcu
unter der Spitze des Schnabels; denn so wie bei älteren Individuen von T. giganlea oder
liplicaia eine neue Ausscheidung aus dem Innern das Deltidium von dem inneren Rande
absondert, so tritt auch hier eine solche Ausscheidung aus dem Ileftmuskel in seinem obe-
ren Theile, und füllt die Öffnung nach und nach mit von oben herabkommenden Schaalen.
Eben dieses Zuwachsen von oben herab, bemerkt man an einigen Arten von Dclthyris
und auch an Thecidea. Der Schlofskantenwinkel ist fast genau 90 Grad. Die Schlofskanten
endigen sich etwas vor der Mitte der Länge; sie sind in Gröfse wenig von den viel stärker
convergirenden Randkanten verschieden, und mit ihnen durch allmählige Rundung verbunden.
Die kleine Stirn setzt die Randkanten fort, und ist an der Spitze in scharfem Bogen ge-
brochen. Die Dorsalschaale ist nur im Anfange gekielt, doch mit zurücktretenden, nicht auf-
geschwollenen Halse des Schnabels. Ihre grüfste Höhe ist vor der Mitte und übertrifft die
Höhe der Ventralschaale um Vieles. Von da fällt sie nach allen Seiten gleichförmig ab,
den Seiten eines flachen Kegels gleich, ohne den Kiel weiter besonders merklich hervortreten
zu lassen. Von 1 Zoll bis 3 \ Zoll Länge, und vielleicht noch mehr. Es ist wahrscheinlich
die gröfste aller Terebrateln.
Länge 100, Breite 90, Höhe 59.
Wahrscheinlich wird sie sich mit T. gryphus, Lyra, psittacca zu einer eigenen Fa-
milie, den Rhynchoren vereinigen lassen.
In der Grauwacke, am Klutstein bei Gladbach und bei Bensberg ohnvveit Colin; auch
bei Lüdenscheid; Defrance sagt auch in der Gegend von Chimay an der Maas.
Zu Seite 108.
Einer Sendung des Hrn. Bergrath P lisch in Warschau zufolge findet sich die merk-
würdige Terebratula diphya auch in den Karpathen, südlich von Krakau, zu Rogocznick
bei Novitary, 2 |j Zoll lang, 2 \ Zoll breit, in einem Conglomerat von eng gestreiften Trachi-
ten, in welchen auch slmmoniles contractus Sow. liegt; daher wahrscheinlich aus der Ju-
raformation. Dagegen ist die von Macquart abgebildete (Reise nach dem Norden
durch Fiebig Tab. 7. Fig. 2.) aus der Gegend von Moscau, wahrscheinlich aus Kreide-
sandstein.
über Terehrateln.
139
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Dritter Beitrag
zur Erkenntnifs grofser Organisation in der Richtung
des kleinsten Raumes.
Von
H rn - EHRENBERG.
[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 2. Juli 1832, revidirt und mit
einigen Zusätzen gedruckt im Mai 1834.]
,,Tous les naturalistes en conviendront , que plus les corps organists sortt compose's, moins
,, il y a Heu de craindre une generation e'quivoque dans leur production.'*
iV eedha m Nouvelles observations microscoptques, Paris 1750, pag.'ZAT-
I.
Betrachtungen über die Existenz und Möglichkeit der Wahrneh-
mung einer selbstständigen organischen Urmaterie vom Stand-
punkte der Beobachtung.
ich habe bereits in mehreren Vorträgen umständliche Beobachtungen vor-
gelegt, welche mir die durch die Erscheinungen des Mikroskops erweckte
und durch philosophische Systematik weiter ausgebildete Idee, als gebe es
für alles Organische eine wahrnehmbare, an sich organlose Grundsub-
stanz, oder eine lebendige und in verschiedenen Richtungen ausbildungsfä-
hige Urmaterie, welche durch äufsere Verhältnisse zur Entwicklung einer
inneren Organisation bald für die pflanzliche, bald für die thierische Rich-
tung bestimmt werde und als werde diese organische Urmaterie, diese Basis
der Generatio sponlanea, durch die Infusorien repräsentirt , nicht blofs in
Zweifel zu stellen, sondern auch zu widerlegen schienen.
Um dieses Resultat anschaulicher zu machen, bin ich seit vielen Jah-
ren mit möglichster Vorsicht und Beharrlichkeit zu Werke gegangen, bis es
mir zuletzt gelungen war, durch Anwendung überzeugender und leicht zu
prüfender Methoden die Existenz einer durchgreifenden Organisation der als
Phjs. Abhandl. 1833. T
146 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
organlos geschilderten sogenannten Infusorien -Molekülen und eine cyklische
Entwicklung ihrer Hauptformen aus Eiern theils höchst wahrscheinlich zu
machen, theils direct nachzuweisen und anschaulich zu machen.
A. Urtheile und Bemerkungen Anderer über die Beobachtung der Infusorienstructur.
Seit der Bekanntmachung meiner Beobachtungen bin ich auf das Ur-
theil, besonders auf die Einwürfe der Gelehrten aufmerksam gewesen, und
ich halte für zweckmäfsig, die wissenschaftlichen Urtheile und Erinnerungen,
welche mir bisher bekannt geworden, kritisch zusammenzustellen. Zuerst
hat Herr Doctor Gairdner in London einen Auszug aus meiner ersten Mit-
theilung in Jameson's Edinburgh Philosophical Journal, December 1S31
und Januar 1S32 in englischer Sprache einrücken lassen und bestätigt die
Beobachtungen als Augenzeuge während seiner Anwesenheit in Berlin. Fer-
ner erkennt Herr Georg von Cuvier in Paris in der Analyse des tra-
i>aux de l'Academie royale des sciences pendant l'annee 1830^ parlie physique
pag.87. den von mir mitgetheilten Beobachtungen Neuheit, ein besonderes
Interesse und einen allgemeineren Einflufs zu ('). Besonders erfreulich wa-
ren mir die umständlich prüfenden und bestätigenden eigenen Beobachtun-
gen des Herrn Dr. Rudolph Wagner in Erlangen, die er im 4'°° Hefte von
Oken's Isis 1832. pag. 383. mitgetheilt hat, wo er besonders die von mir
an Hydatina senta gemachten Beobachtungen wiederholt und meinen Dar-
stellungen überall, wo er den Gegenstand prüfen konnte, das Zeugnifs der
höchsten Genauigkeit erlheilt.
Von Gelehrten, die über gewisse wichtigere Punkte anderer Meinung
sind, sind mir besonders zwei Erinnerungen bekannt geworden. Einmal
hat man anonym in der Isis, Jahrgang 1832. pag. 198., neben anerkennen-
dem Zeugnifs der Richtigkeit der Structurbeobachtungen die Idee von Zu-
sammensetzung der organischen Körper, und selbst der Menschen, aus In-
fusorien und deren Zerfallen in Infusorien, welche sich, meinen Beobach-
tungen zufolge, als unstatthaft erwiesen hatte, dennoch dadurch vertheidigt,
als sei das Bilden von Infusorien durch Zerfallen des Leibes, so wie das Bil-
den des Leibes im Ernähren durch Vereinigung der Infusorien im physio-
(') Er sagt sogar: „Celle decouverte change entieremenl les idees et renverse surlout
bieu des systcmes ,• eile est du nombre de Celles, quijbnt epoijue dans les sciences.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 147
siologischen, nicht aber im descriptiv zoologischen Sinne gemeint
und als bliebe, ohnerachtet aller Gegenrede, es dennoch fest, dafs der
menschliche Embryo alle Thierklassen durchlaufe, mithin aus allen Thieren
zusammengesetzt sei, obwohl sie niemand aus ihm herausschneiden könne.
Dieser speculativ- philosophischen Idee, welche schon unter andern in Ru-
dolphi's Physiologie zurückgewiesen ist, dürfte jedoch wohl durch diese
Infusorienbeobachtungen, so viel sie sich auch verfeinern möge, ein Gedei-
hen ganz abgeschnitten sein , wenn auch ihr Auftauchen von Zeit zu Zeit
sich erneuen sollte. Seitdem nachgewiesen ist, dafs sämtliche 16 Infusorien-
gattungen von O. F. Müller eine (meist sehr) zusammengesetzte und feste
thierische Organisation besitzen und mehrere eine cyclische Entwicklung aus
Eiern schon deutlich zeigen, die übrigen aber höchst wahrscheinlich machen,
so giebt es auch nur Infusorien im descriptiv -zoologischen Sinne, und die
ehemaligen physiologischen Infusorien haben damit zu existiren doch wohl
eben so vollständig aufgehört. Was aber die neueren und meine eignen
systematischen Zertheilungen der Müllerschen Infusoriengattungen anlangt,
so zeigt die durch Beobachtung nun schon weit über sie verbreitete Kennt-
nifs der gleichen Organisation, dafs diejenigen Formen, welche noch der
Urmaterie nahe zu stehen scheinen, viel wahrscheinlicher der genauen
Beobachtung, als der den anderen ähnlichen Organisation erman-
geln. Will man sich daher ferner noch die Ernährung des Leibes in ihren
Einzelheiten durch Zuströmen und Sammeln kleiner Theilchen von Materie
und sein Auflösen und Zerfallen im Tode durch Abgang nnd Zerstreuen
derselben deutlich machen, so kann man diese Theilchen nun nicht mehr
Infusorien nennen , sondern man wird die gröberen mit dem Namen von
Materien- oder Atomen -Aggregaten (Häufchen), und die letzten und fein-
sten, welche man hypothetisch statuiren will, wirkliche Atome nennen
müssen. Da nun organische Atome und Infusorien der Erfahrung gemäfs
nicht Synonyme sind, so wird man auch den menschlichen Leib nicht ein
Aggregat von Infusorien, sondern, wie vor Erfindung des Mikroskops, nur
ein Aggregat von sehr kleinen materiellen Theilen oder Atomen nennen
dürfen.
Was die andere Idee von einer zu durchlaufenden Stufenfolge bei der
Entwicklung des menschlichen Leibes anlangt, welche alle Thierklassen be-
rühre , so ist sie nur in der Betrachtung der äufseren Form , nirgends im
T 2
14S Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
Wesen begründet, und das Aufstellen eines Einheitsprincips der organischen
Natur dürfte auf diesem Wege den Dank der Mehrheit nie verdienen. Denn
überall erscheint die Form untergeordnet einem inneren Wesen, welches
sie vielfach zu wechseln fähig ist, und wenn alle Formen sich auf 3 Dimen-
sionen der Länge, Breite und Dicke reduciren und mithin Linien, Flächen
und Kugeln als Grundformen erscheinen, so finden wir auch überall in der
organischen Natur ein Auftreten der Organismen in all diesen Formen, un-
beschadet ihrer anerkannt wesentlicheren , sehr verschiedenen Charaktere,
und selbst das Vorherrschende der einzelnen Hauptdimensionen wird zur
Nebensache, wenn wir gröfsere Gruppen der sich verwandten Organismen
betrachten (*). Dafs der Anfang aller Organisation ein Infusorium sei und
(') So giebt es ja bekanntlich in allen Abteilungen des Thierreicbs lange, kurze und
breite Formen. Spulwürmer, Doppellöcber und Blasenwürmer; Gespenstheuschrecken, Blatt-
heuschrecken und Gryllen; Aale, Schollen und Kugelfische; Schlangen, Schildkröten und Krö-
ten; Reiher, Gänse und Eulen; Wiesel, Vampir und Igel mögen als nahe liegende Beispiele
des Langen, Breiten und Gerundeten angeführt sein. Wollte jemand, wie Ahnliches freilich
bereits in Schriften vorliegt, Spulwürmer, Aale, Schlangen, Reiher und Wiesel, weil sie
sämtlich lang sind, als Entwicklungsstufen einer und derselben Grundform vom Wurme bis
zum Säugthiere ansehen, so würde ein solches Verfahren wohl spashafte Combinationen er-
zeugen, aber wenigstens nicht im wissenschaftlichen Ernste gebilligt werden können, da nicht
blofs die Gattungen der Klassen, sondern sogar die Spccies der Gattungen der Organismen,
wenn wir sie nach Ähnlichkeit der Gesamtstructur überblicken, in diesen Dimensions- und
Form Verhältnissen variiren, so dafs diese häufig nur Specialcharaktere bilden. Oft sogar durch-
laufen die verschiedenen Alterszustände eines und desselben Individuums jene Formen bald
vom Runden zum Langen, wie beim Reiher, Wiesel und Menschen ; bald umgekehrt, wie bei
der Kröte, deren schlanke Larve einem Fischchen gleicht, und bei den Raupen der Insecten.
Auch ist es ein schon öfter angezeigter Irrthum, wenn man den Embryonen der Säug-
thiere eine innere Structurähnlichkeit mit Würmern zuschreibt, da die rudimentäre Ausbil-
dung der kleineren Thiere, wie man sie sich früher dachte, durch gegenwärtige Untersuchun-
gen ebenfalls in einem grofsen Bereiche als ungegründet erwiesen wird und bei vielen an-
dern nur noch der genaueren Beobachtung ermangelt, um wohl dasselbe Schicksal zu er-
fahren. Wir haben zwar ein Recht, den Menschen zum Maafsstab der harmonischen und
geistigen Entwicklung des Organischen zu nehmen und so ihm alle übrigen Organismen un-
terzuordnen, aber in körperlicher Entwicklung überragen ihn viele Thiere, und diese Vor-
züge als Mängel darzustellen, ist wenigstens Sophismus und nicht recht würdig. Das herz-
lose Gefäfssystem der Würmer ist anders als das centrale der Säugthiere, kann aber durch-
aus nicht als eine Hemmungsbildung angesehen werden, indem nie ein Säugthier- Embryo
wirklich ein vollendetes, irgend einem Wurme ähnliches Gefäfssystem zeigt, sondern immer
nur ein unvollendetes der Säugthiere, und zwar nur seiner bestimmten Species. Ebenso sind
die Flügel der Vögel anders als die Arme der Menschen. Jedes erscheint zweckmäßig und
in der Richtung des kleinsten Raumes. 149
dafs der Ausdruck Infusoriura gleichbedeutend sei mit Schleimkügel-
chen, Schleimbläschen und dergl., ist unrichtig, weil weder die Kugel-
form die einzige noch die vorherrschende bei den Infusorien ist und weil die
Infusorien Zähne, Darm, Augen und Eier zum Theil in einer ähnlichen Voll-
kommenheit, nur in einer andern Form und Zweckmäfsigkeit haben, wie die
gröfseren Thiere.
Ferner findet sich in den vortrefflichen neueren Arbeiten des ver-
dienstvollen Zootomen, Herrn Hofrath Carus, manches, was in Beziehung
auf meine Mittheilungen steht, und je mehr ich den vielseitig genialen Na-
turforscher hoch ehre, desto mehr halte ich für die von ihm mit Anerken-
nung und wissenschaftlicher Würde gegebenen Winke mich zur Aufmerk-
samkeit und speciellen Berücksichtigung verpflichtet. In den ausgezeichnet
fruchtbaren Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie Heft III, 1S31,
pag. 4. äufsert sich der Verfasser in der Anmerkung wie folgt: „So wichtig
„auch die vortrefflichen Untersuchungen Ehrenberg's über die Infusorien
„sind, so würde man sie doch falsch verstehen, wenn man sich verleiten
„liefse zu glauben, dafs nun auch in den niedrigsten Organismen die Man-
„nigfaltigkeit der Organe höherer Thiere immer vorhanden sein müsse und
„nur durch ihre Feinheit sich oft dem bewaffneten Auge entzöge. Anfan-
„gen mufs nun einmal Alles, und so auch das Thierreich, und zwar mit
„höchst einfachen Formen. Wenn man ein Rhizostoma Cuvieri von 1 Fufs
„Durchmesser vor sich hat und auch in dieser Masse nichts als einige Nah-
„rungshöhlen und Kanäle in der sonst homogenen Eistoffmasse ausgehöhlt
„findet, so wird man sich überzeugen, dafs es nicht die Kleinheit ist, welche
„uns das Erkennen von Nerven, Muskeln, Drüsen, Zähnen und doppelten
„Geschlechtsorganen unmöglich macht" ('). Derselbe würdige Verfasser
sagt in seiner wichtigen Abhandlung über die Entwicklung der Flufsmuschel
ist vollendet für seine Form, und dafs dieses vollkommener als jenes sei, beruht auf dem
Trugschlufs, bei welchem man Heterogenes und Unvergleichbares vergleicht. Auch nur das
Zusammengesetztere immer für das Vollkommenere zu erklären, ist unrichtig, da offenbar
ein \ ogelflügel an äufseren gröfseren Theilen zusammengesetzter ist als ein Menschenarm und
ein Wallfisch oder Elephant aus mehr atomistischen Einzelheiten besteht als ein Mensch, ob-
schon sich der Mensch durch geistige Kraft den Vorrang sichert.
( ) Vber die weit gröfsere und bestimmtere Zusammensetzung und Organisation der Me-
dusen hoffe ich späterhin Mittheilungen machen zu können.
150 Ehrenberg: Beitrag zur Erhenntnißs großer Organisation
(Nova Ada Acad. Leop. Vol. XVI, 1831, pag. 74.): „Möglich ist es jedoch
,, allerdings, dafs diese wolkenartig gestalteten Thierchen (es wird ein Kör-
„perchen gemeint, welches der Verfasser Drehthier, Peripheres conchilio-
,,spennalicus genannt hat) wirklich nichts anderes als eben belebte Schleim-
,, blasen ohne alle weitere Organisation sind; denn es wäre offenbar eine
„falsche Nutzanwendung von Ehrenberg 's Entdeckungen über Infuso-
.,rien, wenn man voraussetzen wollte, dafs jedwede dieser niedern Thier-
,, gattungen einen zusammengesetzten innern Bau haben müsse, weil so viele
„ihn haben. Wie jede Thierbildung nämlich mit der einfachen Kugelbil-
„dung, dem Ei anfangen mufs, so mufs es auch Thiergattungen geben,
„welche diese Entwicklungsstufe des Tbierreichs als beharrende Form dar-
,, stellen."
Die Wichtigkeit der Bestätigung oder Verwerfung dieser Meinungen
leuchtet ein. Es handelt sich nämlich um 2 Hauptpunkte und Grundpfeiler
der Physiologie als Wissenschaft.
Um eine wissenschaftliche Basis zu haben, wird
1) behauptet, es müsse Alles anfangen, und so müsse es höchst ein-
fache Formen des Thierreichs geben, welche thierisch lebendig,
aber noch ohne Mannigfaltigkeit der Organe und organlos seien
(wie Peripheres)',
2) wie jede Thierbildung mit der Kugelbildung, dem Ei anfange, so
müsse es auch Thiergattungen geben , welche diese Entwick-
lungsstufe des Thierreichs als beharrende Form darstellen.
Es läfst sich gar nicht läugnen, dafs wir mit unserm Nachdenken, Ver-
gleichen und Schliefsen leicht zur Bestätigung dieser beiden angenommenen
Grundsätze der Naturgeschichte und Physiologie hingeleitet werden. Beide
erscheinen als möglich und als wahrscheinlich. Hier zeigt sich aber gerade
der Unterschied des Möglichen und Wirklichen, der Einflufs von vorgrei-
fender subjectiver Philosophie oder speculativer Naturforschung und von
prüfender objectiver Philosophie oder beobachtender Naturforschung, denn
beide Hauptsätze werden von der Erfahrung nicht bestätigt. Auch
erkennt man wohl, dafs die logische Schlufsform nicht eine Noth wendigkeit
zur Annahme jener beiden Sätze giebt, denn wenn auch Alles anfangen mufs
und gewifs auch das Thierreich angefangen hat, und wie es beständig ab-
stirbt, auch beständig von Neuem anfängt, so folgt doch nicht nothwendig,
in der Richtung des Ideinsten Raumes. 151
dafs das Thierreich mit Leuwenhoek's Infusorien und mit Buffon's Mo-
lekülen anfangen müsse, sondern es kann bei weitem feiner und auf ganz
andere, vielleicht uns noch unbekannte Weise anfangen. Auch liefse sich
wohl denken, dafs das Thierreich nicht mit Einfachem anfange, sondern dafs
zur Bildung der kleinsten Monade wie des gröfsten Thieres eine gewisse
gleiche Summe von Organisation erforderlich sei. Da gerade diese Grund-
sätze, mit denen noch andere physiologische Sätze zusammenhängen, nicht
aber die systematische Formenbetrachtung der Pilze, Infusorien und Einge-
weidewürmer der Centralpunkt meiner vieljährigen Bemühungen gewesen,
so unterlasse ich nicht, meine Bemerkungen auf diese Punkte speciell zu
wenden .
B. Über die Ei- und Kugelform als erste und beharrende Stufe des Thierreichs.
Die Besultate meiner Beobachtungen sind mit der vielseitig angenom-
menen Eiform als erste und beharrende selbstständige Entwick-
lungsstufe des Thierreichs so weit übereinstimmend, wie ich in mei-
nen früheren, bereits gedruckten Vorträgen schon ausgesprochen und neuer-
lich bestätigt habe, dafs jede Thierbildung, auch jede derjenigen Infu-
sorienbildungen, welche bisher gehörig hat untersucht werden können, mit
dem Ei anfange; allein ich bin in Folge derselben Beobachtungen weit
entfernt, annehmen zu können, dafs sie mit einer structurlosen, einfachen
und indifferenten , und am wenigsten mit einer wahrnehmbaren einfachen
Kugelform anfange. So wie man denn überhaupt die Kugelform als Vor-
herrschendes und als Element, als Anfang und Ende des Weltsystems, zwar
poetisch, aber nicht wissenschaftlich richtig bezeichnet. Wohl ist der mensch-
liche Geist durch sich selbst aufgefordert, in der Vielheit die Einheit zu
suchen, aber überall sehen wir zwei schroffe Gegensätze in dem freien, zwar
an ein Ganzes gebundenen, aber sich vielfach selbst bestimmenden geistvol-
len Leben des Organischen und dem allseitig gebundenen geistlosen durch
physikalische Kräfte, Fremdes, bestimmten Beharren, oder Formen- und
Ortswechsel des Anorganischen. Die Sonnensysteme und Weltkörper, so
unendlich ihre Ausdehnung, Masse und ihr Einflufs auf uns Menschen ist,
folgen, wie die genauen Bechnungen der Astronomen zeigen, willenlos und
regelrecht wie die Uhr, welche sich der Mensch willkührlich zusammen-
setzt, dem Gesetze der Schwere, und wenn Hegel in seiner Habilitations-
152 E h R E n b e r G : Beitrag zur Erhenntnifs grofser Organisation
schrift De Orbitis planetarum die organischen Körper der Erde samt den
Menschen in ihrer Würde so weit gegen die Himmelskörper zurücksetzt, dafs
er sagt: ,, Aufser den Himmelskörpern sind alle übrige Naturkörper in der
„Elementarkraft der Natur, welche die Schwere ist, sich selbst nicht ge-
,,nügend und gehen durch die Kraft des Ganzen zerdrückt unter, aber
,, die Himmelskörper, welche, nicht an die irdische Scholle gebunden, ein
,, Centrum der Schwere vollendeter in sich tragen, schreiten wie Götter
,, durch den Äther einher" (*); so dürfte doch schwerlich irgend ein Mensch
sein Schicksal mit dem göttlichen eines Mondes vertauschen wollen, der ge-
rade, weil er sich in grauenvoller Geistlosigkeit mechanisch immer gleich-
förmig bewegt, zeigt, dafs er nicht unabhängig, nicht geistig ist, sondern
willenlos einer fremden Kraft gehorcht, und dafs er, wenn er denkend wäre,
jeden Wurm der Erde um seine Freiheit des Willens und der Bewegung be-
neiden müfste. Diese Kugeln des Weltraumes, diese Monde, Planeten,
Sonnen und Sonnensysteme erscheinen als, ohne Wahl und ohne geistigen
Widerstand, beherrscht durch die physikalischen Kräfte, und ihre Form er-
scheint bedingt durch diese. Sie sind gar nicht vergleichbar mit den Dotter-
kügelchen, Blutkügelchen, Amylumkügelchen, den Eiern und all dem ku-
gelförmigen Organischen, so klein und grofs es auch sei, dessen Grund in
der Lebenskraft liegt, welche in ihrer höchsten Entwicklung als geistige
Kraft eine gemüthlichere Annäherung an die Idee der Gottheit bietet, die
der Stolz und die Beruhigung des Menschen ist und nicht in Schwere und
Trägheit zu bestehen braucht. So wie nun die Kugelform in der Natur
aus zwei widerstrebenden Elementen, den physikalischen Kräften und dem
(') Praeter corpora coelestia omnia alia ijaae natura gignit — in prima naturae vi,
quae est gravitas, sibi non sufficiunt et vi lotius oppressa pereunt, corpora autem coe-
lestia glebae non adscripta et cenlrum gravilatis perfectius in sc gerentia, Deorum more
per levcm aera incedunl. Diese wenig bekannte Schrift ist ein merkwürdiges Aktenstück
und Zcugnifs, auf welche Irrwege die abstracte Philosophie leitet, wenn sie die prüfende
Beobachtung verachtet. Ihr berühmter Verfasser bewies darin in demselben Jahre als
Piazzi die Ceres entdeckte, dafs jener Raum, worin die Astronomen einen fehlenden
Planeten suchten, als leerer Weltraum philosophisch nothwendig, und also jenes Suchen zweck-
los sei. Vier neue Planeten, und das ist doch etwas, zeugen dafür, dafs die eigene Philoso-
phie der Naturforschung richtiger als jene absolute war und dafs ein Aufdrängen von der-
gleichen philosophischen Speculationen desto schädlicher und hemmender wirken mufs, je grö-
ßerer Auctorität sich der erfreut, welcher sie vorlegt.
in der Richtung des Ideinsten Raumes. 153
Streben zum Organismus oder der Lebenskraft, der Erfahrung gemäfs, gleich-
mäfsig hei'vorgeht und nur in der organischen Natur hie und da als in sich
und durch sich selbst bedingt erkannt wird, sonst überall vielmehr durch
Einllufs fremder Kraft entsteht, da auch die Kugelform für das Ei nicht
nothwendig erscheint, indem es viele cylindrische und fadenförmige Eier bei
Insecten und Würmern giebt (Wenigen wohl sind die langen cylindrischen
Fliegeneier unbekannt geblieben), so ist offenbar die Bedeutung der Kugel-
form in der Natur eine viel geringere, als sie oft symbolisch und poetisch
ausgesprochen wird, und die Nothwendigkeit ihrer selbstständig beharrenden
Form als erste Entwicklungsstufe des Thierreichs ist nicht begründet.
C. Über organlose, selbstständig bebarrende Materie als organisebe Urmaterie.
Was den zweiten Hauptpunkt, die Idee von selbstständig beharren-
den, organlosen oder einfachen Körpern im Thierreiche anlangt, so läfst
sich ihre Möglichkeit philosophisch nicht läugnen, aber die Behauptung ihrer
wahrnehmbaren Existenz, wie mir scheint, widerlegen.
Organlose, selbstständige, thierische Materie, für welche man lange
Zeit die Infusorien oder einen Theil derselben angesehen hat, bedarf nicht
eines gewissen Gröfsenverhältnisses zu den organischen Körpern, man mag
sich nun begnügen, sie blofs als selbstständige Bildungsform, ohne weitern
Einllufs zu betrachten , oder man mag sie für das Material der bildenden
Naturkraft ansehen, welche durch Generalio primitiva dieselbe zur Bildung
beliebiger Organismen verwende. Es liegt nichts Unmögliches in dem Ge-
danken, dafs es wohl grofse Massen, Klumpen organischen Urstoffes geben
möge, die ohne weitere Vorbereitung durch ein günstiges Verhältnifs gewisser
äufserer Einflüsse sich organisiren. Ob aber gleich die Möglichkeit der
Existenz solcher gröfserer Massen selbstständiger organischer Materie nicht
wohl zu läugnen ist, so fehlt es doch an Beweisen für die Wirklichkeit
ihrer Erscheinung.
Alte Sagen und Poesieen der früheren Geschichtsepochen des Men-
schengeschlechts sprechen viel von Verwandlungen. Ackerland und Fels-
blöcke, oder Steine, wurden plötzlich zu Menschen umgewandelt und die
^ ölker wetteiferten, Autochthonen zu sein. Aus dem Meeresschaume ent-
stand Aphrodite, die Frösche bildeten sich nach dem Regen aus Schlamm,
so dafs man deren beschrieb, die vorn schon Frosch, hinten noch Schlamm
Phjs. Abhandl. 1S33. ü
154 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnijs großer Organisa tion
waren. Schon in alten Zeiten ist man aber auch von diesen Ideen zurück-
gekommen und niemand hat ernstlich und glaubwürdig bezeugt, dafs er bei
solchem Entstehen von Menschen oder grösseren Thieren Augenzeuge gewe-
sen. Für Fische, Amphibien, Insecten und Unkraut haben sich Sagen die-
ser Art bis auf unsere Zeit erhalten. Virgil lehrt, dafs man Bienen aus
Ochsenblut erzeugen könne, Aristoteles lehrt, dafs die Aale und Regen-
würmer aus Schlamm entstehen und die Kohlraupen aus den Kohlblättern,
so wie auch Plinius dem faulen Wasser die Erzeugung der Mücken zu-
schreibt u.s.w. In der neueren Zeit glaubt an das unmittelbare Entstehen
von Wirbelthieren ohne Zeugung kein bedächtiger Schriftsteller mehr
und Redi's gründliche Beobachtungen des Verhaltens der Würmer in faulen
Stoffen haben schon seit 2 Saeculis diese Würmer von jener Entstehungs-
art freigesprochen und sie vielmehr für Fliegenlarven u. dergl. erklärt, die
durch Eier erzeugt werden, welche die im Lufträume sich bewegenden Flie-
gen in die faulen Stoffe und Feuchtigkeiten niederlegen. Die neueren Be-
obachtungen der cyclischen Entwicklung zahlreicher einzelner Formen der
Insecten machen Redi's Entdeckung durch ihre Bestätigung zu einer neuen
Epoche der Aufklärung und lassen es jedermann lächerlich erscheinen, wenn
noch 1817 du Fray in seinem mit vielen falschen Beobachtungen erfüllten
Buche (Essai sur l'origine des corps organises pag. 1 24.) behauptet, er habe
aus faulem Ochsenfleische durch Generalio primitiva Fliegen erhalten und vor
Augenzeugen ein Stück in Fliegen verwandeltes Ochsenfleisch davonfliegen
lassen: Apres que quelques amis /es eurent vues } je mis en liierte res por-
tions de loeuf devenues mouches. Wenn auch in den Sagen der Völker
und bei weniger genauen Beobachtern sich noch hie und da eine Verteidi-
gung der primitiven Erzeugung von Insecten ausspricht, so ist doch bei der
grofsen Mehrheit richtig zu beobachten und zu urtheilen vermögender Schrift-
steller für alle leicht sichtbaren organischen Körper, sowohl Thiere
als Pflanzen, die Meinung feststehend geworden, dafs sie sich nur durch be-
fruchtete oder unbefruchtete Theile eines gleichartigen Mutterkörpers ver-
mehren, dafs nie aber ein gröfseres, leicht wahrnehmbares Stück
irgend einer organlosen Substanz in einen organischen Körper verwandelt
werde. Aber auch alle gröfseren , gallertartigen Substanzen , welche man
für organlose, selbstständige, thierische Materie halten könnte, ohne gerade
deren Übergang in andere Organismen zu behaupten, und deren einigen man
in der Richtung des kleinsten Raumes. 155
einen meteorischen Ursprung zuschrieb, hat eine genauere Untersuchung fa-
serig und körnig, also zusammengesetzt (fruchttragend) gefunden, weshalb
sie, den Regeln der systematischen Naturgeschichte gemäfs, in die Reihe der
selbstständigen vegetabilischen Organismen aufgenommen worden sind,
so dafs keine bekannte und zu bezeichnende, in der Natur vorkommende
und von glaubwürdigen und unterrichteten Augenzeugen untersuchte gröfsere
Substanz unbestimmbar übrig geblieben ist, der man den Namen einer Masse
von organischer Urmaterie beilegen könnte. Hiermit ist also die Idee von
organischer Urmaterie durch Beobachtung allmälig aus dem Kreise der leicht
wahrnehmbaren Gröfsen in den der kleineren, dem blofsen Auge
nicht mehr erreichbaren Körper verdrängt worden, deren Existenz man erst
seit der Erfindung der Mikroskope kennen lernte.
Sind wir demnach darauf beschränkt, nur diejenigen Körper, welche
dem gewöhnlichen Gesichtskreise des Menschen entgehen, die aber das Mi-
kroskop erkennen läfst, darauf zu prüfen, ob es unter ihnen solche struc-
turlose Körper giebt, denen man den Namen einer selbstständigen, thierisch
organischen Urmaterie beilegen könnte, so lassen sich diese, der Übersicht
halber, bequem in unbewegliche oder nur passiv bewegte und selbstbe-
wegte eintheilen. Wollte man die selbstständige, einfache, thierische Sub-
stanz in der Abtheilung der unbeweglichen suchen, so müfste man irgend
ein Kennzeichen für dieselbe feststellen, um sie mit Bestimmtheit von den
Fragmenten todter, organischer Körper und von anorganischen Körpern zu
unterscheiden; denn die ersteren sind keine selbstständige Substanzen, son-
dern im Zerfallen begriffene Theile ehemaliger selbstständiger Organismen,
und die letzteren oder unorganischen Körper, welche den neuesten chemi-
schen Principien zufolge einen ganz andern Aggregatzustand der Theile oder
Atome haben und, auch jenen Beobachtern der organischen Urmaterie zu-
folge, zur Bildung der Organismen nicht concurriren, sind von diesen Be-
trachtungen ausgeschlossen. Die regelmäfsigen, crystallinischen, geometri-
schen Formen einerseits und die scharfen , unregelmäfsigen Umrisse ihrer
Fragmente, Undurchsichtigkeit, Härte und Sprödigkeit andrerseits, lassen
anorganische Substanzen durch ein oder das andere dieser Merkmale, oft
durch alle, gewöhnlich leicht erkennen. Die letzteren Eigenschaften der
steinigen und erdigen Körper erkennt man ziemlich leicht und sicher, auch
in sehr feinem Zustande, durch Druck zwischen geschliffenen Glasplatten.
U2
156 Ehren berg: Beilrag zur Erkenntnijs großer Organisation
Die gerifsnen, unregelmäfsigen Ränder und Bekanntschaft mit der Textur
der Pflanzen- und Thierstoffe lassen deren zerstörte Fragmente bei grofser
Übung im Beobachten und genauer Vergleichung der Umstände ebenfalls mit
so grofser Wahrscheinlichkeit erkennen, dafs eine moralische Überzeugung
über das Wesen des Vorliegenden eintreten kann. Besonders niufs man sich
hüten, nicht dabei in duFray's Fehler zu verfallen, dafs man Fragmente
todter Thiere und Pflanzen im Wasser für still liegende Anfänge neuer Ge-
nerationen, und Gallerte von Froschlaich, pflanzlichen und thierischen
Schleim, Infusorien -Cadaver, als Pristleysche Materie und Überzug stehen-
den Wassers, u. dergl. für Urmaterie halte. Die offenbaren Spuren der Auf-
lösung, das Gerifsne und Verstümmelte der Ränder und Enden und die ge-
nau zu untersuchenden, begleitenden Umstände und Körper, samt wieder-
holten Versuchen zur Beobachtung ihrer weiteren Entwicklung, geben dem
nicht absichtlich vom geraden wissenschaftlichen Wege in die Irrungen der
Poesie und Laune Abweichenden ein moralisch überzeugendes Anhalten für
sein Urtheil, dafs diefs keine selbstständigen, beharrenden und wachsenden,
sondern zerfallende Materien und Körper sind. Durch den Procefs der Fäul-
nifs lösen sie sich allmälig in so feine und immer feinere Theilchen auf, dafs
sie sich der optischen Kraft ganz entziehen und mit dem Wasser eine innige
Mischung bilden, bei der ihre Selbstständigkeit verloren zu gehen scheint,
oder doch nicht mehr zu erweisen ist. Viele behaupten nun zwar, dafs die
Fäulnifs die organische Urmaterie aus dem erstorbenen Organismus nur be-
freie ; allein diese sehen dann die Infusorien, welche häufig gleichzeitig, weil
sie gute Nahrung finden, sich dabei vervielfältigen, für die frei gewordene
und sich entwickelnde Urmaterie an, von dessen Unzulässigkeit sogleich wei-
ter die Rede sein wird. Die Beachtung dieser Umstände hat mich stets ge-
leitet und allmälig zu den Resultaten geführt, die ich jetzt mitzutheilen im
Stande bin.
Nimmt man nun all diese unorganischen, todten und zerstörten orga-
nischen Stoffe aus der Abiheilung der unbeweglichen Objecte des Mikros-
kops weg, so bleibt dem Beobachter noch eine Reihe von mikroskopischen,
scheinbar structurlosen oder höchst einfach organisirten Körpern übrig,
welche eine gewisse bestimmte Form haben, die in gleicher Art zu den ver-
schiedensten Zeiten immer der Beobachtung wiederkehrt. Diese Substanzen
hat man bisher sämtlich zu den cryptogamischen Pflanzen, besonders den
in der Richtung des kleinsten Raumes. 157
Pilzen und Algen gezogen, und es kommen sowohl in feuchter Erde, an der
Luft, als im Wasser verbal tnifsniäfsig nur noch sehr wenige hei uns vor, die
nicht schon verzeichnet und benannt wären. Dafs aber auch diese Körperchen
nicht die Repräsentanten der niedrigsten organischen Structur sind , lehrt
ihre Beobachtung; denn mit jedem Jahre und mit jeder neuen, geschärfte-
ren Untersuchung wird immer mehr Organisches an und in einigen ihrer
Formen unterschieden, so dafs es gewagt erscheint, mit ihnen, deren De-
tails ganz offenbar sich der Kraft unserer Sinne durch ihre Kleinheit und
Durchsichtigkeit entziehen, eine so wichtige und einflufsreiche Behauptung,
als die wahrnehmbare Grenze der organischen Natur, man möchte sagen das
Ende des Unendlichen ist, zu beweisen und damit mehr festzustellen, als
dafs unsere optischen Instrumente noch nicht ausreichen, ihren
Organismus vollständig zu erkennen. Viele Beobachter haben auch
todte, ganze und sehr langsam kriechende kleine Thiere für unbewegliche
Körper dieser Art gehalten, und viele andere unterscheiden hygroskopische
und Entwicklungsbewegungen zarter Pflanzenkeime nicht scharf genug. Alle
letztere gehören zu den unwillkührlichen, zwecklosen, unfreien Bewegungen,
existiren allerdings, sind aber anders, als man häufig gethan, zu erklären (').
(') Zu diesen oft und immer wieder gemifsbrauchten Bewegungs- Erscheinungen gehört
besonders das sich krümmen, winden und drehen mehrerer Algensaamen zur Zeit ihres Rei-
fens und Hervortretens aus dem Fruchtbehälter, welches schon Buffon und Needham zu
sehr folgereichen Verirrungen verleitet hat und welches noch immer fortfahrt, die Verwir-
rung der Pflanzen- und Thierformen in dem mikroskopischen Kreise zu begünstigen. Möge
nun das Eindringen des fremdartigen Wassers in den zur Zeit der Reife aufspringenden
Fruchtbehälter oder der eigene Reifungsprocefs die Bewegung dieser Saamen bedingen, so
sind sie, meinen vielfachen Beobachtungen zufolge, doch ganz verschieden von den tliierischen
Bewegungen. Sie fehlen vor der Reife, sind am stärksten beim Hervortreten der Körner
in das neue Medium nnd nehmen sehr bald allmälig ab. In einem Lhrglase sieht man leicht,
dafs nach Verlauf einiger Stunden sich diese Saamen zu Boden setzen und ruhig liegen.
Nach Verlauf von 6 Stunden sah ich wiederholt, dafs einige sich verlängert und deutlich ge-
keimt hatten, also schon ganz in den Vegetationscharakter der Mutter übergegangen waren.
In solchen Fällen ist nicht an eine Verwandlung von Infusorien in Vegetabilien, oder von
Übergang der Algen in Infusorien zu denken, sondern diese Saamen sind immer Saamen ge-
blieben und nie Infusorien geworden, so viel sie sich auch gedreht und bewegt haben mö-
gen. Ich habe oft versucht, bei Saprolegnien, die zum Theil sehr grofse so bewegte Saa-
men enthalten und durch eine vordere runde Öffnung entleeren, diese scheinbaren Thiere
zur Aufnahme gefärbter Nahrung zu bringen. Es gelang nie, obwohl ich mir unendliche
Mühe im Variiren der Umstände gab. Die Bewegungen der Thiere haben den Zweck
15S Ehrenberg: Beitrag zur Erlcenntnifs grofser Organisation
Was die andere Abtheilung, die selbstbewegten Objecte des Mi-
kroskops betrifft, so sind diese es eigentlich ganz besonders gewesen, wel-
chen man bald den Zustand der Structurlosigkeit zuschrieb, bald eine un-
vollkommene Structur, oder auch nur lineare Vorzeichnung von thierischer
Organisation ohne wirkliche Organe zuerkannte. Die sehr verbreitete Lehre
von den Prototypen, den unvollendeten, anstrebenden Organismen, gleich-
sam selbstständigen Skizzen und Entwürfen der gröfseren Thierformen be-
ruht auf jener früheren unzureichenden Untersuchung und Kenntnifs dieser
Formen, und gewifs auch hat die scheinbare philosophische Nothwendigkeit,
Repräsentanten der einfachsten Organisation nennen und vorzeigen zu kön-
nen, einen nicht geringen Antheil. Da es mir gelungen ist, nicht nur eine
sehr zusammengesetzte Structur der Mehrzahl der beweglichen mikrosko-
pischen Objecte jener Gruppe, mit Ausschlufs aller kleinen Insecten und de-
ren Larven , so wie aller notorisch zusammengesetzten Formen , wie sie
Müller zuerst als Gruppe der Infusorien zusammengefafst hat( 1 ), festzu-
stellen und sowohl deren Übereinstimmung unter sich, als ihre Abweichun-
gen von allen übrigen gröfseren Thieren nachzuweisen, auch ihre cyclische
Entwicklung aufzuklären, so fällt damit die grofse Mehrheit der Formen als
Beleg für die selbstständige, sich organisirende, einfache Materie weg. Die
übrig bleibende kleinere Zahl der bewegten Formen, welche die von mir
angestellten Prüfungen auf ihre thierische Natur nicht bestanden haben, giebt
bei einer Vergleichung folgendes Verhältnifs:
Alle Räderthiere, ohne Ausnahme, lassen keinen Zweifel übrig, dafs
sie eine grofse und vollendete Organisation besitzen, und es wäre meiner
ganzen Überzeugung zuwider, wenn ich einige, die ich nur flüchtig, sel-
ten und einzeln sah, defshalb, weil ich noch nicht alle Einzelheiten ihres
der willkührlichen Orts Veränderung; die Bewegungen der Algensaanien u. s. w. ha-
ben rächt den Zweck der willkührlichen Ortsveränderung, sondern nur den der individuellen
Dehnung und Entwicklung bis zur gespannten Form. Diese haben, wie es deutlich scheint,
den mehr durch Aufseres (Reiz) bedingten pflanzlichen, jene den mehr durch Inneres (Wil-
len) bedingten thierischen Charakter. Dasein und Mangel von Mund und Darm unterscheiden
kräftig beide Bildungen.
(') Ich schliefse, wie ich schon früher angezeigt habe, von den Müll ersehen Infusorien
nur einige aus, die offenbar Entozoen sind: Anguillula und einige Cercarien, samt den jun-
gen Halcyonellen.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 159
Organismus ermittelt habe, für einfacher als die übrigen halten sollte, da
offenbar der Mangel an der Beobachtung liegt und ich mir auch bei den ganz
klar erkannten nur mühsam und allmälig die Structur entwickeln konnte.
Gewifs würde niemand es billigen, wenn man bei den noch nicht anatomisch
untersuchten Käfern, deren Zahl weit gröfser als die der untersuchten ist,
ihre den übrigen Käfern im Allgemeinen conforme innere Structur in Zwei-
fel ziehen wollte, oder wenn man, um das Beispiel von Huygens anzuwen-
den, womit er die Ähnlichkeit der übrigen Planeten mit der Erde versinn-
licht, von einer Heerde Schaafe nur die mit thierischen Eingeweiden verse-
hen glaubte, die man untersucht hat, von den übrigen aber meinte, dafs
sie Steine in sich haben könnten. (De Lalande astronomisches Lehrbuch
p.644.). Alle öfter und unter günstigen Verhältnissen gesehenen Formen
haben allmälig ihre Structur nach dem bereits von mir umständlich angezeig-
ten Typus immer mit gewissen generischen und speciellen Abweichungen er-
kennen lassen, wovon ich schon viele Proben mitgetheilt habe und noch
viel mehr in Zeichnung besitze. — Etwas anders verhält es sich mit den Kör-
pern jener Abtheilung, welche nicht Räderthiere sind. Sehr sorgfältig habe
ich alle thierisch bewegten Formen, welche das Mikroskop mir zeigte und
die nicht Räderthiere sind, auch durch Zeichnung und genaue Messung fest-
gehalten und in mein Verzeichnifs der Infusorien aufgenommen. Bei sehr
vielen derselben habe ich ebenfalls mehrfache innere und äufsere organische
Systeme erkannt, welche sie als Thiere scharf bezeichnen ; allein mehrere
Formen sind für die Beobachtung noch im Rückstand. Das Verhältnifs des
Beobachteten und Rückständigen ergiebt sich wie folgt: Von 22 Arten der
Gattung Monas, von denen jedoch nur 13 bei Berlin beobachtet sind, haben
bisher 3 Arten die Aufnahme gefärbter Nahrung in Zellen des innern Kör-
pers erkennen lassen; von 7 Arten der Gattung Uvella 4, eine ist ausländisch;
von 2 Arten Chilomonas 1 ; von 5 Arten von Bodo 1 ; von 4 Arten von Cj-
clidium 2; von Amoeba alle 3 Formen; sämtliche 5 Arten der Gattung Vor-
iicella ; sämtliche 4 Arten Carchesium ; von 4 Arten Vaginicola 2 ; das ein-
zige einheimische Zoocladium; sämtliche S einheimische Epistjlis; von 4
einheimischen Trichodina 3; von den 4 wahren Stcntor- Arten 3; sämtliche
3 Enchelys - Arten u.s. w., wie es sich aus der Durchsicht meines zweiten
Beitrages ergiebt, so dafs ich von sämtlichen von mir verzeichneten polyga-
strischen Infusorien bei 87 Arten der verschiedensten Gattungen die inneren
160 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Ernährungsorgane samt deren zuweilen mit Zähnen versehenen Öffnungen,
uud bei einigen rothe, nie veränderliche, den Augen der Räderthiere und
Entomostraca in Stellung, Form und Farbe ganz ähnliche Punkte beobach-
tet habe. Überdiefs aber habe ich bei 21 Arten, deren innere Ernährungs-
organe sich direct noch nicht beobachten liefsen, doch eine Mundstelle und
Augen, bei andern die geöffnete und bewimperte Mundstelle allein durch
die Wirkung und Richtung des Wirbels erkannt, ohne gerade die sichtliche
Aufnahme von Nahrung und deren Excretion zu beobachten. Diejenigen
Infusorienformen, bei denen ich bestimmte innere organische Systeme, aufser
den äufseren Bewegungsorganen, nicht mit einiger Deutlichkeit habe erken-
nen können, verhalten sich zu den übrigen, bei denen ich dergleichen deut-
lich erkannt habe, so, dafs von den 76 inländischen Galtungen (bei den aus-
ländischen, deren es jedoch nur wenige eigenthümliche giebt, habe ich keine
Versuche darüber angestellt) 50 Gattungen (Genera) bestimmte innere Or-
ganisation erkennen lassen, 26 Gattungen aber noch der Bestätigung bedür-
fen, 6 der letztern jedoch aufser einer Mundstelle noch innere Augenpunkte
haben erkennen lassen.
Solche Formen, bei denen sich weder ein innerer Darmkanal, noch
auch eine Mundstelle nachweisen läfst, und die mithin am ersten der Rubrik
der einfachen Substanzen verfallen könnten, sind folgende:
1) Die Gattung Trichodiscus mit einer einzigen Art, die ich nur 2 mal ge-
sehen, und die mithin bei wiederholter Beobachtung und sorgfältiger
Nachforschung leicht mehr Organe zeigen könnte ;
2) Difßugia mit 3 Arten, wegen undurchsichtigen Panzers nicht gut zu
beobachten ;
3) Acht Gattungen der Familie der Bacillarien mit 47 Arten. Diefs sind
meist sehr kleine Panzerthiere und ihre obwohl durchsichtige Schaale
giebt Schwierigkeit für die klare Unterscheidung der inneren Theile ;
4) Drei Gattungen der Familie der Peridinaeen mit 6 Arten, welche eben-
falls sämtlich zu den Schaal- oder Panzerthieren gehören;
5) Die Gattung Chaetomonas mit 2 Arten, welche beide in faulen orga-
nischen Substanzen vorkommen, daher den nicht ebenfalls im Zustande
der Fäulnifs befindlichen Farbestoff als Nahrung verschmähen;
6) Bacterium mit 6 Arten, welche sämtlich sehr klein sind, indem die
Länge der gröfsten Art nur -^'" beträgt;
in der Richtung des kleinsten Raumes. 161
'ö
7) Closterium mit 9 Arten, sämtlich Panzerthiere ;
S) Spirillum mit 2 Arten, sind überaus dünn, fast nur -^'" dick, daher
schwer zu beobachten, indem ihre inneren Organe natürlich noch viel
feiner sein müssen ;
9) Vibrio mit 5 Arten, ebenfalls von überaus grofser Feinheit, obwohl
sie lang sind ;
1 0) Pandorina mit 1 Art, ist ein Panzerthierchen ;
11) Poljtoma mit 1 Art.
Diefs sind zusammen 20 Gattungen mit 83 Arten ; also etwas weniger
als ^, fast ^ der bekannten Formen. Von diesen 20 Gattungen gehören
aber 14 mit 65 Arten, also bei weitem die Mehrzahl, den Panzer-Infusorien
an, und sind mithin schon dadurch keine einfachen Substanzen mehr. Wahr-
scheinlich ist auch ihr meist leicht zu erkennender und zu isolirender, oft
zweischaaliger Panzer die Ursache, dafs ihre specielleren Organe bisher ver-
borgen blieben. Von den übrigen 6 Gattungen mit 17 Arten, Trichodiscus,
Chaetomonas , Baclerium, Spirillum, Vibrio und Polyloma } welche keine
Mundstelle erkennen lassen, ist Trichodiscus selten und an Zahl noch nicht
hinlänglich beobachtet; Chaetomonas lebt in faulen Substanzen, und ver-
schmäht daher vielleicht die Farben, welche seine Ernährungsorgane verra-
then könnten , und die haarige , nicht wirbelnde Oberfläche beider hindert
doch wohl die deutliche Wahrnehmung der Mundstelle. Auch würden diese
beiden Formen, welche äufsere Bewegungsorgane (Borsten) führen, schon
dadurch nicht wohl als einfache Substanzen anzunehmen sein. Baclerium,
Spirillum und Vibrio gehören unter die feinsten Infusorien und das Uner-
kanntsein ihrer specielleren Organe wird eher dem Mangel hinlänglicher Ver-
gröfserung zugeschrieben werden müssen. Poljtoma ist ebenfalls ein sehr
kleines Thierchen, dessen Gröfse zwischen ^|j "h"' Durchmesser schwankt
und welches den Monaden sehr nahe steht, von denen mehrere Arten innere
Organisation deutlich unterscheiden lassen , andere aber sie der Beobach-
tung, oft wegen Mangels häufigen Vorkommens, ebenfalls noch immer ent-
zogen haben. Grofse Beharrlichkeit in Abwägung der günstigsten Lebens-
umstände und damit in Verbindung gebrachte farbige Nahrung haben mir
bei hartnäckigen Arten anderer Gattungen oft spät noch die Mühe belohnt
und eine mir lange Zeit unerreichbar gewesene innere Organisation deutlich
anschaulich gemacht. Man darf wohl hoffen, dafs auch bei den rückständi-
Phjs . Abhandl. 1833. X
162 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
gen die Benutzung der günstigsten Verhältnisse dasselbe Resultat finden wird.
Jedenfalls würden die 14 Arten der letztgenannten 4 Fonnengattungen, von
denen mehrere sehr selten , keine aber immer und überall zu finden ist,
nicht geeignet sein, die nothwendig allverbreitete Urmaterie zu repräsentiren.
Aufser diesen noch unvollständig untersuchten Infusorien kenne ich
als selbstständige bewegte Körper des Mikroskops, welche Ansprüche
auf den Namen einer einfachen thierischen Substanz machen könnten, nur
noch die in den Hoden befindlichen Saamenthierchen. Die Saamenthierchen
der männlichen Zeugungstheile lassen aber hie und da innere Blasen und
Verschiedenheit der Substanz erkennen und treten durch Form und rasche
kräftige Bewegung so nahe an die Cercarien der Entozoen an, dabei stehen
sie durch grofse Feinheit so nahe an der allgemeinen Grenze des Sehvermö-
gens, dafs es viel wahrscheinlicher ist, eine verstärkte Sehkraft werde sie
einst mit vollem Rechte an die vollkommen organisirten Entozoen anreihen,
als dafs man sie mit Recht für die gesuchte, einfache, organische Substanz
halten dürfe. Uberdiefs sind auch sie gröfser und gröber als die bereits
nachzuweisenden Organe vieler kleinen Thiere, und selbst als nachzuwei-
sende feine Theile des Säugthier- Organismus. Die sogenannten Saamen-
thierchen , welche einige Beobachter im Pollen der Pflanzen zur Zeit der
Reife annehmen, haben gar keinen Charakter von Thierheit als die Bewe-
gung, die keiner ist, und ihre Erscheinung gehört offenbar entweder zu den
Molekularbewegungen der kleinsten materiellen Theile, von denen ich so-
gleich sprechen werde, oder zur organischen Thätigkeit der zugehörigen
Pflanzen, übrigens erscheinen sie auch nicht als selbstständige Stoffe, son-
dern als wirkliche Theile des Pollens oder der Pflanze und zeigen nicht jene
kräftige Bewegung, Gliederung und Substanzverschiedenheit der Sperma-
tozoen.
Das chaotische Gewimmel, welches man beim Abschaben des Schlei-
mes von den Kiemen und andern Organen der Muschelthiere sieht und wor-
auf von Baer neuerlich besonders aufmerksam gemacht hat, was auch Ca-
rus hervorhebt, besteht oft aus Monas Crepusculum und in seinen weniger
regelmäfsigen und weniger bestimmt geformten Theilen aus wirbelnden Frag-
menten der Kiemen- und Körpersubstanz, welche ihre Irritabilität lange er-
halten und wohin ich auch die Gattung Peripheres conchiliospermaticus von
Carus rechne. Ihr Charakter ist, dafs sie eine Zeitlang, nachdem sie vom
in der Richtung des kleinsten Raumes. 163
Körper abgerissen wurden, durch ihre fortwirbelnden Wimpern oder durch
Contraction und Expansion sich meist drehend bewegen und dann aber
bald allmälig still liegen bleiben, ohne je wieder die Bewegung von
Neuem anzufangen. Dagegen ist die Nummidella conchiliospermatica offen-
bar nur ein Synonym von Trichoda Pediculus (Cyclidiwn Pediculus Mül-
ler) oder der Polypenlaus, deren zahlreiche Magen ich mit Farbesubstanz
oft angefüllt habe und deren seitliche Mundöffnung ich als eine runde
Grube, Müller als einen Spalt erkannte. Es besitzt 2 peripherische Wim-
perkreise und findet sich auf verschiedenen Thieren, oft an Hydra. Ganz
zuverlässig ist es aber keine einfache Substanz.
Robert Brown's Molekularbewegungen gehören nicht blofs der so-
genannten organischen Urmaterie an, sondern finden auch bei verkleinerter
anorganischer Materie statt und sie erscheinen um so mehr als durch allge-
meinere physikalische Kräfte bedingte Erscheinungen an der verkleinerten,
in Wasser suspendirten Materie überhaupt, als viele dieser bewegten Theil-
chen gröfser als manche noch deutlich organisirte Infusoi-ien und die übri-
gen nicht viel kleiner sind, während eine Elementarsubstanz nur als kleiner
als alle Organismen und deren Organe gedacht werden kann, die aus ihr
zusammengesetzt sein sollen.
D. Schlufs.
Es ergiebt sich, wie mir scheint, aus diesen Betrachtungen und Zu-
sammestellungen des wirklich Beobachteten, dafs die einfache, organische
und selbstständige Urmaterie, welche noch jetzt viele ausgezeichnete Män-
ner als das gleichartige Material aller organischen Bildungen ansehen und
gern als eine Basis für alle organische Entwicklung festgestellt sähen, obwohl
sie sehr verbreitet sein sollte, doch auf dem Wege der Beobachtung nirgends
nachgewiesen werden kann. Es sind besonders 2 Grenzen fühlbar, welche
die Forschung hemmen; eine derselben ist die Kleinheit und Feinheit des
noch ferner zu prüfenden, diese wird durch Mikroskope bewältigt werden
können; die andere ist die Durchsichtigkeit desselben, welche, leider, leicht
viel schlimmere Täuschung hervorbringen und erhalten kann , wiewohl sie
oft nur Folge der Feinheit der einzelnen Organe und gröfseren Abstandes
derselben von einander ist, in welchem Falle auch sie durch Verstärkung
der Sehkraft überwunden werden kann. Was dem blofsen Auge durchsich-
X2
164 Ehrenbeug: Beitrag zur Erkennlnifs großer Organisation
tig und homogen erscheint, ist es oft deutlich nicht unter dem Mikroskope,
und ein ehen solches Verhältnifs findet zwischen schwächeren und immer
stärkeren mikroskopischen Vergröfserungen statt. Im Kreise der leicht sicht-
baren Gröfsen mangelt jene einfache Materie als Erfahrungsgegenstand durch-
aus, wie es auch bei allen Beobachtern angenommen zu sein scheint, und
im Kreise der mikroskopischen Gröfsen, wohin sie durch die vielfachen Stu-
dien der früheren Forscher zurückgedrängt ist, suchte sie meine Bemühung
mit den zeitgemäfsen Hülfsmitteln ebenfalls vergebens. Da die einfache,
allem Organischen zum Grunde liegende Materie, oder die organischen Mo-
lekülen, nothwendig kleiner sein müssen, als alle Organismen und deren
direct nachzuweisende Organe, und da meine Beobachtungen festgestellt ha-
ben, dafs nicht eine scheinbare, unvollkommene, maschinenmäfsige, son-
dern eine wirklich fungirende thierische Organisation bis zu den feinsten Mo-
naden und bis zur letzten Grenze unsrer klaren Sehkraft unter den günsti-
gen Umständen verfolgt werden kann, so ergiebt sich, dafs die organische
Urmaterie nicht auch in den Grenzen der jetzigen Sehkraft liegen kann, son-
dern jenseits derselben zu suchen ist, oder dafs diese Urmaterie bei den
jetzigen optischen Hülfsmitteln, selbst den besten, nicht wahr-
nehmbar sein kann.
Rücksichllich der Frage : ob eine organische Urmaterie überhaupt als
existirend gedacht werden müsse oder gedacht werden könne? scheint sich
so viel feststellen zu lassen, dafs die Möglichkeit nicht beschränkt erscheint,
aber die Nothwendigkeit nicht bestehe. Nicht so wie eine Materie über-
haupt ohne Form nicht gedacht werden kann, verhält es sich mit der orga-
nischen Materie und dem Organismus. Es läfst sich recht wohl eine orga-
nische Materie denken, die an sich nicht organisirt sei, aber als Besonderheit
vor anderer Materie die Fähigkeit habe, organisirt zu werden. Andrerseits
aber ist es auch denkbar, dafs alle der Organisation fähige Materie nur als
Theil eines wirklichen Organismus bestehen könne, während diejenigen ihrer
Theile, welche durch Auflösung der todten Organismen frei werden, ihre
Besonderheit vollständig verlieren, indem sie chemisch zersetzt werden,
wenn sie nicht alsbald von anderen Organismen wieder zu organischen Thei-
len verwendet werden. Alle meine Erfahrungen sprechen für das Letztere.
In den Infusionen habe ich nie, und ich habe recht viel und mit guten
Kräften genau und scharf beobachtet, aber nie ein plötzliches Thier-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 165
werden oder Vegetiren zerfallender Theile beobachtet, sondern nur sehr
häufig dergleichen Theilchen, denkleinen Schimmel- und Algensaamen oder
den Infusorien sehr ähnlich und allerdings auch oft bewegt gesehen. Ich
habe dabei immer gefunden, dafs, je kleiner die Vergröfserung ist, unter
der man, der Helligkeit halber, beobachtet, desto leichter die Täuschung
sei, weil dann die Organisation und NichtOrganisation , so wie das Active
und Passive der Bewegung zweier sich äufserlich ähnlichen , dem inneren
Wesen nach aber wie Tod und Leben verschiedenen neben einander liegen-
den Dinge nicht wahrgenommen wird ('). Alle natürlichen oder künstlichen
Infusionen sind, meiner Erfahrung und Überzeugung nach, nur eine
Darreichung reichlicher Nahrung für alle zufällig in der Flüssigkeit
oder den infundirten Substanzen befindlichen organischen Wesen oder deren
Keime. Durch Zerfallen der organischen Stoffe im Wasser wird Nahrung
für Infusorien in ungewöhnlich reichlichem Maafse frei, und mit dieser tritt
in ebenfalls ungewöhnlich reichlichem Maafse ihre Fortpflanzung durch Eier
und Theilung ein. Die auch nicht selten vorkommenden Fälle , dafs in
stagnirendem Wasser und Infusionen keine Thierchen erscheinen , erkläre
ich mir dadurch, dafs zufällig kein Thierchen oder Keim in der Zusammen-
mischung war, welches die gegebene Gelegenheit, sich zu nähren und zu ver-
vielfältigen , benutzen konnte. Man hat, meiner eignen vielfachen Erfah-
rung nach, nicht in seiner Gewalt, durch gewisse Infusionen gewisse For-
men zu erzeugen, sondern eine genaue Specialkenntnifs und ein sorgfältiges
Studium der Formen zeigt, dafs es nur eine kleine Zahl sehr verbreiteter
Infusorien giebt, die in allen Infusionen, bald diese, bald jene, bald mehrere
gleichzeitig wiederkehren. Nur in die, der Luft zugänglichen, bestäuben-
den Infusionen kommen nach langer Zeit zuweilen seltnere Formen, so-
gar Räderthierchen, und diese mag der Luftzug, welcher den Staub hebt,
mitgehoben und eingestreut haben. Dafs aber aus einem einzigen Ei oder
lebenden Thierchen, welches sich in der Infusion zufällig befand, oder in
dieselbe gerieth, in wenigen Tagen und Stunden Millionen auf dem gewöhn-
(') Ich erinnere wieder an die vor nicht langer Zeit durch den geistreichen Naturforscher
Hrn. Agardh in den Actis Nat. Cur. 1820 mitgetheilten Beobachtungen über die Zauberkraft
der Vorticellen. Der ganze Zauber würde sich ihm sogleich aufgelöst haben, wenn er eine
stärkere Vergröfserung der Thierchen angewendet, und somit die Thätigkeit der Wimpern
derselben zur Anschauung bekommen hätte, wie sie jeder leicht sehen kann.
166 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
liehen Wege der Fortpflanzung durch Eier und Theilung entstehen können,
habe ich bereits früher, directen Erfahrungen aus Experimenten zufolge,
angezeigt.
Ich schliefse mit den Worten des durch die unvollkommene Beobach-
tung der Pflanzengattung Saprolegnia zu einer weit verbreiteten, aber irrigen
Theorie verleiteten, höchst geistreichen und tief denkenden Vertheidigers
der alten Generatio spontanea, Needham, mit welchen ich anfing : „Alle
Naturforscher werden eingestehen, dafs, je zusammengesetz-
ter die organischen Körper sind, desto geringer die Furcht sein
darf vor einer mutterlosen Zeugung bei ihrer Entstehung" (').
(') a. Aus dieser Darstellung so wenig als aus meinen früheren Miüheilungcn kann her-
vorgehen, dafs ich eine rohe Panspermie oder Einschachtelung gegen die Generalio spon-
tanea und Entwicklung der Organismen hervorliehen wollte, obschon ich die bisherige Idee
von der Generalio spontanea unhaltbar glaube. Es scheint mir ein dritter die Panspermie
an die Generalio primaria, als Schöpfung der gegenwärtigen Ordnung, anknüpfender Weg
der Erklärung möglich, auf welchem Needham schon einige richtige Schritte gethan hat,
von dem er aber durch die unglückliche Verwechselung der Algensaamen mit Infusorien und
durch Buffons falsche Idee der kleinen Automaten abgeleitet worden ist, von dem auch die
sehr fern sind, welche in etwas bequemer Amphibolie nicht beweisen, sondern meinen, dafs
die Organismen durch Urzeugung und Eier sich gleichzeitig fortpflanzen. Warum sollen
diefs nur kleine, schwer sichtbare, Organismen thun, die gröfseren aber, bei denen man sich
klar überzeugen könnte, davon ausgeschlossen sein? Naturgesetze verstecken sich nicht, son-
dern, einmal ausgesprochen, treten sie aller Orten klar entgegen. Dafs die Zeugung aber
keine Erschaffung ist, lehrt auch eine gröbere Anatomie als die der kleinsten Organismen.
Ich hoffe diese mehr theoretische Darstellung, nachdem ich erst die dazu gehörigen begrün-
denden Beobachtungen vollständig mitgetheilt haben werde, späterhin folgen lassen zu kön-
nen, denn ich halte alle solche Theorieen für viel weniger wichtig als die Feststellungen des
Materials, worauf sie sich gründen können, und woraus sie, sobald dieses einmal fessteht,
jeder leicht entnimmt, während die geistreichen Theorien durch Trugschlüsse oft Jahrhun-
derte befriedigen und irren.
b. Ich füge hier noch einige Bemerkungen hinzu, welche ich am 24 s,en October 1833
der Akademie nebst Mittheilungen über die Structur des specielleren Organs der Seele vor-
getragen habe, die sich aber hier passender einreihen lassen.
Es ist in Berlin im October 1832 in den Jahrbüchern für wissenschaftliche
Kritik eine Becension meiner die Infusorien -Structur betreffenden Vorträge vom hiesigen
Professor C II. Schulz aufgenommen worden. Die von mir der Akademie vorgetragenen
Resultate werden darin vielfach bezweifelt, getadelt und hie und da als unrichtig dargestellt.
Ich glaube einer weitern Discussion über jene Einwürfe und Darstellungen, da sie nur Wie-
derholungen des schon Gesagten sein würden, um so mehr mich überbeben zu können, als
die genannte theoretisirende Kritik meinen auf Beobachtung ruhenden Darstellungen ganz
in der Richtung des kleinsten Raumes. 167
Hierauf gehe ich zur Darstellung weiterer, bisher unbekannter, or-
ganischer Verhältnisse der kleinsten Thierkörper über. Es ist mir nämlich
gelungen, aufser den bereits angezeigten Organen der Infusorien noch
1) Kauorgane, 2) einen grofsen Apparat von wahrscheinlich männlichen Ge-
schlechtsorganen, so wie 3) Secretion eines besondern lebhaft gefärbten,
vielleicht der Verdauung dienenden Saftes in eignen Behältern bei den ehe-
maligen Paramecien und Kolpoden zu erkennen. Ferner habe ich 5) deut-
liche Spuren eines dem Respirationssysteme sehr ähnlichen Organismus bei
vielen Räderthieren entdeckt und überdiefs 6) noch speciellere Beobachtun-
gen über das Verhältnifs des Nervensystems dieser letzteren gewonnen. End-
entgegenstrebt, die letzteren aber von anderen Forschern seitdem mehrseitig aufgenommen
und bestätigt worden sind. Natürlich kann nur derjenige Beobachtungen bestätigt finden,
welcher sie ebenso sorgfältig wiederholt, als sie angestellt wurden.
Im Jahre 1832 ertheilte mir die Akademie der Wissenschaften zu Paris mit Berück-
sichtigung derselben Mittheilungen ihre goldne Medaille für Entdeckungen in der Experimen-
tal- Physiologie, worin sich nach Herrn von Cuviers Abgange eine wiederholte Billigung
der vorgetragenen Thatsachen auch von Seiten anderer Mitglieder jener Akademie ausgespro-
chen zu haben scheint.
In einer zu Wien 1833 gedruckten Schrift des Professors Czermac, betitelt Bei-
träge zu der Lehre von den Spermatozoon heifst es pag. 15. „Auch ich verfolgte die Ent-
„wicklungsstufen und die Organologie der meisten von Ehrenberg untersuchten mikrosko-
pischen Thiere, bewunderte die treue Darstellung derselben, und könnte mich fast dafür
„aussprechen, dafs weder die Eichen dieser Wesen (noch die erwachsenen) — je durch he-
„terogene Zeugung entstehen." Er fügt hinzu: „diefs gilt aber nicht von den viel kleine-
ren Sphären als Monas Termo, welche wir durch Aufgüsse erhalten, und die, sich von
„dem Urschleim trennend, ohne weitere Entwicklung oder Enthüllung frei sich bewegen.'
Hiermit schiebt also Herr Professor Czermac die selbstständige Urmaterie und Generatio
spontanen aus dem Bereiche der Gröfseu von j^ Linie Durchmesser, wie ich es auch rieth,
hinaus an die letzte, zweideutige und unklare Grenze der Sehkraft, über die ein festes Ur-
theil nicht zustehen dürfte, am wenigsten ein so folgereiches. Pag. 14. sagt Herr Czermac
überdiefs, dafs die Körperchen von Urmaterie, welche er (mit Ausschlufs der von mir beo-
bachteten deutlich thierisch organisirten d.h. aller bisherigen Müllerschen Infusorien - Gat-
tungen !) auf eigene Verantwortung Infusorien nennt, ebenfalls oft kaum (also doch schon)
5555 Linie betragen, während die Magenblasen, welche ich bei Monas Tcrrno nachgewiesen,
oft um das Sfache kleiner sind, und diese doch aller Analogie nach Wände haben, welche noch
viel feiner sind, und mithin aus jenen Molekülen nicht bestehen können, die von ihm für Urma-
terie angesehen werden. An structurlose oder scheinbar organisirte Automaten und Maschin-
chen zu glauben, hat aber, wie schon erwähnt, noch mehr Schwierigkeit und Widerspruch.
c. Ob, was man in der Astronomie hier und da wohl für Bildungsmaterie neuer
Weltkörper hält, abgerissene Theile anderer oder Überbleibsel zerstörter Weltkörper sind.
löS Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifi grqfser Organisation
lieh 7) füge ich noch eine Diagnostik aller von mir neuerlich unterschie-
denen, selbst beobachteten Infusorienforinen hinzu.
II.
Von einem Schlundkopfe und Zähnen bei Magenthierchen.
In meinen früheren Vorträgen hatte ich als unterscheidendes Merkmal
der Klasse der Magenthiere von den Räderthieren auch den Mangel eines be-
waffneten und eines überhaupt ausgezeichneten Schlundkopfes bei den erste-
ren angezeigt, während in der Klasse der Räderthiere eine starke Bewaff-
nung eines bestimmten Schlundkopfes bei weitem überwiegend sei. Durch
oder in welcher andern Verbindung jene weniger bestimmt geformten unorganischen Mate-
rien-Anhäufungen mit den kugelförmigen Weltkörpern stehen, liegt noch eben so wenig
klar vor und zeigt dieselben Schwierigkeiten der Begründung. Ein in einer concentrirten
Auflösung entstehender Crystall zeigt, wie ich mir oft deutlich gemacht habe, sei er farblos
oder gefärbt (tief orangefarben wie saures chromsaurcs Kali, blau wie Kupfervitriol) nicht die
Kometenartige Gestalt eines Kernes mit trüber Um h üllung, sondern, obschon sein Ent-
stehen eine Verdichtung und Ansammlung der ihn bildenden farbigen Materie in seiner Nähe
a priori zu verlangen scheint, so sieht man ihn doch an seinen Rändern scharf begrenzt, ohne
Hof, und dabei wächst er sichtlich, so lange das wegen Feinheit oder Durchsichtigkeit un-
bemerkbare Material, welches aber doch das Wasser färbt, dazu vorhanden sein mag. Das
Wachsthum der Crystaile geschieht dabei in solcher Progression, dafs ein ■}:"' grofser cubi-
scher Crystall in 15 bis 20 Sekunden gewöhnlich seinen Durchmesser verdoppelt, und A'"
grofs wird, was bei kleineren und spiefsigen viel rascher geschieht. Dieses Wachsthum zeigt
sich allseitig, die Kanten und Flächen scheinen fortzukriechen. Es erinnert an die sichtbare
Anschwellung einer Blase die man aufbläst. Weil man kein Zutreten der Materie von aufsen
bemerkt, so erscheint dieses Wachsen ebenfalls wie ein Drängen von innen nach aufsen, ob-
schon die Richtung der Crystaile und die allniälige Abänderung ihrer Flächen das Ansetzen
der Materie von aufsen wahrscheinlich machen. Spiefsige Crystaile zeigen beim raschen
AVachsen eine Bewegung, die ganz der der Oscillatorien ähnlich ist. Besonders schien mir
bei diesen Beobachtungen noch merkwürdig, dafs im Wasser an der Oberfläche keine be-
deutende Strömung gegen den Crystall hin entsteht, indem kleine, durch die Verdunstung
bewegliche Theilchen (Staub) durch den Crystallisationsact nicht heftig gegen den neuen
Crystall, oft gar nicht bewegt werden. Es werden auch schon gebildete Crystaile von neu
entstehenden Nachbarn durch gröfsere Anziehung der jene bildenden Theile vollständig wieder
aufgezehrt. Bei Chlornatrium zerstörte die Bildung eines cubischen Crystalls
alle schon vorhandenen flacheren oder spiefsigen Crystallisati onsan fange
seiner Nähe und er vergröfserte sich durch die ihnen entrifsne Substanz
sichtlich in dem Maafse, wie jene abnahmen. Andere Cohäsion, andere Crystallform ?
in der Richtung des kleinsten Raumes. 169
Anwendung noch etwas stärkerer Vergrößerungen erkannte ich deutliche
Zähne hei dem gemeinen Lippenthierchen, Loxodes Cucidlulus {Kolpoda Cu-
cidlulus Müller), wie ich bereits mitzutheilen die Ehre hatte und schon in
meinem zweiten Beitrage zur Kenntnifs der mikroskopischen Organismen
(1S32, pag. 150.) nachträglich, so wie 1834 (Abhandl. d. Akademie, Phys.
Kl. p.433.) angezeigt habe. Hierdurch aufmerksam gemacht, habe ich die
Formen in grofser Zahl revidirt und habe dabei zwar nicht die Bewaffnung
des Schlundkopfes als einen vorherrschenden und allgemeinen Charakter
dieser Monadenklasse erkannt, allein ich habe 6 verschiedene polygastrische
Infusorienarten entdeckt, welche deutlich einen Schlundkopf und Kauappa-
rat zeigen.
Von diesen 6 Thierarten ist nur eine, die schon genannte und zuerst
beobachtete, eine bekannte Form ; alle übrigen sind noch nirgends verzeich-
net und auch von mir erst neuerlich aufgefunden worden. Sämtliche For-
men aber habe ich in diesem Frühjahr (1832) in sehr grofser Menge beob-
achtet. Rücksichtlich der Mund- und Afterstellung gehören die 6 zahnfüh-
renden Magenthiere in 2 verschiedene Familien, nämlich die derWalzen-
thierchen, Enchelia, und der Halsthierchen, Trachelina; rücksicht-
lich der äufseren Organe gehören sie 3 verschiedenen Gattungen an. Da es
mit dem Erkennen der Zähne bei diesen Formen der Magenthiere nicht die
Schwierigkeit hat, wie bei den Räderthieren, dafs man erst das Thier zer-
stören müsse, um ihre Zahl auszumitteln, so habe ich diese Bewaffnung des
Schlundkopfes, welche im äufseren Rande des Thieres liegt und oft hervor-
steht, mithin zu den äufseren Charakteren gerechnet werden kann, als einen
zu wichtigen Charakter angesehen, als dafs seine Anwesenheit oder Abwe-
senheit nur Arten einer und derselben Gattung sondern könnte. Vielmehr
habe ich nach gewonnener Überzeugung , dafs mehrere andere Arten der
Gattung Loxodes, Holophrya und Bursaria keinen Kauapparat besitzen, so-
wohl das Lippenthierchen Loxodes Cucidlulus als eine besondere Gattung
absondern zu müssen geglaubt, als auch die übrigen Formen, welche ihrer
Körperbildung zufolge theils zur Gattung Holophrya, theils aber zur Gat-
tung Bursaria gehören würden, wegen des Kauapparales von jenen entfernt.
Ich lühre daher diese gezahnten polygastrischen Infusorienformen unter den
Namen : 1 ) Euodon Cucidlulus, = Kolpoda, Loxodes Cucidlulus, 2) Nas-
sula ornata, 3) Nassida elegans, 4) Nassula aurea, 5) Prorodon nweus,
Phjs. Abhandl. 1833. Y
1 70 Ehrenberg: Beitrag zur Erketintnifs großer Organisation
6) Prorodon compressus auf. Besonders die drei Formen, welche ich unter
den Gattungsnamen Nassida vereinigt habe, sind in mehrfacher Beziehung
sehr interessante, bisher ganz unbekannte Thiere und gehören zu den schön-
sten der Infusorienformen.
Was die Form und Verbindungsart der Zahne bei den Magenthieren
anlangt, so ist letztere bei allen verschieden von der der Räderthierchen,
aber sehr übereinstimmend unter sich. Diese Zähne der Kolpoden und Bur-
sarien bilden nämlich einen Cylinder oder hohlen Kegel im Eingange des
Mundes und bekleiden die ganze innere Mundhöhle in dichter Reihe so, dafs
die Vereinigung der Zähne mit einer Fischreuse oder einem Fischkorbe ver-
glichen werden kann. Ebenso liegt sehr nahe die Ähnlichkeit mit dem Pe-
ristom der Moose. Die Form der Zähne ist fadenförmig oder haarförmig,
länger im Verhältnifs als bei den Räderthieren. Ihre vorderen Enden sind
überall stumpf und immer sind die Umrisse ihres Vordertheils bestimmter
und schärfer, oder härter, die des Hintertheils unbestimmter und weicher,
oder stumpfer; gerade so verhalten sich auch die Zähne der Räderthiere,
welche wieder sich an die Zähne der Entomostraca (Daphnia, Cjclops) leicht
anschliefsen. Bei Druck zwischen Glasplättchen, welcher die weichen Theile
der Thiere zerquetscht, sieht man auch hier die Zähne deutlicher; ein Zei-
chen, dafs sie härter sind als die übrigen Theile. Zu starker Druck zer-
quetscht Alles.
Rücksichtlich der Zahl der Zähne ist es sehr merkwürdig, dafs die-
dieselbe nicht kleiner ist als bei den Räderthieren, sondern ansehnlich grö-
fser. Bei keiner der bis jetzt bekannt gewordenen Formen fanden sich we-
niger als 1 6 Zähne , und bei der gröfsten , Prorodon compressus } fand ich
über 30, ohne die Zahl noch recht genau ermitteln zu können.
Euodon Cucidlulus hat 16,
Nassida ornata 26,
Nassida elegans 22,
Nassula aurea 20,
Prorodon niveus mehr als 20.
Die Feinheit dieser Theile und ihre nicht in eine Ebene ausgebreitete,
sondern cylindrische Vereinigung samt ihrem engen Beisammenstehen er-
schwert die genaue Beobachtung ihrer Zahl, denn dazu bedarf es nun der
günstigsten Lage des Thieres, in der die Mundöffnung genau dem beobach-
in der Richtung des Aleinsten Baumes. 171
-ö
tenden Auge zugewendet ist. Alle Seitenlagen bewirken, dafs man weniger
Zähne, oft nur die Hälfte sieht, weil dann immer mehrere sich decken.
Defshalb sind die von mir angezeigten Zahlen zwar die sicheren Maxima der
von mir gezählten Einzelheiten, sie könnten aber wohl um einige gröfser
sein, im Fall ich hie und da 2 sich deckende für einen gehalten. Jedoch
hahe ich die meisten mehrfach in der günstigsten Lage gezählt.
Die Thätigkeit des Schlundkopfes beim Schlingen ist nicht so grofs
wie bei den Räderthieren und hat ein anderes Verhältnifs. Sehr häufig näm-
lich steht während des Wirbeins der Thiere der Mund unbeweglich offen
und nimmt die zuströmenden Nahrungsstoffe nach Belieben auf, ohne sich
jedoch zu schliefsen und ohne zu kauen ; allein wenn gröfsere Körper ver-
schluckt werden sollen , tritt Zahnthätigkeit ein. Der Cylinder erweitert
sich erst vorn ansehnlich und nimmt so den Gegenstand in die Mundhöhle
auf; dabei erscheint er hinten enger, dann aber mit nach hinten fortrücken-
der Speise verengert er sich allmälig vorn, indem er sich hinten erweitert,
und zuweilen erscheint dann die vordere Öffnung der Zähne durch starke
Convergenz der Spitzen ganz geschlossen. Nicht selten machen die Thiere
diese Schlundbewegung, auch ohne dafs grofse fremde Körper in die Mund-
höhle aufgenommen werden. Ein wesentlicher Unterschied der Zähne bei
Räderthieren und Magenthieren besteht darin, dafs bei jenen dieselben nicht
vorn im Munde, sondern hinten im Schlundkopfe befestigt sind und von 2
Seiten gegen einander wirken, während die Magenthiere sie gleichsam mehr
wie eine Fischreuse, deren Form sie bilden, auch benutzen. Der während
des Wirbeins zur Aufnahme des herbeiströmenden Nahrungsstoffes offen
bleibende Mund erlaubt zwar ansehnlichen Monaden, durch die Zähne un-
gehindert bis in den Darm zu passiren, aber die hintere engere Öffnung des
Zahncjlinders erlaubt ihnen nicht, obwohl der Mund offen bleibt, so leicht
sich wieder heraus zu finden. Vielleicht bezieht sich auch das zuweilen
bemerkbare, scheinbar zwecklose, vordere Zusammenziehen des Zahncjlin-
ders auf ein inneres Gefühl des Thieres am Grunde desselben , als wolle
etwas lebend verschlungenes wieder heraus schwimmen, und auf den Zweck,
diefs zu verhindern ( 1 ).
( ) Auf Tafel IV. meines ersten Vortrags über die Infusorienstructur 1830 finden sich Lei
Figur 17 am Munde bereits 3 dunkle Linien an der Stelle und in der Richtung gezeichnet,
Y2
172 Ehre in" beug: Beitrag zur Erkenn tnifs großer Organisation
Benierkenswerth dürfte noch sein, dafs ich bei späterer Queertheilung
die Ausbildung eines ganzen neuen Zahnapparats bei Nassula ornata und ele-
gans beobachtet habe und dafs ich bei einem Individuum der ersteren auch
einmal eine Unregelmäfsigkeit im Zahnapparate wahrgenommen habe, welche
auf Vorbereitung zu einer Längstheilung schliefsen liefs; jedoch habe ich
bisher nie eine weiter fortgerückte Längstheilung bei derselben Art beob-
achten können. Die Regeneration des ganzen Mundes voll Zähne, eine sonst
so seltene Erscheinung, ist hier der gewöhnliche Lebensprocefs aller einzel-
nen Individuen, welche den inneren Trieb zur Vermehrung durch spontane
Theilung haben. Das Hintertheil, welches durch Abschnürung in der Mitte
sein Vordertheil mit dem Munde verliert, bildet sich selbst einen neuen
Mund mit Zähnen, und dann erst trennt es die fortschreitende Theilung
vollends los. Daher sieht man an stark eingeschnürten, noch nicht voll-
ständig getheilten Individuen schon immer 2 Zahncylinder, in jedem Theile
einen. Während einer Nacht hatten sich einmal viele Tags vorher von mir
sorgfältig untersuchte Individuen, an denen keine Unregelmäfsigkeit zu be-
merken war, durch crueere Abschnürung getheilt und alle Hintertheile hat-
ten ebenfalls einen Mund voll Zähne vollständig ausgebildet am folgenden
Morgen. Bei einigen noch nicht vollendet getheilten verfolgte ich damals
die Entwicklung und fand sie mit überraschender Schnelle fortgehend, so
dafs es mir schien, die ganze Theilung samt Ausbildung der 20 Zähne könne
zuweilen sich wohl innerhalb 2 Stunden vollenden.
III.
Von einem inneren, einfachen, doppelten oder mehrfachen, sehr
irritabeln, vielleicht männlichen Organensysteme der Magenthiere.
Obwohl ich Paramecium Aurelia } eins der gewöhnlichsten und be-
kanntesten Infusionsthierchen, in vielen Tausend Exemplaren und unzählige
Male bereits beobachtet, sogar seine individuelle Fortpflanzung einzeln ver-
wo ich später den ganzen Zahnapparat erkannte, was mit dazu dienen möge, zu erkennen,
dafs ich das Gesehene sorgfaltig aufzuzeichnen pflege und wohl oft zu wenig, aber gewifs
selten aus Irrthum zu viel gezeichnet habe. Übrigens ist in meiner Anzeige von 1834
pag. 437 durch einen Fehler das Thierchen Kolpoda Cucullus anstatt Kolpoda Cucullulus
{Loxodes Cucullulus) genannt.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 173
folgt hatte, so habe ich doch vor Kurzem erst ein doppeltes, grofses, inne-
res Organ bei ihm entdeckt, welches, wie mir scheint, kaum wichtiger für
seinen Organismus sein kann, als es für die Physiologie im Allgemeinen ist.
Es beweist augenscheinlich, dafs aufser dem Ernährungsapparate, dem Be-
wegungsapparate und dem weiblichen Geschlechtsapparate noch ein ander-
weitiger Organismus bei ihm vorhanden ist, welcher, da man ihn doch im-
mer mit den bekannten Systemen thierischer Organisation zu vergleichen hat,
weder dem bisher noch unbeobachteten oder undeutlichen Gefäfssysteme,
noch auch dem Nervensysteme angehören kann, sondern wahrscheinlich
dem Geschlechtssysteme angehört und der Selbstbefruchtung dient. Schon
seit langer Zeit hatte ich zwar beobachtet, dafs im Leibe der meisten poly-
gastrischen Infusorien einzelne Blasen sich oft schnell zusammenziehen und
verschwinden, nach einiger Zeit aber wieder ausdehnen. Da diese Blasen
den übrigen kleinen Blasen, welche sich mit Speise füllen und die ich später
mit gefärbter Nahrung sehr leicht anschaulich gemacht habe, oft ganz ähn-
lich und gleich waren, so hielt ich sie für Magen, welche das Thier etwa
willkührlich mit reinem Wasser gefüllt habe und abwechselnd leere, und
meinte, dafs vielleicht alle Magenblasen diese Fähigkeit besäfsen. So sind
auch in meinen früheren Abbildungen besondere durchsichtige Blasen neben
dem Darme zwar oft angegeben, aber nicht weiter ausgezeichnet worden;
nur bei Trachelius Anas waren sie so constant und grofs, dafs sie als zufäl-
lig besonders ausgedehnte, mit Wasser gefüllte Magen von mir in der Zeich-
nung ebenfalls hervorgehoben wurden (Vergl. meine Abhandlung von 1S30,
Tafel IV, Fig. 5.). Nur erst vor Kurzem lenkte ich meine Aufmerksamkeit
etwas bestimmter auf solche sich rasch zusammenziehende und wieder aus-
dehnende Blasen und fand, zu meiner Überraschung, dafs diefs nirgends
mehr als 3, meistens aber nur 2 in jedem Thiere waren und dafs dieselben
eine ganz feste Stellung im Körper hatten. Einmal aufmerksam darauf ge-
worden , untersuchte icb verschiedene Gattungen in mehreren Arten sehr
speciell danach und fand, dafs diese contractilen, Blasenartigen Organe we-
der je bei einem Individuum derselben Art, noch bei irgend einer, unter
günstigen Umständen untersuchten Art der verschiedensten Gattungen ver-
mifst werden. Diefs steigerte natürlich meinen Wunsch, etwas Näheres
über den Zusammenhang derselben mit dem Körper zu erkennen, und
da unter den gewöhnlicheren polygastrischen Formen Faramecium Aurelia
1 74 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
eine der gröfsten ist, so untersuchte ich viele Individuen dieser mit beson-
derer Aufmerksamkeit. Erst nach mancher vergeblichen Mühe erhielt ich
so ein überraschendes Resultat, dafs ich noch jetzt nicht begreife, wie es
möglich gewesen, etwas so Auffallendes so lange zu übersehen. Ich drückte
nämlich eine Anzahl derselben durch ein aufgelegtes Glasblättchen und da-
zwischen gelegte kleine Theilchen von feinen Confervenfädchen so, dafs die
letzteren ein allzu enges Anschliefsen der Glasflächen an einander verhinder-
ten und die Thierchen zum Stillliegen gezwungen und etwas breit gedrückt
wurden, ohne zerquetscht zu werden. Sogleich nach Anwendung dieser
Methode erhielt ich den gewünschten Aufschlufs. Ich sah alsbald von jenen
2 Blasen aus bis S, strahlenförmig nach allen Körpergegenden hinlaufende
Kanäle, welche sich langsam erweiterten, wenn die Blasen sich zusammen-
zogen und fast verschwanden, und die sich langsam verengten und zuletzt
verschwanden, wenn die Blasen sich erweiterten. Diese strahlenförmigen
Kanäle waren in ihrer Ausdehnung dicht bei den Blasen zwiebeiförmig er-
weitert. Wegen ihrer Beweglichkeit erschienen die ganzen Organe wie 2
kleine, helle, in den Körper der Pantoffelthierchen eingeschlossene Ophiu-
ren (Seesterne) und waren bei allen einzelnen Thieren ganz gleichartig zu
erkennen. Späterhin fand ich eine noch leichtere Methode, diese Organe
ganz deutlich wahrzunehmen. Ich nahm einen Tropfen, der mit recht vie-
len solcher Thierchen angefüllt war und entfernte dann so viel als möglich
das Wasser, während ich die Thierchen in der Mitte anhäufte, dafs sie nicht
mehr bequem schwimmen konnten. In diesem Falle wurden sie alle durch
ihre eigne Weichheit und Schwere viel breiter und zeigten die Contraction
und Expansion ihrer beiden grofsen strahligen Organe ebenfalls auf das
deutlichste. Ich habe ganz ähnliche contractile Organe in folgenden 24 Thie-
ren sehr verschiedener Gattungen und Familien deutlich beobachtet: 1) in
Amphileptus viridis , 2) Bursaria flava, 3) Bursaria Leucas , 4) Bursariaver-
nalis, 5) Euodon Cuculhdus, 6) Euplotes Charon, 7) Himantopus Charon,
8) Kerona pustulata, 9) Leucophrjs sanguinea, 10) Nassulaornata, 11) Nas-
sula elegans, 12) Nassula aurea, 13) Ophryoglena atra, 14) Ophryoglena
Jlavicans, 15) Ophryoglena nigricans, lö) Oxytricha pellionella, 17) Para-
mecium Kolpoda, 18) Paramecium caudatum, 19) Stentor Midleri, 20) Sien-
tor polymorphus, 21) Stentor niger, 22) Stylonychia Mytilus, 23) Trache-
iius Anas, 24) Urocentrum Turbo.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 1 75
Nur bei Formen von Paramecium und Ophryoglena habe ich aber die
mit den contractilen Blasen in Verbindung stehenden strahlenförmigen Ka-
näle deutlich erkannt, die auf den ersten Blick zeigen, dafs beide Organe eine,
fast den ganzen Körper einnehmende Verbreitung haben und von gröfster
Wichtigkeit für den Organismus sein müssen. Ich habe darüber noch fol-
gende Bemerkungen gemacht.
Es giebt bei den 24 von mir beobachteten Thierformen wesentliche
Verschiedenheiten in diesem neuen organischen Systeme. Theils liegen sie
in der Zahl, theils in der Stellung der Centralpunkte desselben. Bei Para-
mecium Aurelia und caudatum } Leucophrys sanguinea } Trachelius Anas,
Bursaria vernalis und Stentor Mülleri giebt es 2 Centralpunkte dieses Sy-
stems, einen in der Mitte der vorderen Körperhälfte, den andern in der
hinteren. Bei all diesen Formen {Stentor ausgenommen) habe ich sehr häufig
spontane Queertheilung beobachtet, und bei derselben bleibt jedesmal einer
der Centralpunkte dieser strahligen Apparate in jeder Hälfte, gleich als ob
sie dazu doppelt wären, um keinem Theile zu fehlen. Ja ich habe sogar
bei einigen Infusorien bemerkt, dafs zu manchen Zeiten -4 solcher Central-
punkte sichtbar sind, während zu andern Zeiten bei derselben Thierart nur
2 existiren ; dann sind je 2 in einer Körperhälfle und dann habe ich beob-
achtet, dafs dieses nur bei solchen Formen eintritt, die aufser der Queer-
theilung auch einer Längstheilung fähig sind, so dafs dann wieder bei der
Längstheilung jede einzelne Hälfte ihr vorderes und hinteres Centralorgan
behält. In diesem Falle ist namentlich oft Paramecium Aurelia. — Bei Pa-
ramecium Kolpoda giebt es ebenfalls 2 contractile Blasen, beide aber dicht
neben einander, fast in der Mitte des Bückens. — Bei Euodon Cuculhdus
sah ich 3 solcher Blasen, 2 nämlich zu beiden Seiten des Zahncylinders und
eine in der hintern Körpergegend, ohnweit der Erweiterung des Darmes am
After (Kloake). Ich bemerke, dafs auch dieses Thierchen sehr häufig spon-
tane, sowohl Queertheilung als Längstheilung eingeht.
Einfache contractile Blasen sah ich bei Kerona pustulata im vorderen
Körpertheile, bei Oxytricha pellionella in der Mitte, bei Stylonychia Mytihts
in der Mitte, bei den 3 Arten von Nassida in der Mitte, bei den Ophryo-
glenen vorn, bei Urocentrum Turbo und Euploles Charon, so wie bei Jh-
mantopus Charon, im hintern Körpertheile.
176 Ehrenberg: Beitrag zur Erhenntnifs großer Organisation
Dafs verschiedene Species von einerlei Gattung ein anderes Verhält-
nifs hierbei haben, beobachtete ich wohl hie und da ; so zeigten Bursaria
vernalis 2, Bursaria Leucas und flava nur eine, und Bursaria spirigera gar
keine Blase deutlich ; ebenso sah ich nur eine in Stentor polymorphus f 2 aber
in Stentor Mülleri; allein ich habe sie bei mehreren dieser Thierchen zu-
weilen lange vergeblich gesucht und zuletzt doch deutlich beobachtet. Zu-
weilen bleiben sie lange in der Contraction, wo sie unsichtbar werden und
man mufs daher dieselbe Art öfter beobachten und nicht rasch aburtheilen,
sonst irrt man sich leicht.
Wichtig erschien mir noch ein anderer Umstand, nämlich die Anwe-
senheit eines rundlichen, weniger durchsichtigen Organs in der Nähe der
contractilen Centralblase bei einigen einblasigen Formen und bei den drei-
blasigen Lippenthierchen , welches ich mit derselben in Verbindung ver-
muthe. Bei Euodon Cucullulus findet sich nämlich in der Mitte des Leibes
ein eiförmiger, trüber, von Farbe weifser, ziemlich grofser Körper, und ein
ganz ähnlicher existirt in allen Individuen der Nassula elegans. In beiden
ist seine Stellung etwas schief. Dagegen ist ein gleichartiger, mehr kugel-
förmiger, ansehnlicher Körper dicht an der contractilen Blase bei Nassula
ornata und aurea. Aufser bei diesen 4 Formen habe ich ihn noch nirgends
weiter erkannt (').
Zur Deutung dieses bisher ganz unbekannten organischen Systems,
welches sich von dem Reproductionssysteme der genannten Thiere, wie man
bei den sehr leicht zu bewerkstelligenden Anfüllungen der Nassula elegans
mit Indigo sieht, ganz scharf unterscheidet , habe ich bei mir folgenden
Versuch gemacht.
Es ist der natürliche Weg, dafs man bei Ungewifsheit in der Bestim-
mung vorliegender Organe die in der Organisation zunächst stehenden Ab-
theilungen und Gruppen der übrigen Organismen befragt und sich umsieht,
ob bei ihnen ähnliche Organe in einer bestimmteren Verbindung und mit
(') Ganz neuerlich habe ich mich auch bei Paramecium Aurelia von seinem Dasein
überzeugt. Füllt man diese Thierchen stark mit Farbe an, so bleibt in der Mitte des Kör-
pers ein grofser, ovaler, durchsichtiger Fleck, ohne von gefärbten Magen gefleckt zu sein.
Betrachtet man diesen scharf, so erkennt man seine scharfen Umrisse und er erscheint dann
deutlich als ein, jenen übrigen ähnliches, nur weniger trübes, mehr durchsichtiges, besonde-
res Organ.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 177
einem bestimmteren Charakter vorhanden sind. Nach diesem Grundsatze
habe ich für rathsam gehalten, die Organe der den polygastrischen Infuso-
rien zunächst stehenden Räderthiere in Betrachtuns zu ziehen. Der auf-
fallende Charakter der beständigen langsamen Contraction und Expansion
der Centralorgane des sternförmigen Gefäfsapparates bei den Paramecien
schien mir besonders bezeichnend und leitend für die Function. Schon
längst hatte ich aber ein ebenfalls contractiles blasenförmiges Organ im hin-
tern Theile des Körpers vieler Räderthiere entdeckt und die Vergleichung
lag daher nahe, obschon das letztere nicht mit sternförmig verlaufenden Ge-
fäfsen in Verbindung steht. Ich habe diefs Organ bei Gelegenheit der Zer-
gliederung der Hydatina senta umständlich beschrieben und abgebildet. Es
steht in ganz deutlichem nächsten Zusammenhange mit den hodenartigen
Organen der Räderthiere und es schien mir die Function eines, beide Ge-
schlechtsthätigkeiten dieser hermaphroditischen Thiere im inneren Körper
vermittelnden Organs zu haben. Ich nannte es defshalb Ejaculationsor-
gan oder Schnellmuskel für den männlichen Saamen ('). Die Organisations-
verhältnisse der Magenthierchen sind nun zwar etwas verschieden von denen
der Räderthiere, allein nur so, wie alle verwandte Thierklassen es von ein-
ander sind. Ein grofser Unterschied liegt in der Eigenthümlichkeit der
weiblichen Geschlechtsorgane oder des Eierstocks. Bei den Räderthieren
ist der Eierstock beschränkt, zweihörnig und bildet nur wenige Eier auf ein-
mal aus ; bei den Magenthierchen ist die körnige Körpersubstanz (welche
ich bei Kolpoda CucuUus, als Lebensact, durch den After habe ausscheiden
gesehen und was ich daher für ein Gebähren von Eiern halte) durch den
ganzen Körper verbreitet und umgiebt überall den Darm mit seinen Blasen.
(') W r er die Structur der Schaalkrebschen, Entornostraca, (Daphnien oder Cjclops- Arien)
genau untersucht, wird bei ihnen einen ganz ahnlichen Organenbau finden, als er von mir
bei den Bäderthieren (Hydatina senla) dargestellt worden ist. Sie haben 2 gleiche, nicht,
wie Straufs angiebt, ungleiche Kiefer mit Zähnen, einfachem Darm, und die Mannchen ha-
ben 2 lange Hoden, wie die Weibchen einen zweihörnigen Eierstock. Auch der Bau und die
Farbe ihrer einfachen Augen (die Daphnien haben überdiefs zusammengesetzte Augen) und
deren deutliches Yerhältnifs zum Gehirn ist sehr ähnlich, so wie der Bau und die Form der
freien, deutlich gestreiften Bewegungsmuskeln. Nur sind die Bäderthiere nicht getrennten
Geschlechts, wie die Schaalkrebse, und haben kein pulsirendes Herz und keine deutlich sicht-
bare Blulcirculatiou, bleiben also immer den Entomostracis sehr unähnlich, auch im innern
Baue, obwohl sie ihnen darin naher als allen übrigen Formen stehen.
Phjs, Abhandl. 1833. Z
178 Ehren berg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Diese grofse Ausdehnung und verschiedene Einrichtung des Eierstockes
dürfte wohl auch eine verschiedene Form und Vertheilung der männlichen
Saamenorgane und des die hermaphroditische Befruchtung vermittelnden con-
tractilen Organs wahrscheinlich machen. So wie die sichtbare Eiermasse
bei den Magenthierchen sehr hervortritt und vorherrschend ist, so darf es
auch das männliche Befruchtungssystem sein, und wohl steht eine solche
Einrichtung mit der grofsen und schnellen Vermehrung dieser Thiere in rich-
tigem Verhältnifs. Auch scheint sich die Einfachheit des Ejaculationsorgans
bei den Räderthieren damit wohl zu vereinigen, dafs sie keiner Selbstthei-
lung unterworfen sind, während zu dieser den Magenthieren zukommenden
Eigenthümlichkeit der Selbsttheilung auch die Mehrfachheit ihrer vermit-
telnden Befruchtungsorgane recht passend erscheint. Vielleicht ist auch bei
den Magenthierchen die Duplicität jener contractilen Organe immer nur die
Folge einer inneren Vorbereitung zur erfolgenden oder beabsichtigten Kör-
pertheilung. Es scheint mir daher nicht allzu gewagt, wenn man die blasi-
gen oder sternförmigen contractilen Organe der Magenthierchen für Ver-
mittlungsorgane der inneren Befruchtung, für leitende Saamenorgane hält (*).
Der oben erwähnte dunklere Körper, der in der Mitte des Leibes bei meh-
reren Formen deutlich bemerkbar ist, könnte leicht geradehin der Hode
oder das Saamen bereitende Organ selbst sein.
Dafs die sternförmigen oder contractilen Organe mit Respirationsor-
ganen oder Herzen verglichen werden dürften, glaube ich nicht. Das letz-
tere defshalb nicht, weil ihre Bewegung zu langsam ist, während die Herz-
und Säftebewegung bei kleineren Thieren schneller und gleichförmiger zu
sein pflegt. Die Pulsation des Herzens der Daphnien u. s. w. ist, wie man sich
leicht überzeugt, bei weitem schneller; eben so ist die Saftcirculation in den
Distomen und Planarien viel geschwinder. Um aber hier an Respirations-
organe zu denken, scheint es mir auch nöthig, mehr von einem deutlichen
gleichzeitigen Gefäfssysteme zu wissen, als zu ermitteln bisher möglich ge-
(') Berücksichtigt man die convulsivische Bewegung der Saanienblasen, wodurch wir uns
in der Physiologie der Saugthiere die plötzliche Saanienentleerung erklären, so liefse sich
wohl auch ein passender Vergleich mit Leiden anstellen, allein die Saamenhlasen scheinen doch
auch meinen Beobachtungen zufolge reizbare Behälter des schon ausgeschiedenen Saamens zu
sein, was bei den contractilen Organen der Infusorien nicht deutlich sichtbar ist, und die
Idee, ab wären Saugthiere und Infusorien einander zu fremd, ist noch zu tief gewurzelt.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 179
'■•?
wesen, obwohl ich die Spur eines netzförmigen, sehr feinen Gefäfssystems
bei den Paramecien zu erkennen meine. Freilich ist aber noch gar nicht an
an eine Beobachtung des Säftelaufs zu denken, wo es sich um Zweifel an
der Existenz der Kanäle noch handelt, in denen sie statt finden könne.
Ich könnte mich begnügen, die Organe nachgewiesen zu haben, allein
ich glaube auch nicht zu irren, wenn ich meine, dafs die grofse Producti-
vität der Magenthierchen, die ich bereits früher durch Experimente ausge-
mittelt, auch einen ausgezeichnet hervortretenden Geschlechtsapparat wahr-
scheinlich mache. Darum bin ich geneigt, diese deutlichen einflufsvollen
Organe als für das Geschlechtliche thätig zu betrachten und weil die Eier-
stöcke klar vorliegen, auch die gröfseren Räderthiere den Hermaphroditis-
mus deutlich zeigen, so mögen die fraglichen Organe der kleinen Magen-
thiere wohl das männlich Geschlechtliche ebenso repräsentiren und üben,
wie die contractilen Blasen bei den Räderthieren es ohne Zweifel thun ; denn
sie hängen unmittelbar mit Organen zusammen, welche ganz die Form und
Lage der männlichen Saamenorgane von Daphnien und Cjclops haben.
Ich glaube hiermit eine Duplicität des Geschlechts bei den Magen-
thierchen zur höchsten Wahrscheinlichkeit gebracht zu haben, durch welche
ihre inneren Keimkörner ebenfalls höchst wahrscheinlich zu den wirklichen
befruchteten Eiern emporgehoben werden, dagegen die Wahrscheinlichkeit
ihrer Einfachheit verloren geht.
IV.
Über einen lebhaft violet und blau gefärbten Darmsaft der
Magenthierchen und dessen besondere Organe.
Ich habe bei den Räderthieren 2 ansehnliche drüsige Körper, welche
am Anfange des Darmes dicht unter dem Schlünde angeheftet sind, für Ana-
loga der Bauchspeicheldrüse gehalten und ihr Verhältnifs und sehr verbrei-
tetes, wahrscheinlich ganz allgemeines, Vorhandensein angezeigt. Wenn sie
zu diesem Zwecke, wofür ihre Lokalität und feste Verbindung mit dem
vorderen Darme, so wie ihre drüsige Structur sprechen, wirklich dienen,
so würde der Darmsaft aller bis jetzt bekannten Räderthiere, der Farbe
dieser weifslichen Organe gemäfs, farblos und hell, oder weifslich milchig
und etwas trübe sein. Von diesen bei den Räderthieren sehr bestimmten,
Z2
180 Ehren berg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
leicht sichtbaren Organen habe ich bei Magenthieren keine deutliche Spur
entdecken können; dagegen habe ich in diesem Frühjahre (1S32) einige mir
bisher nie vorgekommene Infusorienformen kennen gelernt, welche einen
überraschend schön gefärbten violetten Saft in ihrem Innern erzeugen, der
sich in den Darm ergiefst und die Excremente färbt, mit denen vereint er
ausgeschieden wird.
Es sind mir besonders 2 Formen vorgekommen, welche einen solchen
sehr lebhaft violetten Saft deutlich und schön zeigen, und bei einer dritten
Form, einer zwar anderen, aber doch ähnlichen Gattung, habe ich deut-
liche Spuren der Ausscheidung eines mehr röthlichen Saftes gefunden. Diese
3 Thiere sind von mir mit den Namen Nassula elegans, Nassula ornata und
Bursaria vernalis bezeichnet. Am deutlichsten konnte ich den zur Ausschei-
dung dienenden Organismus bei Nassula elegans erkennen und diesen will
ich daher hauptsächlich in seinen Einzelheiten vorlegen.
Im vorderen Körpertheile der Nassula elegans, auf der dem Zahncy-
linder des Mundes entgegengesetzten Rückenseite ( J ), befindet sich bei allen
jüngeren, noch nicht allzu blassen und abgelebten Individuen, deren ich
mehr als Hundert beobachten konnte, ein schöner violetter Fleck, welcher
unregelmäfsig, fast viereckig und ziemlich grofs, das heifst zuweilen fast von
der Breite des Rückens ist. Dieser Fleck besteht aus vielen kleinen, un-
gleich grofsen, violetten Kügelchen, oder vielmehr mit violetter Flüssigkeit
gefüllten, an sich farblosen Bläschen. Von dieser Stelle aus erstreckt sich
in der Mitte des Rückens ein einfacher perlschnurförmiger Kanal hin , in
dem die violette Masse weiter nach hinten rückt. Im letzten Drittheile des
Körpers erst scheint eine directe Verbindung dieses Kanals mit den Darm-
blasen oder den Magen statt zu finden, denn einerseits erscheint dort die
violette Farbe gewöhnlich nicht mehr so schön, sondern gemischt mit etwas
Fremdartigem, und oft (besonders bei den andern beiden Formen) sah ich
in denselben Blasen gleichzeitig Nahrungsstoffe, als Oscillatorien- Fragmente,
Bacillarien und dergleichen. Bei allen aber ging die violette Materie, zu-
weilen ohne Beisein deutlichen Nahrungstoffes, zuweilen gleichzeitig mit
(') Man kann diesen vorderen Kürpertheil der Nassula, obwohl er vorn über den Mund
hinausragt, nicht wohl Kopf nennen, weil sich der Darmkanal noch darin verzweigt; er ist
vielmehr ein Höcker, obschon die Körperform angenehm walzenförmig und regelmäfsig er-
scheint.
in der Richtung des kleinsten Baumes. 181
deutlichen Excrernenten, durch eine hintere Afteröffnung ab. Auch waren
immer die violetten Blasen im Hintertheil des Körpers gröfser, oft sehr grofs
ausgedehnt, und nicht selten habe ich das Entleeren der einen in die andere
und die dadurch bewirkte, sichtlich zunehmende Vergröfserung der andern
beobachtet. Gewöhnlich hatten die Thierchen das Ansehn , als hätten sie
sich mit einer violetten Substanz genährt oder wären damit gefüttert wor-
den, allein die Färbung war eine natürliche und ganz eigenthümliche. Der
Haufe von Bläschen im scheinbaren Nacken der Nassula elegans schien mir
die Absonderungs oder Bildungsorgane des Saftes selbst zu enthalten, indem
ich keine zu ihm hinführenden Gefäfse erkennen konnte, vielmehr in seiner
Nähe rings herum alles durchsichtig und farblos war. Sehr oft fanden sich
diese Nackenbläschen ganz allein ohne irgend ein andres violettes Bläschen
im Körper. Nur in 2 Fällen unter mehr als Hunderten sah ich auch diese
Bläschen farblos, allein die beiden Individuen zeigten eine allgemeine Leere
und Mangel an Schärfe und Spannung in allen Körperverhältnissen, was auf
Stumpfheit des Organismus und Abgelebtheit schliefsen liefs und wohl des-
sen Folge war.
Bei Nassula ornata und Bursaria vernalis, den beiden andern, einen
ähnlich gefärbten Saft zum Theil in grofser Menge absondernden Formen
habe ich eine solche bestimmte Ortlichkeit der Ausscheidung weder in der
Nähe des Mundes, noch an einer andern Stelle beobachten können, wovon
der Grund vielleicht darin liegt, dafs die Bereitungsorgane den spätem Be-
hältern an Gröfse, Form und Stellung allzu ähnlich sind. Ganz besonders
reichlich, mehr sogar als bei Nassula elegans, ist diese Saftbereitung bei
Nassula ornata } wo die Abwechslung der violetten Blasen, der grün und
braungelb gefüllten Magen und der lebhaft grünen Eier überraschend bunt
ist. Bei Bursaria vernalis ist diese Saftausscheidung weit mehr untergeordnet.
Man erkennt sie nur , wenn der Körper beim Eintritt des Wassermangels
seine mehrseitigen Stützpunkte verliert, sich abplattet und zerfliefst, oder
wenn man einen mäfsigen, nicht zerstörenden, aber abplattenden Druck an-
wendet. In diesen Fällen sieht man einzelne gröfsere Magenblasen mit Frag-
menten von Oscillatorien oder Bacillarien erfüllt und diese von einer bräun-
lich violetten oder röthlichen Flüssigkeit umgeben.
Diese violette Flüssigkeit, welche etwas zähe, fast öliger Natur ist,
schien mir zuweilen eine deutlich zersetzende Kraft zu äufsern, indem ich
182 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
nämlich in solchen Magenblasen, welche viel dieser Flüssigkeit und nur ein
kleines Stück eines Oscillatorien- Fragments enthielten, immer diefs Stück
mifsfarbig gelblich und zerspalten oder aufgelöst fand.
Eine andere Eigenthümlichkeit des farbigen Saftes möchte ich eben-
falls nicht unberührt lassen. Ich sah nämlich, dafs beim Zerplatzen oder
beim Excerniren der Nassula die schön violette Farbe sogleich mit ihrem
Eintritte in den umgebenden Wassertropfen schnell verschwand und jene
ganz farblos wurde, obwohl der ölige Tropfen sich nicht vertheilte. Eine
chemische Einwirkung des Wassers auf diese Flüssigkeit war, so oft ich auch
das Experiment wiederholte, nicht zu verkennen, und ich habe es mehreren
Freunden ebenfalls zur Ansicht bringen können. Um darüber gewisser zu
werden, setzte ich einige Thierchen auf kleine Oltröpfchen und beobachtete
ihr Zerplatzen beim Verdunsten des noch anhängenden Wassers. Sie brei-
teten sich bei diesem Experimente nicht so flach aus und waren mithin we-
niger klar zu sehen, allein einige male gelang es ziemlich gut und die Farbe
des Pigments blieb intensiv violet. Das blofse Abplatten der kuglichen Bla-
sen scheint die Farbenverdünnung ebenfalls nicht zu bewirken , denn eine
kurze Zeitlang sind sie beim Hervortreten zwar schon abgeplattet, aber noch
lebhaft gefärbt.
Rücksichtlich einer Analogie dieser Erscheinung im Allgemeinen
scheint es mir wieder nützlich und thunlich, auf ein ähnliches Verhältnifs
bei den kleinen Schaalkrebsen, den Entomostracis, hinzuweisen. Man sieht
nämlich sehr leicht und es ist schon längst beobachtet, dafs viele Individuen
zu gewissen Jahreszeiten und Lebensepochen gelbliche, braune, grüne, auch
lebhaft rothe Blasen in ihrer Körpersubstanz zerstreut führen, deren Inhalt
ich beim Zergliedern und Zercpietschen immer ölig gefunden. Bei den Daph-
nien hält Jurine diese Blasen für zum Eierstock gehörig, was sie aber nicht
sind, indem der wahre Eierstock von ihm schon als eine längliche Wulst
auf beiden Körperseiten richtig angegeben ist ; auch sind sie noch häufiger
bei Cyclops- Arten. Es scheint mir besonders interessant und merkwürdig,
dafs nicht blofs die Räderthiere, sondern auch die Bursarien -ähnlichen In-
fusorien manche Ähnlichkeit in ihrem Organismus mit den kleinen Schaal-
krebsen zeigen.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 1 8 J
V.
Von inneren kiemenähnlichen Organen bei den Räderthieren.
Schon oft hat man von den Respirationsorganen der Räderthiere ge-
sprochen. Schon vor Cuvier hielt Paula von Schrank die Räderorgane
defshalb für äufsere Respirationsorgane, weil sie durch ihren Strudel nicht
Nahrungslheilchen zuführten, sondern sie wegschleuderten, mithin zum Ein-
fangen derselben untauglich wären ( 1 ). Georg von Cuvier scheint sich
bei seiner Vermuthung jener Function der Räderorgane besonders noch auf
das Urtheil des ausgezeichnet sorgfältigen Beobachters Savigny gestützt zu
haben, welcher die Basis der Räder mit dem Kiemensacke der Ascidien ver-
gleichbar fand, so wie er denn die ganze Ansicht von der Structur der Rä-
derthiere von Savigny entlehnte. Jedoch hat dieser letztere, sonst sehr
scharfsichtige und wegen treuer Sorgfalt und Wahrheitsliebe höchst ach-
tungswerthe Gelehrte diese Verhältnisse nicht so richtig beurtheilt, als andre
Untersuchungen Herrn Cuvier vermuthen liefsen. Die Analogie mit den
zusammengesetzten Ascidien ist offenbar in vielen Beziehungen eine irrige.
Schweigger erklärte sich 1820 auf Seile 303 seines Handbuchs defshalb
gegen diese Deutung der Räderorgane, weil sie einen Kreislauf der Säfte
voraussetze, der nicht vorhanden sei. Er hielt sie daher vielmehr wieder
für Fangorgane, ohne jedoch Schrank's Gründe zu widerlegen. Bory de
St. Vincent hat 1828 im Dictiontiaire classique d'lüstoire naturelle, Arücle
Rolifere pag. 682 sich als kühner Vertheidiger der Respiration gezeigt, denn
er behauptet, freilich ohne es durch gründliche Untersuchungen zu befesti-
gen, die Räderthiere hätten eine ausgemachte Respiration, weil sie ein Herz
hätten, und die Räderorgane seien Analoga des Kiemen- Apparats. Seine
Worte sind sehr bestimmt : Les rotatoires (Räderorgane) forme's de cirres de-
(') Dieser Grund ist kein wichtiger und haltbarer Grund. Alle Thiere, schon Pferde,
Ziegen u. s. w., werfen, wenn sie viel geschnittenes Futter vor sich haben, eine Menge da-
von um sich herum und wählen gewisse Theile desselben zuerst. Wer die Räderthiere scharf
genug beobachtet, sieht deutlich, dafs sie, wenn sie hungrig sind, beständig schlucken; allein
der Strudel, den ihre Räderorgane machen, bringt so viel Nahrungstheilchen auf einmal an
ihren Mund, dafs sie immer nur einen kleinen Theil davon aufnehmen können; der gröfsere
Tlicil davon wird fortgeschleudert und immer wieder angezogen, bis er auch an die Reihe
kommt. Daher kommt jenes Abstofsen. Zuweilen wirbeln sie auch, ohne hungrig zu sein,
und dann wird alles Angezogene wieder weggeschleudert.
184 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
lies presentent de'ja la plus grande analogie avec l'appareil branchialj wie cir-
culation y est evidente, car un coeur s'j dessine. Si nos mojens de grossisse-
ment elaient suffisans } nous verrions sur chaque ciliure agile'e quelque ana-
logue du sang s'r venir mettre en communication avec l'air respirable. Dazu
fügt er pag. 683 : Ainsi les Rotiferes sont plus avances a cet egard que les in-
sectes, qui n'ont pas de coeur veritable, quelque fonction qu'on attribue a leur
vaisseau dorsal. Das was der Verfasser für ein Herz gehalten, ist, wo nicht
etwa der Schlundkopf selbst, der zitternde Kanal, welcher von der mittle-
ren Basis der Räderorgane auf der Bauchseite zum Schlundkopfe führt und
den eigentlichen Mundraum bildet, denn bei Indigofütterung bildet dieser
zitternde Theil eine blaue Linie, die Strafse zum Schlundkopfe. Alles
übrige Raisonnement beruht auf dieser unrichtigen Beobachtung.
Von einer anderen Seite hat ein sehr glücklich und fein untersuchen-
der Beobachter, Carus, nach seiner philosophischen Darstellungsweise eine
Respiration nicht blofs bei den Räderthieren, sondern bei allen wirbelnden
Infusorien als bereits feststehend gefunden und vertheidigt. Er sagt näm-
lich in seiner Abhandlung über die Entwicklungsgeschichte der Flufsmuschel
Nova Acta Naturae Cuviosorum XVI, 1S31, p.6l: „Allen vielfältigen äufse-
,,ren Beweggliedern liegt immer der eine nur unendlich metamorphosirte
„Begriff des Athemorgans oder der Kieme zum Grunde. — Allen Haut-
,, stellen, welche vorzugsweise als Athemorgan sich documentiren, nnd noch
„mehr also den mehr entwickelten Stellen oder den Kiemen, mufs die pri-
,,mitive Bewegung, nämlich die Oscillation vorzugsweise eigen sein. — Im
„niedrigsten Reiche der Thierwelt unter den Protozoen geben die Infuso-
„rien in den mannichfachsten Haarkränzen — ein deutliches Beispiel der
„obigen Anordnung. Die feinen, wie Glas durchsichtigen Fäden, welche
„bei Leucophrjs, Kolpoda, Vorücella } Lacinularia , Rotifer und anderen sich
„finden und durch ihre aufserordentliche schnelle Oscillation gewöhnlich
„die optische Täuschung wie von laufenden Fäden hervorbringen, gehören
„vollkommen in die Reihe dieser Gebilde."
Nach dieser auf die neueren philosophischen Principien gegründeten
Ansicht würde, verstehe ich recht, es zur Respiration keines Herzens und
Gefäfssvstems in allen Fällen bedürfen, sondern das Wirbeln der Infusorien
würde eine in sich vollendete Respiration schon sein, als Bewegung oder als
Attraction und Repulsion, was ich mir nicht so vorstellen kann, indem ich
in der Richtung des kleinsten Raumes. 1S5
Bewegung und Respiration auch bei den Infusorien scharf unterscheide ( ' )
und bei letzterer Thätigkeit eine besondere specifische Wirkung auf den Kör-
per erwarte, ohne welche eine Respiration nicht existirte.
Ich enthalte mich einer specielleren Untersuchung der verschiedenen
hierher bezüglichen Lehren und mache vielmehr auf einige reale Beobach-
tungen aufmerksam, die mir gelungen ist der Naturforschung zuzuwenden.
Schon vor mehreren Jahren bemerkte ich bei einigen Räderthieren,
besonders bei Bracluonus urceolaris, ein lokales Zittern an gewissen Stellen
des innern Leibes. Später, nachdem ich mich von dem Verlaufe der innern
freien Muskeln immer mehr überzeugt hatte, erschien mir diefs Zittern als
ein Vibriren einzelner Stellen der Muskelsubstanz, und ich legte keinen
Werth auf seine speciellere Betrachtung. In diesem Sinne erwähnte ich
auch schon dieser Beobachtung in meinem ersten Vortrage über die Structur
der Infusorien, 1830, pag. 49, wo ich mich folgendermaafsen ausdrückte:
„Kleine, lokale, zitternde Bewegungen, bald hie bald da, habe ich oft bei
, , Räderthierchen gesehen, halte sie aber für Muskel Wirkungen. — Auch sah
„ich zuweilen ein Fluctuiren zwischen den Organen in der freien Bauch-
„ höhle." Diese Beobachtungen sind es, welche damals keimten und all-
mälig zu einem neuen organischen System herangereift sind, das der ganzen
Klasse der Räderthiere anzugehören scheint. Eine neue grofse Form der
Gattung Nolommata hat mich in diesem Frühjahr (1832) vollständig über-
zeugt, dafs jene kleinen, lokalen, zitternden Bewegungen im innern Leibe
nicht blofse Muskelvibrationen sind, sondern von besondern Organen be-
wirkt werden, welche eine bestimmte feste Stelle haben und symmetrisch
geordnet sind. Ich zählte nämlich bei Notommata centrura, wenn ich sie
(') Übrigens darf ich nicht unterlassen, besonders noch darauf aufmerksam zu machen,
dafs das von mir sowohl in den Symbolis physicis, als in dem ersten akademischen Vortrage
über Infusorienstructur 1830 angegebene Wirbeln der Embryonen im Ei der Räderthiere,
welches auch von Herrn Carus und Herrn Rudolph Wagner beobachtet worden, eben-
falls nicht nothwendig, vielleicht nicht wahrscheinlich, einer Respirationsthätigkeit zu ver-
gleichen sein dürfte, indem ich sehr oft gesehen habe, dafs auch die Maxillen der Embryo-
nen im Ei sich gleichzeitig wie zum Kauen bewegen. Die Thierchen scheinen vielmehr in
der letzten Zeit des Eilebens sich schon auf das selbstständigere Leben ganz vorzubereiten
und die sie umgebende Flüssigkeit zum Theil durch Wirbeln anzuziehen und zu verschluk-
ken, wie letzteres auch die Embryonen der Säugthiere und Menschen thun, was aus dem den
ersten Excrementen (Meconium) beigemischten Wollhaar deutlich wird.
Phys. Abhandl. 1833. A a
186 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
vom Rücken besah, deutlich rechts 7, links 6 solcher zitternder, nie ruhen-
der, rundlicher Stellen, die in bestimmten Abständen einander gegenüber
standen. Genauere Betrachtung zeigte, dafs diese Stellen kleine, besondere,
gestielte Organe waren, die die Form von Notenzeichen hatten, deren Zit-
tern an der erweiterten Stelle durch Bewegung von je 3 kleinen Blättchen
oder Falten bestand, und bei Bewegungen des Thieres erkannte ich leicht,
dafs diese Organe mit ihrem verdickten Ende im Piaume der Bauchhöhle
frei fluctuirten, während sie mit dem Stiele an den Rand der beiden lang
keulenförmigen, geschlängelten Organe angeheftet erschienen, welche ich
an beiden Seiten der Hydatina senta für die männlichen Saamenorgane zu
erklären mich bewogen gefunden und bei denen ich jetzt noch überdiefs
einen Gefäfsapparat vermuthe, den ich jedoch über gewisse Spuren hinaus
noch nicht entwickeln konnte, obwohl die Anzahl von sichtbaren, zarten,
freien Fäden (Gefäfsen?) bei lokalen Ausdehnungen des Körpers zuweilen
sehr deutlich wird.
Der Gedanke, welcher mich beim ersten Erkennen jener kleinen zit-
ternden Organe zuerst erfüllte, war der an ein pulsirendes Gefäfssystem,
allein so viele Herzen anzunehmen bei so wenig oder vielmehr gar nicht sicht-
barer Circulation, schien mir nicht richtig, und so blieb ich eine Zeitlang
unschlüssig. Ich beobachtete nun andere Räderthiere, denn in einer frühe-
ren Zeichnung von Notornmata collaris hatte ich auch schon 4 solcher zit-
ternder Stellen besonders angemerkt, welche sich regelmäfsig gegenüber-
standen. Ich vermuthete daher, dafs sowohl diefs Thierchen, als auch Bra-
chionus urceolaris, bei dem ich solches Zittern zuerst wahrgenommen hatte,
diese Organe ebenfalls deutlich zeigen würden. So fand ich sie denn auch,
überdiefs aber bei Hydatina senta, Cycloglena Lupus und einer neuen gro-
fsen, der Notornmata centrura ähnlichen Form, welche sich durch seitliche
ruderartige Borsten auszeichnet: Notornmata Copeus. Da Brachionus ur-
ceolaris ein Schaal- oder Panzer -Räderthier ist und ich diese Organe auch
etwas später bei Euchlanis macrura fand, so sind dieselben in beiden Ord-
nungen und in den 3 Familien der Crystallthierchen (Hydatina), der
Mantelthierchen (Eiwhlanidola) und der Schild -Räderthierchen
(Brachionaea) nachgewiesen. Die Zahl der Gattungen, in denen sie bisher
beobachtet wurden, ist 6, die Zahl der Arten 8. Zu bemerken ist, dafs
ich aber nicht glaube, dafs nur diese genannten Formen, bei denen ich sie
in der Richtung des kleinsten Raumes. 187
bisher beobachtet habe, dieselben allein besäfsen, sondern ich habe be-
merkt, dafs ihr Erkennen oft viele Schwierigkeit hat. So habe ich sie zum
Beispiel bei der von mir mehr als hundertfältig sehr scharf untersuchten Hy-
datina senta nur mit der gröfsten Anstrengung und nachdem ich bereits so-
wohl in den Symbolis physieis, als in meinem ersten hier mitgethcilten Vor-
trage die detaillirtesten Structurverhältnisse in Kupferstich 2 mal bekannt ge-
macht hatte, entdecken können, während ich bei den früheren scharfen Un-
tersuchungen auch keine Ahnung davon erhielt. Jetzt kann ich sie auch bei
diesem Thierchen immer jedem, der sie kennen lernen will, sogleich zur
Anschauung bringen. Eben so mag die Beobachtung dieser Organe bei vie-
len, vielleicht allen andern Bäderthieren gewisse besondere Schwierigkeit
haben, deren Entfernung man erst der Natur ablernen mufs ( ] ).
Es ist eine natürliche Pflicht für den Entdecker eines Organs, dafs er
auch über dessen Yerhältnifs zum Organismus nachdenke und durch wech-
selseitiges Vergleichen einerseits für den bisherigen Kreis der Kenntnisse des
betreffenden Organismus die Schroffheiten der Einreihung seiner Beobach-
tung möglichst zu entfernen suche, andererseits aber für die Beobachtung
selbst sich dadurch zur gröfstmöglichen Umsicht anrege. So habe ich denn
versucht, auf folgende Weise diese Organe in einen Zusammenhang mit den
bereits erkannten zu bringen. — Ich bin durch diese Beobachtungen auf ein
anderes äufseres Organ von Neuem aufmerksam geworden, von dem ich frü-
her bereits Mittheilun°en gemacht habe, was ich aber als ein in seiner Func-
tion zweifelhaftes bezeichnen mufste. Diefs ist der Sporn im Nacken vieler
(') Später hatte ich wieder Gelegenheit, die Notommata clavulata (Tafel VIII.) zu un-
tersuchen. Ihrer Gröfse und grofsen Durchsichtigkeit halher vermifste ich bei ihr diese Or-
gane immer sehr ungern. Nach etwas angestrengter Untersuchung erkannte ich aber die-
selben in einem höchst eigenthümlichen Verh'altnifs, welches, wie mir scheint, ihre Function
als Respirationsorgane nur noch mehr befestigt. Sie sind nicht, wie bei den übrigen, an
die Saamenorgane angeheftet, sondern an ein eigenes, freies, ansehnlich dickes, sehr durch-
sichtiges Gefäfs. Ich zählte an diesem Gefäfse bis 30 kleine freie Keulen in einfacher ein-
seitiger Reihe, wodurch es den Kämmen der Skorpione ähnlich ist, welche diese unterm
Bauche tragen. Die kleinen Keulen samt den Gefäfsen sind jedoch so klein und so crystall-
hell, dafs sie fast nur bei der Bewegung, aber dann sehr deutlich erkannt werden, wenn sie
einmal aufgefunden sind. Es gelang mir nur ein solches kammformiges inneres Organ zu
erkennen. Vielleicht, da die Kölbchen so dicht und zahlreich sind, existirt nur eines. Auch
der Eierstock (Uterus) dieses Thierchens ist nicht zweihörnig. sondern einhörnig, so wie
ich denn auf seine vielfachen Eigenthümlichkeiten schon aufmerksam gemacht habe.
Aa2
1S8 Ehrenbeug: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Räderthiere. Dafs dieser Sporn, der mich früher als ein Reizorgan des Ge-
schlechtssystems ansprach, indem er eine dem Penis der einschaaligen Mol-
lusken ähnliche Lokalität und Form zeigte, nicht in Verbindung mit den in-
neren Geschlechtsorganen stehe, habe ich schon in meiner zweiten Abhand-
lung über die Infusorienstructur pag. 39 umständlich ausgesprochen, wes-
halb ich ihn auch nicht mehr Clitoris, wie früher, sondern Sporn zu nen-
nen vorschlug. Verbinde ich nun aber meine schon früher erwähnte und
seitdem immer anschaulicher gewordene Bemerkung einer Fluctuation in der
Bauchhöhle der Räderthiere mit dem griffeiförmigen unklaren Organe des
Nackens und mit den zitternden, notenförmigen , kleinen, blättrigen oder
faltigen, oder nur in diese Form contractilen Organen, welche reihenweis
an die Seiten des inneren Leibes angeheftet sind, so erscheint mir ein so
deutliches Respirationssystem, dafs ich mich nicht enthalten darf, diese Ähn-
lichkeit auszusprechen. Den Sporn im Nacken der Räderthiere halte ich
für einen S/p ho oder eine Respirationsröhre, die periodische Durchsichtig-
keit und Ausdehnung und das damit unregelmäfsig abwechselnde Zusammen-
fallen des Leibes fast aller Räderthiere halte ich für die Folge von einer will-
kührlichen Aufnahme von Wasser in die innere Leibhöhle, und die zu be-
obachtenden Fluctuationen im Innern wären dann die Bewegung dieses Was-
sers. Hat der innere Körperraum der Räderthiere sich durch
Aufnahme von Wasser ganz ausgedehnt, so erscheinen alle in-
nere Organe von einander gesondert und ihre Grenzen werden
deutlich erkannt; entleert sich der innere Raum von seinem
Wasser (was bei Hydatina senta sehr auffallend abwechselt), so nähern
sich die Organe, ihre Grenzen vermischen sich und die äufsere
Körperhaut erscheint faltig. Unter diesen erfahrungsgemäfsen Ver-
hältnissen dürfte es nicht allzu gewagt erscheinen, die im inneren Räume in
2 Längsreihen gestellten, musiknotenfö rangen, zitternden, scheinbar blätt-
rigen Körperchen für innere Kiemen zu halten, so lange nicht eine
noch schärfere Beobachtung des Details ihnen eine andere Function für den
Organismus mit Gründen zuerkannt haben wird , in welchem Falle dieser
Versuch vergessen sein mag. Die mehrfachen Herzen, welche nach Pre-
vost beim ChirocepJialus vorkommen sollen, verdienen noch eine speciel-
lere Würdigung und Vergleichung, sind aber nicht zweireihig, sondern hin-
ter einander liegende Anschwellungen, die wohl dem Rückengefäfse der In-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 1S9
secten näher stehen, wie denn die ganze Form dieses Entomostraci einer In-
sectenlarve gleicht, die, wie es Orthoptera und Hemiptera wohl thun, vor
vollendeter Entwicklung sich fortpflanzt ( J ).
VI.
Vom Nervensysteme der Infusionsthiere.
Es konnte wohl gewagt erscheinen, wenn ich die Anwesenheit einer
isolirten Nervensubstanz und eines dem Nervensysteme der Wirbelthiere und
Insecten ähnlichen Apparats bei Thieren anzugeben mich veranlafst fand,
denen man, gewissen früheren Beobachtungen und späteren Theorien zu-
folge, bisher alle Structur überhaupt abgesprochen hatte, oder doch nur
(') Die, aufser dem Herzen, wandlosen Gefäfse der Entomostraca und den Kreislauf hat
Gruithuisen zwar fleifsiger beobachtet als Straufs und die früheren, allein das Detail ist
noch nicht genau genug bekannt, auch nicht durch Perty's neuere Bemühung. Ich lege
hierbei einige abweichende, auch noch unvollkommene, Beobachtungen darüber nieder. Das
obere Herz der Daphnien hat auf dem Rücken, wie es mir scheint, eine ovale, sehr contrac-
tile, deutliche Öffnung mit einem Kranzmüskel oder verdicktem Rande in einer Queerfalte,
womit es beständig das Blut des mittleren Rückenkanals der Schaale , welches von hinten
nach vorn lauft, einschluckt. Die Contraction des Herzens treibt das Blut nach dem Kopfe
in 2 Strömen, deren jeder eine Seite des Gehirns berührt und zur Basis der Arme an de-
ren Innenseite geht, wo sich jeder derselben umbiegt, um in den Arm seiner Seite zu stei-
gen. Nur bis an die Verzweigung der Arme habe ich den Blutlauf verfolgen können. Die
beiden rückkehrenden Ströme der Arme setzen ihren Weg weiter, jeder in die Schaale sei-
ner Seite am Bauchrande nach hinten gerichtet fort. In diesen Schaalen breiten sich die
Ströme sehr auffallend aus und es scheint wohl, dafs die Innenseite der Schaalen die Func-
tion von Kiemen vertrete. Das Blut der Schaalen sammelt sich im obern Rückenkanale, von
hinten nach vorn strömend, um wieder vom oberen Herzen eingeschluckt zu werden. So
wären denn wohl die beiden Schaalen die Respirationsorgane für die Kopfcirculation. Uber-
diefs giebt es noch eine Bauchcirculation, die mir ganz abgeschlossen zu sein scheint. Ne-
ben dem rundlichen Kopfherzen nach hinten und innen liegt noch ein zweites Herz, welches
auch Gruithuisen schon erkannt hat, dessen Contraction in die Diastole des ersten fällt.
Auch dieses nimmt das rückkehrende Blut, aber des unteren oder inneren Rückenkanals, ohne
zu schlucken auf, und seine Contractionen treiben dieses in einen kurzen Queerkanal, dicht
an die Kauorgane. Dieser spaltet sich und läuft, nach hinten gerichtet, jederseits zu den
Kiemen und Füfsen und bildet Schlingen in ihnen. Wo diese aufhören, vereinigen sich beide
Strömungen und laufen als ein breiter Strom an der Innenseite des Schwanzes herab, bie-
gen dann beim After, von hinten nach vorn gerichtet, um, und bilden den Rückenstrom des
eigentlichen Leibes, welcher ins Bauchherz geht. Beide Herzen scheinen arteriell zu sein.
190 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
eine rudimentäre Structur zuerkannte. Da ich mich bisher mehr im All-
gemeinen über das Nervensystem der Infusorien, specieller nur bei Hyda-
tina senta darüber geäufsert habe , so will ich jetzt einiges weitere Detail
meiner, der allgemeinen Annahme zum Grunde liegenden Beobachtungen
vorlegen.
Die Nerven derjenigen Thiere, welchen man allgemein ein Nerven-
system zugesteht, pflegen sich vor den mehr gelblichen oder röthlichen Mus-
kelfasern und Gefäfsen, den mehr bläulichen, opalisirenden Sehnenfasern
und mehr durchsichtigen, wasserhellen Zellgewebsverbindungen durch weifs-
liche Färbung auszuzeichnen, allein um mit Überzeugung gewisse einzelne,
sehr zarte Fäden für Nerven zu erkennen, reicht dieser Charakter nicht aus,
der nicht einmal für die gröberen Nervenstränge ganz sicher ist. Ein oft
sehr leicht entscheidender Charakter liegt in den gewässerten und weifsen
Ziczac- Zeichnungen, welche durch die Contraction der Nervenfasern in den
Nervensträngen an der Oberfläche entstehen; aber auch dieser nützt nur
bei groben Bündeln und Strängen und läfst auch Täuschungen mit Sehnen-
bündeln (z. B. den Sehnen der Froschfinger u. dergl.) zu. Die galvanischen
Versuche auf Beizbarkeit haben ihre Grenze, sowohl der Ausführung als
der Überzeugung, bei einer gewissen Kleinheit der zu untersuchenden For-
men. Um mit Überzeugung zarte Nerven zu erkennen, hat man bisher kein
anderes Mittel, als das Verfolgen derselben bis zu ihren nächsten Haupt-
stämmen und deren directer Verbindung mit dem Gehirn oder unläugbaren
grofsen Ganglien und Sinnesorganen. Die mikroskopische Untersuchung der
Substanz der fraglichen Nerven und der Gehirne ist leider noch nicht weit
genug verfolgt worden und es scheint bei den selbstständigen mikroskopi-
schen Organismen in der Durchsichtigkeit der Nervensubstanz ein unüber-
windliches Hindernifs, theils für das Erkennen ihrer Existenz, theils ihrer
Structur zu liegen, und besonders um aus der Structur selbst Charaktere zu
entlehnen.
Was mich nun unter so ungünstigen Verhältnissen leitete, nicht die
fast allgemein verbreitete Meinung, als wäre die Nervensubstanz bei den
sehr irritabeln Infusorien mit den übrigen Körpersubstanzen innig vermischt
und gar nicht gesondert, anzunehmen, sondern gewisse Organe cler Infuso-
rien für Hirn und Nerven zu erklären, waren besonders 3 Gründe: 1) die
Existenz und mögliche Darstellung solcher, dem Gehirn und Nerven an Form
in der Richtung des kleinsten Raumes. 191
ähnlicher Organe, 2) ihre Anordnung im Körper, und 3) ihr sichtbarer Zu-
sammenhang mit den Augen.
Was den ersten Grund besonders anlangt, so ergab sich aus der Ge-
sammtzahl meiner Beobachtungen der speciellen Organe bei den Infusorien
und einer Vergleichung derselben mit denen der gröfseren Thiere, dafs
die Summe der Organisation bei beiden sehr ähnlich war. Es wäre lächer-
lich und unstatthaft, von Nerven und einem Nervensystem zu sprechen, wo
dieses das einzige Organ wäre, welches man in einem Körper beobachten
könnte, oder wo es etwa nur mit einer oder der andern Spur von Organi-
sation zugleich erkannt wurde, wie dieses leider wohl geschieht ; allein ich
hatte bei Räderthieren bereits
1) ein Ernährungssystem in seinen Einzelheiten vollständig entwickelt:
ferner hatte ich
2) ein doppeltes Geschlechtssystem in seiner ganzen und abgerunde-
ten Ausbildung erkannt und nachgewiesen, auch
3) eine bedeutende Ausdehnung eines Gefäfssystems mit Wahrschein-
lichkeit aufgefunden, und
4) innere freie Bewegungsmuskeln und Bänder in einer befriedigen-
den, der Bewegungsthätigkeit und den äufseren Organen angemes-
senen Verbreitung und Kräftigkeit erkannt.
Überdiefs aber sah ich im Körper der Räderthiere noch gewisse an-
dere Organe, deren Function zu keinem der genannten Systeme mehr erfor-
derlich war, oder deren Form dahin nicht pafste. Diese überflüssigen Or-
gane waren zweierlei Art, einige knotenförmig, andere fadenförmig oder ge-
mischt. Die Substanz der knotenförmigen erschien unter dem Mikroskope
äufserst fein körnig, und die fadenförmigen zeigten entweder eine ähnliche
feinkörnige Substanz, oder eine ganz gleichförmige, sehr durchsichtige. Bei
keiner der beiden Formen liefs sich eine innere Höhlung erkennen, obwohl
sie zum Theil einen verhältnifsmäfsig dazu hinreichend starken Durchmesser
zeigten. Zwei gröfsere der knotenförmigen oder cylindrischen, fast bei allen
Räderthieren leicht sichtbaren Körper dieser Art liegen dicht hinter dem
Schlünde am Anfange des Darmes (wo ein Magen ist hinter dem Magen-
munde, am Magen). Diese habe ich für 2 Drüsen erklärt, weil sie, ohne
Blinddärme zu sein, mit dem Darme eng verbunden sind, nie mit Speise
gefüllt erscheinen und allen Bewegungen des Darmes folgen. Beide sind
192 Ehrenberg : Beitrag zur Erkenntnijs großer Organisation
durch ein dünnes fadenförmiges Bändchen mit ihrem Vordertheil an die in-
nere Bauchwand geheftet und zuweilen im Innern hlasig. Diese Drüsen,
welche genau an der Stelle der 2 Blinddärme bei den Daphnien sind, habe
ich mit den Pancreasdrüsen verglichen. Nie sah ich dieselben mit gefärbter
Nahrung angefüllt, während jene Blinddärme bei den Daphnien sich sehr
bald, wie der Darm, färben, wie ich mich durch Experimente mit Indigo viel-
fach überzeugt habe (').
Andere bei den Räderthieren um den Schlundkopf liegende Knoten
habe ich für Nervenganglien gehalten, weil sie keinem der oben genannten
organischen Systeme innig verbunden oder nothwendig zugehörig erschie-
nen, aus einigen von ihnen aber mehrseilig zarte Fäden ausgehen, welche
weder eine einem dichotomischen Gefäfsverlaufe, noch dem sich bei der An-
heftung ausbreitenden Muskelverlaufe ähnliche Anordnung zeigen und bei
Contraction des Thieres nicht sich, wie alle Muskeln deutlich thun, zusam-
menziehen und mit Verkürzung dicker werden, sondern passiv gebogen er-
scheinen. Gefäfse, welche sich ebenfalls passiv zeigen würden, scheinen
diese Fäden defshalb nicht zu sein, weil in den stärkern von ihnen, ihres
ansehnlichen Durchmessers und ihres körnigen Innern halber, eine Bewe-
gung der Säfte sichtbar sein würde. Wollte man auch einige am Schlünde
gelegene Markknoten für die Function von Speicheldrüsen zurückhalten, so
konnte diefs doch nicht mit solchen geschehen, von denen deutliche Fäden
an andere Körpertheile als den Mund oder Schlundkopf gehen. Übrigens
sind auch die oben erwähnten Darmdrüsen für jene Function der Einspeiche-
lung schon sehr ansehnliche Organe. Da, wo sie, wie bei Brachionus, am
Magen sitzen, könnte man sie geradehin lieber Speicheldrüsen als Pancreas-
drüsen nennen. Da aber, wo kein Magen vom Darme gesondert ist, wie
bei Hydatina, würden sie beide Functionen gleichzeitig üben können.
Endlich finden sich mitten im Körper mancher Räderthiere einzelne
Knötchen, welche ganz frei zwischen langen, sehr feinen, einfachen Fäden
schweben und aus denen entweder diese zarten Fäden entspringen, oder in
welchen sich mehrere derselben , zuweilen nur 2, vereinen , oder endlich
(') Gruithuisen hält diese Blinddärme der Daphnien in seiner schätzbaren Abhandlung
über den Blutkreislauf der Daphnia sima (Acta Nat. Cur. XIV, 1828, pag.400.) mit Unrecht
für die Leber.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 193
durch welche sie nur verbunden werden. Diese kleinen, immer an dersel-
ben Stelle vorkommenden, freien Organe, welche bei Muskelbewegungen
des Thieres in passive Schwankungen und Ortsveränderung versetzt werden,
haben so deutlich die Form von Ganglien und Nerven, wie sie aus meinen
Darstellungen in der beiliegenden Tafel X. hervorgeht, dafs mir das Aner-
kennen dieses Charakters nicht gewagt erscheint.
Der zweite Grund, welcher mich bewog, den Infusorien Nerven,
nicht hypothetisch, sondern erfahrungsgemäfs zuzuschreiben, war die An-
ordnung der so eben als exislirend angezeigten Organe im Körper. Gerade
die gröfseren Markknoten, welche man ihrer Beschaffenheit halber geneigt
sein kann, für Nervenknoten und Hirnganglien zu halten, liegen um den
Schlundkopf herum in der Nähe des Mundes. Gerade da aber befinden sich
auch die allgemeiner anerkannten, leicht darzustellenden Nervenknoten bei
den andern Thieren, auch den verwandten Entomostracis, den Mollusken
und Würmern. Ganz damit übereinstimmend ist, dafs im übrigen Körper
sich eine einfacher strahlige Nervenverbreitung mit kleinen Ganglien unter-
mischt findet.
Der dritte Grund war gleich Anfangs für mich schon ganz überzeu-
gend, nämlich der, dafs ich einen directen Zusammenhang mit den am
Schlünde im Nacken liegenden markigen Knoten und den gewöhnlich ebenda
befindlichen, unveränderlichen, rothen Punkten fand. Ich habe diese ro-
then Punkte schon pag. 14 und 15 meines zweiten Vortrags über die Infuso-
rienstruetur 1831 mit mehreren wichtigen Gründen als Augen festzustellen
gesucht und will diese hier noch um einige vermehren. Ich hatte damals
besonders, neben der grofsen Verbreitung und festen Ortlichkeit, auf die
Ähnlichkeit der Form, Farbe und Stellung der Augen bei den jungen En-
tomoslracis der Cyclops- Arten aufmerksam gemacht, bei welchen Formen
man schon immer dieselben mit dem Namen der Augen ohne Anstofs belegt
hatte, weil die krebsartige Bildung und deutliche zusammengesetzte Structur
es mit vertheidigen halfen. Obwohl diese Analogie auch mich mit leitete,
so hatte ich aber noch besonders theils das Körnige der Pigmentsubstanz,
theils den grofsen Nervenknoten oder durchscheinenden Hirnknoten mit be-
rücksichtigt, auf welchem das Doppelauge des Cyclops sitzt und den ich von
andern bisher nicht angegeben gefunden. Viel leichter liefs sich aber diefs
Verhältnifs durch die Vergleichung der feineren Structur der Daphnien deut-
Phjs.Jbhandl.lS33. Bb
194 Ehrenberg: Beitrag zur Erkennlnifs grofser Organisation
lieh machen. Die Daphnien hahen (sämtliche mir bekannte Species) zweier-
lei Augen, wie die Fliegen. Die grofsen, zusammengesetzten, schwarzen
Augen sind nach Straufs durch 4, ich sehe aber 8, Muskeln (M. oculomo-
torü) beweglich, wie der Bulbus der Säugthiere ('). Bei diesen Augen sieht
man deutlich einen vorn abgerundeten, cylindrischen Fortsatz des Gehirns
als Nervus opticus, der sich vorn in etwa 10 feine Fäden fortsetzt, die un-
mittelbar zur mittleren Basis des facettirten Auges gehen. Der Nervus opti-
cus sitzt auf einem gröfseren, ebenfalls markigen Knoten. Von diesem letz-
teren geht in der Richtung des Stirnschnabels ein anderer dicker Fortsatz
ab, der gegen die Mitte der Stirn spitz ausläuft. Dicht hinter dem Ende
dieses markigen Fortsatzes befindet sich ein rother oder schwärzlicher, run-
der oder länglicher Fleck, dessen Farbe und Substanz den Augen der Rä-
derthiere gleicht. Diesen Fleck hat Jurine übersehen und auch Straufs
nur bei Daphina Pulex unvollkommen angedeutet, Schäffer und Gruit-
huisen haben ihn deutlicher angezeigt. Die Augen der C/clops-Arten ha-
ben gar keine Ähnlichkeit mit den zusammengesetzten Augen der Daphnien,
aber sind ganz überaus ähnlich dem kleinen Augenpunkte der Daphnien, den
man in Rücksicht auf jenes facettirte gröfsere Auge ein einlaches Auge zu
nennen berechtigt ist. Schon bei Schäffer sind die Hirntheile der Daph-
nien recht gut, und besser als bei Jurine beachtet worden, nur hat jener
dem Gehirn so viel Theile zu viel zugeschrieben, als der letztere demselben
entzogen hatte. Schäffer hat nämlich die vom unteren abgestutzten Stirn-
rande eingeschlossenen Tasterfüfse der Weibchen für einen dritten unteren
Hirntheil gehalten, und Jurine hat zwar die Taster erkannt, aber den mitt-
leren, das kleine Auge tragenden Hirntheil und dieses selbst übersehen.
Straufs hat den inneren Verlauf der Taster ebenfalls übersehen und nur
die hervorstehenden Spitzen erkannt und gezeichnet {Mein, du Mus.V, PI. 29,
Fig. 6, i. 1819.). Den Augennerven des einfachen Auges hat er bei einigen
Arten erkannt, nennt aber dieses Auge nur einen schwarzen Punkt oder
(') Gruitlmisen hat Recht, wenn er auch das zusammengesetzte Auge der Daphnien für
ein Doppelauge hält. Jede Hemisphäre hat 4 Muskeln, die unter sich nach hinten convergiren,
gegen den Bulbus hin divergiren, aher die 2 Bündel der je 4 Muskeln divergiren umgekehrt
nach hinten, heften sich neben der Insertion der vordem Armmuskcln an und convergiren
gegen den Bulbus des Doppelauges, wie 2 mit der Basis convergirende, mit den Spitzen
divergirende Kegel.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 195
Fleck (lache noire, point noir), obschon es dem Cjclops- Auge, welches er
Auge nennt, ganz gleich gebildet ist und den deutlichen Nerven hat. Auch
hat er seine Form bei allen Arten von Daphnia ziemlich gleich gezeichnet,
während ich sie bei den verschiedenen Arten sehr verschieden sehe. Übri-
gens ist die Farbe dieses einfachen Auges nicht schwarz, sondern ein zuwei-
len helleres, zuweilen dunkleres Roth. Wer diese Verhältnisse des Daph-
nien und Cyclops- Auges nur mit einiger Sorgfalt verfolgt, was schon unter
200 maliger Vergröfserung leicht geschieht, wird eben so vielen Grund fin-
den, diese Organe für Sinnesorgane, und zwar für Augen zu halten, als
es bei den einfachen Augen der Dipteren u.s.w. der Fall ist; dann aber
wird er eben so wenig an dieser Function der rothen Punkte bei den Räder-
thieren und übrigen Infusorien bis zu den Monaden hinab zweifeln. Solche
Zweifel sind nur die Folge von Unbekanntschaft mit dem Zusammenhange
und der Verbreitung dieser gleichen Organe in gröfseren Kreisen.
Dafs die Erkenntnifs des farbigen Pigmentfleckes der Erkenntnifs der
farblosen, durchsichtigen Augennerven vorausgeht, ist eine natürliche Sache,
und obwohl die letzteren zuweilen ibrer Feinheit und Durchsichtigkeit, oder
der Undurchsichtigkeit ihrer Umgebungen halber nicht erkannt werden, so
berechtigt dieser Mangel an Erkenntnifs keineswegs zu dem wissenschaftlichen
Schlüsse des wirklichen Mangels der Existenz dieser, wo jener deutlich ist.
Umgekehrt wird, auch beim Mangel eines rigmentfleckes , dennoch
die Lokalität und Form markiger Massen im inneren Kopfraume ein Gehirn
erkennen lassen , indem es schon bei den Säugethieren Formen giebt, bei
denen die Augen verkümmern und fast verschwinden, während das Gehirn
bei verwandten Formen nie diese Entwicklungsextreme berührt und aller Er-
fahrung zufolge viel wahrscheinlicher in der ganzen thierisch - organischen
Natur niemals fehlt. Die Gattungen Daphnia mit zusammengesetzten und
einfachen Augen, und Cjclops ohne zusammengesetzte, mit blofs einfachen
Augen , so wie der deutliche Zusammenhang dieser Augen mit dem Ge-
hirn, scheinen mir den Zweifel, welchen man bisher über die Natur der
schwärzlichen Pigmentstellen im inneren Kopfe mehrerer kleinen Thiere
hatte, ganz zu entfernen. Übrigens habe ich die Markknoten, mit welchen
die rothen Pigmentflecke bei den Räderthieren in Verbindung stehen , in
sehr vielen Fällen deutlich erkannt und in einigen auf den folgenden Tafeln
anschaulich gemacht.
Bb2
196 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Diefs sind die Gründe, warum ich den Infusorien Nerven, nicht hy-
pothetisch, sondern erfahrungsgemäfs zuschreihen zu können mich für
berechtigt halte.
Somit wären denn bei den Infusorien, als den kleinsten Körpern,
welche der menschliche Gesichtsinn überhaupt zu erreichen vermag, alle die
Systeme der Organisation, welche den Organismus des Menschen begründen,
nicht rudimentarisch, sondern theils augenscheinlich, theils mit der gröfsten
Wahrscheinlichkeit ebenso in sich vollendet, nur in andere Formen gestaltet,
aufgefunden und die thierische Organisation auf eine beim Menschen und
dem Räderthiere, ja der polygastrischen Monade gleiche Summe, einen ein-
zigen durchgreifenden Typus gewiesen. Wenn ich aber von Unendlichkeit
der Organisation im kleinsten Räume gesprochen habe, so war das nicht eine
leere oder gewagte philosophische Speculation, sondern darin fest begründet,
dafs ich, der scharfen Beobachtung, welche obige bisher unbekannte Re-
sultate lieferte, ungeachtet, kein Ende ersehen konnte.
Wenn andere da, wo diese Beobachtungen aufhören, an der Grenze
der Sehkraft, den Anfang eines neuen, einfacheren Reiches der Urmaterie
statuiren wollen, so tritt diese Thätigkeit, so weit bis jetzt unsere Prüfungs-
mittel reichen, heraus aus den Grenzen der Naturforschung in die der prü-
fungslosen Speculation und Poesie, die manchmal von einer grofsen indivi-
duellen Geistesgewandtheit zeugen und einen unterhaltenden Überblick gewäh-
ren kann, von welcher ich mich aber gegenwärtig eben zurückziehen wollte,
um nur das wissenschaftlich Begründete klar hervortreten zu lassen.
Ich theile noch in vorliegenden 86 Blättern die Zeichnungen und die
Beschreibungen von eben so viel von mir bisher noch nicht verzeichneten Infu-
sorien mit, welche die fortgesetzte Beobachtung an mich abgegeben hat ( J ).
( ) Die physiologisch interessanteren Formen sind auf den Leigehenden 11 Tafeln ge-
stochen worden und ich habe für wissenschaftlich vortheilhaft gehalten, auch alle die spater
von mir entdeckten Formen sogleich hier einzuschalten. Die Gesamtzahl beläuft sich da-
durch nun auf Hü Arten.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 197
VII.
Verzeichnifs und Diagnostik
aller neuerlich aufgefundenen, nach ihren Organisationsverhältnissen
untersuchten Infusorien.
I. Räderthiere.
1 . Anuraea inermis Nova species, Waffenloses Stutzthierchen.
A. testa oblonga, postice attenuata, truncata, antice rautica, carinis longitudina-
libus obsolete striata, glabra (nee tessellata).
Ich fand ein Exemplar dieses Thierchens am 27. März 1832 bei Berlin im Wasser
eines Torfgrabens. Es ist nahe verwandt mit A. acuminata, hat aber keine Hörnchen
am Stirntheile des Panzers. Das Individuum hatte den Ilintertheil der Schaalc schief ab-
wärts gegen den Bauch gebogen und war aus dieser Stellung nicht zu bringen, obwohl
ich es hin und her bewegte. Dabei wirbelte es und schluckte immer fort. Drei bor-
stige Stirnlappen und 2 seitliche Räderorgane waren deutlich vorhanden. Die Schaale
war fast 3 mal so lang als die vordere Breite beim Wirbelorgan. Im Innern erkannte
ich rundliche Muskeln des Räderwerks, ein blafsrothes, ziemlich grofses Nackenauge, einen
Schlundkopf und später bei dessen Druck 2 dreizahnige Kiefer mit freien Zähnen. Den
Schlund bildete eine sehr kurze, ziemlich tiefe Einschnürung. Der Darm schien einfach
conisch zum After zu gehen. Zwei deutliche, vordere, kleine, kugelförmige Darmdrü-
sen und im Eierstocke Anfänge von Eientwicklung.'
Länge der Schaale mit Abschätzung des umgebogenen Hintertheils -f!"-
2. Anuraea curvicornis N. sp. Krummhörniges Stutzthierchen.
A. testa areolata, subquadrata, cornubus frontalibus 6, mediis maioribus, apice
extrorsum ineurvis, lateralibus rectis, brevioribus, margine testae mentali ana-
lique laevibus, illo undato, hoc rotundato.
Ich fand zuerst 5 Exemplare dieses Thierchens am 21. Juni 1832 im Wasser des
Plötzensees bei Berlin.
Von oben gesehen ist die Schaale viereckig, nur wenig länger als breit, vorn mit
scharfen, hinten mit abgerundeten Ecken, Hintertheil meist ein wenig breiter. Die ganze
Oberfläche ist fein gekörnt oder punktirt. Hinten ist die Schaale ganz abgestutzt, glatt
und abgerundet, vorn sechshörnig. Von oben gesehen ist die Stirn vierhörnig, indem
die 2 seitlichen Hörner jederzeit als eins erscheinen. Diese sind gleich lang, nur wenig
nach aufsen geneigt, die mittleren sind doppelt so lang und an den Spitzen divergirend.
198 Ehrenbeug: Beitrag z ur Erkcn n tnifs großer Organisa tion
Der vordere Schaalenrand der Bauchseite (Kinnrand) ist glatt und wellenförmig so aus-
gerandet, dafs er in der Mitte gleichsam 2 breite, abgerundete Zähne zeigt. Von der
Seite gesehen ist die Schaale oben etwas gewölbt, unten concav, vorn viel dicker als
hinten, wo sie sehr flach zusammengedrückt ist. Am Hintertheile, auf der Bauchseite
der Schaale, ist ein Loch für die Darm- und Geschlechtsöffnung, ein Schwanz fehlt
aber. Die meisten trugen ein Ei am hinteren Ende der Schaale auf der Bauchseite an-
geheftet mit sich herum, umgekehrt wie die Brachionen, welche ihre Eier auf der Rük-
kenseite fuhren und deren Schaale hinten dicker ist als vorn. Das Räderorgan besteht
aus einem doppelten Wirbelkranze und aus einem einfachen, mittleren, mit Borsten be-
setzten, abgerundeten Stirntheile ohne besondere Griffel.
Von inneren Organen erkannte ich mit Deutlichkeit die Bewegungsmuskeln des Rä-
derorgans, ein grofses rothes Nackenauge, einen kugligen Schlundkopf, welcher beim
Drucke zwischen Glasblättchen 2 dreizahnige Kiefer mit freien Zähnen und einige trep-
penförmige (3-4) Schlundfalten zeigte. Ein sehr kurzer Schlund schied den einfach
conischen Darm, welcher mit gelblicher Speise erfüllt war. Zwei kuglige Darmdrüsen
waren am Anfange des Darmes sichtbar und der leere, mit einem einzeln ausgebildeten
Ei erfüllte Eierstock lag neben dem Darm im hinteren Körperraume. Mehr erlaubte
die durch den Panzer beschränkte Durchsichtigkeit nicht mit Deutlichkeit zu unterschei-
den. In einem ausgeschiedenen, mit einem Faden am Bauche angehefteten Ei sah ich
den Foetus sich deutlich bewegen, mit den Wimpern spielen und mit den Kiefern kauen.
Das rothe Auge war schon völlig ausgebildet. Die vorderen Hörner des Panzers wa-
ren umgebogen und der ganze Panzer war noch faltig und sehr biegsam.
Von Anuraea si/uamala unterscheidet sich dieses Thierchen durch gekörnten Pan-
zer und krumme Hörnchen. Panzerlänge fj'", Ei ^'".
3. Anuraea? valga N. sp. Ungleiches Stutzthierchen.
A. testa subquadrata, areolata, scabra, frontis cornubus 6, posticis duobus, dex-
tro longiore.
Am 5. April 1832 bei Berlin entdeckt. Ich fand die leeren Panzer von 10 Exem-
plaren mit ganz gleicher Bildung. Von der Structur des Thieres habe ich mithin mich
nicht überzeugen können, allein die sehr ausgezeichnete Panzerform pafst so gut zur Gat-
tung Anuraea, dafs ich keinen grofsen Zweifel in die Richtigkeit dieser Stellung setze.
Die Schaale ist mehr als -r.mal länger als breit, daher gestreckt etwas bauchig, hin-
ten etwas abnehmend. Die ganze Oberfläche ist mit kleinen Pünktchen gekörnt, rauh,
dabei ist die Rückenseite mit sechseckigen Feldern geziert, wie eine Schildkröte. Drei
Felder sind in der Mitte und ebenso viel zu jeder Seite. Die Stirn bat 6 Hörnchen,
ganz in der Form wie Anuraea curvicornis , 2 mittlere, längere, nach auswärts gebo-
gene und je 2 kleinere jederseits. Vom Rücken gesehen zeigen sich zuweilen nur 4
Hörnchen, wenn die seitlichen Paare sich decken. Der glatte Kinnrand ist leicht aus-
geschweift und hat in der Mitte einen tiefen, engen Spalt. Am Hintertheile des Pan-
zers sind 2 lange Hörnchen von ungleicher Gröfse, so dafs immer das rechte das längste
in der Richtung des kleinsten Raumes. 199
ist. Die relativen Längen dieser Hörnchen waren nicht überall gleich, aber Ungleich-
heit derselben fand überall statt.
Ob Müller's Brachionus quadralus diese Form samt Anuraea aculeata und Tes-
tudo umfafste, läfst sich nicht sicher entscheiden. Der Abbildung zufolge möchte jener
eine von allen diesen verschiedene, obschon verwandte Art sein. — Panzerlänge ^'".
4. Anuraea? octoceras N. sp. Achtkantiges Stutzthierchen.
A. testa subquadrata, compressa, glabra, cornubus anticis et posticis quatuor re-
ctis, mediis paullo longioribus, interdum parumper divergentibus.
Ich fand diefs Thierchen am 23. October 1832 in Seewasser der Ostsee von Kiel,
welches Herr Doctor Michaelis mir zu übersenden die Güte hatte. Es scheint eines
der Leuchtthierchen zu sein, deren nähere Bezeichnung in einem späteren Vortrage von
mir besonders statt gefunden hat, bei dessen Publication ich die Abbildung desselben
mittheilen werde. — Schaale ohne die Hörnchen bis a 'r'" lang, mit denselben Jg'".
5. Brachionus militaris N. sp. Bewaffnetes TVappenthierchen.
B. testa subquadrata, scabra. turgida, cornubus 14, frontalibus 6, mentalibus 4, ana-
libus 4, validis omnibus et flexuosis, mediis, posticis, inaequalibus, minoribus.
Am 10. Juni 1832 im Wasser des Plötzensees häufig, vermehrte sich an den folgen-
den Tagen in meiner Wohnung im Glase. Ich habe wohl 50 Individuen gesehen.
Schaale vom Rücken gesehen, ohne die Hörnchen, so breit als lang, an den Seiten
etwas bauchig, der Vordertheil etwas schmäler als der Hintertheil; von der Seite ge-
sehen etwa halb so dick als lang. Vierzehn Hörnchen bewaffnen die punktirte Schaale,
10 vorn, 4 hinten. Die beiden hintern seitlichen sind die längsten und etwas nach aufscn
gebogen, die 2 mittleren daselbst sind viel kürzer und ungleich, enden die kurze Schwanz-
röhre der Schaale und von ihnen ist immer das rechte das gröfsere. Von 6 Stirnhörn-
chen sind die 2 mittleren die längeren, etwas nach innen gekrümmt, aber mit den Spitzen
divergirend; die Spitzen der ihnen zunächst stehenden convergiren etwas, die seitlichen
sind etwas nach aufsen gebogen. Der Kinnrand des Vorderrandes hat 4 fast gleich
grofse Hörnchen, von der Gröfse der äufsern Stirnhörner.
Das Räderorgan besteht aus 2 wirbelnden Rädern an den Seiten des Kopfes, wäh-
rend 3 Stirntheile mit Borsten und Griffeln die Mitte einnehmen und mehr als Tast-
organe erscheinen. Jeder seitliche Stirntheil führt einen oder 2 gröfsere Griffel als
die Wimpern sind. Am Grunde zwischen den beiden mittleren Stirnhörnchen sieht man
auf der Rückenseite während des Wirbeins den kurz cylindrischen, abgerundeten Sporn
hervorragen. Hinter den deutlichen rundlichen Muskelparthieen des Räderorgans liegt
dicht unter dem Sporn der grofse Hirnknolen, welcher ein grofses rothes Auge trägt.
Daneben nach hinten liegt zunächst der Schlundkopf, fast kugelförmig, breiter als dick,
mit 2 fünfzahnigen Kiefern und jederseits 3 deutlichen, treppenartigen Schlundfalten.
Ein sehr kurzer, enger Schlund verbindet den Schlundkopf mit dem Darme, welcher,
einfach conisch, auf der Basis des Schwanzes in die Analöffnung ausläuft. Am Anfange
200 Ehrenberg: Beitrag zur Erkeniilnifs großer Organisation
des Darmes, dicht hinter dem Schlundkopfe, sind 2 grofse, fast kugelförmige, kurz ge-
stielte Drüsen, in deren jeder eine rundliche Blase war. Einen grofsen Theil der Bauch-
höhle füllte ein starker Eierstock aus und in der Nähe der Afteröffnung an der Schwanz-
basis erkannte ich deutlich das contractile Ejaculationsorgan. Schwanz dreigliedrig, mit
kleiner Endzange und deutlichen 2 Muskeln in der Basis. Innere Muskeln, Kiemen u. s. w.
liefsen sich wegen der etwas störenden Dicke des obwohl durchsichtigen , aber doch
rauhen Panzers nicht deutlich erkennen. Bei vielen Individuen fanden sich anhängende
Eier zwischen den Hörnern des Hintcrtheils, an Fäden befestigt. In mehreren Eiern
erkannte ich Foetusbewegungen, ein deutliches rothes Auge, den kauenden Schlundkopf,
die Bäderorgane in wirbelnder Bewegung und sah die Hörnchen des Panzers weich
und umgebogen schon gebildet. Die Hörnchen der Jungen glichen an Form und Zahl
denen der Alten. — Länge des Thierchens bis ^j"', Ei gj'".
ö. Brachionus Midleri N. sp. Müllers Wappenthierchen.
B. testa ovata, glabra, turgida, ecorni, margine frontali obluse 6 dentato, mentali
truncato, recto, ter leviter inciso, apertura testae anali leviter et obtuse bi-
dentata.
Ich fand diefs Thierchen im August 1833 häufig im Wasser der Ostsee bei Wismar
auf einer kleinen Insel, welche der Wallfisch heifst, in einer salzigen Lache.
O. F. Müller hat ein dem B. urecolaris nahe verwandtes Tbierchen der Ostsee als
B. plicatilis beschrieben und abgebildet. Mit jener Abbildung hat diese Art wenig Ähn-
lichkeit, obschon die stumpfen Stirnzähne des Panzers, welche jenen vom B. urecolaris
unterscheiden sollen, auch bei diesem charakteristisch sind. Weichheit und gestreckte
Form passen nicht auf die neue Art. Besonders ausgezeichnet ist diese letztere durch
mehr durchsichtigen und glatteren Panzer, so wie durch die gabelförmige Gestall der
2 Darmdrüsen. Auch die Form der Kiefer, die dem Beile einer Hellebarte gleicht, ist
eigenthümlich. Die Kinnseite des vorderen Panzerrandes ist ohne Zahnung, hat aber
3 kleine Einschnitte, während bei B. urceolaris nur einer ist.
Die eiförmige, weniger zusammengedrückte Schaale ist nach hinten zu am breitesten
und hat bis an den Stirnrand stets convergirende Seitenränder. Sechs breite, abgerun-
dete, mit einer kleinen Spitze ausgezeichnete Zähne bilden den Stirnrand. Die sehr
kurze Schwanzröhre des Panzers hat 2 stumpfe Vorsprünge, die etwas ungleich sind.
Der lange, ziemlich der Panzerlänge gleiche Schwanztheil bat an seinem Ende 2 län-
gere Zangentheile als bei B. urceolaris. Ein doppeltes gewimpertes Bäderorgan, 3 mitt-
lere abgerundete Stirnlappen mit Borsten besetzt und dazwischen 2 längere Griffel, so
wie bei der Seitenlage ein dicker, zwischen den beiden mittleren Zähnen des Stirnran-
des durchgeschobener Sporn (Bespirationsröhre?) zeigen sich beim Ausstrecken des
Thieres.
Innerlich erkannte ich deutlich 4 vordere gerundete Muskelparthieen für das Bäder-
organ, zwischen denen ein an Form ihnen ähnlicher, grofser Hirnknoten mit einem hin-
ten angehefteten, ansehnlichen, rothen Auge war. Überdiefs 2 vordere Seitenmuskeln
in der Richtung des kleinsten Raumes. 201
von der Mitte des Stirnrandes nach der seitlichen Panzermitte verlaufend und liier sich
erweiternd angeheftet. Eben so viel hintere Seitenmuskeln von der Schwanzbasis zu
derselben Insertionsfläche der vorderen gerichtet. Zwei lange cylindrische Schwanz-
muskelu für die Zangenbewegung. Dicht hinter dem rothen Auge ein starker, fast ku-
gelförmiger Schlundkopf mit 2 fünfzahnigen Kiefern und Schlundfalten. Ein kurzer, en-
ger Schlund, ein einfach eingeschnürter Darm, 2 kurze und breite, zangenfürmige Darm-
drüsen, Eierstock, contractile Saamenblase und 2 seitliche, fadenförmige Hoden liefsen
sich unterscheiden. Viele Individuen trugen an der Schwanzbasis auf der Rückenseite
1-4 Eier mit sich. Die Jungen im Ei waren zum Theil schon ganz entwickelt und
den Alten gleich, sobald sie aus der Schaale krochen. Körperlänge %'", Eilänge ^'".
Bei Contraction sah ich am Stirnrande noch einige sonst versteckte krumme Borsten
oder Wimpern. Ein Individuum war noch während seines Lebens mit Monaden
erfüllt, welche mithin wahre Entozoen vorstellten, Infusorien in Infusorien.
Ich habe diefs Thierchen über einen Monat lang in Berlin im Ostseewasser lebend
erhalten und es pflanzte sich kräftig fort.
7. Brachionus poljacanthus N. sp. Dorniges Räderthierchen.
B. testa subquadrata, antice attenuata, glabra, utrinque cornuta, frontis cornubus
4, menti dentibus 6, cornubus caudalibus 5 ; lateralibus caudae cornubus di-
midia testa longioribus, rectis.
Am 7. Juni 1S32 im Wasser des Plötzensees bei Berlin entdeckt.
Diese Form mag wohl oft mit Brachionus Bakeri verwechselt worden sein. Schaale
ohne die Stacheln so lang als breit, vorn etwas schmäler als hinten, Seiten flach ge-
wölbt, vorn und hinten mit 15 Hörnchen und Zähnen besetzt. Der Stirnrand hat 4
grofse Hörnchen, deren 2 mittlere genähert und fast gerade, deren 2 seitliche aber ab-
stehend und nach aufsen gebogen sind. Der Kinnrand hat 6 Zähne, zu 3 seitlich ge-
stellt, während die Mitte glatt ist. Die äufsersten Zähne sind die gröfsten. Am Hin-
tertheile des Panzers gehen die beiden Ecken in 2 sehr lange, gerade Stacheln aus, die
etwa \ der Panzerlänge haben und zwischen beiden, an der Schwanzröhre, befinden
sich 3 kürzere Hörnchen, ein oberes, 2 untere. Von der Seite gesehen ist der Panzer
etwas zusammengedrückt, jedoch dick und am Rücken gewölbt. Die Bauchseite ist flach.
Das Räderorgan zeigt deutlich 2 seitliche Räder und nur einen mittleren abgerun-
deten Stirntheil mit 4 Borsten. Aus jedem Rade ragt in der Mitte ein Griffel hervor,
der auf einer kurzen conischen Warze sitzt Am Grunde des mittleren Stirntheils ragt
zwischen den mittleren Stirnhörnchen ein kurzer, stumpfer Sporn (Respirationsröhre?)
hervor. Der bewegliche Zangenfufs (Schwanz) ist dreigliedrig, mit etwas dickeren Ge-
lenken und sehr kleiner Zange. Ein anhängendes Ei wurde an der Schwanzbasis auf
der Rückenseite getragen.
Von inneren Organen erkannte ich deutlich die Muskeln des Räderorgans und zwi-
schen ihnen einen gröfseren, abgerundeten Hirnknoten mit grofsem rothen Nackenauge
am Ende. Vom Räderorgane gingen jederseits 2 bandförmige, parallele, vordere Bauch-
Phys. Abhandl. 1833. Cc
202 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
muskeln etwas schief nach hinten und hefteten sich erst im letzten Viertel an die in-
nere Panzerseite daselbst. Bei der Seitenlage erkannte ich überdiefs 2 Bauchmuskeln,
die ich bei allen übrigen Brachionen nicht bemerken konnte; dagegen vermifste ich die
hinteren seitlichen Bauchmuskeln, so dafs dieses Thierchen in seiner Bildung von den
verwandten Formen sehr abweicht. Die beiden Schwanzmuskeln der Zange sind deut-
lich auch vorhanden und die Bauchmuskeln scheinen, was sonst die hinteren Seitenmus-
keln thun, den Zangenfufs (Schwanz) nach innen zu ziehen und zu bewegen. Ein ku-
gelförmiger Schlundkopf liegt dicht hinter dem Auge. Strictur des Schlundes ohne alle
Breite. Dicker, conischer Darm ohne Strictur. Zwei kugelförmige ungestielte Drüsen
am Anfange des Darmes. Ein sehr breiter, fast viereckiger Eierstock deckte den Darm
auf der Bauchseite. An der Schwanzbasis eine deutliche contractile Blase, in welche
sich 2 bandförmige, an den Seiten geschlängelt bis zum Schlundkopfe hinaufreichende
Saamenorgane einsenken; vorn enden diese Organe stumpf und frei. Zwei vierzahnige
Kiefer im Schlundkopfe. Kiemen und Gefäfse erlaubte die Panzerdicke nicht weiter ge-
nau zu unterscheiden. Länge des Panzers ^ - ^'", des Eies ^ t "\ mithin liegen alle Ent-
wicklungspunkte der GröCse zwischen J- und ig".
8. Colurus caudatus N. sp. Langschwänziger Zangenfufs.
C. testae oblongae, compressae, dente brevi postico unico, sursum spectante, cau-
dae cruribus basi sua longioribus.
Am 2. April 1832 bei Berlin zwischen Wasserpflanzen gefunden.
Der glatte, eiförmige, aber von den Seiten zusammengedrückte Panzer ist farblos,
nach vorn etwas schmäler, an der Stirn schief abgestutzt und abgerundet. Die gröfste
Breite liegt hinter der Mitte. Rückenseite mehr gewölbt als Bauchseite. Vom Rücken
gesehen ist die Panzerform vorn abgerundet, hinten kurz gespitzt, im Umrifs lang el-
liptisch oder kurz spindelförmig. Die hintere Spitze sah ich nie getheilt. Vom Bauch
gesehen erkannte ich einen Längsspalt, wie bei Euchlanis (oder Daphnia). Der Zan-
genfufs (Schwanz) ist, wie bei ß/onura, mit kurzer Basis und langem, aber doppeltem
Griffel, welcher bei der Seitenlage oft einfach erscheint, beim Druck zwischen Glas-
blättchen aber deutlich wird. Eine hakenförmige Oberlippe überragt die Stirn und die
Wimpern des wenig vortretenden Räderorgans.
Innerlich sieht man die zarten Muskeln des Räderorgans und an der Stirn vor die-
sen 2 nahe beisammenstehende, kleine, rothe Augen, welche ich bei dieser Form zuerst
erkannte und nach mühevollem Nachforschen später bei allen Arten der Gattung Colu-
rus, welche ich früher als augenlos bezeichnet habe, ebenfalls auffand. Daher mufs
diese Gattung nun im System eine andere Stelle bekommen und dicht vor Metopidia
gebracht werden. Hinter den Räderorganen liegt zunächst ein kugelförmiger Schlund-
kopf mit einzahnigen (?) Kiefern, die wegen grofser Durchsichtigkeit schwer schärfer
zu bezeichnen waren. Eine sehr enge Strictur hinter dem Schlundkopfe stellt den
Schlund dar, an den sich ein dicker, einfach conischer Darm schliefst. Am Anfange des
letzteren liefsen sich 2 kleine eiförmige Darmdrüsen erkennen. Der Eierstock hatte
in der Richtung des kleinsten Raumes. 203
'Ö
nur ein grofses Ei ausgebildet, welches vielen Raum im Körper anfüllte. Panzerlänge
M 1 Ejl 50 •
Am 5. November 1S33 fand ich im Ostseewasser, welches ich in einer Flasche von
Wismar nach Berlin mit mir genommen hatte, ein diesem ganz ähnliches Thierchen.
Der Panzer war hinten etwas, aber wenig mehr ausgeschweift, vorn etwas dicker. Die
Oberlippe war etwas breiter und vorn nicht spitz, sondern abgestutzte Ferner war im
Rücken über dem Schlundkopfe ein Kranz von wasserhellen Bläschen und der Darm
hatte eine Strictur in seiner Mitte. Gröfse und Verhältnifs der Schwanztheile wie oben.
Im Ganzen war es etwas weniger lang gestreckt. Vielleicht eine eigene Art. Von die-
sen Formen unterscheidet sich C. uncinatus durch einen hinten zweispitzigen Panzer
und sehr kurze Schwanzzange, die kaum \ der Schwanzlänge hat.
9. Colurus deßexus N. sp. Geflügelter Zangenfufs.
C. testae oblongae, compressae, postice truncatae, dente caudali duplici deorsum
speetante, caudae cruribus basi sua brevioribus.
Am 23. Juni im klaren Wasser eines Torfmoors bei Berlin gefunden.
Glatter, eiförmiger, fast cylindrischer Panzer, in der Seitenlage am Rücken und
Bauche gleichförmig convex, vorn gerad abgerundet, am abgestutzten Hintertheile mit
einem langen, geraden, schief abwärts gerichteten Zahne, welcher dem halben Schwänze
gleicht. Vom Rücken gesehen ist der Panzer länglich eiförmig, vorn etwas eckig ab-
gerundet, hinten zweispitzig, mit tiefem Einschnitt, in dem sich der Schwanz auf und
nieder bewegen kann. Seiten flach gewölbt. Vom Bauche gesehen ist er durch eine
Längsspalte ganz getheilt. Ein hakenförmiger spitzer Griffel mit häutigem Rande bil-
det die Oberlippe, darunter liegt ein mehrtheiliges kleines Räderorgan. Dicht hinter
der Lippe, auf der Rückenseite, sieht man deutlich 2 rothe genäherte Stirnaugen. Die
Endzange des überdiefs dreigliedrigen Schwanzes ist kürzer als ihre Basis.
Innerlich sah ich 2 kuglige Muskclparthieen des Räderorgans, einen kugligen Hirn-
knoten mit vorn angehefteten Augen, einen kugelförmigen Schlundkopf hinter dem Rä-
derorgane, welcher durch Druck 2 zweizahnige Kiefer erkennen liefs (Polygomphia).
Ferner eine Schlundverengung, einen einfachen, dicken, conischen Darm, 2 kleine kug-
lige Darmdrüsen waren in der Rückenlage sichtbar. In der Mitte des Rückens fand sich
ein Kreis von farblosen Bläschen. Ein grofses Ei füllte einen grofsen Theil der Bauch-
höhle. Länge des Panzers 4ö"\ des Eies ~^".
C. bicuspidalus ist wenig kleiner, hat eine nicht gewölbte, flache Bauchseite, ist
höher als dick (weniger cylindrisch), hat die beiden hinteren Panzerzähne geradaus ste-
hend und ist über denselben ausgebuchtet.
Monura Colurus, den spitzen Griffel fufs, welchen ich im Mittelmeere bei
Dalmatien und dann in Irtisch bei Tobolsk fand, habe ich am 25. März 1832 auch bei
Berlin beobachtet und dabei gesehen, dafs er ebenfalls keineswegs augeulos ist, son-
dern 2 sehr kleine rothe Stirnaugen besitzt. Da alle übrigen Details der Formen jener
verschiedenen Localitäten, meinen Zeichnungen nach, übereinstimmen und ich auch bei
Cc2
204 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
den Coluren die Augen lange Zeit übersehen habe, so glaube ich vorläufig nicht, dafs
die augenlosen ausländischen Monuren von der Berliner augenführenden als Art ver-
schieden sind, jedoch ist der Umstand im Gedächtnifs zu erhalten.
10. Cyphonautes Not. Genus, Buckelthierchen, Familie der Blumenlhier-
chen } Floscularia.
Character Generis: Ocelli nulli (?). Corpus testa loricatum, libere natans,
latere antico ciliato, obsolete bilobo, os et anuni discreta continente; cauda
verrueiformi, brevissima, in medio dorso posita, per testae fundum parumper
exserenda (corpus mire gibbum).
Cyphonautes compressus N. sp. Dreieckiges Buckellhierchen.
C. corpore compresso, triangulär!.
Ich beobachtete diefs Thierchen zuerst am 25. November 1832 im Wasser der Ost-
see, welches Herr Doctor Michaelis mir aus Kiel nach Berlin gesendet hatte, neben
vielen Leucht- Infusorien, in 2 Exemplaren. Im folgenden Jahre meldete mir Herr
Michaelis die eigne Beobachtung desselben Thierchens mit sehr umständlichem, von
dem meinen zwar etwas abweichenden, aber vielfach bestätigenden, sorgfältigen Detail.
Die Form dieses Thierchens ist höchst eigenthümlich und sonderbar, auch scheint
die Structurbeobachtung noch einer Revision zu bedürfen. Meiner Ansicht nach hat es
folgende Bildung: Es wird von einer kurz kegelförmigen, von den Seiten zusammen-
gedrückten, daher dreieckigen Schaale (testa) umhüllt, die vorn eine sehr breite Öff-
nung hat, hinten aber auch eine kleinere. Der Rand der vorderen Öffnung hat in der
Mitte jederseits 2 kurze stumpfe Zähne. Der zweiten Öffnung im Grunde wegen und
weil das Thier in ihm nicht frei, sondern überall angewachsen ist, ist dieser Panzer
eine testa, kein ureeolus u.s.w. Der Umkreis der gröfseren, vorderen Öffnung ist mit
einer einfachen Reihe von wirbelnden Wimpern dicht besetzt und bildet ein sehr grofses
Räderorgan, welches aber nicht über den Rand der Schaale hervorgeschoben werden
kann. In der Mitte, an den beiden gröfseren Randzähnen, biegt sich ein Theil des Räder-
organs nach innen und steigt gegen den After hinab. Es ist demnach weder ein vielrä-
driges, noch ein ganzrandiges einrädriges Räderorgan, sondern ein einrädriges gebuch-
tetes, oder schlitzrandiges. Eine Ecke des Räderorgans ist ganz erfüllt von einem gro-
fsen dunkeln Körper, den ich für den Schlundkopf halte. An ihm sah ich 2 stärkere
und 2 feinere Griffel in schiefer Richtung nach innen sehend und in einer greifenden
Bewegung, wie freie Zähne, ohne deren Härte zu besitzen. An der Aufsenseite dieses
Schlundkopfs liegt in seiner Mitte ein rundlicher Knoten, und dieser mag das augenlose
Hirnganglion sein. An beiden Seiten des Schlundkopfes gebt ein langer Muskel nach
dem Schwänze; zwischen beiden liegt jenes Hirnganglion. Beide Muskeln gehen vom
Räderorgane nach der Schwaazbasis. Dicht unter den Wimpern des Räderorgans, in
ihrem ganzen Verlaufe, liegt ein breiter trüber Streifen, den ich für die Muskelsubstanz
des Räderorgans selbst ansehe. Die eigentliche Mundöffnung liegt zwischen dem Schlund-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 205
köpfe und den beiden gröfseren Zähnen des vorderen Scbaalenrandes. Indigo - Nahrung
wurde durch den Wirbel da hineingezogen. Diese Öffnung führte unmittelbar in einen
grofsen Raum, den ich noch für Mundraum ansah. Im hintersten Drittheil des Thieres
endet dieser Raum und es fängt ein engerer Kanal an , welcher den Indigo aufnimmt.
Ich halte diesen für den Oesophagus. Dicht über dem warzenartigen Schwänze liegt
ein trübes Organ neben dem Schlünde; diefs halte ich für eine, vielleicht doppelte,
Darmdrüse (Pancreas). Zwischen ihr und dem Schwänze wird der Darm etwas stärker
und biegt sich um, um zwischen ihr und der Schaale wieder aufzusteigen. Der Darm
endet in gleicher Höhe mit dem Hirnganglion, aber auf der diesem entgegengesetzten
Seite. An derselben Stelle lag bei beiden Thieren ein breiter Eierstock als eine trübe
Masse mit einem entwickelten Ei. Ich sah das Fortrücken der Indigofärbung im Darm
auf die eben beschriebene Weise und zwischen dem Ei und dem Panzer sah ich das
Entladen der Excremente in einen leeren Raum, der zwischen dem Ei und dem Räder-
organe liegt und von dem sie sogleich weiter ausgeworfen wurden. Breite und Hühe
des Thierchens %"', Länge des Eies %£".
11. Diglena caudata N. sp. Langschwänziges Zweiauge.
D. corpore gracili, a dorso utrinque attenuato, capite a latere compresso, dila-
tato, caudae cruribus praelongis, tertiam aut dimidiam fere corporis partem
aequantibus, subulatis.
Ich fand mehrere Exemplare zuerst am 25. März, dann wieder am 2. April 1S32
bei Berlin zwischen Oscillatorien eines Teiches.
Diglena capitata ist die nächstverwandte Form, hat aber einen kegelförmigen Kör-
per, während diese einen fast spindelförmigen besitzt. Das Kopfende ist beim lang-
schwänzigen Zweiauge, vom Rücken gesehen, abgerundet, aber doch dünner als
die Mitte des Körpers. Von der Seite gesehen ist der Kopf breiter als der Körper und
etwas schief abgestutzt. Eine leichte Strictur bezeichnet äufserlich die Kopfgrenze. Das
kleine mehrfache Räderorgan ist nicht ausgezeichnet, nicht vorstehend. Der Körper
geht, allmälig abnehmend, in den Schwanz über. Der After bildet an der sehr kurzen
Schwanzbasis einen kleinen Vorsprung. Bei einem grofsen Exemplare war die Schwanz-
basis nur ^ der Zangenlänge, bei andern schienen die beiden Schenkel der Zange so-
gleich vom After, ohne sichtbaren Basaltheil, abzugehen. Der ganze Körper ist 6-7 mal
länger als der gröfste Durchmesser des Kopfes.
Im Innern des wasserhellen, glatten Körpers unterschied ich, aufser den beiden sehr
genäherten, rothen Stirnaugen und den Muskelparthieen des mehrfachen Räderorgans,
einen einfachen conischen Darm (Coelogastrica) ohne Blinddärme. Der Schlundkopf,
ganz vorn gelegen , zeigte beim Druck 2 einzahnige Kiefer. Zwei kleine eiförmige
Drüsen, unbestimmte Muskelspuren und einen sterilen Eierstock erkannte ich überdiefs.
Ganze Länge ^ - i'". Körperlänge ^ - &'". Schwanzlänge ^'". Ausgebildete Eier sah
ich nicht.
206 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
12. Diglena conura N. sp. Kegelschwänziges Zweiauge.
D. corpore turgidulo, oblongo, antice truncato, capite levi strictura discreto,
dorso leviter convexo, sensim in caudam brevem, sextam corporis partem
aequantem , decrescente.
Ich fand am 29. März 1832 mehrere Exemplare in dem Wasser der Diglena caudata.
Die nächstverwandte Form ist Diglena catellina, deren Rückenwölbung aber, be-
sonders hinten, so stark ist, dafs sie den Schwanz nach der Bauchseite drängt, während
bei dieser der Körper allmälig abnehmend in den Schwanz übergeht. Mülle r's Vor-
licella Larva könnte vielleicht dasselbe Thierchen sein, obwohl die Zeichnung nicht
vollständig pafst.
Von inneren Organen liefsen sich die knotigen Muskeln der Räderorgane, 2 dicht
beisammenstehende rothe Augen, 2 einzahnige Kiefer im Schlundkopfe, 2 etwas unre-
gelmäßige, fast halbkuglige Darmdrüsen, ein kurzer Schlund, ein conischer einfacher
Darm und ein fast ausgebildetes Ei im hintern Körperraume ohne viele Mühe erkennen.
Der Darm war mit unbestimmten bräunlichen Fragmenten erfüllt. Schärfere Untersu-
chungen über noch feinere Organe wurden nicht angestellt. Körpergröfse ^V". Schwanz-
länge allein, Jj, Eilänge ■&".
13. Euchlanis Hornemanni N. sp. Hornemann's Mantelthierchen.
E. fronte in proboscidem longe attenuata, testa molli, dimidiam posticam par-
tem tantum obvelante, truncata, nee semilunari.
Ich beobachtete mehrere Exemplare dieses zarten Thierchens im September 1S33 in
Berlin in süfsem Wasser, welches ich samt Conferven aus dem Kopenhagener botanischen
Garten im August mitgenommen hatte, wo Hornemann mich damals freundlich auf-
nahm.
Die nächstverwandte Form ist Euchlanis Luna (Cercaria Lima Müller). Der
Panzer ist aber nicht eiförmig, sondern halbscheibenförmig, und der Vorderrand ist nicht
halbmondförmig ausgeschweift, sondern gerad abgeschnitten. Die allgemeine Kürperforra
ist viel schlanker. Der Vorderlheil bildet eine halsförmige, cylindrische Verlängerung,
an deren abgerundetem Ende ein kleines mehrfaches Räderorgan steht. Fast am Ende
des ersten Drittheils der Körperlänge befindet sich ein schönrothes Nackenauge über dem
Schlundkopfe. Fast die vorderen | des ausgestreckten Körpers sind in die flache Schaale
{testa depressd) zurückziehbar. Nach hinten erweitert sich der Hache Leib und endet
in dem ganz abgerundeten Schaalengrunde, aus welchem unter einem kleinen Vorsprunge
des Randes ein gabelförmiger Zangenfufs hervorsteht. Diese Zange beträgt fast ^ der
ganzen Länge, oder etwas mehr als \ der Körperlänge. Ein besonderer Stiel derselben
ist nicht vorstehend. Beide ziemlich starke Zangenglieder spitzen sich allmälig fein zu,
ohne besondern Endstachel.
Ein grünlich erfüllter conischer Darm ohne Strictur, 2 kleine halbkuglige Darm-
drüsen, ein deutlicher Eierstock mit nicht vollständig entwickelten Eiern, Spuren von
in der Richtung des kleinsten Raumes. 207
Längsmuskeln und 2 einzahnige (?) Kiefer im Schlundkopfe sind weitere Details, welche
ich verfolgen konnte. Kürperlänge bis ^'", Panzerlänge bis ^'". — Eine andere Art
der Gattung Euchlanis habe ich auf Tafel VIII, Fig. 3 abgebildet.
14. Flosculaiua proboscidea N. sp. Rüsselführendes Blumenthieixhen.
F. maior, urceolo gelatinoso, pellucido, cylindrico, lobis rotatoriis brevius cilia-
tis 6, proboscidem mediam ciliatam ambeuntibus.
Ich fand viele Exemplare dieser Form zuerst am 10. Juni 1832 auf Blättern der
Holtonia palustris in Torfgräben bei Berlin , dann wieder am 15. August.
Eichhorn hatte bei seiner Abbildung der Floscularia ornata die Büchse und die
langen Wimpern ganz übersehen (Tab. III, Fig. G. II-L. der Fänger) und seine Zeich-
nung ist unverändert öfter wiederholt worden. Beide Dinge sind schwer zu sehen,
auch wenn man ihr Dasein weifs; Geduld überwindet jedoch diese Schwierigkeit, ver-
bunden mit etwas starker Vergröfserung (200 - 300 im Durchmesser reicht hin) und
Trübung des Wassers. Eine Abbildung dieses gewöhnlicheren Blumenthierchens findet
sich auf Tafel VIII, Fig. 2. Die neue Art unterscheidet sich durch ansehnlichere Gröfse,
kürzere Wimpern, ein rüsselförmiges Organ in der Mitte des Bäderkreises und durch
einen doppelzahnigen Kieferbau.
Die gallertartige, cylindrische, vorn abgestutzte Hülle oder Büchse, worin das Thier-
chen lebt und worein es seine Eier legt, ist ganz durchsichtig, daher schwer zu er-
kennen, wenn man nicht das Wasser um sie herum durch eine Färbung trübt. Dann
aber ist sie leicht sichtbar. Zuweilen verrathen anhängende fremde Körper sie auch
im klarsten Wasser. Der Körper des Thieres ruht auf einem lang ausdehnbaren, stiel-
förmigen Fufse oder Schwänze, welcher mitten im Grunde der Büchse sich anzusaugen
scheint, da ihn das Thier lösen kann. Beim Verkürzen wird er queerfaltig. Ganz aus-
gedehnt ragt er etwas über die Büchse hinaus, während er contrahirt weniger als \ der
Büchsenlänge hat. Alle Tbeile des Thieres sind aufserordentlich durchsichtig. Der aus-
gedehnte Körper ist walzenförmig, gegen den Schwanz hin abnehmend, vorn abgestutzt.
Das entwickelte Bäderorgan zeigt 6, zuweilen nur 5 (?) tief abgetheilte, am Ende ver-
dickte Lappen, aus deren gemeinsamer Mitte ein gröfseres, cylindrisches, vorn abgerun-
detes Organ hervortritt, das vorn eine grofse runde Öffnung oder innere Blase zu füh-
ren scheint. Sowohl dieses, als alle Theile des Bäderorgans, sind am Ende mit langen
Wimpern besetzt, welche ihre Basaltheile um mehr als das Doppelte überragen. Zieht
sich das Thier ganz in die Büchse zurück, so stehen diese vereinten Wimpern noch
wie ein Pinsel aus der Mitte hervor. Meist sieht man die langen Wimpern bewegungs-
los ausgestreckt und nur in der Mitte, im Grunde des Bäderorgans, bemerkt man ein
Anziehen und Abstofsen kleiner Theilchen. Bei völliger Buhe und Entwicklung aber
tritt Wirbelbewegung ein, die ich jedoch selbst nur theilweise beobachtet habe.
Muskeln des Bäderorgans, welche einen innigen Zusammenhang aller Theile dessel-
selben, mithin kein mehrfaches Bäderorgan anzeigen, ein deutlicher kugelförmiger Schlund-
kopf mit doppelten zweizahnigen Kiefern (Zygogomphia), ein enger, sehr kurzer, schwer
20S Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
zu unterscheidender Schlund, ein grofser, einfacher, conischer Darm und ein Eierstock
mit meist einem einzelnen, mehr entwickelten Ei haben sich bisher im Innern unter-
scheiden lassen. Darmdrüsen und andere innere Organe scheinen der Durchsichtigkeit
halber noch angestrengterer Aufsuchung zu bedürfen. Besonders merkwürdig erschien
mir ein vielleicht doppeltes Schlingorgan, indem vor dem gezahnten Organe noch eine
schluckende Stelle, seitlich im Innern des Räderorgans, erkannt wird, die ebenfalls 2
(zahnlosen) Kiefern ähnlich ist. Im Jnnern der Büchse fand ich nicht selten 2-5 aus-
geschiedene Eier und in einigen sah ich den sich bewegenden Embryo mit 2 rothen
Augenpunkten. Das Thier hat nach Entwicklung des grofsen Räderorgans keine Spur
eines Augenpunktes mehr. Eben solche 2 Augenpunkte fand ich neuerlich in Eiern der
F. ornata. In Eiern des Slephanoceros schien mir 1 umschriebenes, aber pigmentlo-
ses Auge bemerkbar. — Länge des ausgedehnten Thierchens |'", der Büchse %'", des
15. Ftjrcularia Reinhardts N. sp. Reinhardts Gabelthierchen.
F. corpore turgido, antice brevius attenuato, truncato, postice longe attenuato,
caudae cruribus brevissimis.
Ich fand zuerst mehrere Exemplare dieses recht niedlichen Räderthierchens am 15.
August 1833 zwischen der (Sertularia) Monopyxis geniculata in der Ostsee bei Wis-
mar, dann zahlreich im September in Kopenhagen, zwischen derselben Wedelcoralle und
der Coryna multicornis, die ich mit Reinhardt und Westermann sammelte.
Die beiden bekannten Arten der durch die Stellung des Auges recht gut charakte-
risirten Gattung haben viel längere Zangenglieder und eine derselben ist schlanker, die
andere dicker als diese. Der Körper ist durch eine vordere leichte Strictur in Kopf und
Rumpf geschieden, hinten in einen langen Schwanztheil verdünnt. Der Kopf ist fast
kugelförmig (fast von der Leibesdicke), trägt ein wenig ausgezeichnetes, mehrfaches Rä-
derorgan, an dessen oberem Vorderrande ein grofses schönrothes Auge steht. Der Leib
ist eiförmig und endet mit einem kaum merklichen Absätze an der Schwanzbasis , über
welcher die Analöffnung in einer Ausrandung liegt. Der Zangenfufs oder Schwanz
bildet \ der ganzen Länge, oder die Hälfte der Körperlänge. Die Zange bildet den
fünften bis sechsten Theil des Zangenfufses.
Innerlich erkannte ich 4 Muskelbündel des Räderorgans, einen das Auge vorn tra-
genden, länglichen Hirnknoten, 2 einzahnige (zweizahnige?) Kiefer des Schlundkopfes
(Gymnogomphia), einen deutlichen engen Schlund, 2 deutliche, fast kugelförmige Darm-
drüsen, einen einfachen, mit Speisetheilchen gefüllten, conischen Darm, einen mit ein-
zelnen, nicht völlig entwickelten Eiern bezeichneten Eierstock. Überdiefs sah ich Längs-
streifen als Muskelspuren, die ich nicht specieller verfolgt habe. Ganze Länge fä".
16. Hydatina brachydactyla N. sp. Kurzschenkliges Crystallthierchen.
H. corpore subeylindrico , prope anum subito in caudam attenuato, caudae co-
rneae cruribus brevissimis, septimam fere baseos partem aequantibus.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 209
Am 21. Juni 1S32 bei Berlin im Flurswasser zwischen Lemna in 4 Exemplaren
entdeckt.
Die nächstverwandte Form ist Hydalina gibba; diese hat aber einen kürzeren Zan-
genfufs und eine längere Zange an demselben, wodurch die Rückenwölbung in der Anal-
gegend wie ein Höcker erscheint. Der Körper ist mehr als doppelt so lang als dick,
walzenförmig, vorn gerad abgestutzt, von der Seite gesehen am After etwas dicker, vom
Rücken gesehen in der Mitte etwas dicker. Der Körper geht nicht, wie bei Hydalina
senla, allmälig in den Zangenfufs über, sondern letzterer ist scharf abgesetzt. Das vor-
dere Räderorgan ist wenig ausgezeichnet, zeigt deutlich 6 Muskelparthieen. Die sehr
kleine Endzange am Zangenfufse hält man leicht für eine einfache Spitze.
Im Innern habe ich Augenspuren umsonst aufgesucht. Der kuglige Schlundkopf
zeigte beim Druck 2 einzahnige Kiefer, jedoch sah ich immer daneben noch einige Streif-
chen, vielleicht also mehrzahnig (Gymnogpmphia). Ein kurzer verengerter Schlund, 2
kuglige grofse Darmdrüsen, ein dicker Darm in 2 Abtheilungen (Gaslerodela), ein über
der Schwanzbasis Excremente auswerfender After waren der sichtbare Ernährungsorga-
msmus. Uberdiefs war deutlich ein grofser, bis zu den Darmdrüsen hinaufreichender
Eierstock mit einem ausgebildeten Ei und mit verengertem Oviduct in der Nähe des
Afters zu erkennen. In der Analgegend war eine contractile, rundliche, bald ausge-
dehnte, glatte, bald faltige zusammengezogene Blase sichtbar und in dieselbe sah ich den
rechten, längs der ganzen Seite bis zum Schlundkopfe reichenden, schwach keulenför-
migen Hoden sich münden. Endlich waren noch 2 deutliche Zangenmuskeln im Zan-
genfufse kenntlich und bei der Rückenansicht sah ich etwas undeutlich jederseits einen
Längsmuskel, vom Räderorgane, sich erweiternd, zum hintern Drittheil des Körperran-
des gehen. Körperlänge Jj"', Ei Jg'". Ganzer Entwicklungskreis mithin ^ - J/".
17. Lepadella salpina N. sp. Salp.enth.ier- Schüppchen.
L. testa dorso carinata, triquetra, margine antico truncata, denticulata.
Am 28. März 1832 fand ich zuerst einige Exemplare zwischen Conferven des Thier-
gartens bei Berlin, andere fand ich am 21. Juni.
Wollte man den niedergedrückten Panzer der beiden bisher bekannten Lcpadellen
mit als wichtiges Gattungsmerkmal ansehen, so würde man diese Form mit dreieckigem
Panzer absondern müssen; allein der Mangel des Auges verbindet beide Bildungen mehr
als die Panzerform sie trennen möchte. Der Panzer ist ganz der einer Salpina, so
wie der der übrigen Lepadellen dem Panzer der Squamellen ganz gleicht. In meiner
ersten systematischen Ebersicht von 1830 verzeichnete ich eine Lepadella Iriplera;
in der zweiten habe ich diese Form, weil ich später 2 Stirnaugen bei ihr entdeckte,
als Metopidia Iriplera aufgeführt. So findet sich denn eine ähnliche Panzerverschieden-
heit bei den Metopidien. Jetzt liefse sich der Name Lepadella Iriplera wieder aufneh-
men; ich ziehe aber vor, ihn fallen zu lassen. — Der Panzer dieser Form ist nicht ganz
glatt, sondern auf der Oberfläche durch feine Grübchen uneben. Auf der Bauchseite
ist die Schaalc flach, oben leicht gewölbt, vorn abgestutzt, mit etwas abgerundeten und
Phjs. Abhandl. 1833. Dd
210 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
scharf gezähnelten Rändern. Der Kinnrand des Panzers hat einen abgerundeten Aus-
schnitt, der Stirnrand einen schwächeren spitzen. Der Zangenfufs steht aus einer läng-
lichen, fast runden Panzeröffnung an der hintern Bauchseite hervor und diese Öffnung
wird durch eine stumpfe Spitze des Panzers überragt, welche das erste Schwanzglied
noch nicht bedeckt. Von der Seite gesehen ist der Panzer vorn abgerundet, hinten
schief abgestutzt. Die Gabel des Zangenfufses hat einen dreigliedrigen Stiel. Der ganze
Schwanztheil ist halb so lang als der Panzer, die Zange mifst \ ihres Stiels. In den
zuerst beobachteten Formen schienen mir die Zangentheile sich gleichförmig zuzuspitzen,
bei den zweiten erschien mir von der Mitte an der Hinlertheil derselben wie ein plötz-
lich abnehmender Stachel. Vielleicht sah ich sie in einer andern Lage.
Das mehrfache Räderorgan mit seinen Muskelparthieen ist wenig ausgezeichnet, aber
es überragt die Schaale. Dahinter liegt ein rundlicher Schlundkopf mit 2 doppelzahni-
gen Kiefern (Gymnogomplua). Ein sehr kurzer verengerter Schlund, 2 rundliche Darm-
drüsen, ein einfach conischer Darm an der Schwanzbasis mit dem After endend und
ein länglicher Eierstock, in einem Falle mit einem ausgebildeten Ei, sind die Organe,
welche ich ohne Anstrengung bald erkannte. Im Schlundkopfe sah ich noch je 3 Gau-
menfalten wie eine Treppe. Augen habe ich mit grolser Bemühung, besonders wäh-
rend der zweiten Beobachtung, umsonst gesucht. Schaale fe'" lang, Körper ausgedehnt
i^'", Ei j§'". Entwicklungskreis von Jg - fa'".
18. Metopidia? aewninata N. sp. Gespitztes Stirnauge.
M. testa ovata, depressa, fine postico .Tcuminata, antico leviter emarginata.
Nur 1 Exemplar wurde von mir am 4. Mai 1832 zwischen Oscillatorien bei Berlin
gefunden.
Die Bildung dieses Thierchens steht der Gattung Colurus sehr nahe, aber der nicht
seitlich, sondern von oben nach unten zusammengedrückte Panzer und besonders die,
nicht in der Mitte, sondern an den Seilen stehenden Augen entscheiden, wie mir scheint,
für die Gattung Metopidia, obschon die hakenförmige Oberlippe wieder den Colurus-
Arten angehört. Das kleine, mehrfache, sonst nicht ausgezeichnete Räderorgan ist noch
mehr ausschiebbar als bei Colurus. Der zweischenklige Schwanz ragt mit den Schen-
keln über die Schaalenspitze hinaus. Die Zange ist etwas länger als ihr zweigliedriger
Stiel. Der ganze Zangenfufs hat etwa die Hälfte der Panzerlänge. Panzer vom Rük-
ken gesehen etwa 1 \ mal so lang als breit, ein wenig länger, von der Seite gesehen
3 mal so lang als dick.
Im Innern unterschied ich mehrere Muskelparthieen des Räderorgans, jederseits an
der Stirn ein rothes Auge, hinter dem Räderorgane einen kleinen rundlichen Schlund-
kopf, dessen Kieferbau unerkannt blieb; eine Strictur hinter demselben zeigte sich als
Schlund, dann folgte ein zweitheiliger Darm (Gasterodela), durch farbige Speise kennt-
lich. Zwei kleine rundliche Darmdrüsen sah ich am vorderen Darme. Ein fast reifes Ei
verrieth den sehr durchsichtigen Eierstock des kleinen Thieres. Länge des Panzers r^'",
Ei ig". Entwicklungskreis mithin von fg-g;'", oder, den Zangenfufs mitgemessen, ^'".
in der Richtung des kleinsten Raumes. 2 1 1
19. Mokocerca? valga = Vortieella valga Müller, Kleiner Fadenschwanz.
M. corpore parvo, subgloboso, capite discreto, angustiore, dorsi gibbere postico,
cauda simplici, conica, crassa.
Ich fand diefs Thierchen in einigen Exemplaren im Monat November 1833 bei Berlin.
Müller's Vorticella valga bat ganz die Gröfse und Gestalt des von mir beobach-
teten Thierchens, allein der Name beruht auf einem Irrthume. Müller hielt die bei-
den hinteren Zacken für 2 ungleiche Fiifse, während nur eine ein nicht einziehbarer
Fufs, die andere aber ein Vorsprung des Rückens ist. Zwischen beiden würde der Af-
ter zu finden sein, wie bei Notommata centrura. Aus dem vorderen abgestutzten Ende
des kleinen, fast kugligen Körpers schiebt sich ein, wie mir schien, mehrfaches Räder-
organ hervor. Im Nacken sah ich ein deutliches rothes Auge und im Innern verschie-
dene unklare Organe. Ich hatte die wenigen Exemplare zu einer ungünstigen Zeit und
konnte ihre weitere Structur nicht angestrengt aufsuchen. Ein einfacher Darm und ein
grofses Ei schienen mir im Körper vorherrschend. Einen Schlundkopf unterschied ich
nicht deutlich. Körpergröfse mit dem Schwänze %■"'. Die Dicke des Körpers ist sei-
ner Lange ohne das Räderorgan und den Schwanz gleich. Schwanz etwas kürzer als
der Körper ohne den Kopf.
20. Notommata centrura N. sp. Stachelschwiinziges Nackenauge.
N. corpore magno, antice attenuato, elongato, parte anali tanquam vaginata et
in mucronem induratum producta, auriculis setisque nullis. Taf. IX, Fig. 1.
Am 6. Juni 1832 fand ich 2 Exemplare dieser sehr ausgezeichneten und einflufsreichen
Form im Wasser des Plötzensees bei Berlin und ebenda wieder einige im Juni 1833.
Schon mit blofsen Augen ist diefs frei schwimmende grofse Bäderthierchen sehr
wohl sichtbar. Der ganze Körper war bei allen Individuen von Farbe etwas gelblich
und von einem schleimigen L berzuge umgeben , in welchem wasserhelle Oscillatorien
oder Hygrocrocis- ähnliche, fast -^^" dicke Fasern senkrecht zerstreut standen. Das
Räderorgan und der Zangenfufs samt dem Schwanzstachel waren vom Überzuge ausge-
schlossen, letztere aber doch mit gegliederten Fasern besetzt. Ich habe diesen Überzug
dennoch für etwas unwesentliches gehalten. Der Körper scheint überall weich und
schaalenlos zu sein, nur in der Nähe des Schwanzstachels ist er weniger biegsam. Die
Form des Körpers ist lang eiförmig oder birnförmig, nach vorn abnehmend, hinten ver-
dickt. Der Vordertheil endet mit einem fünffachen, mit den Rändern etwas überhän-
genden Räderorgane; der abgerundete Hintertheil geht in eine gerade dicke Spitze aus,
welche die Wurzel des Zangenfufse's bedeckt und ganz an der Stelle des Schwanzes der
Rückenmarkthiere ist. Der kurze Zangenfufs besteht aufser der kleinen Zange noch aus
2 Basalgliedern und bildet \ der übrigen Körperlänge. Das Rückenhörnchen (Schwanz)
gleicht an Länge den beiden Basalgliedern des Zangenfufses. Im Nacken, hinter dem
Räderorgane, ist noch äufserlich ein grofser zweigliedriger Sporn oder eine Respirations-
röhre? (Sipho) sichtbar, von cylindrischer Form, mit einem spitzeren Endgliede.
Dd2
212 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Von inneren Theilen unterschied ich, von vorn nach hinten gehend , 5 Muskelpar-
thieen des Räderorgans, dicht hinter dem Sporn im Nacken ein grofses rothes Auge
von queer elliptischer Form. Dieses ist am vorderen Rande eines grofsen, dreilappigen,
drüsigen Organs angeheftet, welches den Schlundkopf so umgiebt, dafs 2 Lappen seine
Rückenseite, einer seine Bauchseite bedecken und welches ich für das Gehirn halte.
Der Schiundkopf, aus 4 paarweis entgegenwirkenden Muskelparthieen kuglig gebildet,
schliefst 2 beim Druck sichtbare, dreizahnige Kiefer ein (Polygomphia) und ist durch
die grofsen Hirntheile bedeckt. Unmittelbar darauf folgt ein langer enger Schlund,
der fast von der Länge des Schlundkopfes ist und eine plötzliche starke Anschwellung
in derselben Richtung bezeichnet dann den Darm, an dessen Anfange zwei kuglige ohren-
förmige Organe, die Darmdrüsen, sich entgegengesetzt sind. Diese Darmdrüsen sind
durch 2 fadenförmige Ränder unter dem Schlundkopfe an den Hals befestigt. Der Darm
verläuft, allmälig nach hinten abnehmend, ohne Strictur (Coelogastrica) bis in die Ge-
gend zwischen das Rückenhorn und die Rasis des Zangenfufses , wo er sich mit der
sichtlich auswerfenden Analöffnung endet. Aufser dem Darme enthält die Mitte des
Körpers gewöhnlich noch einen grofsen, dunkeln, ovalen Körper und einige weniger
regelmäfsige dunkle Massen, die damit zusammenhängen. Diels ist der Eierstock mit
meist einem entwickelten Ei. Die wahre Form dieses Organs ist eine breite, queere,
über den Darm gelagerte Masse, welche durch Eientwicklung höckrig wird. Auf der
rechten Seite (vom Rücken gesehen) geht von dieser Masse ein trüber Streif, Kanal,
nach der Aftergegend hin und senkt sich vor der contractilen Blase so in den Darm,
dafs ihre Mündung der Aftermündung näher liegt als die jener Blase. Dieser Kanal ist
der Oviduct. Da, wo sich der Eierleiter in den Darm, die Cloake, senkt, dicht am
After, befindet sich das schon genannte contractile Organ. Es ist kugelförmig, bald
glatt und ausgedehnt, bald krampfhaft zusammengezogen und faltig. In dasselbe senken
sich seitlich 2 lange, fadenförmige, geschlängelte, vom Schlundkopfe an zu den beiden
Seiten herablaufende, vorn etwas dickere Organe, die ich für Saamenorgane ansah und
an deren linkes ich 7, an deren rechtes ich 6 musiknotenförmige, zitternde, innere
Kiemen angeheftet fand. Jeder Kiemenkopf schien 3 bewegliche Falten oder Blättchen
zu haben, welche eine wellenförmige Bewegungserscheinung bedingen. Wahrscheinlich
sitzen diese Kiemen, wie bei Nolommala clavulala, auf einem besonderen Gefäfsap-
parate, welcher nur an die Saamenorgane angeheftet ist.
Aufserdem sah ich im vorderen Körper 8 Muskeln, 2 Rückenmuskeln, 2 Bauchmus-
keln und je 2 Seitenmuskeln, deutlich gestreift, in der Gegend des Schlundkopfes schmal
anfangend, im letzten Drittheil des Körpers breit endend. Von da, wo diese 8 Mus-
keln sich an den Bauch anheften, gehen nur 2 seitliche als Fortsetzung der 2 oberen
vorderen bis zur Schwanzbasis und scheinen nur das Einziehen des ganzen Schwanzes
zu vermitteln. Aus dieser Muskelverlheilung könnte man vielleicht richtig schliefsen,
dafs der hintere Körpertheil, obwohl er nicht besonders unbiegsam ist, doch als gepanzert
anzusehen sei, wofür auch der hintere festere Stachel spricht. Diefs würde die beiden
verwandten Formen von Nolommala absondern. Ferner sind im Zangenfufse noch 2
in der Richtung des kleinsten Raumes. 213
keulenförmige Muskelparthieen, welche offenbar zur Bewegung der Zange allein dienen.
Überdiefs erkannte ich deutlich 5 Queerbänder im Körper, deren erstes hinter den
Darmdrüsen und deren letztes vor der contractilen Blase befindlich ist. Diese breiteren
Bänder sind offenbar jenen queeren feinen Doppellinien zu vergleichen, welche ich bei
Hjdatina senla als Gefäfse bezeichnet habe. Ein sie verbindendes Rückengefifs fand
ich nicht deutlich. Der Erscheinung nach sind es häutige Bänder, die mit ihren Rän-
dern an die innere Bauchhaut geheftet sind und zwischen sich und der Bauchhaut einen
Kanal lassen, also keine geschlossene lange Röhren. Die grünen Bänder in den Con-
ferven (Conjugaten, Spirogyren) zeigen eine ähnliche Bildung. Bei dem mittelsten der
5 Queerbänder oder Queergefäfse heften sich die vorderen Längsmuskeln an. Endlich
fand ich dicht neben dem zweiten Queergefäfse jederseits ein drüsiges Knötchen , von
dem aus ein erst einfacher, dann dreigespaltener feiner Faden nach dem Darme und
Eierstocke verlief. Vielleicht gehört diefs zum Nervensysteme. Körperlänge 'j ". Gröfse
des nicht ganz reifen Eies \ der Körperlänge. Entwicklungscyclus also zwischen ^
und '- i '".
21. Notommata Copeus N. sp. Ruderndes Nackenauge .
N. corpore magno, antice et postice (illic plus) altenuato, parte anali tanquam
vaginata et in mucronem (cornu) induratum producta, auriculis valde elon-
gatis setisque lateralibus duabus.
Ich fand einige Exemplare dieses sehr ausgezeichneten Thierchens am 8. Juni 1833
im Torfwasser bei Berlin.
Körper an Gröfse und Gestalt dem vorigen sehr ähnlich, auch überall in einen schlei-
migen Überzug gehüllt, ohne gegliederte Fäden, etwa 3 mal so lang als dick. Es un-
terscheidet sich im Schwimmen sogleich durch 2 gröfse biegsame Hörner am Räderor-
gane, welche 2 lang ausschiebbare, cylindrische Theile des mehrfachen Räderorgans selbst
sind und vorn einen einfachen Wimperkreis führen. Zwei andere, ungestielte, nicht
ganz geschlofsne Wimperkreise stehen dicht beisammen an der Stirn und dazwischen
tritt ein besonderer, cylindrischer, abgestutzter und vorn mit kurzen Borsten besetzter
Stirntheil hervor. Dicht hinter dem Räderorgane ist auf der Rückenseite eine lange
zweigliedrige Respirationsröhre mit fein gespitztem Endgliede. In der Mitte des Kör-
pers zu beiden Seiten eine lange, gerad abstehende, bewegliche Borste von der Länge
des Zangenfufses. Rückentheil hinten in ein stumpfes, in der Mitte verdicktes Hörn
ausgehend, das etwas kürzer als der Stiel des Zangenfufses ist. Zangenfufs noch nicht
der fünfte Theil der Körperlänge, seine Basis etwas mehr als doppelt so lang als
die Zange.
Vier Muskelparthieen bewegen das Räderwerk. Der Schlundkopf, bedeckt von einem
dreitheiligen Gehirne, trägt vorn ein queer- elliptisches, grofses, rothes Auge und ent-
hält 2 fünfzahnige Kiefer (Polygomphia). Ein sehr langer und dicker, einfacher
Darm, nach hinten dünner werdend (Coelogastrica), vorn mit 2 halbkugelformigcn Darm-
drüsen. Ein queer gelagerter Eierstock, wie eine breite Binde über dem Darme, durch
214 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
einige Eikeime (2-3) höckrig, von denen nur einer etwas ansehnlich entwickelt ist.
Auf der rechten Seite ein breiter Oviduct, zur Cloake gehend. Dicht an der Schwanz-
basis eine contractilc Blase, in welche sich 2 lange fadenförmige, vom Schlundkopfe,
wo sie verdickt anfangen, zu beiden Seiten geschlangelt herablaufende Saamenorgane
einsenken. In der vorderen Körperhälfte vom Schlundkopfe bis zum Eierstocke sind
an jedem Saamenorgane 4 fast stiellose, zitternde Kiemen.
Von Muskeln unterschied ich im Vordertheile nur 4 Längsmuskeln, 2 auf der Bük-
kenseite, 2 auf der Bauchseite; im hintern Körper konnte ich wegen getrübter Durch-
sichtigkeit gar keine erkennen. Nur die beiden Zangenmuskeln waren deutlich. Zu
jeder der seitlichen Borsten schien ein von ihrer Insertion nach vorn gerichteter schma-
ler Muskel zu gehören. Uberdiefs sah ich 5 breite Queergefäfse, deren vorderes über
die Darmdrüsen hinging, deren drittes in der Nähe der Borsten war und deren letztes
dicht vor der Ejaculationsblase befindlich war. — Körperlänge \'"; ein noch nicht ganz
reifes Ei mafs < der Körperlänge, woraus ein Entwicklungscyclus von ,jj - *-"' hervor-
gehen würde.
22. Notommata Mjrmeleo N. sp. Doppel 'zangiges Nackenauge.
N. corpore brevi, crasso, campanulato, maxillis et cauda forcipatis, forcipe cau-
dae minutae brevissimo, maxillarum validissimo.
Ich fand diefs Thierchen ganz vor Kurzem, nachdem der Druck dieser Abhandlung
schon begonnen hatte, am 5. Juni 1834 im Torfwasser bei Berlin. Es hat mehrere
wichtige Organisations - Eigenthümlichkeiten, die ich im allgemeineren Theile nicht mehr
habe berücksichtigen können.
Im Aufsern hat es die gröfste Ähnlichkeit mit Notommata clavulata, unterscheidet
sich aber durch sehr wesentliche Charactere. Es hat nicht 2 sechszahnige, sondern ein-
zahnige Kiefer; es hat nicht 2 keulenförmige Darmdrüsen, sondern 4 kugelförmige; es
hat keine Blinddärme am Magen; es hat keinen lang gestreckten, bandartigen Eierstock,
sondern einen breiten, kurzen; endlich hat es keine hervorstehende Respirationsröhre
oder Sporn im Nacken.
Am Bäderorgane zählte ich 7 besondere Wirbelapparate. Zwischen den Wirbelor-
ganen liegt, nach dem Bücken hin, ein rundliches Hirnganglion, dafs an seinem hintern
runden Ende ein nicht sehr grofses hellrothes Auge trägt. Der Schlundkopf ist sehr
eigenthümlich gebildet, grofs und schief, und enthält dicht am Munde 2 sehr grofse
krumme Zähne auf 2 kleinen kräftigen Kiefern. Beide Zähne gleichen einem Taster-
zirkel. Diese Zange liegt im gewöhnlichen Zustande mit den Spitzen nach oben und
vorn gerichtet, fast horizontal, kann aber ganz herausgesteckt werden, wenn das Thier-
chen etwas kräftig ergreifen will. Ein langer dünner Oesophagus endet in einem ku-
gelrunden Magen, von dem ein dünner, meist leerer, aber langer Dickdarm zum After
geht. Am Magen ist keine Spur von Blinddärmen; beim Magenmunde sind jederseits
2 kuglige Speicheldrüsen. Bei einem Thierchen nahm der sehr ausgedehnte Magen fast
den ganzen Körperraum ein, und als ich es genauer um diese Bildung untersuchte, er-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 215
brach es durch die Mundöffnung 2 grofse Exemplare eines verschlungenen Entomos-
Iraci, des Lynceus globularis, worauf der Magen in die kuglige kleinere Form der
übrigen Individuen zurückging und das Thier munter fortlebte. Ein kurzer, breiter
Eierstock mit einem fast ausgebildeten Ei und eine grofse contractile Blase waren in
der Nähe des Afters. Zwei geschlängelte Saamenorgane, vom Schlundkopfe anfangend,
lagen mehr auf der Bauchseite, zwischen beiden ein sehr durchsichtiges, ebenfalls ge-
schlängeltes, ziemlich dickes Gefäfs, das auf einer Seite mit zahlreichen kleinen Anhän-
gen gefranzt war, wie ich es pag. 187 in der Note bei Nolommata clavulata angege-
ben habe (').
Von Muskeln sah ich einen sehr breiten Bückenmuskel und einen breiten Bauch-
muskel, ähnlich der Bildung in Diglena lacustris auf Tafel X, zwei kleine Zangenmus
kein im Schwänze und 7 Bädermuskeln. Überdiefs waren im Körper mehrere sich
kreuzende feine Fäden, deren einige besonders mit 2 freien Ganglien in der Körper-
mitte zusammenhingen. Diese letzteren mögen Nerven sein. Endlich sah ich 5 Queer-
gefäfse. — Der kleine Zangenfufs ist auf der Bauchseite und wird von einem Höcker
des Bückens überragt, ganz wie bei N. clavulata . — Körperlänge \ - '-,' "■ Ei etwa ,\
Cyclus der Entwicklung ^ - \g".
23. Notommata Tigris = Trichoda Tigris Müller. Tiger - Nackenauge .
N. corpore leviter curvo, teretiusculo, fronte aculeo brevi armata, caudae cru-
ribus praelongis, dimidio corpore longioribus, deorsum curvis, lunatis.
Schon im Jahre 1830 hatte ich ein todtes Thierchen dieser Art bei Berlin gefun-
den und gezeichnet; lebendig sah ich es zuerst am 26. April 1832 zwischen Oscillato-
rien des Thiergartens. Des ersteren habe ich bisher nicht Erwähnung gethan, weil die
Beobachtung unvollständig war.
Der Körper ist auf der Bückenseite convex, auf der Bauchseite concav, durchsichtig
und scheint eine festere Oberhaut zu haben, als sonst bei den nackten Bäderthieren ge-
wöhnlich ist, worauf auch das Hörn oder der Zahn an der Stirn deutet. Er ist, ohne
die Zange, etwa 4 mal so lang als dick. Das Bäderorgan besteht aus mehreren Par-
thieen, ist wenig ausgezeichnet uud wenig vorragend. Der Schlundkopf ist im Ver-
hältnifs sehr grofs und lang; er enthält 2, wie es scheint, einzahnige Kiefer (Mono-
gomphia). Eber ihm liegt ein längliches Hirnganglion zwischen den Rotationsmuskeln,
das am hintern Ende ein grofses, rothes, rundliches Auge führt. Ein sehr kurzer en-
ger Schlund führt in den erweiterten, einfach conischen Darm (Coelogastrica), der vorn
eine Spur von 2 sehr kleinen halbkugligen Darmdrüsen hat. Neben dem Darme, nach
hinten, liegt ein länglicher Eierstock. Der After befindet sich über der Schwanzbasis.
Schwanzzange 4 mal so lang als ihre Basis. Mehr habe ich bisher an den wenigen
( ) Ich bin jetzt zweifelhaft darüber geworden, ob ich nicht damals Notommata clavulata und
Myrmeleo verwechselt habe. Vielleicht gehört das gefranzle (Kiemen -) Organ nur der letztem Form
hu: wahrscheinlich ist es mir aber jedenfalls, dafs beide Formen darin übereinstimmen.
216 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntniß großer Organisation
Exemplaren nicht beobachten können. — Körperlänge ohne den Schwanz jV", mit dem
Schwänze -fo'".
2i. Notommata Tuba N. sp. Trompetetiförmiges Nackenauge.
N. corpore hyalino, flexuoso, conico, antice truncato, dilatato, tubiformi, in cau-
dam extenuatam sensim producto, cruribus brevibus, acutis.
Ich fand diefs sehr niedliche Thierchen, dessen Form dem Trompe tent hierchen
(Stenlor Miilleri) fast gleicht, am 29. Juni 1832 zwischen Meerlinsen des Thiergar-
tens bei Berlin in 2 Exemplaren.
Der wasserhelle, kegelförmige Körper ist beim Schwimmen meist etwas gebogen.
Die abgestutzte breite Basis des Kegels ist der Vordertheil und wird durch das Räder-
organ gebildet. Das Raderorgan besteht aus 8 im Halbkreis gestellten, bewimperten
Muskelparthieen, die eine Unterlippe bilden, wahrend der Stirntheil oder die Oberlippe
(gegen die gewöhnliche Bildung) nicht wirbelt. Die Breite des ausgedehnten Bäderor-
gans ist etwa \ der Körperlänge. Der Hintertheil, vom After abwärts, ist etwas mehr
als \ der übrigen Körperlänge ; diefs ist aber nicht alles Zangenfufs, sondern ein Thcil
davon ist noch mit der contractilen Blase erfüllt. Bechnet man den Zangenfufs von
da an, wo seine Muskeln anfangen, so ist er \ des ganzen Körpers. Die Zange bildet
etwa den 13 Ien Theii des Körpers.
Im Innern erkannte ich zwischen den Wirbelmuskeln nach oben deutlich 2 Hirn-
ganglien, deren eines am hintern Ende ein rothes Auge trägt, deren anderes einen dik-
ken Nervenstrang nach dem Nacken schickt, wie bei Hyilalina senta. Dicht beim Auge
ist der kuglige Schlundkopf mit 2 sieben- bis achtzahnigen Kiefern (Polygomphia), der
gröfsten Zahl von Zähnen, die bei dieser Bildung bis jetzt beobachtet wurden. Ein
langer, fadenförmiger, meist gebogener Schlund; 2 kuglige Darmdrüsen ; ein dicker Darm
mit langem Magen und kurzem, durch leichte Strictur gesonderten Dickdarm (Gus/cru-
dcla) durchläuft die Körpermitte bis zu der am hintern Drittheil auf der Bückenseitc
gelegenen Afteröffnung. Auf der Bauchseite liegt neben dem Darme ein länglicher, knoti-
ger Eierstock und an der Vereinigungsstelle dieses mit dem Darme, in der Aftergegend,
liegt eine contractile Blase, welche, abweichend von der Begel, in den Schwanzlheil hin-
absteigt. Durch den After sah ich es sich entleeren. Zwei cylindrische Zangenmuskeln be-
wegen die sehr spitzen, conischen, aber kleinen Zangenglieder. Überdiefs erkannte ich im
Körper bisher, aufscr einigen undeutlichen Spuren, nur 1 Muskel, der von der Augen-
gegend nach der Mitte des Bückens schief verläuft und in der Nackengegend 2 farblose
Knötchen, etwas gröfser als das Auge , die vielleicht zum Nervensysteme gehören. Die
grofse Durchsichtigkeit und das seltne Vorkommen des Thierchens hat eine vollständigere
Entwicklung seines Organismus bisher erschwert und behindert. Körperlänge ^ - '-' s '".
25. Notommata Wernechii N. sp. Werneck's Nackenauge.
N. corpore magno, utrinque attenuato, fusiformi, caudae cruribus brevibus, oris
setis duabus praelongis.
in der Richtung des kletnslen Raumes. 217
Herr Dr. Unger hat diefs Thierchen Lei Kitzbühel in Kolben der Vaucheria caes-
pitosa entdeckt und am 27. März dieses Jahres zur genaueren Untersuchung an den
Herrn Regimentsarzt Dr. W. Wer neck in Salzburg gesendet. Letzterer hat es sehr
umständlich, sogar seine ganze Entwicklung aus dem Ei beobachtet und sehr sorgfältig
gezeichnet, so dafs ich bei Ansicht der mir freundlichst übersandten Zeichnungen kein
Bedenken haben kann, die Beobachtung aufzunehmen.
Die allgemeine Kürperform gleicht der Notommata collaris auf Tafel IX, es ist
aber kaum halb so grofs, hat keine Ohren am Räderorgane, aber im ausgewachsenen
Zustande 2 lange Borsten am Munde, die dem jungen, eben aus dem Ei entschlüpften
Thiere fehlen. Solche Borsten waren mir bisher nur an Not. Copeus bekannt, wo sie
in der Mitte der Körperseiten stehen, und sind der für mich überzeugendste Charakter,
dafs diefs Thierchen eine eigene neue Art ist. Die Zähne der beiden Kiefer scheinen
monogomphisch zu sein. Das Räderorgan besteht nach der Zeichnung nur aus dem
mittleren Theile dessen, was N. collaris hat. Vielleicht entwickeln sich die beiden Oh-
ren zuweilen auch. Darmdrüsen und Eierstock, Darm und After, auch das rothe Nak-
kenauge sind beobachtet und im richtigen Verhältnifs der verwandten Eormen. Die spe-
cielle Form des Darmes und Eierstockes, Muskeln, Gefäfse und Nerven sind noch wei-
ter zu entwickeln.
Das Vorkommen im Innern von lebenden Pflanzen ist besonders interessant, jedoch
halte ich es auch für keinen wichtigen Beweis ihres Entstehens darin. Ebenso finden
wir die Insecten in den Gallen und glauben doch nicht dabei an Generatio spontanea.
Es wäre sehr wünschenswerth, dafs diese Verhältnisse jetzt recht vielseitig, sorgfältig
und lebendig zur Sprache kämen und eine fortgesetzte intensive Beobachtung dieses
Thierchens und der Vaucheria selbst wäre um so Wünschenswerther, je öfter ich die
Erfahrung gemacht habe, dafs die gleiche Erscheinung wohl jahrelang auszusetzen pflegt.
Im Innern halb zerstörter Conferven und anderer Pilanzentheile habe ich schon oft Rä-
derthierchen gefunden, besonders Roti/er vulgaris und Philodina erylhrophthalma,
und unter gewissen Umständen mögen wohl einige auch weiter in die gesunden Theile
fortkriechen und daselbst Gallen verursachen , oder sich doch vermehren. Das engere
Anschliefsen bestimmter Thiere an bestimmte Pflanzen ist eine ebenfalls sehr allgemeine,
nicht überraschende Erscheinung ('). — Körperlänge Jj - \ Wiener Linie.
26. Pterodüna elliptica N. sp. Elliptisches Flügelthierchen.
P. testa elliptica, fronte inter rotas producta, setosa, ocellis magis distentis, glan-
dulis ventriculi ovatis, maxillarum dentibus binis.
(') In all solchen Fallen ist nicht ein Beweis nöthig, dafs die primitive Entstehung nicht eben
da vorhanden sein könne; denn die Möglichkeit wird Niemand laugnen , sondern es handelt sich
um den Beweis, dafs sie in dem bestimmten Falle wirklich da sei, dafs sie wenigstens mit grölstei
Wahrscheinlichkeit angenommen werden müsse, was durch sorgfältiges und mühsames Eliminircn
aller übrigen Möglichkeiten zu erreichen versucht werden mufs. aber, obwohl oft behauptet, noch
nicht erreicht worden ist.
Phjs.Jihandl.iS33. Ee
218 Ehuenberg: Beitrag zur Erkenn laifs großer Organisation
Ich fand diefs Thierchen zuerst im Jahre 1831 bei Berlin zwischen Conferven und
habe es in dem zweiten Beitrage zur Kenntnifs der kleinsten Organismen als Pterodina
clyjxata aufgeführt. Allein ich habe mich im vorigen Jahre überzeugt, dafs das Thier-
chen der Ostsee, welches Müller als Br. clypealus beschrieben hat, eine andere, sehr
verschiedene Species derselben Gattung ist, die nur im Seewasser zu leben scheint. Ich
fand sie im October 1833 häufig im Ostseewasser bei Wismar und habe sie am 5. No-
vember in dergleichen Wasser wieder in Berlin lebend beobachtet, wohin ich es mit-
genommen hatte und wo sie sich noch 14 Tage lang fortpflanzte.
Das Süfswasserthierchen von Berlin unterscheidet sich von P. Palina durch ellip-
tische Form des flachen Panzers, durch schmälere Ränder desselben, durch einen mittle-
ren borstigen Stirntheil, der jenem fehlt, und auch durch nur 2 Bauchmuskeln, wäh-
rend jenes 4 besitzt. Vom Pterodina clypeala (Brachionus clypealus Müller) un-
terscheidet sich dasselbe durch etwas weniger langgestreckte Form, durch zweizahnige
(nicht vielzahnige) Kiefer, durch eiförmige (nicht bandartige) Magendrüsen, durch mehr
auseinanderstehende Augen und durch Mangel der Borsten am mittleren Stirntheile.
Das doppelte Räderorgan der P. elliplica bildet, wegen des verbindenden Stirn-
theils, nie 2 gesonderte Trichter, sondern mehr 2 parallele Rohren. Von seiner Basis
gehen 2 Muskeln divergirend nach den Seiten der Körpermitte. Die beiden rothen Au-
gen stehen am Rande des Räderorgans dicht am mittleren Stirntheile. Bei Contraction
sieht man sie oft in der Mitte des Körpers. Der Schlundkopf ist kuglig, hat 2 zygo-
gomphische Kiefer und Zähne. Der Darm ist gebogen und durch eine Strictur in Ma-
gen und Dickdarm geschieden {Gasterodela}. Zwei deutliche, grofse, ovale Darmdrü-
sen sind im rechten Winkel abstehend. Fin breiter Eierstock umgiebt den Darm mit
oft 2 entwickelten Eiern. Der cylindrische, faltige Schwanz tritt auf der Bauchseite
aus einer Öffnung des Panzers hervor, ist am Ende abgestutzt und gewimpert. Ei rf, ',
Schaale allein J-,"', das ausgestreckte Thier mit dem Schwanztheile J5'". Entwicklungs-
cyclus t-k'"-'
Pterodina clypeala der Ostsee unterscheidet sich: testa elliptico-oblonga, fronte
rotas connectenle glal/ra, occllis approximalis , glandulis venlriculi Iransverse elon-
galis, fascialibtis, maxillis desmogomphicis.
Der Panzer dieser letzteren Art ist an den Seiten etwas umgebogen. Zu jeder Seite
der Augen, im entwickelten Räderorgan, ist ein farbloses Knötchen (Nervenganglion?).
Nur 2 Längsmuskeln in schiefer Richtung im Körper; bei der Contraction sieht man
aber noch 2 vordere Muskeln, oft gebogen, welche nicht weit von der vorderen Öff-
nung an den Panzer angeheftet sind und zum Räderorgane gehen. Eingeschnürter Darm
(Coelogastrica), eigenthümlich bandförmige, im rechten Winkel abgehende Darmdrüsen,
ein zweihörniger knotiger Eierstock mit 2-5 Eikeimen und im mittleren Körper 4
Längsreihen von Knötchen zu je 3; ob Kiemen? Der Schlundkopf hat 2 deutlich viel-
zahnige Kiefer mit aufliegenden Zähnen (Desmogoniplüa), was von den andern beiden
zweizahnigen Arten sehr abweicht. Ist das Thierchen ganz contrahirt, so erscheint der
Panzer fein längsgestreift. Der leere Panzer bleibt am Rande umgebogen, hat vorn
in der Richtung des kleinsten Raumes. 219
eine, auf der Bauchseite eingeschnittene, grofse Öffnung mit glatten, abgerundeten Rän-
dern und hinten, vor dem Ramie, eine zweite, etwas ausgeschweifte, kleine Öffnung.
Der cylindrische, queer gefaltete, zurückziehbare Schwanz ist am Ende abgestutzt, ohne
deutliche Wimpern (mit Saugscheibe?). Thierlänge ^V', Ei <^"\ welches zugleich der
Entwicklungscj'clus ist.
27. Salpina Lynceus N. sp. Lynceusäludiches Salpenlhierchen.
S. testa ovato-teretiuscula, longitudinaliter profunde sulcata, subtus hiante, an-
tice bicorni, postice rotundata, leviter emarginata.
Ich fand diefs Tbierchen am 14. Juni 1834 in torfigem klaren Wasser bei den Pul-
vermagazinen von Berlin.
Der unten ganz offene Panzer des sehr ausgezeichneten Thierchens pafst nicht ganz
zur Gattung Salpina, wohl aber zur Gattung Euchlanis, von welcher er jedoch wie-
der dadurch abweicht, dafs er eiförmig, nicht flach ist. Überhaupt ist der Panzer ganz
eigenthümlich gebildet. Ein fast dreieckiger, flacher Stirntheil ist, wie ein besonderes
Schild, vorn und oben eingekeilt und hat am vordem Rande 2 starke stumpfe Zähne;
unter ihm liegt das rothe Auge und durch den Ausschnitt wird die kurze Respirations-
röhre hervorgesteckt. Die Seitentheile des Panzers sind vorn abgerundet und der Länge
nach tief gefurcht. Ich zählte jederseits 6 solche etwas gekrümmte Furchen. Der Rük-
ken ist gewölbt und der Hintertheil abgerundet, mit einer ganz leichten Ausrandung an
der Bauchrinne. Auf der Bauchseite bilden die Schaalenränder in der Mitte einen stum-
pfen Winkel.
Das Pväderorgan schien mir aus 5 oder 6 Theilen zu bestehen. Ein grofser eiför-
miger Schlundkopf reicht bis an den Rand des Räderorgans und enthält 2, wie mir
schien, einzahnige Kiefer. Darauf folgt ein kurzer dicker Schlund und ein noch dicke-
rer einfacher Darm, der fast kugelförmig ist, über die Schwanzbasis hinaus den Rücken
erfüllt und vorn Spuren von 2 halbkugligen Darmdriiscn erkennen liefs, deren eine be-
sonders deutlich war. Ein einzelnes, grofses, rothes Auge liegt über dem Schlundkopfe
im Nacken und dicht vor diesem liegt die kurze Respirationsröhre. Der Zangenfufs ist
in der Mitte des Bauches eingelenkt, in den ersten 2 Drittheilen seiner Basis stark ge-
faltet, dann glatt und endet in eine kurze Zange, die der vierte Theil seiner ganzen
Länge ist. Der ganze Zangenfufs gleicht 2 Drittheilen der Panzerlänge.
Bisher schien es mir bequem, die gepanzerten Vielräderthierchen mit einem Auge
und einfach zweisebenkliger Schwanzzange blols danach in 2 Gattungen zu sammeln,
dafs bei den einen der Panzer flach niedergedrückt, niedrig und breit (Euchlanis di-
latala und macrura), bei den andern aber prismatisch oder seitlich zusammengedrückt
und hoch sei (Salpina mucronata u. s. w.). Vielleicht ist aber späterhin mehr Rück-
sicht darauf zu nehmen, dafs bei Euchlanis der Panzer unten in seiner ganzen Länge
offen ist, wie die Schaale der Daphnia, während bei Salpina der Panzer nur eine
vordere und hintere Öffnung hat und übrigens geschlossen ist. In diesem Falle würde
Salpina Lynceus zur Gattung Euchlanis gehören. Bei den Salpinen schien mir frei-
Ee2
220 Ehrenberg : Beitrag zur Erkenntnijs großer Organisation
lieh auch zuweilen, vorzüglich bei S. bicarinata, die Rückenleiste aus 2 blofs aneinan-
dergelegten Platten mit offener Spalte zu bestehen, was aber immer das Gegentheil der
Euchlaniden- Bildung wäre, welche die Öffnung am Bauche haben. Ob Euchlaiiis
Luna und Hornemanni die Schaale auch unten offen haben, wäre dann noch auszu-
mitteln. — Körper ^"' lang, i'" breit.
28. Squamella oblonga N. sp. Längliches Augenschüppchen.
S. testa elliptica s. ovato - oblonga, plana, apertura antica latiore, caudae cruri-
bus acutioribus, paullo longioribus, glandulis ventriculi pyriformibus.
Zuerst am 16. April 1S32 bei Berlin mit Chlamidomonas {Monas) Pulvisculus in
stehendem Wasser gefunden, dann in grofser Menge am 21. Mai 1834 in gleichen Ver-
hältnissen, wo sie sich bis zum 15. Juni so erhalten und zahlreich fortgepflanzt haben.
Die bekannte Art: S. Bractea, Brachionus Braclea von Müller, hat ein mehr
eiförmiges, hinten breites, vorn schmaleres Schild, eine engere vordere Öffnung, stum-
pfere und etwas kürzere Schwanzschenkel und mehr runde, halbkuglige Darmdrüsen;
auch schien mir der Schlund kürzer und nicht gebogen zu sein. Dabei ist sie gröfser.
Bei der zu beschreibenden Art ist die Schaale vorn halbmondförmig, mehr auf der
Bauchseite, weniger auf der Rückenseite ausgerandet. Der Hintertheil, fast auf gleiche
Weise abnehmend, ist oben ganz geschlossen, unten aber, im Verhältnifs der Schwanz
dicke, tief ausgerandet, ohne Ecken. Das Räderorgan erschien mir sechstheilig und
etwas hinter dem Rande fand ich 4 deutliche rothe Augen, 2 etwas gröfsere, 2 etwas
kleinere, die gröfseren etwas mehr nach vorn. Der kuglige Schlundkopf zeigte 2 un-
bestimmt dreizahnige Kiefer (Potygomphia). Ein gekrümmter enger Schlund , wenig
kürzer als der Schlundkopf, geht in den zweitheiligen Darm {Gaslerodela). Vorn am
Magen sitzen 2 birnförmige Drüsen, mit ihrem dickeren Ende angeheftet. Der längliche
Uterus hat meist ein Ei entwickelt in sich. An der Schwanzbasis, auf der Rückenseite,
liegt die Afteröffnung, gerad über derselben eine queer gelagerte, längliche, contractile
Blase, mit der 2 fadenförmige, an den Seiten herabsteigende Saamenorgane in Verbin-
dung sind. Muskeln habe ich wegen grofser Durchsichtigkeit und Lichtschwächung
durch den Panzer nicht unterscheiden können. Der Schwanz oder Zangenfufs hat 4
Glieder, von denen 3 dem Stiele angehören, der nur wenig länger ist als die beiden
Zangentheile. Schaale ^ - i'", ein reifes Ei -i'" l an g. Entwicklungscyclus ^ - ^"'. Ich
habe Hunderte davon übereinstimmend gesehen.
29. Synchaeta baltica N. sp. Baltischer Borstenkopf .
S. corpore ovato -conico, organi roiatorii lobis 4, lobo frontali setoso unico
interiecto, stylis utrinque binis inter binos Iobos rotatorios exsertis.
Ich fand 2 lebende Exemplare im Ostseewasser von Kiel, welches Herr Dr. Michae-
lis daselbst mir nach Berlin gesendet hatte, am 24. November 1832. Der erste Ent-
decker des Thierchens ist aber Herr Dr. Michaelis selbst, der es auch in seiner höchst
interessanten und wissenschaftlich wichtigen Schrift über das Leuchten der Ostsee als
in der Rechtung des kleinsten Raumes. 221
ein Leuchtthierchen bezeichnet und auf Tafel I, links in der unteren Ecke, abgebildet
hat. Diese Abbildung läfst die äufsere Form ziemlich gut, aber die innere Structur nicht
erkennen und stellt ein am Hintertheile ein YÄ mit sich tragendes Thierchen vor. Meh-
rere ähnliche finden sich in der Mitte dieser Tafel in einem Tropfen Wassers mit an-
deren. Im September 1833 fand ich dasselbe Thierchen wieder im Seewasser bei Ko-
penhagen mit Corynen und Sertularien.
Eine speciellere Beschreibung habe ich in meinen späteren Vortrag über das Leuch-
ten des Meeres aufgenommen, wo auch eine Abbildung der feineren Organisation des
Thierchens gegeben werden soll. Seine an den Seiten mehr gewölbte Form unterschei-
det sich von der kreiseiförmigen S. tremula, welche ebenfalls 4 Tastgriffel hat, der
aber die Ohren des Räderorgans abgehen. Zunächst steht S. oblonga ; diese hat aber
ein sechsfaches Räderorgan und alle jene leben im Flufs- und Sumpfwasser. Müller's
Vorticella tremula ist vielleicht ein von all diesen noch verschiedenes Seethierchen.
Die innere Structur dieser Form gleicht sehr der auf Tafel X abgebildeten Synchaeta
peclinala, welche aber nnr 2 Griffel und ein sechsfaches Räderorgan nebst 2 hörnchen-
artigen, borstigen Stirnfortsätzen hat, die jener fehlen. — Körperlänge \'".
30. Theorus uncinatus N. sp. Hakenlippiges Vielauge.
T. corpore graciliore, parumper compresso, labio superiore uncinato, caudae cru-
ribus subulatis, paululum elongatis.
Am 29. März 1832 bei Berlin mit Oscillatorien im Bassin des Thiergartens gefunden.
Bisher war mir nur eine Form dieser Gattung vorgekommen, die ich T. vernalis
nannte. Die Form ohne Stirnhaken fand ich zuerst im Jahre 1830, und eine ähnliche
wieder am 26. März 1832 unter ähnlichen Verhältnissen, jedoch zählte ich bei jener er-
sten 12 auf 2 Häufchen zu 6 im Nacken vertheilte, farblose, scharf umschriebene Punkte,
die ich für pigmentlose Augen hielt, bei der letzteren aber nur 4 solcher Punkte. Ich
bin nicht sicher, ob diese beiden hakenlosen Formen nicht auch 2 verschiedene Arten
sind, konnte aber sonst keine wichtigen Unterschiede finden. Bei der hakenführenden,
hier zu beschreibenden Art, welches die dritte und schlankeste sein würde, zählte
ich ebenfalls jederseits 6 pigmentlose Augenpunkte im Nacken. Im Schlundkopfe er-
kannte ich 2 Kiefer mit scheinbar einfachen Zähnen (Monogomphia). Ein aus mehre-
ren kleinen Parthieen bestehendes, wenig vortretendes, etwas schiefes Räderorgan, ein
kurzer verengter Schlund hinter dem Schlundkopfe, 2 kleine halbkuglige Darmdrüsen
dicht unter den Augenpunkten, ein langer, einfacher, conischer Darm, welcher bis zur
stiellosen Schwanzzange reicht, wo oberhalb der After befindlich, sind die von mir er-
kannten Structurverhältnisse. Uberdiefs sah ich noch undeutliche Streifung in der Längs-
richtung, wo also Muskeln liegen mögen, die eine schärfere Beobachtung zu entwic-
keln hat.
Die Form dieses Räderthierchens steht der Notommata Felis sehr nahe, welche jedoch
ein deutliches Nackenauge besitzt. Ein Junges von T. vernalis kann es de« Hakens
wegen nicht sein. — Körperlänge ^'". Dicke \ der Länge.
222 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Wären die farblosen Punkte keine Augen, sondern nur Blasen, was sich durch ihre
Verbindung mit dem Gehirn entscheiden lassen mufs, so würden die Formen der Gat-
tung Theorus zu den Augenlosen gehören und zu den Gattungen Pleurolrocha oder
Hydatina als Species zu stellen sein.
31. Triarthra longiseta N. sp. Langbärtiger Dreibart. = Langbeiniger TVas-
serfloh von Eichhorn T.I, n.7.? Laichspurrel von Oken?
T. corpore oblongo, campanulato, tereti, oculis distentis, cirris nientalibus et stylo
caudali sesquiplici duplicive corporis Iongitudine. Tafel VIII, Fig. 1.
Am 16. Juli 1832 in stagnirendem Regenwasser in Berlin zuerst beobachtet und bis
zum 11. August in der Fortpflanzung erhalten. Im October 1833 und zu Anfang Juny
1834 wieder in grofser Menge, zu Hunderten, gefunden.
Den kurzbärtigen Dreibart {Triarthra mystacina) fand ich zuerst im April 1830,
dann wieder am 10. August 1832 und konnte zu letzterer Zeit ihn mit dieser andern
Species gleichzeitig beobachten. Es sind in Berlin 2 verschiedene Arten. Jene, die kurz-
bärtige (nicht langbärtige, wie ich sie 1831 nannte), hat etwas mehr genäherte,
kleinere Augen und kürzere Barten und Griffel bei gleicher Gröfse.
Der Körper ist kurz cylindrisch, vorn abgestutzt, hinten abgerundet. Das Räderor-
gan bildet das vordere Ende und besteht aus 5 bis 6 gewimperten gleichen Muskelpar-
thieen, zwischen denen einige, besonders ein gröfserer,^ Hirnknoten liegen. Auf 2 die-
ser Knoten sind ebensoviel ziemlich grofse und runde rothe Augen befindlich. Im In-
nern des Körpers sah ich deutlich 4 gestreifte Längsmuskeln, die aber in verschiedenen
Lagen eine verschiedene Länge und Inscrtionsstelle zeigten, wovon ich den Grund nicht
erreichen konnte. Vielleicht gehen sie, dicht an der Haut angelegt, noch bis zum Hin-
tertheile fort, ohschon sie sich in der Körpermitte anzuheften scheinen. Ruhend ist das
Thierchen schwer zu beobachten und im Schwimmen verändert es beständig seine Lage.
Ich unterschied 2 Riickenmuskeln , 2 Bauchmuskeln und jederseits einen Seitenmuskel.
Dicht hinter dem Räderorgan, auf der Bauchseite, sind 2 verhältuifsmäfsig dicke Barten
an 2 kräftige Muskeln geheftet und zwischen diesen liegt der Mund gerade so, wie er
bei Daphnia zwischen den beiden grofsen Armen liegt. Auf diese beiden Muskeln folgt
nach hinten der kuglige Schlundkopf mit 2 vielzahnigen Kiefern, nach der Form der
reihenzahnigen (Locliogomphin). Ein enger Schlund von der Länge des Schlundkopfes,
ein eingeschnürter Darm mit Magen und Dickdarm (Gas le rode ta), bei dessen Anfange
2 eiförmige Darmdrüsen deutlich liegen. Der Mund ist etwas seitlich am vorderen Ende
an der Bauchseite. Der After ist gerade in der Längsaxe des Körpers am hintern Ende.
Unterhalb des Afters, am Bauche, ist der einfache Schwanzgriffel eingelenkt und mit
einem undeutlich begrenzten Muskel versehen. Neben dem After, auf der Rückenseite,
liegt eine contractile, rundliche, bald gröfsere glatte, bald kleinere faltige Blase und ebenda
endet der knotige Eierstock, welcher oft 1 bis 2 ganz entwickelte Eier enthält, die aber
alsbald ausgeschieden werden und mit einem kurzen Faden am hintern Körperende be-
in der Richtung des kleinsten Baumes. 223
festigt bleiben. In solcben Eiern sah ich ganz entwickelte Junge und Fötusbewegun-
gen. Augen und Schlundkopf waren im Ei schon ganz entwickelt, aber die Barten und
der Griffel schienen mir schon entwickelten, aber künstlich von der Eischaale entblöls-
ten Thierchen noch zu fehlen. Diesen Zustand, der einer Metamorphose gleicht, habe
ich auf Tafel VIII abgebildet ('). Die Barten und der Griffel sind drehrund, spitz aus-
laufend und überall wie durch seltne, sehr kurze, anliegende Borsten rauh. — Körper-
länge ohne den Schwanz bis jV", mit demselben ohne die Barten, bis \'", Ei ^ - tj" •
Entwicklungscyclus ^ - -j"'.
Die Bewegungen dieses Thierchens sind hüpfend, wie bei Daphnia , aber die bei-
den Barten hangen dabei herab, bewirken jedoch allerdings durch schnellende Bewegung
das Hüpfen.
ÄNeue Familien und Gattungen von Räderthierchen.
OECISTINA Nova Familia. Familie der Hülsenthierchen.
Character Familiae: Botatoria, Monotrocha, loricata.
I. Oecistes NoYum Genus. Hülsenthierchen.
Character Generis: Botatorium Monotrochum, loricatum; lorica singulis
singula (urceolus), ocelli duo frontales, evanescentes.
32. Oecistes crjrstallinus N. sp. Crystallenes Hülsenthierchen.
O. urceolo cylindrico, hyalino, viscido, affixo, animalculo longissime pedicellato,
hyalino.
Zuerst gefunden am 10. Juni 1832 auf Hottonia palustris bei Berlin, dann wieder
am 30. September 1832 auf Wurzeln von Lemna minor.
Es waren bis zum Jahre 1S32 noch keine gepanzerten Einräderthierchen bekannt
geworden. Zwei mir später vorgekommene, diesen Charakter tragende Formen {Oecis-
tes cryslallinus und Conochilus Volvox) bilden mithin eine den Ichthydinen oder
Wimpcrfischchen entsprechende neue Familie. Die erste dieser Formen, das cry-
stallene Hülsenthierchen, hat einen cylindrischen, unten ansitzenden, oben offenen
Panzer oder Büchse, in deren Grunde es mit dem Ende seines schwanzförmigen langen
Fufses frei angeheftet ist und die es, wenn es heftig beunruhigt wird, verlassen kann,
um aufserhalb beliebig fortzuschwimmen, vielleicht auch, um eine neue zu bilden. Diese
Büchse ist wenig dicker als der Körper, gallerartig und scheint äufserlich klebrig zu
sein, weil sie immer mit allerlei Schlammtheilchen des Wassers verunreinigt war. Das
(') Als ich im October 1833 Herrn Hofrath Carus eine solche künstliche Geburt sehen liefs,
schien es uns aber doch, als ob auch schon die Barten beim Foetus voihanden und nur eng angeschlos-
sen wären; mithin würde sich doch die Metamorphose nur auf die weitere Entwicklung des Rader-
orgaus beschränken.
224 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenn tni/s großer Organisation
Thierchen ist gestreckt 1 \, mal so lang als seine Hülle. Der Fufs ist mehr als 3 mal
so lang als der Körper. Das Räderorgan bildet einen einfachen, vorderen, nicht ganz
geschlossenen Kranz, der etwas breiter als der Körper ist und an der Mundstelle sich
etwas einbiegt. Es ist mithin nierenförmig zu nennen. Hinter dem Räderorgane sieht
man den kauenden Schlundkopf mit 2 reihenzahnigen Kiefern, in deren jedem 3 Zähne
sich auszeichnen {Lochogomphia). Der dann folgende Schlund wird durch eine Stric-
tur gebildet. Zwei halbkuglige Darmdrüsen und ein zweitheiliger Darm (Gasterodela)
ohne Blinddärme erkennt man leicht, auch ist im hinteren Körperraume ein länglicher
dunkler Uterus wahrzunehmen. Der After ist da, wo der dickere Körper in den dün-
neren Fufs übergeht. Die anderen Organe habe ich noch nicht sorgfältig genug auf-
suchen können, da ihre Durchsichtigkeit dieses erschwert. Der After bildet einen klei-
nen Vorsprung und einen andern kleinen Höcker sah ich in der Gegend der Darmdrü-
sen; dieser ist vielleicht ein Sipho, Bei der Contraction des Räderorgans wird der
vordere Körpertheil kurz conisch und längsgefaltet, und da sah ich vor dem Schlund-
kopfe einmal 2 scharf umschriebene, farblose Punkte, die vielleicht Rudimente der Au-
gen sind; denn in den fast cvlindrischen, langgestreckten Eiern sah ich deutlich, wenn
der Schlundkopf ausgebildet war, auch 2 rothe Augen am Foetus. Die fast 3 mal so
langen als dicken Eier legt das Thier in seine Hülse neben sich; ich fand deren bis 5
in einer. Eilänge ^". Körper ohne den Schwanz ,V", mit demselben fast ^'". Büchse
V". Entwicklungscyclus ^ - %'".
Tl. Conochilus Novum Genus. Lippenkreisel j Familie der Hülsenthierchen.
Character Generis: Rotatorium Monotrochum, loricatum; lorica pluribus
communis (lacerna); ocelli duo occipitales (persistentes).
33. Conochilus Volvox N. sp. Wälzender Lippenkreisel.
C. animalculis pluribus hyalinis in globum libere natantem consociatis, basi ge-
latina involutis, apice liberis, processu duplici conico in media rotae area.
Die ersten Exemplare fand ich am 4. Juni 1832 bei Berlin im Wasser des Plötzen-
sees und zeichnete sie. Es waren 10 - 12 Thierchen in kleine, weifsliche, mit blofsem
Auge recht wohl sichtbare Kugeln vereint. Am 10. Mai und 15. Juni 1834 fand ich
wieder sehr viele, wohl über 100, Exemplare in einer Torfgrube bei Berlin. Ich zählte
bis 20 Thierchen in einer Kugel.
Die Kugeln, welche dem Volvox Globalor an Gröfse und Bewegung sehr ähnlich,
aber sichtlich viel lockerer und weifs sind, auch mit den Jungen der Megalotrocha
alba und Lacinularia socialis im Aufseren Ähnlichkeit haben, bestehen aus einer sehr
durchsichtigen Gallerte, die man leicht ganz übersieht, und in den bei der Ruhe darein
zurückgezogenen, im Schwimmen aber herausragenden, ziemlich grofsen Räderthierchen.
Sobald man die Kugeln in ein getrübtes Wasser bringt, erkennt man den gemeinsamen
Mantel sehr leicht
in der Ricliturig des kleinsten Raumes. 225
Der Körper ist eiförmig oder kurz cylindrisch und endet in einem langen, ziemlich
dicken, 2 V, mal so langen Fufs ohne Zange. Der ganze Körper, und seihst der Ober-
theil des Fufses, kann aus dem Mantel hervorgestreckt werden; die Füfse sämtlicher
Thierchen bilden dann Strahlen in der Gallertkugel, welche im Centrum zusammenkom-
men. Das ausgedehnte Räderorgan des erwachsenen Thieres überragt die Nackenbreite
jederseits um etwa \, die gröfste Körperbreite um weniger. Die Form desselben ist
fast zirkelrund, jedoch ist es in der Mitte der Bauchseite durch den Mund unterbrochen.
Mitten im Radkreise tritt während dessen Thätigkeit ein doppeltes conisches Organ her-
vor, wovon jedes Einzelne eine nicht gar lange Borste trägt. Diese beiden Borsten
und ihre kegelförmigen Basaltheile schienen mir eine zweispaltige Oberlippe zu bilden,
während das Räderorgan den Stirnrand darstellt. Jene Lippen und Borsten können ganz
eingezogen werden, auch während das Räderorgan wirbelt. Über dem Schlundkopfe,
im Nacken, liegen 2 in fast gleicher Entfernung vom Rande und von einander abste-
hende, rothe, runde Augenpunkte. Die Grenzen der Muskeln des Räderorgans konnte
ich noch nicht deutlich herausfinden, obwohl ihre Masse sichtbar war. Im Grunde des
durch den Wimperkreis, die gespaltene Oberlippe und den wimperlosen, sehr kleinen
Kinnrand begrenzten Mundraumes liegt der Schlundkopf, eine fast kuglige, aus 4 Mus-
kelparthieen bestehende Masse mit 2 deutlichen, horizontal neben einander gelegenen,
reihenzahnigen Kiefern (LocJwgornpIiia), in deren jedem ich überall 4 stark ausgebildete
Zähne zwischen zahlreichen feineren Streifchen sah, die wohl noch andere, weniger ent-
wickelte Zähne waren. Auf diesen Schlundkopf, der etwa i; der Körperbreite einnimmt,
folgt ein halb so dicker, kurzer Schlund, welcher in einen zweitheiligen Darm über-
führt (Gasterodela). Beide Darmtheile, Magen und Dickdarm, sind ziemlich von glei-
cher Gröfse und die Analöffnung, gleichzeitig Geschlechtsöffnung, ist auf der Rücken-
seite da, wo der -dickere Körper in den dünneren Fufs oder Schwanz übergeht. Aul
derselben Seite liegen auch die Augenpunkte der Oberfläche am nächsten. Hinter dem
Darme, in der Analgegend, liegt ein Eierstock und in jeder Kugel giebt es fast immer
alle Zustände der Eientwicklung in den verschiedenen Thieren , vom eben befruchteten
an bis zur vollendeten Foetusbildung mit Eischaale, Augen, Kiefern und Bewegung.
Wegen grofser Durchsichtigkeit des Körpers ist es mir noch nicht gelungen, die
männlichen Sexualorgane und Kiemen oder Gefäfse zu unterscheiden; aber wohl sah ich
Spuren von Längsmuskeln, deren Anordnung dadurch eigenthümlich ist, dafs umge-
kehrt wie bei vielen anderen Räderthieren, nicht der Vorderlheil des Körpers die Be-
wegungsmuskeln vorzugsweise besitzt, sondern der Hintertheil. Vordere Muskeln, welche
vom Räderorgane zum mittleren Körper gingen, konnte ich gar keine erkennen, wohl
aber sah ich sehr deutlich 2 Paar von der Körpermitte anfangende, und durch den gan-
zen Schwanzfuls verlaufende Seitenmuskeln und ein Paar Rückenmuskeln, welches eben-
falls, von der Rückenmitte anfangend, sich bis zur Schwanzbasis fortsetzte; ein viertes
Muskelpaar aber ging von der Bauchmitte zur Schwanzbasis. Bei einer gewöhnlichen
leichteren Contraction wird der Schwanzfufs queerfaltig und verkürzt, bei einer stär-
keren oder schnelleren wird er zuweilen S förmig. Das verdünnte Ende des Schwanz-
Phys. Abha ndl. 1S33. Ff
226 Ehrenbeug: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
fufses ist abgestutzt und scheint einen Saugnapf zu bilden. Wimpern sah ich nicht
daran.
Gröfse der Kugeln -IV", der Individuen -V"? der Eier ^'". Breite des Körpers bis
jj'". Entwicklungscyclus von ^ - V ". Das durchsichtige Thierchen nimmt, wie die mei-
sten Räderthiere, sehr leicht Indigo- oder Karmin -Nahrung auf; die gewöhnliche Fül-
lung des Darmes ist goldgelblich.
Den Namen Conochilus habe ich der in 2 kegelförmige Theile gespaltenen Ober-
lippe halber gegeben, und obwohl ich diesen Charakter nicht als Gattungscharakter an-
sehen möchte, bevor nicht mehrere andere Formen darin übereinstimmend gefunden sind,
so schien mir doch nicht unzweckmäfsig, den auffallenden Charakter dieser Form der
Gattung hervorzuheben. Übrigens scheint mir diese Bildung, bei einer Rücksicht auf
das Räderorgan der Brachionen und deren 2 Griffel, anzudeuten, dafs das einfache Rä-
derorgan ein aus zweien verschmolzenes ist.
III. Cypiionautes Novum Genus. Buckelthierchen.
Diese neue Gattung ist unter Nr. 10. pag. 204. bei den neuen Arten der Räderthier-
chen bereits umständlich beschrieben worden.
IV. Polyarthra Novum Genus. Vielbart. Familie der Crjstallthierchen.
Character Generis: Rotatorium Polytrochum nudum; ocello unico oeeipi-
tali, cauda nulla, cirris mentalibus utrinque pluribus, fasciculatis.
34. Polyarthra sexpennis N. sp. Sechs/iiigriger Vielbart.
P. ovata, cirris utrinque 6, corporis longitudine. Tafel XI, Fig. 2.
Ich fand diefs Thierchen zum ersten und einzigen Male am 20. November 1832 zwi-
schen Conferven bei Berlin.
Die ausgezeichnete Bildung dieses Räderthierchens ist besonderer Beachtung werth.
Seine vielfachen Barten, in 2 Bündeln zu beiden Seiten unter dem Munde, sind nicht
mehr mit den Griffeln der übrigen Formen vergleichbar , sondern bilden schon 2 ver-
kürzte Armglieder der Daphnien mit grofser Deutlichkeit. Auch diese haben häufig
6 lange Borsten, welche aber auf einer starken armarligen Basis wie Finger vertheilt
sind. Hier sind die Finger ohne Hand und Arm. Die Thätigkeit beider Organe ist die-
selbe. Auch hier dienen sie zum Fortschnellen des Körpers und bedingen eine hüpfende
Bewegung des Thierchens. Bei der Gattung Triarthra ist diefs noch einfacher und noch
mehr im Übergange zu den einfachen Griffeln der Räderthiere (').
(') Bei einer weiteren Vergleichung der Daphnien und Räderthiere darf man nicht, wie es schon
geschehen, die beiden hinteren Borsten der ersteren mit den beiden Zangengliedern der Räderthiere
vergleichen, obschon sie grofse Ähnlichkeit, selbst durch die sie bewegenden Muskeln haben. Die-
ses Organ der Schaalenkrebse befindet sich auf dem Rücken, über dem After, und hat nur entfernte
Ähnlichkeit etwa mit den warzenartigen Hörnchen {corniculis) , mit welchen l'hilodina aculeata
in der Ricltliuig des kleinsten Raumes. 227
Der kurze glockenarlige Körper ist dem der Triarthra ähnlich, noch kürzer, vorn
abgestutzt, hinten abgerundet. Das vordere Ende nimmt das Räderorgan ein. Letzteres
besteht aus 4 (?) Theilen, welche zuweilen w ie 2 erscheinen und für ein doppeltes Rä-
derorgan angesehen werden können, da sie zu 2 jederseits befindlich sind. Zwischen
ihnen liegt ein borstiger Stirntheil und 2 hörnchenartige borstige Fortsätze desselben
sind vorstehend. Mitten zwischen den Muskeln der Räderorgane liegt über dem Schlund-
kopfe, auf der Rückenseite, ein eiförmiges grofses llirnganglion , welches ein rundes,
durch rothes Pigment ausgezeichnetes, grofses Auge am hintern Ende trägt. Der Schlund-
kopf ist rundlich und grofs und enthält 2 einzahnige Kiefer (Monogomphia). Ein kur-
zer enger Schlund und ein zweitheiliger Darm (Gaste rode la) folgen darauf. After hin-
ten in der Längsaxe des Körpers am Ende. Vorn am Magen sitzen 2 fast kuglige Drü-
sen. Überdiefs war im hintern Körperraume ein knotiger Uterus sichtbar, der 2 un-
gleich entwickelte Eikeime trug. Ein ganz ausgebildetes Ei hing aufserhalb des Kör-
pers am Hintertheile angeheftet. Von inneren Organen habe ich überdiefs nur noch 2
oder 4 Längsmuskeln deutlich unterscheiden können, welche zu beiden Seiten des Schlund-
kopfes in der Mitte der Stirn anfangen und etwas divergirend bis an den hintern Kör-
perrand innen fortgehen. Vom Rücken und vom Rauche erkennt man immer nur 2,
doch scheinen diese noch 2 andere zu decken, so dafs es wohl 2 Rückenmuskeln und
2 Rauchmuskeln giebt. Rei der Seitenlage wird ihre Unterscheidung durch die Rarten
erschwert. Die Rarten stehen in 2 Ründeln am Ende des ersten Drittheils des Körpers,
durch die Breite des Schlundkopfes von einander getrennt, und überragen, wenn sie
anliegen, den Körper um - 3 seiner Länge. Sechs Barten bilden jederseits ein Bündel
und mit ihrer Basis stehen sie zu 3 auf einem gemeinschaftlichen, kugligen, doppelten
Rasalgliede oder Muskel, als wären es die beiden dreiborstigen Endspitzen eines Daph-
nienarmes. In der Ruhe hat das Thierchen alle Rorsten jederseits in ein Ründel dicht
zusammengelegt an den Leib angezogen, so dafs sie nur 2 dicken Rorsten gleichen; bei
seinen hüpfenden Rewegungen spreizt es die 6 Barten gleichmäfsig aus.
Eins dieser Thierchen war mit Colacium aequabile an seinen Barten und am Kör-
per besetzt, wie es auf Tafel XI dargestellt ist und ich es sonst nur bei jungen Cyclops-
Formen beobachtet habe. Ich sah bisher nur 2 dieser Thierchen. — Körperlänge xi"
(ohne die Barten), Ei £". Entwicklungscyclus ^ - J^'".
besetzt ist, oder mit den Griffeln, welche Notommata Cnpeus an den Seiten des Körpers führt, nicht
mit dem Schwänze derselben. Sie liegen nämlich über dem After, wahrend die Schwanzzange der
Räderlhierchen am Bauche unter demselben befindlich ist. Jedoch ist die harte gezahnte Endzange
der Daphnien ganz genau übereinstimmend mit der Localitat und Form der weichen Schwanzzange
der Rädeilhiere, denn sie liegt unter dem After. Übrigens dient den Räderthieren der Zangenfufs
nur zum Anheften des Körpers, den Daphnien aber daneben, und mehr nocli , zum Reinigen der
Kiemen, indem diese durch herangezogene fremde Stoffe leicht eingehüllt und behindert werden.
Kräftige Zangenbewegungen werfen von Zeit zu Zeit diese fremden Stoffe heraus. Diefs wird durch
die Krümmung des Zangenfufses erleichtert.
Ff2
228 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
II. Magenthierchen.
(Alle Arten, bei welchen ich durch farbige Nahrung den Darmkanal sorgfaltig aufser Zweifel gesetzt
habe, sind, wie in meinen früheren Abhandlungen, durch ein Ausrufungszeichen angedeutet).
1. Actinophrys viridis Nova species. Grüne Strahlenkugel.
A. globosa, viridis, setis brevioribus, corporis diametrum dimidium aequantibus,
crebrioribus.
Zuerst im April 1832, dann wieder in mehreren Exemplaren am 14. Juni bei Ber-
lin zwischen Conferven im Bassin des Thiergartens beobachtet.
Diese Form bildet die dritte Art der Gattung Actinophrys und ist mit den beiden
übrigen bisher unter dem Namen Trichoda Sol von Müller begriffen worden, oder
ganz unbekannt geblieben. Es sind grüne, mit kurzen Borsten besetzte Kugeln, die sich
sehr langsam auf die Art fortchieben, wie Seeigel es thun, indem sie die einzelnen Bor-
sten sehr langsam auf- und ab-be\vegen. Diese Borsten sind hier verhältnifsmäfsig kür-
zer als bei den beiden übrigen Formen, nur balb so grofs als der Körperdurchmesser.
Der ganze Körper ist mit Bläschen (kleinen Magen?) erfüllt und nicht diese sind grün
von so gefärbter Nahrung, sondern die grüne Farbe scheint der dazwischen liegenden
Substanz anzugehören. Ich vermuthe aber, dafs sie blols dem Eierstocke eigen ist, konnte
jedoch mir die in anderen ähnlichen Fällen vorhandenen körnerartigen Eierchen nicht
deutlich machen. Vielleicht lag es an der Entwicklungsperiode, in der die von mir ge-
sehenen Individuen waren. Einen Bussel habe ich bisher so wenig als contractile Se-
xualorgane erkannt, jedoch habe ich noch zu wenig Individuen gesehen, und um die
feineren Organisationstheile der Infusorien klar zu erkennen, mufs man immer erst mit
der allgemeinen Form und den gröberen Theilen durch öfteres Beobachten vertraut sein.
Die Formähnlichkeit und Übereinstimmung aller erkennbaren Theile mit Trichoda Sol
ist so grofs, dafs die Ähnlichkeit des noch unbeobachteten sehr wahrscheinlich wird. —
Durchmesser der gröfsten Individuen ,-r ", der kleinsten i-"'.
2. Amphileptus papillosus N. sp. Gefranzler Doppelhals.
A. corpore oblongo, depresso, proboseide Gliformi corpus fere aequante cauda-
que glabris, corpore papilloso-cirroso, hyalino.
Ich fand diefs sehr ausgezeichnete Thierchen einigemale zwischen Conferven des
Thiergartens bei Berlin im Mai 1832.
Alle Individuen, die ich bisher beobachten konnte, deren 4 waren, zeichneten sich
durch eine grofse Sonderbarkeit aus, die mir theils ihrer Übereinstimmung wegen, theils
ihrer ganzen Erscheinung nach lauge unerklärlich blieb. Ich sah nämlich eine deutliche
Navicula mit einem langen Bussel ganz anders und schneller schwimmend als die übri-
in der Richtung des kleinsten Baumes. 229
gen mir bekannten Formen dieser Gattung. Anfangs glaubte ich damit die thierischen
Organe der Bacillarien an einer neuen Art von Navicula entdeckt zu haben, allein ich
überzeugte mich endlich, dafs die Form doch zur Nav. Jtdva gezogen werden könne
und erkannte durch Trübung des Wassers mit Indigo allmälig, dafs diese Navicula nur
ein verschlucktes Thier im Bauche eines andern sehr durchsichtigen war, dem auch jener
bewegliche Rüssel angehöre.
Der crystallene Körper des eigentlichen Thierchens ist länglich eiförmig, etwas ab-
geplattet und überall mit crystallhellen Wärzchen besetzt, die in eine Spitze ausgehen.
Hinten geht derselbe in einen glatten, schwanzartigen, stumpfen Anhang aus, vorn in
einen langen, sehr feinen, fadenförmigen Rüssel, welcher in beständiger Bewegung ist.
Die ganze Form und Rüsselbewegung hat viel Ähnlichkeit mit Trachelius? Irichopho-
rus, der aber fast nur halb so grofs ist und keinen schwanzförmigen Anhang hat, da-
her den After am Ende trägt. Der Rüssel ist entweder beim Schwimmen gerad nach
vorn ausgestreckt und nur an der Spitze bewegt, oder wird wie eine Peitsche geschwun-
gen und bewirkt dadurch einen Strudel im Wasser, den man im klaren Wasser nicht,
aber bei Indigotrübung sehr deutlich sieht. Da das innere Schiffchen den ganzen mitt-
leren Körperraum in allen von mir beobachteten Individuen einnahm, und diese niithiu
gesättigt waren, so Iiefs sich nichts weiter von Struclur mit Klarheit ermitteln. Die
grofse Mundöffnung schien mir an der Basis des fadenförmigen Rüssels liegen zu müs-
sen und der schwanzartige Hintertheil macht es aller Analogie nach wahrscheinlich, daU
der After ebenfalls an dessen Basis, nicht an der Spitze ist. — Körpergröfse 5*5"' ohne
den ziemlich eben so langen Rüssel. Schwanz gleicht \ der übrigen Körperlänge.
Einiges über diese Form werde ich noch zur Gattung Navicula bemerken.
3. Amphii.eptus viridis N. sp. Grüner Doppelhals.
A. corpore fusiformi, medio granulis viridibus tineto, proboseide caudaque hya-
linis, illa valida, quartam fere totius partem aequante.
Mit Lemna minor am 16. April 1832 bei Berlin im Thiergarten einige Male beob
achtet.
Diese Form ist etwas gröfser als Amphileplus Anser und durch im Körper dicht
verstreute Körnchen, die ich für Eier halte, ganz grün gefärbt, mit Ausnahme des Rüs-
sels und des Schwanzanhanges. Die Dichtigkeit der grünen Körnchen samt der durch
den ansehnlichen Durchmesser des runden Körpers veranlafsten geringeren Durchsichtig-
keit des letzteren erlaubten keine detaillirten inneren Structurbeobachtungen. Die un-
gleiche Dunkelheit des Innern liefs auf den polygastrischen Darmbau schliefsen. Sehr
deutlich war nur eine contractile, helle, runde Blase im Anfange des letzten Drittheils
des Körpers. Der Mund liefs sich durch die Strömung deutlich erkennen , indem nur
an der Basis des Rüssels, an einer etwas abgeplatteten und leicht abgesetzten Stelle, ein
Rückstofsen von Farbetheilchen im Indigowasser statt fand. Der übrige ganze Körper,
welcher im klaren Wasser ungewimpert erschien, zeigte sich im gefärbten als ringsum
reihenweis dicht mit Wimpern besetzt, welche Strömungen der Farbetheilchen veran-
230 Ehrenberg: Beitrag zur Erhenntnifs großer Organisation
lafsten, abwärts auf der Bauchseite, aufwärts auf der Rückenseite. Aufnahme gefärbter
Stoffe in den Darm gelang nicht, wie diefs bei den meisten, stark grün gefärbten Thier-
chen zu sein pflegt. Rüssel 3 mal so lang als dick, vorn abgerundet. Ganzer Körper
mit den Anhängen im ruhigen Schwimmen etwa 4 mal so lang als dick, sonst veränder-
lich. — Körperlänge ' - %' ". Innere Körnchen f55o"' Entwicklungscyclus ^5? - V"-
Die Brut des Amphileplus Anser glaube ich ebenfalls, aber als farblose Körner, beob-
achtet zu haben.
Rücksichtlich der letzteren Art giebt es bei Berlin zwischen Conferven und Wasser-
linsen des Thiergartens 2 auffallend verschiedene Formen, die sich beide zu Müller's
Vibrio Anser ziehen lassen. Die eine derselben, welche ich in meinen früheren Mit-
theilungen mit jenem Namen bezeichnete, ist etwas weniger schlank und hat eine ein-
fach ausgebuchtete Mundstelle. Nur die Unterlippe bildet ein Knötchen (luberculum),
welches aber nicht auf dem Rücken ist, wie Müller glaubte, sondern auf der Bauch-
seite. Der Rüssel bildet bei dieser Form deutlich eine Oberh'ppe, oder soll der Rüssel
als Stirntheil angesehen werden, so würde eine Oberlippe fehlen. Der Körper dieser
Form ist mehr eiförmig und der Rüssel so lang als der Körper ohne den Schwanz.
Die vielen Magen und eine contractile runde Blase im hinteren Körperraume unterschei-
det man leicht; auch sah ich zuweilen deutliche farblose oder milchfarbene Körnchen
zahlreich in der Substanz zwischen den Magen, die ich für Eier hielt. Der After ist
deutlich an der Basis des Schwanzes.
Die andere Form, welche ich mit dem Namen Amphileptus margaritifer vorläufig
als Subspecies der vorigen ansehe, ist viel schlanker spindelförmig und hat die beiden
Knötchen (ttibercu/a), welche Müller als Charakter des Anser hervorhebt. Beide Knöt-
chen haben, wie man sich durch Färbung des Wassers und dadurch sichtbaren Strudel
leicht überzeugt, zwischen sich den Mund, und sind also eine Oberlippe und eine Un-
terlippe, wodurch denn der Bussel als Verlängerung der Stirn erkannt wird. Der Rüs-
sel ist ebenfalls von der Körperlänge, scheint etwas weniges mehr gespitzt und beson-
ders auffallend ist im Innern des Körpers, längs des Rückens, d. i. auf der dem Munde
entgegengesetzten Seite, eine einfache Reihe sehr heller, wenig veränderlicher, sehr kla-
rer Bläschen, wie sie bei Nassula etegans Fig. 1. f. Tafel I. angezeigt sind und von
Müller bei Kolpoda Meleagris Fig. 1. und Fig. 6. Tab. XIV. erkannt und irrig für Eier
gehalten wurden. Nach der Analogie von Nassula elegans sind diese Blasen der pa-
ternosterschnurförmige Kanal, welcher den dort violetten, hier farblosen Darmsaft auf-
nimmt und weiter führt, zuweilen aber auch bei jenen entleert und farblos ist. Der
polygastrische Darm liefs sich leicht unterscheiden. Deutliche Eier sah ich bei dieser
Form nicht. Beide Formen sind überall mit dichten Längsreihen von Wimpern behaart,
womit sie rudern und Nahrung anziehen, was sich aber nicht in klarem, nur in gefärbtem
Wasser leicht erkennen läfst. — Körpergröfse der letzteren Form bis \'". Schwanz
etwa der fünfte Theil des Körpers ohne den Bussel.
Ich würde von diesen beiden Formen die erstere leicht für Müller's Vibrio Anas
halten, die letztere für Vibrio Anser, wenn nicht jene von ihm im Seewasser beobach-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 231
tet wäre und es mir geschienen, dafs beide Süfswasserthierchen Übergänge der beiden
Formen in einander zeigten.
4. Aspidisca denticulata N. sp. GezäJuielles Schädthierchen.
A. scutello suborbiculari, parumper turgido, margine ventrali vibrante leviter
truncato, denticulato.
Am 16. Juni 1832 zwischen Wasserlinsen bei Berlin neben der von Gräfeschen
Besitzung nur einmal beobachtet.
Diefs Thierchen hat die nächste Verwandtschaft zur Aspidisca Lynceus, daher mag
es indessen in seiner Nähe verzeichnet werden. Der Panzer ist sehr charakteristisch.
Er wird durch ein rundliches, wenig überragendes Schildchen gebildet, welches dem
abnehmenden Vollmonde in den ersten Tagen gleicht. Der hakenförmige Fortsatz des
Lynceus fehlt ihm; auch ist er nicht hinten, wie dieser, abgestutzt. Die gerade Seite
ist die, welche den Wimpern entspricht und welche die Mundöffmmg bei Lynceus deut-
lich zeigt; eben diese ist auch hier die gezähnelte. Im Innern sah ich neben verschie-
den schattirten Substanzen 2 sehr helle, grofse Blasen, welche wohl contractile männ-
liche Organe waren. Das Thierchen kletterte viel mit Hülfe von Borsten , wie Eu-
plotes und wie sie auch der Lynceus hinten besitzt, jedoch konnte ich deren Anord-
nung nicht klar machen. Während des Aufzeichnens verlor sich das Individuum. Sollte
sich später erweisen, dafs der After nicht hinten ist, wie bei Aspidisca Lynceus, son-
dern auf der Bauchseite neben und hinter dem Munde, wie bei Euplotes Charon, so
würde die Form eine Art der Gattung Euplotes sein. Das sehr ausgezeichnete Schild-
chen wird die Species immer gut bezeichnen. Die Bauchseite hat unter dem gezahnten
Schildrande eine Reihe von wirbelnden Wimpern, wie A. Lynceus und Euplotes Cha-
ron, an deren hinteren Ende, in der Nähe des letzten Bandzahnes, der Mund befindlich
schien. Von der Seite gesehen ist es unten flach, oben leicht gewölbt. — Körper samt
dem Schildchen ^" breit.
5. Astasia pusilla N. sp. Kleiner Anderling.
A. corpore pusillo, oblongo, proteiformi, antico fine rotundato, postico subacuto.
hyalino, intus vesiculoso.
Ich fand diefs Thierchen zuerst als Überzug der Frühlingsgewässer im Thiergarten
bei Berlin am 27. Mai, dann wieder am 6. April 1S33 in sehr grofser Menge.
Bei einer Vergrößerung von 300 im Durchmesser hatte ich die ersten Individuen
beobachtet und dabei nur ein sehr kleines farbloses, der Euglena viridis oder Astasia
Jlai'icans, oder noch mehr dem Disligrna Proteus an Veränderlichkeit der Form ähn-
liches Wesen erkannt, welches in unzähliger Menge die Überfläche des Wassers dicht
erfüllte. Ich suchte nach Augenpunkten und fand weder deren eines, wie bei Euglena.
noch 2, wie bei Disligrna, sondern kein Auge, was der Charakter der Gattung Astasia
ist. Im Innern sah ich den Körper mit sehr kleinen Bläschen erfüllt, ohne sonst be-
stimmtere Structurverhältnisse wahrnehmen zu können.
232 Ehrenbeug: Beilrag zur Erkenntniß großer Organisation
Bei der zweiten Beobachtung im folgenden Jahre versuchte ich mit noch gröfserer
Schärfe die innere Structur der bereits in Zeichnung vorliegenden Form zu entwickeln.
Eine stärkere Vergröfserung zeigte mir da alsbald am Vordertheile einen sehr feinen,
beweglichen, einen kleinen Strudel bewirkenden Faden, oder Bussel von nicht völlig
der halben Körperlänge. Im klaren Wasser war dieser Bussel, obwohl ebenso thätig,
nie sichtbar, aber sein Wegschnellen der Farbetheilchen liefs ihn im gefärbten Wasser
leicht erkennen. Zuweilen schien es mir, als sei der Körper mit sehr feinen Wimpern
besetzt. Eine 1000 maligc Vergröfserung gab jedoch noch keine Klarheit darüber. Die
inneren Magenblasen waren sehr deutlich. Farbestoffe nahm es nicht auf, obwohl ich
es tagelang in gefärbtem AVasser liefs. Alle Büsselthierchen nehmen sie schwieriger auf
als die mit grofser Mundöffnung. — Körpergröfse j4ö - =fi" '■> niithin halb so grofs wie
Distigma Proteus, dem es sehr ähnlich ist.
Ich halte den Bussel vorläufig nicht für einen der Gattung Aslasia widersprechen-
den Charakter, sondern seit ich gefunden habe, dafs auch Euglena viridis einen Bussel
hat, den ich bisher übersehen konnte, glaube ich, dafs ihn die anderen Astasien wohl auch
haben mögen. Der Galtungscharakter ist vielmehr wohl danach abzuändern.
6. Bacillaiua seriata N. sp. Geflecktes Stahthierchen, Zikzakthierchen.
B. lorica bivalvi, octies ad novies longiore quam lata, aequabili, interaneis in 4-5
macularum seriem dispositis fulvis.
Am 20. Juni 1832 bei Berlin zwischen Conferven des Thiergartens beobachtet.
Ich fand nur wenige Exemplare dieses unter seinen Verwandten sich stark auszeich-
nenden Zikzakthierchens. Einzeln oder zu zwei würde man es für fufslose Exemplare der
Synedra TJlna halten können. Ich sah bis 6 an den Enden verschiedenartig im Zikzak
zusammenhängende Individuen einzelne Gruppen bilden. Queerstreifung habe ich nicht
beobachtet. Die Enden sind gleichförmig abgestutzt, das Innere wasserhell, der Eier-
stock (?) in 4-5 gelblich -braune rundliche Massen ziemlich gleichförmig und in einer
einfachen Beihe vertheilt. Zwei verwischte mittlere Längslinien bezeichnen die Dicke
der Panzerschaale. Die Länge des Panzers ist 8-9 mal gröfser als seine Breite. Jene
beträgt f '".
7. Bacillaiua ta bellaris N.sp. Tafelförmiges Zikzakthierchen.
B. lorica bivalvi, septies longiore quam lata, media tumidula, in fascias longas
quadrate (labulatim) incisas multiplicata, interaneis in medio corpore macu-
lam fulvam, utrinque apposita vesicula inclusam referentibus.
Am 16. April und 5. Mai 1S32 zwischen Conferven im Thiergarten bei Berlin be-
obachtet.
Da mau bisher unter dem Pflanzennamen Diatoma floeculosum mehrere ähnliche
Thierformen begriffen hatte, so habe ich die, welche mir verschiedene Arten zu sein
geschienen, abzusondern gesucht. Seit 1831 hatte ich den Namen Bacillaria floeculosa
in der Richtung des kleinsten Baumes. 233
für die kaum 2 mal so lang als breiten, fast quadratischen Stäbchen festgestellt und bin
der Meinung, dafs gegenwärtige Form als besondere Art aufzunehmen sei.
Die sehr feinen Stäbchen, welche 7 mal länger als breit sind, bilden zarte Bänder,
welche in fast quadratische Täfelchen eingeschnitten sind, die nur an den Ecken zusam-
menhängen. Jedes dieser Täfelchen besteht aus 4-12 einzelnen Thierchen, die durch
vielfache Längstheilung, ohne vollständige Ablösung, sich allmälig zu der Landform her-
angebildet haben. Jedes Stäbchen bat in seiner Mitte einen gelblichen Fleck, der von
2 wasserhellen Lläschen eingefafst ist. Dadurch erscheinen die Länder crystallhell, mit
einem gelben Längsstreifen in ihrer Mitte und 2 Längsreihen weifser Bläschen. Ein
besonderer Charakter der einzelnen Stäbchen ist, dafs sie auf den beiden Ablösungsflächen
in der Mitte etwas erhaben oder bauchig sind. Die Ereite der Bänder, welche zugleich
die Länge der Stäbchen ist, beträgt ~~".
Da der Name Bacillaria viel älter ist und es keinen wichtigen Grund giebt, Gmc-
lin's B. paradoxa als besonderes Genus abzutrennen, so kann natürlich der spätere
Name Dialoma für diese Formen nicht gelten.
Bewegungen habe ich bei diesen beiden Arten nicht gesehen.
8. Bursaria flava N. sp. Gelbes Börsenthierchen.
B. corpore ovato, undique ciliato, vesiculis pallide ochraeeis repleto, vesica va-
riabili, hyalina, in anteriore tertia corporis parte.
Ich habe diefs bei Berlin nicht seltne, aber immer einzelne Thierchen schon seit dem
März 1830 gekannt, aber nicht mit aufgeführt, weil ich über seinen Bau zweifelhaft
blieb. Am 4. Juni 1832 und im Juli 1834 habe ich es wieder specieller untersucht.
Der eiförmige Körper ist zuweilen an beiden Enden, oft nur vorn, stark abgerun-
det und hinten etwas zugespitzt. Unterhalb der vorderen Bundung ist eine flache Grube,
in welcher die zuweilen schwer bemerkbare Mundüffnung liegt. Einige von den sehr
dicht gedrängten, den Körper erfüllenden, gelben Bläschen scheinen ziemlich grofse Eier
zu sein; andere, fast eben so gefärbte, mehr ungleiche und gröfsere mögen Magen sein.
Aufnahme von Farbe habe ich noch nicht erreichen können. In der Mitte des Körpers,
etwas hinterwärts vom Munde, gegen den Bücken hin, liegt eine grofse, helle, con-
tractile Blase. Der After schien am hintern Ende in der Mitte zu liegen, jedoch habe
ich das Excerniren nicht beobachtet. — Körperlänge ^ - '-^'", mithin etwas gröfser als
Paramecium Aurelia. Barsaria auranliaca ist um \ kleiner, hochgelb, mit schwärz-
licher und mehr abgeplatteter Mundgegend.
9. Bursaria Leucas N.sp. JVeifses Börsenthierchen.
B. alba, corpore oblongo, subeylindrico, utrinque rotundato, undique ciliato, ore
corporis quinta sextave parte superato.
Am 29. Mai 1832 bei Berlin mit Oscillatorien des Thiergartens in mehreren Exem-
plaren und zahlreich im Juli 1834 im staubigen Überzuge des Wassers ebenda beobachtet.
Phjs.Jhhandl.iS33. Gg
234 Ehren berg: Beitrag zw Erkennt nifs grofser Organisation
Der Form und Gröfse nach ist diese Art der Paramccium Aurelia sehr ähnlich,
allein sie ist weifser von Farbe und hat den Charakter der Gattung Bursaria, nämlich
die Analöffnung am hintern Ende des Körpers und keinen Rüssel am untern Munde.
Von der zunächst verwandten Bursaria Pupa, die ich am 7. Mai 1832 auch hei Ber-
lin gefunden und mit Naviculis angefüllt sah, unterscheidet sie sich durch gröfsere, mehr
cylindrische Form und weniger nah am vordem Ende stehenden Mund. Bursaria ver-
nalis hat den Mund noch weiter gegen die Bauchmitte hin stehend und hat den Kor-
per mit grünen Körnchen (Eiern?) durchweht.
Der Körper ist 2 und ^mal länger als dick, länglich eiförmig, fast walzenförmig,
an beiden Enden stark, fast gleichartig, abgerundet, überall mit Längsreihen von Wim-
pern besetzt. Der Mund bildet eine längliche, nach hinten spitzere Grube. Der vor-
dere Mundrand wird etwa vom 5 1 '" bis 6 ,en Theile des Körpers überragt, der an der Stirn,
wie bei Nassula, einen den Mund überragenden Höcker bildet, welcher die cylindrische
Form verlängert. Die Mundwimpern sind nicht länger als die übrigen. Über dem Munde,
gegen den Rücken hin, liegt eine grofse, contractile, innere Blase, die ich auch stern-
förmig sah. Übrigens ist der Körper mit verstreuten, nicht sehr hellen Magenblasen er-
füllt. Sehr merkwürdig war mir das Verhältnifs der natürlichen Nahrungsstoffe dieses
Thieies zu seinem Körper. Ich sah nämlich mehrere Individuen, welche Oscillatorien-
fragmente verschluckt hatten und im Leibe bei sich trugen. Die weifse Farbe des Kör-
pers und das lebhafte Grün der Oscillatorien contrastirte sehr hübsch und auffallend.
Das merkwürdigste dabei war, dafs ein Individuum eine noch einmal so lange Oscilla-
torie im innern Leibe bei sich trug, als es selbst war. Ich habe mich dabei wieder
überzeugt, dafs auch in diesen Fällen die Oscillatorie einen einzelnen Magen zur dop-
pelten Länge des Thieres ausgedehnt hatte, indem sie mit ihm beide Körperseiten ein-
nahm. In anderen kleineren Magen sah ich mehrere Fragmente von derselben Oscilla-
torie beisammen in einer hellen Flüssigkeit liegen. Diefs schienen verdaute Theile zu sein.
Über Ahnliches werde ich bei B. vernalis noch umständlicher berichten. — Körper-
länge --'", Mundlänge fast \ der Körperlänge.
Ich fand auch ein Individuum in ungleicher Längstheilung begriffen.
10. Bürsariä spirigera N. sp.! Spirahnündiges Börsenthierchen.
B. virescens, corpore ovato, depresso, undiijue ciliato, antica oblique truncato,
longius ciliato, oris apertura spirali.
Zuerst am 14. und wieder am 15. Juni 1S32 zwischen Conferven im Thiergarten
bei Berlin beobachtet, dann nochmals am 2. September desselben Jahres ebenda gefunden.
Diese Form gehört zu den gröfseren Magenthierchen und hat viel Eigenthümliches
in ihrer Structur. Im Schwimmen wird man sie immer leicht mit Bursaria vernalis,
Stentor polynwrphus, oder auch mit Leucophrys patula verwechseln. Der eiförmige
Körper ist nicht gerundet, sondern etwas flach und vorn schief abgestutzt. Die ganze
Körperbildung stimmt mehr mit Bursaria truncatclla und B. f^orlicclla als den übri-
gen Börsenthierchen überein. Zu den Eigenthümlichkeiten gehört auch, dafs die Anal-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 235
Öffnung nicht ganz am Ende, sondern etwas über dem ganz abgerundeten Hintertheile
zu sein schien, wonach denn diese Forin aus der Gattung Bursaria ganz zu entfernen
sein würde, im Fall diese Beobachtung sich weiter bestätigte.
Der ganze Körper ist mit Längsreihen von Wimpern besetzt, unten flach, oben leicht
gewölbt. Der Vordertheil zeigt eine tiefe Grube von der ganzen Kopfbreite, die an
die Bildung eines Stentor erinnert und spiralförmig in den Mund übergeht. Der ganze
Rand dieser sackförmigen Grube ist mit stärkeren Wimpern besetzt als der übrige Kör-
per und den oberen, schief abgestutzten Theil könnte man wohl eine Oberlippe nennen.
Vom Munde geht ein gebogener, sehr breiter Kanal nach hinten, und dieser scheint einen
Schlund oder Schlundkopf vorzustellen. Gegen die Körpermitte verliert sich derselbe
zwischen der grofsen Zahl von ansehnlichen, den Körper erfüllenden Magenblasen, die
zuweilen ganz, zuweilen theilweis mit natürlich gefärbter, erkennbarer Nahrung, z. B.
Coleps amphacanthiis und Tessarthoniengliedern erfüllt waren. Es gelang mir, auch
das Thierchen zur Aufnahme von Indigo zu bringen; jedoch hatte ich damals nicht die
nöthige Zeit, die speciellere Structur angestrengt zu verfolgen. Am hintern Körperende
sah ich überall innerlich eine grofse, veränderliche, helle Blase und neben dieser sah ich
einmal Excremente auswerfen. Vielleicht lag in einer partiellen Contraction des Kör-
pers der Grund, dafs die Analöffnung nicht am hintern Ende erschien. Die eigentliche
grüne Färbung des Körpers wurde durch grüne, zahlreiche, in der Substanz verstreute
Körnchen von etwa s ^'" Gröfse hervorgebracht, die ich für Eier halte. Ich sah auch
Individuen mit wenig Körnchen und andere ohne alle grüne Körner, daher von milch-
weifser Farbe. — Körperlänge j^'"; Breite mehr als die Hälfte, fast \ der Länge; Dicke
etwa ^ der Länge; Entwicklungscyclus 555?-^'"-
11. Bursaria. vernalis N. sp. Frühlings- Börsent/iicrchen.
B. virescens, corpore ovato-oblongo, turgido, ulrinque fere aequaliter rotun-
dato, aut poslica parumper attenuato, undique ciliato, ore oblongo corporis
tertia quartave fere parte superato.
Die ersten Exemplare fand ich am 25. März, andere am 26. Mai, noch andere am 29.
Mai und wieder andere am 2. Juni 1S32 im Thiergarten bei Berlin zwischen Conferven.
Der länglich eiförmige Körper ist etwa 2 1, mal so lang als dick, zuweilen an beiden
Enden gleichmäfsig dick und abgerundet, zuweilen nach hinten zu etwas abnehmend.
Die Behaarung des Körpers durch Wimpern ist sehr stark, aber anliegend, gleichartig
und weniger deutlich reihenweis. Der längliche Mund, von einem Drittheil oder Vier-
theil des Körpers vorn überragt, ist vorn abgerundet, hinten zugespitzt und im Um-
kreise mit Wimpern dicht besetzt, die wenig vorragen und zuweilen wie Zähne erschie-
nen, was sich jedoch, sorgfältigen Nachforschungen zufolge, die ein den Wimpern ganz
gleiches Verhalten zeigten, nicht sind. Der ganze Körper ist mit grünen Körnchen von
ieö - f'a ' Durchmesser durchwirkt. Tiefer im Innern unterscheiden sich 2 andere orga-
nische Systeme. Eins derselben besteht aus vielen grofsen, mit Nahrungsstoffen verschie-
dener Art gefüllten Blasen, und diese bezeichnen deutlich einen polygastrischen Bau des
Gg2
236 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntniß großer Organisation
Ernährungssystems. Grofse Theile von hellgrünen oder blaugrünen Oscillatorien, zu-
weilen *< der Körperlänge gleich, dehnen einzelne solcher Blasen zu ihrer geraden cy-
lindrischen Form aus. Andere Blasen sind kuglig, mit einer röthlichen Flüssigkeit er-
füllt und enthalten gleichzeitig krumm gebogene und gelblich gefärbte , oft auch sehr
verkleinerte Theile von denselben Oscillatorien. Es scheint gar kein Zweifel gehegt
werden zu können, dafs diese Erscheinungen den Verdauungsprocefs in seinen Abstufun-
gen darstellen. Ein zutretender röthlicher Saft erweicht, verfärbt und zersetzt offenbar
die Oscillatorien. Das Ausscheiden durch den After habe ich noch nicht beobachtet,
allein die mittlere Endstelle des Hintertheils sah ich zuweilen etwas ausgebuchtet, oder
eingezogen, eine bei der Afterstelle gewöhnliche Erscheinung. Überdiefs ist noch ein
anderes organisches System vorhanden. Es sind 2 veränderliche Blasen, deren eine dem
Munde gegenüber, nach der Bückenseite hin, im vorderen Körper -Drittheil, und deren
andere im Anfange des hintern Drittheils liegt. Diese Blasen sind ganz offenbar diesel-
ben Organe, welche bei Paramecium Aurelia strahlenförmig erscheinen und die ich für
männliche Sexualorgane halte. Endlich ist noch jener rothen Verdauungsflüssigkeit be-
sonders zu gedenken, welche sich in einigen Darmblasen findet und die eine gar deut-
liche Ähnlichkeit mit dem violetten Darmsafte der Nassida- Arten besitzt. Bei letzteren
ist es mir durch intensive Beobachtung gelungen, die Absonderungsorgane dieses Saftes
zu erkennen, was ich bei den Börsenthierchen nicht erreichen konnte, vielleicht weil
sie im Verhältnifs zu den übrigen Organen kleiner sind. Ich verweise mithin auf meine
Mittheilungen bei Nassula.
Verdunstet der Wassertropfen, welcher das Thierchen auf dem Objectträger des
Mikroskops enthält, bis auf eine gewisse geringere Wassermenge, so bleibt dasselbe ru-
hig liegen, wird immer breiter und fängt, ohne im Wirbeln aufzuhören, an sich aufzu-
lösen. Es berstet an einer Stelle und man sieht dann, während der Inhalt ausfliefst,
die gallertige Haut des Körpers mit den Wimpern wie mit lauter feinen Nadeln und
Stäbchen belegt, die grünen Körnchen (Eier) werden frei und schwimmen passiv fort.
Grofse verschlungene Oscillatorienstücke zcrreifsen ihre Magen und werden frei, aber
die bereits zersetzten und verdauten Stücke bleiben in den mit rother Flüssigkeit ge-
füllten, vom Darme abreifsenden Magen wie in frei gewordenen, abgeschlossenen Blasen
beisammen und eingehüllt. Gerade so erscheinen auch die mit Farbe gefüllten Magen-
blasen zerfliefsender oder berstender Paramecien. Sie entleeren nicht ihren Inhalt, son-
dern reifsen vom Darme ab, schnüren sich am offnen Ende zu und erscheinen wie häutige,
mit Blau erfüllte Kugeln. Diese Kugeln hat zwar Gleichen für Eier gehalten, aber
diefs noch ferner zu thun, widerspricht einer sorgfältigeren Beobachtung.
Die zuerst, im März, gefundenen Exemplare waren ganz mit Navicula gracilis an-
gefüllt, so dafs ich 10 grofse Naviculas im Leibe eines Thierchens fand. Die Bewe-
gung ist ein Wälzen um die Längsaxc des Körpers und gerades Fortschwimmen in der-
selben Axenrichtung. Einige Thierchen fand ich in der Längstheilung begriffen. —
Körperlänge £ - i'". Eier? ^". Entwicklungscyclus ^ - fc".
in der Richtung des kleinsten Raumes. 237
12. Bursaria Vovticella N. sp.! Glockenthier- ähnliches Börsenthierchen.
B. hyalina, subglobosa, campanulata, oris lateralis bursa antica maxima, longius
ciliata.
Als ich mir etwas Wasser aus einem Feuerkübel der Strafse von Berlin holen liefs,
fand ich darin diefs Thierchen am 28. September 1833.
An Form gleicht diese Art sehr der Bursaria truncatella, hat aber nur den drit-
ten Theil von deren Gröfse, ist mehr kuglig und hat den vorderen Rand langer ge-
wimpert. Man glaubt eine sehr grofse stiellose Vorticelle zu sehen. Der fast kuglige,
■wasserhelle, etwas milchfarbene Körper hat vorn eine grofse Aushölung von der gan-
zen Körperbreite, welche auf der Bauchseite in einen schiefen Spalt übergeht, an des-
sen Grunde, in der Körpermitte, die Mundöffnung liegt. Durch die schiefe Richtung
der Mundspalte entsteht rechterseits ein dreieckiger Lappen, welcher auch in etwas an-
derer Form bei B. truncatella vorhanden ist. Bei dieser letzteren ist jener Mundlheil
eben so stark als der andere Mundrand bewimpert, aber der obere Stirnrand nur mit
schwachen Wimpern besetzt. Bei der neuen Art ist der obere Stirnrand mit sehr star-
ken Wimpern, dem Munde gleich, behaart, aber jener rechte Unterlippentheil ganz wim-
perlos. Von der Ecke der letzteren nach dem Innern des Kessels hin geht noch eine
bewimperte Linie. Übrigens war der Körper ganz mit Magenblasen erfüllt und in meh-
reren derselben waren Chlamidomonas Pulvisculus, in anderen Gonium pectorale.
Aus der, genau am hinteren Ende, in der Mitte befindlichen Analöffnung sah ich das
Auswerfen von Monaden. Veränderliche männliche Blasen habe ich nicht erkannt. —
Körperlänge y.
Die Bursaria truncatella, Vorlicella und spirigera haben aufser der Mundspalte
nach vorn eine grofse, mit jener in Verbindung stehende Vertiefung mit besonderem
Wirbelrande, wie etwa Vorticellinen, und könnten daher von den übrigen Bursarien
getrennt werden. Am richtigsten würden dann jene den Namen Bursaria behalten und
die letzteren könnte man Frontonia nennen, jedoch halte ich diese nur für ein Sub-
genus von Bursaria.
13. Chilomonas destruens N. sp. Zerstörende Lippenmonade.
C. flavicans, corpore oblongo, molli, variabili.
Gefunden im August 1833 im Innern eines todten Brachionus Müller!, aus dem
Ostseewasser bei Wismar.
Die Charaktere der Gattung Chilomonas sind noch nicht physiologisch intensiv ge-
nug festgestellt und es könnte selbst wohlgethan sein, späterhin die Gattung einzu-
ziehen, allein ich meine doch, dafs es vorläufig besser ist, die grofse Masse der Mo-
nadenformen durch Theilung übersichtlich zu machen, und der Charakter der vorde-
ren geraden Mundfläche bei den Monaden, oder der schiefen Mundfläche bei den Lip-
penmonaden, welcher im letzteren Falle eine Oberlippe bedingt, ist allerdings dazu brauch-
bar, obschon ich später hie und da Rüssel bemerkt habe, welche jene Ansicht der Bil-
23 8 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenn Iniß grofser Organisation
dung sehr aLändern könnten. Es waren bisher mir mir 2 Arten dieser Gattung be-
kannt: C. Voh'Ox. und Paramecium. Die gegenwärtige dritte Art ist ohne Längsfalte,
mehr veränderlich, an Astasia erinnernd, und daher der wälzenden Lippenmonade
am nächsten verwandt. Sie ist aber doppelt so grofs als diese und von Farbe gelblich.
Der Körper ist länglich, vorn durch eine schiefe Ausbuchtung in eine stumpfspitze Lippe
ausgehend, hinten abgerundet. Im Innern sah ich deutliche Bläschen und am Vorder -
theile eine durch Wirbeln erzeugte Strömung in farbigem Wasser. Letztere schien mir
durch Wimpern, nicht durch einen Rüssel hervorgebracht, jedoch könnte dieser wohl
so fein sein, dafs sein erstes Erkennen, wie ich es schon oft erfahren habe , selbst bei
sehr starker Vergrößerung, einer öfter wiederholten Betrachtung bedürfte. Übrigens
schien mir der Körper ungewirapert, indem ich keine Strömungen der Farbe an den
Seiten deutlich erkennen konnte. Länge ^"'.
14. Closteiuum lineatum N. sp. Linirtes Spindelthierchen.
C. corpore bipartito, leviter ineurvo, graciliore, longitudinaliter striato - lineato,
tricies fere longiore quam lato, subaequabili, cornubus sensim attenuatis,
truncatis.
Ich fand viele Exemplare dieser Form am 15. und wieder am 18. Juni 1832 zwi-
schen Conferven im Thiergarten bei Berlin.
Es sind mir 4 Arten von Spindelthierchen mit deutlich gerieftem Panzer bekannt
geworden. Zuerst sah ich diesen bis dahin unbekannten Charakter an Closlerium slrio-
latum, dann an C. inaequale, später an C. rujiceps; am deutlichsten zeigt ihn diese
neue Art. C. slriolatum ist 4 (heilig, grün uud etwa lOmal so lang als dick; C. in-
aequale ist sehr klein, nur \ von vorigem, ohne deutliche TlieiluDgsstelle, schien jedoch
2 theilig, ungleich ('), d. i. an einem Ende mehr verdünnt als am andern und ebenfalls
etwa 10 mal so lang als dick, von Farbe aber braun; C. rufieeps ist 2 theilig, grün
mit röthlichen Spitzen und 12 - 14 mal so lang als dick, dabei ist die feine Streifung
weniger deutlich; C. lineatum ist 2 theilig, grün und 28 -34 mal so lang als dick.
Der Panzer dieser neuen Art ist fadenförmig, dünn, aber den gröfsten Exemplaren
des C. Lunula an Länge gleich. Der mittlere Theil ist nicht verdickt und eingebogen,
sondern gleichförmig und gerade; nur erst gegen die Enden hin fängt die leichte Bie-
gung an und die mittlere Dicke nimmt erst mit der Biegung ganz allmälig gleichzeitig
ab. Die Dicke der abgestutzten oder flach gerundeten Enden ist etwa ' 6 der mittleren
Panzerdicke. Überall ist der Panzer seiner Länge nach fein gestreift, so dafs 12 bis
16 Linien auf einmal zählbar sind. Lebend ist das Thierchen von Farbe grün, mit
(') Wenn jemand blofs aus dem Umstände, dafs eine Seite eines Spindelthierchens kürzer und
stumpfer ist als die andere, einen besonderen Art-Charakter machen wollte, der würde sich eine
unnütze und schädliche Mühe geben. Nach der spontanen Theilung ist diefs bei allen Arten so,
aber selten zu beobachten, weil es sich bald ausgleicht, allein von C. inaequale habe ich Hunderte
übereinstimmender Exemplare gesehen und nie ein symmetrisches.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 239
einer einfachen Reihe dunklerer runder Blasen längs seiner Mitte, deren ich bis 43
zählte. Diese sind so grofs, dafs 4 die ganze Breite des Körpers füllen würden. Leere
Panzer der ausgestorbenen Thicre sind bräunlich und zeigen die Streifung deutlicher.
In der Mitte ist, auch im leeren Panzer, ein heller Queerstreif, welcher die Theilungs-
stelle bezeichnet. An den Enden der Hörner, dicht unter der abgestutzten Spitze, ist
jederseits im Innern ein starkes Häufchen beweglicher schwarzer Punkte, deren ich bis
16 zählte. Ortsveränderung scheint sehr langsam vor sich zu gehen. Bei C. Lunula
habe ich mich öfter davon überzeugt. In einem leeren Panzer des C. lineatum, der
keine beweglichen Organe mehr zeigte, sah ich die mittleren Blasen allein noch übrig,
ohne Ordnung, mit breitem, hellen Rande und kleinem, mittleren, grünen Kerne, ohne
Bewegung. In einem anderen Falle bei C. acerosum sah ich einmal einen unregelmä-
ßig mit grüner Substanz noch etwas angefüllten Panzer, in dessen Innern sich 16 grofse
grüne Körper bewegten, welche kurze Schwänzchen hatten und ganz den Jungen der
Euglena viridis ähnlich, aber ohne Augen waren. Ich hielt sie für parasitische Thiere,
die sich mit dem grünen Innern des Closterium gefüllt hatten, war aber behindert, sie
schärfer zu beobachten. Etwa 4 gingen auf den Queerdurchmesser. Chaetomonas Glo-
bulus fand ich einst in demselben Thiere auf ganz ähnliche Weise parasitirend in gro-
fser Menge. Vielleicht war jenes dasselbe, durch Nahrung stark angefüllte und daher
eigenthümlich erscheinende Thierchen. Dafs dabei nicht nolhwendig an eine Generatio
sponlanca der Borstenmonaden in den Spindelthierchen zu denken sei, sondern ein Ver-
hältnis, wie das der Fliegenmaden und gröfseren Thier- Cadaver statt finden könne
und wahrscheinlich statt finde, leuchtet ein. Vergl. Chilomonas deslruens. Bei C.
slrioialurn sah ich mehrmals 2 ganz leere Panzer, mit der convexen Biegung einander
zugekehrt, dicht beisammen liegend, mit einem offenen Queerspalt in jedes Mitte ein-
ander genähert und zu beiden Seiten desselben, zwischen ihnen, 2 grofse, runde, grüne
Kugeln vom Durchmesser des Panzers, welche Erscheinung an die Saamenbildung der
Confervae coniugalae erinnerte, wofür ich sie aber keineswegs halte. Bei Queerdurch-
schnitten des Panzers der Closterien fliefst die grüne Masse (der Eierstock?) aus und
die mittleren Blasen erscheinen als freie Kugeln, die beweglichen schwarzen Punkte bil-
den einen nachziehenden Streifen. Weitere Organisationsverhältnisse habe ich noch nicht
entwickeln können, obwohl es deutlich genug ist, dafs an Einfachheit dieser Körper
nicht gedacht werden darf. — Länge des Panzers \ - \'". Ich fand auch ein sehr klei-
nes Exemplar von A'" Länge, mit sonst sehr übereinstimmenden Verhältnissen, 2S mal
so lang als dick, während die gröfseren 30 -34 mal so lang waren.
15. Closterium setaceum N. sp. Borstenförmiges Spindelthierchen.
C. corpore bipartito, laevi, ultra quadragies longiore quam lato, medio turgidulo
fusiformi, recto, cornubus subito attenuatis, setaeeis, longissimis, leviter in-
curvis, singulis corpore medio fere duplo longioribus.
Zuerst beobachtet am 5. Mai 1832 zwischen Conferven bei Berlin.
240 Ehrenberg: Beilrag zur Erkennlnifs großer Organisation
Ich fand schon vor mehreren Jahren, ehe ich meine Beohachtungen über die Infu-
sörienstructur der Akademie übergab, ein Spindelthierchen mit sehr langen farblosen Hör-
nern und machte eine Zeichnung davon; da ich es aber später nicht wieder sah, so un-
terliefs ich, dasselbe in mein gedrucktes Verzeichnifs aufzunehmen und sah es vorläufig
für eine Ahart von C. rostratum an. Jenes ältere unterscheidet sich von diesem neue-
ren dadurch, dafs der spindelförmige mittlere Theil länger ist als ein einzelnes Hörn ( 1 ).
Vielleicht ist jenes noch eine andere Art dieser Gattung. Bei gegenwärtiger Form ist
der mittlere Körper sehr klein im Verhältnifs zur ganzen Länge des Thieres, nur \ da-
von, während bei jener derselbe die Hälfte der ganzen Länge beträgt, welche Verhält-
nisse bei C. rostratum noch etwas mehr abweichen. Der gerade, spindelförmige, kleine
Körper des C. selaceum verdünnt sich rasch in 2 lange borstenartige Hörner, die etwas
gekrümmt sind und einzeln fast seine doppelte Länge haben. Diese fadenförmigen Hür-
ner sind steif, sehr durchsichtig und farblos; an den Enden erscheinen sie zuweilen
etwas hakenförmig öfter gerade und stumpf. Nur der kleine, mittlere, dickere Theil
zeigt Eingeweide. Sie bestehen aus einem grünen ungleichen Wesen, das einer trüben
Gallerte ähnlich und in der Mitte durch einen hellen Queerstreifen in 2 Hälften getheilt
ist. Dicht am Ende dieser grünen Massen befinden sich jederseits 2 bis 4 bewegliche
schwarze Punkte, welche ich für Bewegungsorgane halte, die mit feinen Wimpern durch
Endüffnungcn nach aufsen ragen , deren verdickte Basis aber jene leichter sichtbaren
(') Diese ältere, von mir bei Berlin beobachtete Form ist, wie ich aus Kützing's neueren Mit-
theilungen in der Linnaea sehe, auch von Herrn Prof. Nitzsch bei Halle beobachtet worden und
mit dem Namen Closterium Acus benannt. Nach dieser doppelten Beobachtung derselben Form
möchte ich sie wohl für eine begründete Art halten, im Fall es sich nicht späterhin ermitteln lassen
sollte, dafs sowohl meine frühere Beobachtung als die von Nitzsch sich auf C. rostratum beziehen.
Mein C. rostratum hat röthliche Iiorner und der Körper betragt mehr als die Hälfte der ganzen
Länge, oder, was dasselbe ist, mehr als die Länge beider Hörner. Ob diese Charaktere schwan-
kend oder fest sind, kann ich jetzt nicht bestimmen.
Über die 6 Arten von Closterium, welche Kützing neuerlich in der Linnaea 1833 bezeich-
net hat, ist mein Urthcil folgendes: C. tripunetatum Nitzsch = Vibrio trip. Müller halte ich
nicht für eiu Closterium, sondern für eine Navicula, wahrscheinlich = Bac. Palea, denn Müller
sagt, dafs die Form prismatisch gewesen, ausdrücklich; C. tenue Kützing ist wahrscheinlich nur
ein Synonym zu C. Cornu; C. Jeus Nitzsch ist vielleicht eine eigene Art, vielleicht aber auch nur
eine Abart von C. rostratum; C. Leibleini ist Closterium acerosum, welches seltner krumm, öfter
gerade ist; C. Lunula ist übereinstimmend. Wenn man aber die gemeine krumme Form C. Lunula
nennt, wie ich es wohl billige, so sind Müller's Abbildungen, wie folgt, zu deuten: Tab. VII,
Fig. 13. l4. 15. sind Theilungszustande des C. Lunula; Fig. 12. ist deutlich C. acerosum; Fig. 8.9-
10.11. sind seltne, oder verzeichnete Formen des letztern, wobei C. Lunula die Form und C. ace-
rosum den Inhalt gab. C. Spirale beruht, wie mir scheint, auf keinem wesentlichen Charakter, in-
dem C. striolatum und acerosum zuweilen spiralförmige Windungen ihrer grünen Masse zeigen.
Bei C. Trabecula und Lunula ist dieselbe auch nicht selten in gerade Läugsstreifen geordnet, oft
ist sie ohne bestimmte Ordnung, jedoch hat es mir immer geschienen, als ob die grüne Masse über-
all eigentlich gerade Läugsbänder bilde, welche dicht beisammen liegen und sich zu gewissen Zei-
ten schlängeln oder kräuseln. Zwischen derselben liegen Kugeln und Bläschen.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 241
'6
Knötchen bildet. Durch Trübung des Wassers mit Indigo sieht man zwar keine deut-
lichen Strudel an jenen Stellen , allein dazu ist auch die Bewegung zu langsam ; ein
Fortschiehen der Theilchen glaube ich mir oft deutlich gemacht zu haben. So wären
denn die Closterien wohl Doppelthiere, die in der Mitte mit den Ilintertheilen in ihrer
Längsaxe zusammengewachsen sind. Ähnlich, aber etwas anders, scheint mir die Bil-
dung der Naviculae, welche sich mit Hülfe veränderlicher Fortsätze, die bald aus einer
seitlichen Längsspalte, bald aus besonderen Öffnungen ragen, fortschieben. — Länge des
ganzen Thierchens ' 8 '", des mittleren Körpers ohne die Ilörner Jj'".
16. Cocconema Boeckii N. sp. Boeck's Stelzenkorn.
C. corpore naviculari, striato, medio utrinque turgido, pede dichotomo, hyaline
Im August 1833 bei Wismar und Kopenhagen auf Monopyxis geniculala im See-
wasser. Etwas später sah ich in Christiania in den Handzeichnungen des vielseitig un-
terrichteten dortigen Lectors der Veterinärkunde, Herrn Dr. Boeck, dafs derselbe sie
vor mir schon bei Norwegen beobachtet, mithin der Entdecker sei.
Das Thier bildet durch Längstheilung und Stielenlwicklung sparrige Bäumchen von
- 6 '" Höhe, wie Gomphonema truncatum oder P'orticella pyraria (Echinella gemi-
iiata), deren dichotomische Verästelungen an jeder Spitze eine Navicula tragen, die der
Nav. Jidva sehr ähnlich ist. Der zweischaalige, an beiden Enden abnehmende Panzer
ist gestreift, mit gelbem Mittelfleck, an jeder Seite mit einer innern, schmalen, gelb-
bräunlichen Längsbinde, welche, in der Mitte etwas verdickt ist. Da diese Structur von
allen Seiten gleichartig erscheint, so ergiebt sich daraus, dafs die innere gelbliche Masse
4 Längsbänder bildet, welche gerade die Ecken des Panzers einnehmen. Hierdurch un-
terscheidet sich diese Form sehr von Nav. fulva, wo 2 solcher Bänder von gröfserer
Breite 2 ganze Seiten des Panzers bedecken und 4 andere die übrigen Seiten ebenfalls
fast erfüllen. Uberdiefs findet sich bei der neuen in der Mitte eine besonders umschrie-
bene Stelle. Ich sah Individuen auf einfachen und andere auf dreifach dichotomischen
Stielen. Die Stiele hatten \-\ der Panzerbreite. — Länge der einzelnen Thierchen
^ - ^'", viermal so grofs als die Breite der Mitte.
Diese Form mag wohl zuweilen für Agardh's Gomphonema geminatum gehalten
werden, allein für Gomphonemala halte ich nur gestielte Exilarien, d.h. keilförmige,
oben breite, zweischaalige Körperchen. Die Gattung Cocconema wird aus gestielten
Naviculis gebildet, die, obwohl sie zuweilen auch wohl sich von den Stielen ablösen
und frei werden, defshalb doch nicht zu den wahren, nie gestielten Naviculis gezogen
werden dürfen. Über die Verschiedenheit des inneren Baues werde ich bei Navicula
etwas umständlicher sein. Von beiden Formen unterscheide ich noch die in Gallerte
gehüllten Frustulien u. s. w.
17. Coleps amphacanlhus N. sp. Gekröntes Büchsenthierchen.
C. corpore squamato-annulato?, ovato, validiore, postica tricorni, antica argute
dentato, denticulis lateralibus utrinque binis maioribus.
Phjs.Jihandl.iS33. Hh
242 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Am 15. Juni 1832 bei Berlin gleichzeitig mit Bursaria spirigera in einigen Ex-
emplaren beobachtet. Ein todtes Individuum fand ich im Leibe der Bursaria selbst,
die es verschlungen hatte.
Der Körper ist 1 fe mal so lang als dick, angeschwollen, nach vorn eiförmig abneh-
mend und abgestutzt. Die gröfste Dicke liegt im hintern Drittheil, welches sich abrun-
det und hinten, gegen die Mitte, in 3 grofse Spitzen ausläuft, die etwas mehr nach der
Bauchseite hin stehen, eine mittlere obere, 2 seitliche, letztere etwas divergirend. Diese
Spitzen betragen etwa \ der Körperlänge. Der Körper besteht aus 12 - 14 Bingen von
härterer Substanz, aber ohne die Längsfurchen und die bei den übrigen Arten sichtba-
ren Queerreihen von Wimpern. Da die 3 Individuen, welche ich bisher beobachtet habe,
etwas matt erschienen, daher vielleicht nicht alle Wimpern hervorstreckten, so lege ich
auf diese sonst wichtigen Charaktere weniger Gewicht, bis erneute Untersuchung sie
befestigt haben wird, denn ein Mangel der Wirbelorgane am ganzen Körper und ein
nicht aus quadratischen Schildern, sondern aus ganzen Ringen bestehender Panzer wür-
den das Thierchen aus der Gattung Coleps .entfernen und zur besondern Gattung stem-
peln. Die Panzerringe erscheinen am Rande wellenförmig, sind also einzeln convex.
Der abgestutzte Stirnrand ist gezahnt; sehr feine Zähnchen nehmen die Mitte ein, 2 grö-
fsere jederseits die Seiten. Wirbelnde Wimpern befanden sich vor dem gezahnten Stirn-
rande, so dafs die Form einer kleinen Anuraea mit einem Räderorgane ähnlich war.
Im Innern liefs sich ein durch natürlich gefärbte Nahrungsstoffe erfüllter polygastri-
scher Darm erkennen, der sich bei Coleps hirlus und elongalus oft und leicht mit In-
digo anfüllen läfst., was bei dieser Form noch nicht gelang. — Körperlänge ^".
18. Coleps ineurvus N.sp. Gekrümmtes Biichsentlu'erchen.
C. corpore oblongo, subeylindrico, leviter ineurvo, tessellato, postica truncato,
5dentato, antica truncato, crenulato.
Am 20. Juni 1832 bei Berlin zwischen Conferven aus dem Thiergarten beobachtet.
Der cylindrische Körper ist etwa 3 mal so lang als dick und ich zählte daran 16
Ringe, die durch Längsfurchen in viereckige kleine Felder getheilt sind. Da sich auch
auf der Hälfte des Körpers 8 Längsreihen zählen liefsen, so wären deren ebenfalls 16,
mithin bildeten 256 Schildchen den ganzen Panzer. Diese sind sämtlich etwas convex.
Am Hintertheile des Körpers zählte ich 5 sich auszeichnende Zähne oder Hörnchen,
vorn war nur eine Zähnelung am Rande deutlich, aber keine Zahl festzustellen. Nur
vorn, an der abgestutzten Fläche, sah ich Wimpern , die übrige Körperfläche wirbelte
nicht. Auch bei dieser Form gilt der Umstand, dafs noch nicht eine hinreichende Zah!
von Individuen in verschiedenen Verhältnissen beobachtet werden konnte, um den wirk-
lichen Mangel der Körperwimpern als begründet anzusehen. An Gröfse ist diese Form
den längsten Exemplaren von C. elongalus gleich, nämlich ^'". Die polygastrische Bil-
dung des Darmes erkannte ich durch die verschiedenen Kugeln der verschluckten gelb-
lichen Nahrung deutlich.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 243
Rücksichtlich der übrigen, von mir früher bezeichneten 3 Arten dieser Gattung scheint
es mir, daf's sie, bis auf C. viridis, hinreichende Artcharaktere besitzen. Dafs sie zur
Brutzeit alle grün werden und mithin C. viridis nur die trächtige Form von C. hirtus
sei, dem sie sonst ganz gleicht, habe ich mir noch nicht zur Überzeugung bringen kön-
nen, meine vielmehr beobachtet zu haben, dafs die anderen Arten farblose Eikörner füh-
ren. Bei C. elongaliis sah ich oft eine freiwillige Queertheilung, woran der Panzer
Theil nimmt. Die mittleren Ringe treten weiter auseinander und der zwischen ihnen
liegende Körpertheil dehnt sich zu 2 entgegengesetzt kegelförmigen, panzerlosen, durch-
sichtigeren Theilen aus, die bei erfolgtem Abreifsen in der Mitte sich in ihren Panzer-
theil zurückziehen. Die Trennungsstelle des Darmes wird beim Vordertheile zum neuen
After, beim Hintertheile zum neuen Munde.
19. Distigma? tenax = Proteus tenax Müller. Zäher Doppelpunkt.
D. corpore proteiformi (processibus variabilibus destituto), maiore, flavicante-
hyalino.
Am 20. Juni 1S32 fand ich 2 Exemplare zwischen Lemna minor bei Berlin im
Thiergarten.
Samtliche Formen der Gattung Distigma habe ich bereits abgebildet mitgetheilt.
Diese ist doppelt so grofs als die von mir schon beschriebenen europäischen und die
Veränderungen des bei Verkürzung knotig anschwellenden und bei Verlängerung sich
fadenförmig ausdehnenden Körpers sind noch auffallender und weit stärker als bei der
fast gleich grofsen afrikanischen Art. Der Abbildung nach zu urtheilen, ist diese Form
wohl ohne Zweifel Mü 11 er's Proleus tenax, wennn nicht Müller selbst 2 Arten ver-
wechselte, deren eine im Süfswasser, die andere im Meereswasser lebt. Vielleicht kommt
es daher, dafs er den gelblichen Farbeton nicht angegeben, weil die Zeichnung nach
dem Flufswasserthierchen fertig gemacht, die Beschreibung aber nach dem Seethierchen
verbessert worden.
Der Körper ist voll von Bläschen, welche Magenzellen anzeigen, aber eine Aufnahme
von Farbe gelang nicht. In gefärbtem Wasser ist um das Thierchen kein Wirbel sicht-
bar. Vordertheil und Hintertheil sind bei der Verdünnung abgerundet. Dicht am vor-
deren Ende meinte ich öfter 2 dunkle Punkte zu erkennen, jedoch liefs die beständige
Beweglichkeil nicht recht zur Klarheit kommen. Sollten keine so bestimmten Augen-
punkte sich bestätigen, so würde die Form zur Gattung Astasia gehören. Die Gat-
tung Proteus habe ich für solche Thiere abgrenzen zu müssen geglaubt, die besondere
veränderliche Fortsätze, falsche Füfse oder Hörner vorstrecken und einziehen können,
was hier nicht der Fall ist. — Körpergröfse bei der Ausdehnung ^"'.
Müll er's Enclielys punetifera hat zwar einen Charakter der Gattung Distigma
durch die beiden vorderen Augenpunkte, aber der weniger conlractile Körper läfst zwei-
feln, ob sie zu gleicher Familie gehöre. Ich kenne diese Form noch nicht.
20. Doxococcus ruher N. sp. Rothe Wälzmonade .
Hb 2
244 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenn tnifs großer Organisation
D. corpore globoso, parvo, lateritio, nee pellucido.
Am 5. April 1832 zwischen Conferven bei Berlin beobachtet.
Sämtliche 3 mir bisher bekannt gewordene Formen dieser Gattung fand ich in Si-
birien, und so ist diefs die erste europäische Art. Über jene früheren Arten hat sich
mein Urtheil durch weitere Beobachtung noch nicht geändert, denn ich habe noch keine
bei Berlin wieder gefunden. Der Hauptcharakter der Gattung besteht in einer rund-
lichen unbewimperten Körperform mit wälzender Bewegung über Kopf, so dafs nicht
eine vordere Mundstelle beim Schwimmen immer vorn bleibt, wie bei den Monaden,
sondern bald oben bald unten, bald vorn bald hinten ist. Es ist mir wahrscheinlich,
dafs eine schärfere Beobachtung an diesen Formen Bussel entdecken wird. In farbigem
Wasser habe ich die sibirischen Formen nicht geprüft, die gegenwärtige aber zeigt kei-
nen Strudel um sich , obschon sie rasch vorwärts läuft. Innere Organe liefsen sich
beim Mangel der Durchsichtigkeit nicht weiter erkennen. Einige Dunkelheiten zeigten
bei gewissen Stellungen ein dreitheiliges Innere, in anderen war ein etwas dunklerer,
jedoch nicht scharf begrenzter Punkt. Durchmesser ,-' 4 '".
21. Echinella capitata N. sp. Knaufartiges Baumthierchen.
E. corpusculis prismaticis, linearibus, subaequalibus, utrinque rotundatis, in pe
dicello simplici capitatis.
Am 11. Juni 1832 bei Berlin auf einer Fieder der Holtonia palustris.
Die Navicula- ähnlichen gelblichen Thierchen sind zu 4-6 auf einem gemeinschaft-
lichen wasserhellen Stiele und jedes einzelne hat ungefähr die Dicke dieses Stiels. Die
einzelnen haben die Form der jungen Navicula gracilis, fast ganz parallelepipedal mit
stumpfen Enden. Sie sind ziemlich 5 mal so lang als dick, manche etwas länger und
ein einzelnes ist so lang als der gemeinsame Stiel. Von einer Seite sind sie ein wenig
breiter als von der andern. Inwendig zeigen sie an den Seiten 2 gelbe Längsbänder.
Bei einem anderen Exemplare, wo 6 Thierchen den Kopf des Stiels bildeten, waren
jene viel kleiner, nur etwas mehr als 4 mal so lang als dick und ein einzelnes hatte noch
nicht !j von der Länge des Stiels. Lbrigens verhielt sich alles gleich, aufser dafs der
Stiel im oberen Drittheil ebenfalls gelblich gefärbt war.
Die ganzen Bäumchen waren *-"' lang, die gröfseren Thierchen mafsen ^'", die klei-
neren sj"'. Auf jedem Köpfchen waren alle Thierchen gleich grofs. Auch die Gom-
phonemala und Cueconemata bilden zwar zuweilen ähnliche Formen, allein bei diesen
sind dergleichen Köpfchen nicht beständig, sondern alsbald nach der Theilung bekom-
men die einzelnen Thierc besondere Stiele als Äste des gemeinsamen Stiels.
Die Gattung Echinella habe ich in einem eigentümlichen, bereits angegebenen Sinne
genommen und schliefse davon alle die unter sich sehr verschiedenen Formen aus, welche
in einer vielleicht immer fremdartigen Gallerte liegen, von Agardh aber gerade be-
sonders berücksichtigt wurden, worunter auch eine Vorticelline, Ophrydium versatile,
als Echinella Gruithuisenii steht. Auch Lyngbye hat sehr verschiedenartige Körper
vereinigt und die ursprüngliche, von Acharius beschriebene Form halteich, allen Um-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 245
ständen nach, für braune Eier irgend eines Wasserinsects. Die thüringische, von Wa 1 1 -
roth (Flora cryptog. Germ.) und die Würzburger, von Nees von Esenbeck (Algen
des süfsen Wkssers) verzeichnete grüne Echinella radiosa oder Acharii könnte wohl
Ophrydium versatile gewesen sein. Lyngbye's Echinella radiosa halte ich für meh-
rere Arten von Euastrum, E. obtusa für Navicula?, E. acula für Closierium, E.
Jasciculata für Synedra (Ulna?), E. slipitata Tür Achnanlhes und Scenedesmus,
E. olivacea und cuneata für mehrere Sjnedra- Arten, E. paradoxa und geminala für
2 Arten der Gattung Gomphonema.
22. Euastrum apiculatum N. sp. Stach/ige Sternscheibe.
E. corpore viridi, orbiculari, lenticulato, ubique apiculato; valvis argute crista-
tis, margine etiam deutato spinulosis, subaequalibus.
Am 20. Juni 1832 mit Euastrum Rola zwischen Conferven des Thiergartens bei
Berlin entdeckt.
Diefs Thierchen gehört mit Euastrum Rota zu den schönsten Formen und unter-
scheidet sich von diesem nur durch überall auf den flachen Seiten hervorstehende kleine
Spitzen (apiculi). Wahrscheinlich ist es in der Theilung des Randes eben so verän-
derlich wie jenes, welches häufiger ist, während icb dieses nur erst einmal beobachtet
habe. Es sind ziemlich grofse, schon mit blofsem Auge leicht sichtbare, schöngrüue,
scheibenförmige, am Rande geschlizte Körper, welche gegen die Mitte linsenartig ver-
dickt sind. Jede Scheibe besteht aus 2, meist etwas ungleichen Hälften, die durch einen
schmalen mittleren Theil vereinigt werden. Dicht an den Grenzen dieses Vereinigungs-
theils, gegen die Queerspalte der beiden Hälften, liegen 2 kleine schwarze Flecke, je-
derseits einer, welche aus viel kleineren, schwarzen, beweglichen Punkten bestehen. Diese
beiden Stellen lassen sich leicht mit den ähnlichen bei Closierium oder Navicula ver-
gleichen und bezeichnen mithin wohl den eigentlichen Längendurchmesser des Thier-
chens, während die beiden halbscheibenförmigen Hälften eine kammartige oder flügel-
artige Ausbreitung der Seitentheile jener beiden Schaalen darstellen , welche die Navi-
culas bilden. Jede Scheibenhälfte, oder jeder Schaalenfliigel, hat in seiner Mitte einen
etwas ausgezeichneten Theil, der sich nach dem Rande hin erweitert und am Ende 6
stärkere scharfe Spitzen trägt, dabei aber leicht ausgerandet ist. Rei Euastrum Rota
habe ich öfter gesehen, dafs 2 Individuen an diesem Theile zusammenhingen, wie etwa
die Glieder des Desmidium, der Melosira und der ähnlichen Formen. Dieser mittlere
Theil hat innerlich 2 dunklere grüne Streifen. Zu beiden Seiten desselben sind die Flü-
gelränder in je 4 ziemlich gleiche Theile eingeschnitten und jeder Abschnitt am äufse-
ren Rande wieder in 4, oft paarweis genäherte, stumpfe Zähne eingekerbt, auf deren
jedem 2 kleine spitze Dornen stehen. Bei einem Flügeltheile der gröfseren Scheiben-
hälfte war einer der 4 gröfseren Abschnitte nicht 4zahnig, sondern 8 zahnig, übrigens
war alles gleich, nur war dieser Abschnitt gröfser auf Kosten der übrigen.
Im Innern war eine allgemeine grüne Färbung sichtbar, die sich bis nahe an den
Rand erstreckte, diesen aber in ziemlicher Breite farblos lieCs. Im Grünen liefsen sich
246 Ehrenberg: Beilrag zur Erlcnntnifs grofser Organisation
gröfsere, noch dunkler grüne, knglige Körper unterscheiden und In den Mittelthellen
der Flügel die schon erwähnten je 2 dunklen Streifen.
Bei Euaslrum Rola habe ich mehrere Male versucht, einzelne dieser Körper mit
einem feinen Messer in verschiedenen Richtungen zu öffnen und zu durchschneiden, was
auch leicht gelang. Es entleert sich dann ein dickbreiiger grüner Inhalt mit gröfseren,
dunkleren, unregehnäfsigen, zuweilen kugligen Partikeln. Dazwischen kommen wasser-
helle, gröfsere, runde Blasen hervor, welche den Magenblasen der polygastrischen In-
fusorien sehr ähnlich sind und zum Theil auch in den von der grünen Masse verlasse-
nen Panzerstellen zurückbleiben. Zugleich dringen sehr kleine, ovale, farblose Körperclien
hervor, die sich activ zu bewegen scheinen. Manchmal sah ich ganze Scheiben dicht
erfüllt mit sich bewegenden schwärzlichen Punkten und diese, durchschnitten, entleerten
ebenfalls jene farblosen Körnchen, welche aber, befreit, sich nicht fortdauernd beweg-
ten, sondern nach einigen Rotationen still liegen blieben. Ob diefs lebendig zu gebäh-
rende Brut ist, wage ich daher noch nicht zu entscheiden. Turpin sah bei Heherclla
Borvana im Jahre 1829 das Auswerfen der inneren körnigen Masse durch die Spitzen
des Randes und hat es im Dictionnaire des scienc. naturelles Planche XI, Fig. 22. Ve-
gelaux acotyledons abgebildet. Meyen nennt 1830 bei einer sehr ähnlichen, vielleicht
derselben Form, die er als Pediaslrum biradiatum verzeichnet hat, diese beweglichen
Körnchen Sporen, indem er das Ganze ebenfalls unter die Algen zählt und sagt, dafs
die Zellen im Alter allmälig platzen und die mit freier Bewegung begabte Sporenmasse
austreten lassen. Nov. Ada Nal. Cur. XIV, II, pag. 174. Ob diefs Beobachtung oder
Vermuthung war, ist ungesagt. Niemand, so viel ich weifs, hat erwähnt, dafs sie sich
schon im Innern bewegen. — Farbestoffe sah ich von keinem Euaslrum aufnehmen,
obwohl ich mir viele Mühe gab, jedoch pflegen alle gepanzerten, und besonders noch
alle grün gefärbten Infusorien damit schwierig zu sein. Nach ausdauernder Mühe ist
mir zuweilen, bei anderen Formen, was lange Zeit nicht gelingen wollte, doch geglückt.
Ortsbewegungen scheinen äufserst langsam zu erfolgen, wie bei den Closterien. Ich
sah, dafs Euaslrum Rola in cylindrischen Gläsern nach einiger Zeit an der Wand hoch
oben safs, während sie früher am Boden gewesen sein mufste. — Scbeibendurchmesser ^'".
23. Euastuum margaritiferum -= ZJrsinella margaritifera Turpin. Geperlle
Sternscheibe.
E. corpore parvo, viridi, oblongo, suborbiculari, compresso, piano, ubique gra-
nulato ; valvis singulis semiorbicularibus, rotundatis, integerrimis, aequalibus.
Zuerst am 5. April 1832, dann wieder am 4. und 11. Mai zwischen Conferven bei
Berlin beobachtet.
Diese Form hat nur \ , selten die Hälfte des Durchmessers der vorigen. Sie scheint
blofs den mittleren Theil jeuer vorzustellen und deren seitliche Flügel zu entbehren.
Das Ganze bildet einen elliptischen Körper, dessen Oberfläche durch kleine concentrische
Körnchen uneben ist und dessen Rand dadurch fein gekerbt erscheint. Jede einzelne
in der Richtung des kleinsten Raumes. 247
Schaale bildet ein Zirkelsegment von etwas mehr als einer Zirkelhälfte. Die Ränder
sind nicht eingeschnitten und nicht scharf, sondern ganz und abgerundet. Auch ist die
Mitte nicht bauchig aufgetrieben, weshalb die Körperchen nicht linsenförmig, sondern
flach sind. An den Enden der Verbindungsstelle der beiden Valven ist jederseits ein
dunkler Punkt, welcher aber so klein ist, dafs die ihn wohl bildenden, noch kleineren,
bewegten Korperchen sich nicht einzeln unterscheiden liefsen.
Im Innern ist eine grünliche Färbung durch das Ganze verbreitet, aber diese bildet
2 intensive, grüne, durch beide Valven gehende Bänder, so dafs ein durch die Mitte und
den Verbindungstheil ziehendes, helleres Band entsteht, welches sie einfassen. Mit fort-
schreitender Entwicklung ziehen sich die 2 dunklen Bänder in je 2 (4) ovale und zu-
letzt rundliche, dunkle, grüne Flecke zusammen und der übrige Raum wird fast farblos.
Zuweilen sind in den 4 dunkelgrünen Flecken 4 hellere Blasen. Oft sah ich nur in
der mittleren hellen Binde jederseits ein Häufchen gröfserer, scheinbar selbstständig be-
wegter farbloser Korperchen, so dafs ich je 10 - 12 zählte. In anderen Fällen sah ich
den ganzen inneren Raum wie mit lebenden Monaden erfüllt. Ein bestimmtes "Verhält-
hältnifs der Vertheilung der inneren grünen Masse zu dem Eintritte dieser Kürnchenbe-
bewegung fand ich nicht, auch sah ich noch nie ein freiwilliges Austreten dieser
Körnchen. — Gröfse des Thierchens x~ b - ^'", der bewegten inneren Körperchen obnge-
fähr
1 /»
T55Ö •
Turpin's Abbildung im Diclionnaire des sc. nat., Vegelaux acotyltdons Planche
XI, Fig. 23. pafst im Allgemeinen so wohl auf die von mir beobachtete Form, dafs
ich die Verschiedenheit der Stellung der Körnchen auf der Oberfläche, welche bei ihm
nicht concentrisch ist, als Versehen der Auffassung übergehen zu können meinte.
24. Euastrüm verrucosum N. sp. Warzige Sternscheibe .
E. corpore viridi, oblongo, compresso, turgidulo ubique granulato et utrinque
verrucis quaternis subglobosis scabro; valvis trilobis, aequalibus , lobis inte-
gris s. leviter emarginatis.
Am 11. Mai 1832 zuerst beobachtet, wo es zwischen Conferven des Thiergartens
bei Berlin vorkam.
Diese Form ist etwas grölser als die vorige und bildet eine Mittelform zwischen
Euastrüm ansalum und Peclen. Letzteres ist länger und hat in jeder Valve 5 aus-
gerandete Flügeltheile, mithin 2 mehr; ersteres hat die Flügel dagegen noch mehr ein-
gezogen, indem die 3 Flügeltheile jeder Valve nur abgerundete Höcker darstellen (die
mittleren sind abgestutzt, die seitlichen ganz abgerundet, zuweilen etwas gekerbt).
Von der breiten Fläche gesehen erscheint diese Form wie ein sechslappiges grünes
Schüppchen. Von den 6 Lappen gehören je 3 einer Schaale seines zweischaaligen Pan-
zers an. In den Ecken des Verbindungstheils beider Panzerhälften ist jederseits ein dunk-
ler Punkt, wo ich bewegliche Körperchen vermuthe, wie bei Closterium und Navi-
cula. Von den 3 Lappen jeder Valve ist der mittelste der am meisten zum Organismus
gehörige, die seitlichen erscheinen als weniger wesentlich. Jeder mittlere Theil hat
248 E h r E n b e ug : Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
jederseits 2 knopfförmige Warzen, jeder Seitentheil eine, so dafs deren 8 auf der Flache
gesehen werden, von denen je 2 in den Seitentheilen und je 2 in den Mitteltheilen ge-
nähert sind. Die Mitteltheile sind am Ende fast gerad abgestutzt, die Seitentheile sind
leicht ausgerandet. Von der Seite gesehen erscheinen beide Schaalen wie 2 mit dem
stumpfen Ende aneinander geheftete Herzen, deren Spitzen zweitheilig sind. Bei der
Rückenlage zeigt die innere grüne Färbung 2 undeutliche dunklere Längsbinden ; sonst
licfs sich nichts bestimmtes ermitteln. Es liegt im ganzen Körper eine ziemlich gleich-
artige, intensiv grüne Masse. — Länge ^"'.
Lyngbye hat unter dem Namen Echinella radiosa wahrscheinlich 2 Arten von
Euaslrum abgebildet und Agardh hat beide später Echinella ricciarformis genannt.
Beiden ist die eigentliche Structur dieser Formen unbekannt geblieben, weil sie keine
hinreichende Vergröfserung anwendeten. Fig. 2. bei Lyngbye ist dem Euas/rum an-
saturn nahe verwandt, auch zeigt es die Panzerlheilung, und Fig. 3. ist dem Euastrum
crux melitensis ähnlich, nur durch die 7 Zahl der Lappen und deren stumpfe Zähne
abweichend. Bei crux melitensis sah ich immer nur 6, 8 oder 10 Flügelthcile der
beiden Panzerhälften. Die beiden spindelförmigen Körper bei Lyngbye halte ich für
Auffassungen der Seitenlage jener andern. Vielleicht war die Gallerte, worin diese ver-
schiedenen Thiere gleichzeitig lebten, ein Stück verlassenen Froschlaichs oder Schnecken-
laichs, oder eine andere verlassene Hülle eines Thieres. Im ausgekrochenen Schnecken-
laich findet man oft viele Bacillarien {Naviculae , Closleria u. s. w.).
Bory de St. Vincent hat, in der Meinung, dafs es eine selbstständige, chaotische,
mit allerlei nicht recht bestimmbaren, sehr verschiedenen Formen erfüllte Gallerte gebe
(die wohl ebenfalls zerfallender Schneckenlaich gewesen), aus den verschiedenen darin
vorkommenden Formen die Gattung Helerocarpella gebildet (Diel, classique d'histoire
nat. Art. Helerocarpelle). Die zu dieser Gattung von ihm gerechneten Formen gehö-
ren in die allerverschiedensten übrigen Gattungen. Heterocarpella binalis scheint nach
Turpin's Abbildung im Diel, des scienc. nat. Tab. XI, Fig. 14. ein Euaslrum, dem
E. ansalum sehr verwandt zu sein
25. Euglena deses = Enchelys deses Müller?. Träges Augenthierchen.
E. corpore viridi, filiformi, molli, valde flexili et proteiformi, lente mobili, antico
fine obtuso, postico acuto, ocello rubro, in capite hyalino. Tafel VIII, Fig. 8.
Ich habe diefs Thierchen schon länger beobachtet, aber immer für eine Form der
Euglena Acus gehalten, unter der ich sie auch in meinem zweiten Beitrage 1831 auf
Tafel I, Fig. in g. in 2 Exemplaren mit abgebildet habe. Seitdem habe ich es bei Ber-
lin wieder oft gesehen und mich überzeugt, dafs diese Form weder zu E. viridis,
noch zu E. Acus gehört.
Der fadenförmige, nicht spindelförmige, Körper ist schlaff, schwimmt nicht, sondern
windet sich ohne Haltung von einem Orte zum andern, wobei er wohl auch, aber selt-
ner, die knotenförmigen Anschwellungen bildet. Alle Bewegungen sind sehr träge und
spannungslos. Am vorderen Ende erkennt man eine feine Queerspalte, welche die Mund-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 249
stelle andeuten mag. Ebenda sieht man in farbigem Wasser einen Wirbel. Da ich bei
Eitglena viridis neuerlich beobachtet habe, dafs die Wirbelbewegung nicht durch Wim-
pern, sondern durch einen sehr beweglichen, langen, fadenförmigen Vorsprung an der
Oberlippe, einen Rüssel, hervorgebracht wird, so vermuthe ich, dafs auch hier ein sol-
cher vorhanden ist. Der Vordertheil bis zu dem rothen Augenpunkte ist farblos, dann
fängt eine innere grüne Färbung an, welche den ganzen Körper einnimmt und hie und
da intensivere Dunkelheiten zeigt. Der cylindrische schlaffe Körper endet mit einem
kleinen Spitzchen als Schwanztheil. — Gröfstc F.xemplare 4- '" lang, kleinste jj'". Dicke
6 - 12 mal in der Länge. Kleinere sind zuweilen im Verhältnifs dicker als die grölseren.
26. Euglena triquetra N. sp. Dreikantiges Augenthierchen.
E. corpore viridi, dilatato, ovato, subtus piano, supra triquetro, cauda corpore
breviore. Tafel VII, Fig. 7.
Zuerst beobachtet am 14. April, dann wieder am 27. Juni 1832 zwischen Lemna
minor bei Berlin.
Die Gestalt ist ganz der Euglena P/curonectes ähnlich, allein in der Mitte des Rük-
kens ist noch ein breiter, aufrecht stehender Kamm. Sieht man die erweiterten Seiten-
theile der E. Pleuronecles für 2 Flügel an, so besitzt diese 3 Flügel. Am besten er-
kennt man diese Bildung, wenn das Thierchen beim abwärts oder aufwärts Schwimmen
den Vordertheil oder Ilintertheil dem beobachtenden Auge zuwendet. Eine leichte Aus-
randung vorn bezeichnet die Mundstelle, an der ein schwacher Wirbel erkannt wird,
welcher wohl ebenfalls durch einen Pvüssel erzeugt wird, obschon ich ihn damals durch
Wimpern veranlafst meinte. Der Rückenflügel geht nur bis zum rothen Auge, welches
nicht ganz dicht am Rande steht. Der fadenförmige Schwanz hat \ bis \ der Kör-
perlänge.
Das Innere des Körpers ist gleichmäfsig grün, nur der Schwanz und der Vordertheil,
vom Auge an, sind blasser, ersterer farblos. Die 2 grofsen, veränderlichen, wasserhel-
len Blasen, welche im Innern von Pleuronecles sichtbar sind, habe ich vermifst Ge-
färbte Nahrung nahm es bisher nicht auf. — Gröfse von ^
5s '
27. Fr agil a ria rhabdosoma N. sp. Stabförmiges Bruchstäbchen.
F. corpore singulo, ^ - jg'" longo, novies ad vicies longiore quam lato, intera-
neis viridibus aut flavicantibus, modo continuis, modo interruptis.
Am 23. März und am 14. Mai 1S32 bei Berlin zwischen Conferven des Thiergar-
tens beobachtet.
Die zunächst verwandte, mir bekannte Form ist die arabische Frag, multipunciata.
Da meine damalige Zeichnung nicht ganz genau mit der europäischen Form überein-
stimmt, so ziehe ich vor, beide geographisch sehr entfernte Körper gesondert zu halten,
bis die Beobachtung der organischen Verhältnisse dieser Gattung noch weiter entwik-
kelt sein wird. Der Gründer der Gattung Fragilaria, Lyngbye, hat 8 Arten un-
terschieden, Agardh hat davon nur 3 aufgenommen; ich habe deren 9 beschrieben,
Phjs.Jbhandl.iS33. Ii
250 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
wovon nur eine mit Lyngbye's Arten übereinstimmt. Der Gattungscharakter ist bis-
lier von der Vereinigungsform entlehnt worden, allein es scheint mir, dafs diese nur
Nebensache ist. Fragilarien sind offenbar nicht Fäden oder Bander, sondern prisma-
tische Körperchen, den Naviculis ähnlich, welche durch unvollständige Längstheilung
allmälig eine bandartige Form annehmen, sich aber endlich plötzlich vollkommen lö-
sen, ohne in halber Trennung fortzuleben, wie es die Bacillarien thun. Daher ist von
Lyngbye's Arten nur Fragilaria pectinalis eine wahre Art der Gattung, die übrigen
sind Bacillarien, aufser F. lineata und niimmuloides, die beide zu Agardh's Melosi-
ren gehören.
Die einzelnen Stäbchen , welche in ihrer Queervereinigung eine bandartige flache
Ausbreitung darstellen, sind im ausgewachsenen Zustande 8 -10 mal länger als breit, bei
eintretender Längstheilung aber werden die einzelnen 16-20mal länger als breit. An
den Vereinigungsseiten sind die einzelnen Stäbchen flach und von ihnen aus gesehen sind
sie etwas kahnförmig oder flach bauchig mit abgerundeten Enden. Von oben gesehen
sind ihre Seiten geradlinig parallel, ihre Enden abgestutzt und leicht gekerbt.
Im Innern zeigt jedes Stäbchen entweder 2 gelbliche, durch einen hellen Zwischen-
raum getrennte Platten, die in der Mitte etwas angeschwollen sind und ziemlich von
einem Ende zum andern reichen , oder diese Platten haben sich in 2 Reihen gelblicher
Flecke gegen die Mitte zusammengezogen. Jede dieser Reihen hat dann 3-4 Häufchen
der gelben Masse. Bei andern sah ich die beiden Platten in der Mitte stark verschmol-
zen und an jedem Ende dieser ungleichen Verschmelzung war ein rundes durchsichtiges
Bläschen. Bei noch andern waren beide Platten in eine einfache Reihe von Häufchen
in der Mitte zusammengezogen und von grüner Farbe, zuweilen bildeten sie nur einen
einfachen Streifen, zuweilen 2 oder 3 Häufchen. In einigen Stäbchen, mitten zwischen
den grünen eines und desselben Bandes, waren gelbliche, kleinere, mehr gerundete Häuf-
chen der gelben Masse, deren Theilchen sich bewegten. — Länge eines Stäbchens und
zugleich die Breite der Bänder beträgt yg - jg'".
Die Ernährungsöffnungen dieser Stabthierchen scheinen nothwendig an den Enden
der einzelnen Stäbchen oder am Rande der Bänder sein zu müssen , obschon sie noch
nicht darstellbar waren. Bei Fragilaria granclis gelang mir ein schiefer Durchschnitt
sehr wohl. Die grüne Masse bildete beim Hervorquellen aus den geöffneten Röhren
eine gallertige grüne (feinkörnige?) Wulst in der Gestalt der Euglena deses und im
Innern blieben wasserhelle Bläschen (polygastrische Magen?) zurück.
2S. Gonidm punetatum N. sp. Punktirtes Tafelthierchen.
G. lacerna quadrata, compressa, hyalina, globulis internis quater quaternis viri-
dibus, nigro punetatis.
Am 16. April 1832 bei Berlin zwischen Conferven, nur einmal gesehen.
Diese Form ist etwas kleiner als die gröfsten Exemplare des Gonium peclorale, bat
eine langsamere Bewegung und die einzelnen grünen 16 Kugeln haben dunkelschwarze
Punkte. — Durchmesser des Quadrats ig".
in der Richtung des kleinsten Raumes. 251
29. Gonium? trantjuillum N. sp. Ruhendes Tafelthierchen.
G. laeerna quaJrata, compressa, hyalina, globulis internis viridibus sedecim, bi-
natis aut quaternati's. (Meyen A T . A. Nat. Cur. T.XIV, Tab. 43, Flg. 36.?).
Am 18. und 20. Juni 1832 bei Berlin beobachtet.
Diese Form bat viel Ähnlichkeit mit einer Bangia, allein die constante 16 Zahl der
grünen Kugeln und der ganz übereinstimmende, viereckige, zusammengedrückte, flache
Panzer reihen sie allzunah an Gonium, von dem es durch Mangel an Wirbeln und Be-
wegung freilich stark verschieden ist. Die inneren Kugeln zerfallen in der Hülle selbst
in 2 oder 4 Theile und werden mit Stücken derselben einzeln abgeschieden. Ich sah
ein Individuum, das noch einmal so lang als breit war und mehrere einfache Kugeln
neben viertheiligen hatte, welche ungleiche Entwicklung wohl die ungleiche Form des
Ganzen bedingte. Ein sehr kleines Exemplar hatte im Innern nur 4 doppelte Kugeln,
ein etwas gröfseres hatte 16 doppelte Kugeln, die gröfsten hatten 16 vierfache Kugeln,
deren einige schwarze Punkte hatten. Ob ich diese Formen zufallig bewegungslos ge-
sehen habe, oder ob sie es immer sind, mufs weitere Beobachtung entscheiden. — Pan-
zerdurchmesser ^"', wie Gonium peclorale, die Kugeln einzeln ^'" grofs.
Die Hülle von Gonium pectorale hat schon Müller bei seiner Fig. 10, obwohl sehr
unsicher erkannt, Turpin hat sie jedoch in seinen vielen, sehr detaillirten und stark
vergröfserten Zeichnungen dieses Thieres, welche die ganze S' e Tafel der Vegetaux aco-
tyledons im Dict. des sc. nat. füllen, mit Bory de St. Vincent vollständig übersehen.
Raspail hat sie dagegen in seiner beiläufigen Zeichnung in der recht ileifsigen Abhand-
lung über Halcyonella Tafel I. ohne die Wirbelorgane richtig dargestellt. Mim. de la
soc. d'hist. nat. Vol. IV, 1827. Man erkennt sie sehr leicht, wenn man das Wasser,
worin die Thierchen schwimmen, mit Indigo färbt. Die grünen Kugeln sind, wie ich
jetzt glaube, einzelne Thiere, nicht Eier oder Gemmen, deren Vereinigung im Quadrat
eine Familie bildet. Jede grüne Kugel scheint einen fadenförmigen Rüssel zu haben,
weil irgend etwas dabei durch rasche Bewegung einen Strudel im Wasser macht und
sowohl die Ortsveränderung, als die Ernährung vermittelt. Früher glaubte ich, sämtliche
Ecken des Panzers wären gewimpert, allein ich sehe jetzt das Wirbeln weiter verbrei-
tet und bin neuerlich immer mehr überzeugt worden, dafs auch nicht eine Wimper-
reihe des Panzers dasselbe hervorbringt , sondern dafs jedes grüne Thier am Rande
des Panzers einen sehr feinen, sehr beweglichen Rüssel hervorstecke, mit dem es wir-
belt. Sind die grünen Thiere grofs genug, so zertheilen sie sich, ehe sie noch aus dem
Quadrate scheiden, schon wieder in 16 kleine grüne Kugeln und gehen vom kugligen
Zustande in den platten quadratischen über. Der alte Panzer löst sich dann theilvveis
auf und die neuen Familien werden frei. Aufnahme gefärbter Nahrung habe ich noch
nicht erlangen können.
30. Holophry a discolor N.sp. Mißfarbiges W oll thierchen.
Ii2
252 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
H. corpore ovato, albo, vix duplo longlore quam lato, antico fine latiore, pos-
tico angustiore.
Am 5. Juni 1832 bei Berlin beobachtet.
An Gröfse ist diese Art der Holophrya Ovum gleich, Form und Farbe sind abwei-
chend, auch scheint seine Behaarung länger. Im Innern waren mehrere Magen von grün-
licher Speise gefärbt, aber eine allgemeine grüne Färbung durch Körnchen der Zwi-
schensubstanz fehlte. H. Coleps ist länger, cylindrisch, an beiden Enden gleichförmig
abgerundet und etwas kleiner. Holophrya ambigua halte ich nach fortgesetzten Un-
tersuchungen für einerlei mit Trachelius ambiguus, indem ich bemerkte, dafs die vorn
aufgenommene gefärbte Nahrung nicht in einem inneren Kanäle, sondern in einer äufse-
ren bewimperten Rinne bis fast an den Ilintertheil des Körpers fortgeführt wird, wo
erst eine spiralförmige Mundöffnung, nicht sehr entfernt von der Analöffnung, existirt.
Mehr Detail über diese sehr ausgezeichnete Form bei Trachelius. Vielleicht steht sie
noch richtiger in der Gattung Bursaria, oder bildet durch den spiralförmigen Mund
mit Bursaria spirigera eine eigene Gattung (Spirostomuni) in deren Nähe. — Kör-
pergröfse der II. discolor ,^"'. Die vordere Mundstelle wird durch eine kleine, fleischige,
veränderliche Warze, wie einen Bussel bezeichnet.
31. Lacrymaria Proteus = Trichoda Proteus Müller. Veränderliches Thrä-
nenthierchen.
L. corpore oblongo, variabili, postico fine rotundato, albicante, subtilissime ru-
goso-reticulato, collo longo, apice tumido, oblique truncato, ciliato.
Am 30. April 1832 bei Berlin zwischen Conferven beobachtet.
Ich habe bisher 3 Arten der Gattung Lacrymaria verzeichnet: L. Olor, Gutta,
rugosa. Die erstere Species aber habe ich seitdem mit einigen später entdeckten als
eine besondere Gattung mit dem Namen Tracheloccrca bezeichnet, unter welchem ich
Weiteres mittheilen werde. Die beiden übrigen Arten haben einen kugelförmigen oder
kurz eiförmigen Leib, Gutta einen glatten, rugosa einen unebenen, gekörnten oder gefal-
teten Leib und letztere ist dabei mit grünen Körnchen gefärbt, hat auch einen sehr kur-
zen Hals, der, ausgedehnt, wenig mehr als doppelt so lang ist als der Körper. L. Pro-
teus hat einen länglichen, durch sehr feine sich kreuzende Linien (Runzeln) spiralförmig
gezeichneten Körper und bei der Contraction erstreckt sich diefs sogar über den unte-
ren Theil des Halses. Der ganz contrahirte Körper ist lang eiförmig oder birnförmig,
vorn mit stumpfer etwas langer Spitze, hinten abgerundet, 3 mal so lang als dick; ganz
ausgedehnt bildet der eiförmige Körper fast nur den fünften Theil des Thieres, indem
der Hals 3'^ mal so lang ist. Das Halsende ist etwas verdickt, hat am Ende die Mund-
öffnung und durch schiefe Abstulzung eine Oberlippe. Der Mundrand ist bewimpert
und macht einen starken Strudel. Die Bewegungen des Halses nach allen Seiten sind
weniger lebhaft.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 253
Im Innern erkennt man leicht eine Mehrzahl von Magenblasen , allein mehr Detail
aufzusuchen fehlte es noch an passender Gelegenheit, zumal da Versuche mit gefärbter
Nahrung, wie sie bei allen Rüsselthierchen schwierig sind, noch nicht gelangen.
Müller's Trichoda Proteus hat einen kleinen Hals und die Spirallinien sind bei
ihr nicht beobachtet. Beides kann durch Zufälligkeiten von Seiten der Beobachtung be-
dingt sein. — Länge ^ - ^'", Körper fä".
32. Letjcophrys sanguinea N. sp. Rothes Wimperlhierchen .
L. corpore sanguineo, cylindrico, utrinque rotundato, divisione ovato, ore ter-
minal! obliquo, longius ciliato. Tafel III, Fig. 5.
Am 23. April 1832 bei Berlin im Thiergarten entdeckt.
Die Bewegung und Form dieses Thierchens ist dem Paramecium Aurelia etwas
ähnlich, aber letztere nicht eckig, sondern cylindrisch. Der ganze Körper ist mit in der
Längsrichtung reihenweis gestellten Wimpern dicht behaart; solcher Reihen schienen
etwa 30 zu sein. Beide Enden sind gleichartig abgerundet. Die durch Queertheilung
entstandenen Individuen sind anfangs sehr abweichend gestaltet, fast kugelrund, oder vorn
etwas gespitzt, eiförmig. Der Mund bildet eine enge Spalte, welche, vom vordem Ende
ausgehend, beim cylindrischen, ausgewachsenen Thiere das ganze vordere Drittheil durch-
läuft und längere Wimpern in einfacher Reihe führt. Bei den eiförmigen Theilen, zu-
mal dem vorderen, hat sie gewöhnlich etwas mehr als die Hälfte der Körperlänge. Der
After ist in der Längsaxe gerad am Ende des Thieres, was man auch aus der Theilung
erkennt, indem dieser Theil sich zuletzt abschnürt und gerad in der Mitte ist.
Im inneren Körper unterscheidet man mit ziemlicher Leichtigkeit Dreierlei: erstlich
eine feinkörnige Masse, welcher die rothe Färbung inhärirt und die wohl der Eierstock
sein mag; sie bildet die Zwischensubstanz zwischen den Magenblasen. Ihre Körnchen
sind bei weitem feiner als die Körnchen bei Paramecium Aurelia; zweitens: der Kör-
per ist mit ziemlich grofsen Blasen erfüllt, die offenbar Magenblasen sind, zum Theil
auch Spuren von fester Nahrung enthalten ; drittens erkennt mau 2 sich sehr auszeich-
nende, veränderliche, helle Stellen, wie 2 runde durchgehende Öffnungen; diefs sind
die den strahlenförmigen Organen des Paramecium vergleichbaren Theile. Eine dieser
contractilen Blasen ist bei der cylindrischen Form etwas unterhalb des hintern Mund-
randes, die andere ist in der Mitte des hintern Körper-Drittheils. Bei der freiwilligen
Queertheilung bleibt in jedem Theile eine der Blasen, und daher finden sich derglei-
chen frei gewordene Theile eine Zeitlang mit einer einzelnen Blase. — Körperlänge der
ausgewachsenen cylindrischen Form ^'", der Theile ^ - -fe'".
33. Monas grandis N. sp. Grofse Monade.
M. corpore ovato, utrinque aequaliter rotundato, magno, laete viridi, ore albi-
cante, motu lento.
Am 4. Mai 1832 bei Berlin im Surapfwasser beobachtet.
254 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Diese Form ist 3 mal so grofs als die gröfsten Individuen der Monas (Chlamido-
monas) Pulvisculus und in ihren Bewegungen nocli träger. Der Körper ist eiförmig
oder länglich , hinten und vorn fast gleichartig stark ahgerundet. Vorn ist eine einsei-
tig vertiefte, hellere Mundslelle, während der übrige Körper von gesättigt grüner Farbe
ist. An der helleren Stelle vorn sieht man im gefärbten Wasser einen deutlichen Wir-
bel. Ich glaubte an der Bewegung eine Mehrzahl von Wimpern daselbst zu erkennen.
Im Innern einiger Individuen sah ich grofse dunkelgrüne Körper, die ich für verschlun-
gene Monaden von geringerer Gröfse hielt. — Gröfster Durchmesser (Länge) %■"'.
Ich bemerke hierbei, dafs durch meine neueren Beobachtungen an Formen der Gat-
tung Monas sich nichts für die Physiologie der Gattung cinflufsreiches weiter hat er-
mitteln lassen. Nur habe ich mich überzeugt, dafs Monas Pulvisculus von den übri-
gen Formen der Gattung abgesondert werden mufs, weil es sich nicht durch einfache
Queertheilun'g mit äufserer Abschnürung fortpflanzt, sondern mit dem Alter eine äufsere
häutige Hülle erkennen läfst, unter welcher es sich in 2 bis 4 Theile theilt und die
dann berstet. Ich habe ferner an ihr ein rothes Auge bemerkt und mich überzeugt,
dafs ihr Wirbeln am Vordertheile nicht durch Wimpern, sondern durch einen fadenför-
migen Rüssel hervorgebracht wird. Diese vielfachen, wichtigen Charaktere haben mich
veranlafst, aus dieser Form eine besondere neue Gattung unter dem Namen Chlamido-
monas zu bilden.
34. Naviculä, Suiurella, amphishaena Turpin. Zweischnäbliges Schiffehen.
N. corpore striato, recto, fusco, a dorso ventreque lineari, elongato-quadrato, trun-
cato, a lalere medio turgido, utroque fine papdla rotundata pellucida rostrato.
Die ersten Exemplare habe ich schon vor vielen Jahren beobachtet, aber immer
für Varietäten der Nav. fulva gehalten, wofür sie wohl auch der würdige Nitzsch
nach Fig. 18, Tafel III seiner Abbildungen genommen hatte, die für meine Form etwas
zu gestreckt ist. Eben so urtheilte ich in den Jahren 1830 und 1831. Erst am 19.
Mai 1832 fand ich sie bei Berlin in grofser Menge in den verschiedensten Gröfsen und
ganz abgesondert von Nav. fulva, so dafs kein Zweifel darüber übrig blieb, dafs beide
P'ormen zu einem und demselben Entwicklungskreise nicht gehörten.
Jedes deutlich und rasch bewegte Thierchcn besteht aus 2 vierseitigen, gestreiften
Schaalcn, deren 3 Seiten flach, eine in der Mitte convex und erweitert, an den En-
den aber ebenfalls flach und verengt ist. Mit der der convexen Seite entgegengesetzten
flachen, offenen Seite sind beide Schaalen so fest aneinander geheftet, dafs sie nur ge-
waltsam getrennt werden können. Beide Schaalen bilden ein vierseitig prismatisches
Thier- Individuum, welches 2 flache Seiten und 2 in der Mitte convexe und erweiterte,
an den Enden aber wieder verengte Seiten bat. Ist die convexe Seite einer der Schaa-
len dem beobachtenden Auge zugewendet, so erscheint der Körper wie ein linienför-
miges, viereckiges, längliches Stäbchen mit geraden, parallelen Seiten und gerad abge-
stutzten Enden, wie Naviculä viridis, und ist 4-6mal länger als breit; ist aber eine
der flachen Seiten zugewendet, so bewirken die beiden von der Seite sichtbar werden-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 255
den convcxen Flächen, dafs er eine lanzetförmige Gestalt zeigt, die von der früheren
ganz abweicht. Diese letztere Gestalt, welche bei den meisten Naviculis wiederkehrt
und die schiffchenartige Form giebt, hat bei der gegenwärtigen Art das Eigentümliche,
dafs die beiden convexen Flächen nicht von der Mitte aus allmälig bis an die beiden
Enden ablaufen, sondern vor den Enden sich plötzlich in gerade Flächen umsetzen, wo-
durch die beiden Enden wie 2 Zapfen oder Schnäbel erscheinen. In dieser Lage ist
die Breite 2 ^-3', Mal in. der Länge. Jeder Zapfen ist etwa '- 8 der ganzen Länge und
ihre Form ist fast so breit als lang, cubisch, aber vorn flach gerundet. Die convcxen
Flächen nenne ich obere und untere, oder Bauch- und Rückenflächen, die ebenen Flä-
chen nenne ich Seitenflächen, weil sie bei der unvollkommenen Längstheilung vieler
Formen (besonders der Bacillarien und Fragilarien) ganz deutlich als seitliche Flächen
erkannt werden, indem sie die Enden der Bandform bilden. Die Ortsveränderung ge-
schieht bei dieser Form, wie bei allen Naviculis, am raschesten in der Seitenlage, wel-
ches darin seinen Grund hat, dafs die Bewegungsorgane an der Vereinigungsstelle der
beiden Panzerschaalen vorn und hinten hervortreten, was bei einigen Formen sicht-
bar wird -
Im Innern des Körpers lassen sich mehrere Organe unterscheiden, die nicht zu allen
Zeiten in gleicher Form und Vollständigkeit vorhanden, sondern veränderlich sind. Die
innere Seite jeder der convexen Flächen ist durch ein dunkelbraunes bandartiges Organ
ausgelegt, welches sich zuweilen bis in die Zapfen erstreckte. Zwischen diesen dunklen
Bändern sind 4 hellere bräunliche Massen, welche den ganzen mittleren Baum erfüllen
und durch einen kreuzförmigen, mehr oder weniger klaffenden, zuweilen auch gar nicht
sichtbaren Spalt getrennt sind. Zuweilen ist nur die Längsspalte von einem Zapfenende
bis zum andern so deutlich sichtbar, dafs man 2 braune ununterbrochene Längsbinden
sieht, eine äufsere dunklere, eine innere blassere. In andern Fällen klafft nur die Queer-
spalte; dann sieht man eine breite helle Queerbinde in der Mitte, welche die mittlere
Masse in eine vordere und hintere Hälfte theilt. Vom Rücken, der convexen Seite, aus
gesehen erscheint die innere braune Masse entweder wie eine einfarbige, ununterbrochene,
braune Ausfüllung, oder, wenn die mittlere Queerspalte stark klafft, erscheint auch da
eine hellere Queerbinde in der Mitte. Zu andern Zeiten zieht sich die gelbbraune Masse
sehr zusammen und bildet einen ringförmigen, viel kleineren Körper, oder 2 einförmige
Massen, oder irgend eine andere Form. Aufser diesen 6 braunen Organen, oder so vie-
len Theilen eines und desselben Organs (Eierstockes?) sieht man im Innern verschiedene
helle Bläschen, zuweilen 2 in der Mitte, zuweilen jederseits eine in der Nähe des
Schnabels, zuweilen mehrere anders vertheilt, nicht selten symmetrisch geordnet. Diese
hellen Bläschen halte ich für polygastrische Magenblasen , habe sie aber noch nie mit
Speise gefüllt gesehen. Bewegliche Organe in den Zapfen habe ich bei dieser Form,
vielleicht ihrer Durchsichtigkeit halber, noch nicht erkennen können, aber bei anderen
Arten dieser Gattung, N. (Surirella) lurgida, splendida, viridis und N. fulva eben
so deutlich wie bei Closterium gesehen. — Die gröfsten Exemplare niafsen -rj", die
kleinsten rk'".
256 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntniß grojser Organisation
Dafs eine so complicirte vielfache Structur in so kleinem Räume, verbunden mit
freiwilliger Bewegung, einen thierischen, nicht einen pflanzlichen Organismus erkennen
lasse, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung, und nur der Mangel an Kenntnifs solcher
Structurverhältnisse konnte bisher diese zuweilen viel ruhenden Körper zu den Pflanzen
stellen lassen. Da diese Körper ihres Panzers wegen im Tode ihre Form nicht verän-
dern, so müssen weniger geübte Beobachter sich besonders auch vorsehen, nicht da Le-
ben beobachten zu wollen, wo es aufgehört hat. Thierchen dieser Abtheilung, die sich
trotz vieler, durch anhaltende Beobachtung gegebenen Mühe nicht selbstthätig zeigen,
kann man, ohne sehr zu irren, für abgestorben halten, auch wenn sie im Innern noch
wohl erhalten erscheinen. Einige bewegen sich sehr langsam und man erkennt nur
nach längerer Zeit eine Ortsveränderung bei ihnen. Ich habe diese Structurverhältnisse
schon im Jahre 1S30 (Erster Beitrag pag. 40.) auf die Systematik der Bacillarienformen
angewendet. Von dieser Structur habe ich jedoch bei Oscillatorien nie etwas ähnliches
beobachten können und ihre Bewegungen schienen mir immer nur Wachsthumsbewe-
gungen zu sein, denen ganz ähnlich, welche sich auch beim Wachsen der spiefsigen
Crystalle zeigen, veranlafst durch eine Veränderung des Schwerpunktes bei zunehmen-
der Masse in ungleicher Richtung.
Rücksichtlich der Synonymie ist noch Folgendes zu erwähnen. Die Vergleichung
der Nachrichten verschiedener Beobachter der Nat'iculae ist noch immer höchst mifs-
lich. Alle, welche sich bisher systematisch mit diesen Formen beschäftigt haben, haben
dieselben mit so kleiner Vergröfserung beobachtet, dafs ihnen sowohl festere generische,
als die festeren speciellen Charaktere gar nicht in die Augen fielen. So verhält es sich
mit den Beobachtungen von Lyngbye, Agardh, Fries und Bory de St. Vincent.
Nitzsch und Turpin haben zwar einige stärker vergröfserte Formen gezeichnet, al-
lein ihre individuellen Structurverhältnisse haben sie nicht erkannt. Das wichtigste an
Turpin's Beobachtungen besteht im Darstellen der beiden Panzerhälften von der sehr
grofsen Naricula (Surirella) striatula auf Tafel III. der Vcgetaux acutyledons des
Diclionnaire des scienc. nalur. Wer diese deutliche, ziemlich gute, obwohl nicht
ganz naturgemäfse Darstellung nur ansieht, sollte sich wohl leicht überzeugen, dafs ein
solcher zweischaaliger, geriefter Panzer bei Pflanzen etwas von aller Analogie verlasse-
nes sei, während er sich leicht an die thierischen Formen anschliefst. Gerade diese Form
hat aber Turpin selbst für ganz abweichend von den Naviculis gehalten und als einer
andern, unbestimmten Familie angehörig betrachtet. Fig. 1-4 und Fig. 9. gehören zu
Einer Form, die übrigen sind nicht Junge derselben Art, sondern wohl N. amphisbaena.
Was nun die von Turpin angezeigte N. amphisbaena anlangt, so ist die Form,
nach der auf Tafel I, No. 2, Fig._/*. am a. O. gegebenen Figur, als Seitenansicht recht
gut übereinstimmend, allein da er weder eine Rückenansicht gegeben hat, noch auch
bei den übrigen daselbst gezeichneten Naviculis das Glatt- oder Gestreiftsein der Pan-
zer berücksichtigt und die inneren Organisationsverhältnisse mehr künstlerisch metho-
disch als natürlich bebandelt hat, so könnte leicht die von mir beobachtete Form von
in der Richtimg des Ideinsten Raumes. 257
jener noch verschieden sein. Obige detaillirte Beschreibung wird diese Zweifel allmälig
zur Lösung bringen helfen.
Agardh hat in seinem sehr ileifsigen Systema Algarum von 1823 sämtliche ihm
bekannt gewordene Naviculas in seiner Gattung Frustulia abgehandelt, dieser aber einen
Charakter zugeschrieben, welcher den eigentlichen Nadeulis, auch meinen Beobachtun-
gen zufolge, fremd ist. Er behauptet , sie entständen alle in einer ihnen zugehörigen
Gallerte. In seinem Conspeclus criticus Diatomacearum 1830 theilt er seine Gattung
Frustulia in die Gattungen Bacillaria und Cymbella und unterdrückt den Namen Fru-
stulia. Der Name A'ai'ieH/a wurde von Bory de St. Vincent 1822 im Dictionnaire
classique d'Jiist. nat., Arliclc Bacillarices für die freien mikroskopischen Körperchen
festgestellt, welche die Form eines Weberschiffchens haben und eine thierische Bewe-
gung zeigen. Es scheint mir, dafs man diese Angelegenheit mit wissenschaftlicher Bube
folgendermafsen leicht entscheidet. Es giebt Körperchen in Form von Schiffchen, welche
frei umherkriechen und nur zufällig oder aus Nahrungstrieb, meist viele verschiedene
Arten beisammen, in fremder Gallerte gefunden werden; diese sind mit Bory Nai-icu-
lae zu nennen und sind nie bandförmig verbunden. Die bandförmig verbundenen und
durch unvollständige Theilung im Zikzak zusammenhängenden Formen sind Bacillarien
im Sinne von Gmclin und Nitzsch. Endlich mag es noch den Naviculis ganz ähn-
liche Formen geben, die in Mehrzahl einen gemeinschaftlichen Gallertiiberzug beständig
oder in der Jugend haben. Die letzteren würden mit Agardh Frusluliae oder Cym-
bellae zu nennen sein, von welchen beiden Namen der erstere der ältere ist. Alle von
mir beschriebenen Naviculae habe ich ohne Gallerte beobachtet und diese können mit-
hin weder Frusluliae noch Cymbellae genannt werden, von welcher Gattung mir nocli
keine Formen vorgekommen sind, obschon ich an ihrer Existenz gar nicht zweifle, da
ihre Beobachtung schon öfter wiederholt ist. Dafs es keine grünen Formen dieser Gat-
tung gebe, wie Agardh will, scheint mir zu streng und unhaltbar, da es auch grüne
Naviculas giebt. Alle Schwierigkeiten über die Stellung dieser Körper im Naturreiche
werden sich freundlich aussöhnen, sobald die Structur der einzelnen Formen immer sorg-
fälliger beachtet sein wird, auf die ich hiermit nur aufmerksam machen wollte. Wer
sich ein Urtheil über dieselben verschaffen will, oder die Kenntnils derselben wahrhaft
fördern will, erreicht diefs nur, wenn er eine Vergröfserung von wenigstens 300 mal
im Durchmesser benutzt. Alle kleineren Vergröfserungen, so klar sie auch erscheinen,
führen so wenig zum Ziele als das intensiveste Anschauen der Bäderthiere mit blofsem
Auge uns über ihre Augen und die Zähne in ihrem Schlünde vergewissert.
Endlich darf ich einen Charakter der Nai'iculac nicht übergehen, welcher allen For-
men der Bacillarienfamilie gemeinsam ist und zwar von dem ruhig, scharf und treu be-
obachtenden Begründer der Bacillarienfamilie, Nitzsch, klar und deutlich (pag.72 und
73 seiner Schrift) ausgesprochen wurde, aber seitdem wohl allgemein, nach Agardh s
und Gaillon's mehr spekulativer Weise, im umgekehrten Verhältnisse betrachtet wor-
den ist. Wo man nämlich 2 oder mehrere Stäbchen seitlich vereinigt, oder gar zu
langen Bändern verbunden sieht, da sind diese nie durch Aneinanderreihen und Copu-
Phys. Abhandl. 1S33. Kk
25S Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
lation der einzelnen entstanden, sondern ich habe mich in allen Fällen, wo es Gelegen-
heit gab, wie Nitzsch, davon überzeugt, dafs dergleichen doppelte und vielfache Stäb-
chen durch wiederholte unvollkommene Längstheilung einzelner entstehen. Die Navi-
culae haben aber, meiner weiteren Beobachtung zufolge, eine doppelte freiwillige Längs-
theilung, eine verticale und eine laterale. Bei der ersteren thcilen sieb beide Panzer-
hälften vom Rücken nach dem Bauche hin durch Einschnürung ab. Nur durch diese
Theilung, wo sie unvollständig ist, entstehen bandartige Formen, {Bacillaria, Fragila-
ria, bei welchen Galtungen die Stäbchen keiner anderen Theilung fähig zu sein schei-
nen. Bei der seitlichen Theilung trennen sich die beiden Panzertheile und jeder er-
zeugt später eine andere Hälfte oder schliefst nur die Trennungsstelle ab und bleibt als
halbe Form selbstständig. Hierdurch entstehen die halbmondförmigen, nicht gebogenen,
nur einseitig gewölbten Formen. Auch Lyngbye vergleicht pag. 178. die Vereinigung
der Stäbchen mit der Gattung Zygncma und stützt sich auf Agardh, allein dieser An-
sicht kann ich aus jenen Gründen nicht beistimmen.
35. Navicula. ballica N. sp. Baltisches Schiffchen.
N. corpore laevi, sigmatoideo, subaequabili, filiform!, utroque extimo fine pa-
rumper attenuato, obtuso, interancis aureis.
Ich fand diese Form am 23. October 1832 mit Leuchtinfusorien im Wasser der Ost-
see, welches Herr Dr. Michaelis in Kiel auf meine Bitte mir nach Berlin sendete.
Die Stäbchen sind 15 -16 mal so lang als breit, schmal, überall gleichförmig dick,
in der Mitte gerade, nur an den letzten Enden entgegengesetzt gekrümmt, j förmig.
Die Zuspitzung der Enden ist sehr kurz, ungefähr der Dicke der Mitte an Länge gleich
und stumpf. Durch die Mitte der Länge geht eine schwache Trennungslinie, der bei-
den Panzerhälften. Im Innern sind 2 goldgelbe Platten, welche durch einen hellen
Längsspalt geschieden sind, der in der Mitte etwas erweitert ist, ohne eine deutliche
Kreuzung zu zeigen. Die gelbe Masse war in einem anderen Exemplare in 2 Reihen
gelber Flecken vertheilt, 6 auf einer Seite, 7 auf der andern; Bewegung sah ich nicht. —
Länge V".
Es war mir, vor Beobachtung dieser Art, nur eine S förmige Navicula mit glattem
Panzer bekannt geworden und weil auch in der von Nitzsch 1817 gegebenen Abbil-
dung seiner Bacillaria sigmoidea so wenig als in der von Turpin gegebenen Abbil-
dung der Navicula Scalprum {Mim. du Mus. d'hist. aal. T. XV, PI. 10. 1827, wie-
derholt im Diel, des sc. nat., Planches Vegelaux acolyledons , Tab. 3*.) eine Queer-
streifung des Panzers angedeutet war, so hielt ich für zweckmäfsig, die Formunter-
schiede in den Abbildungen mehr auf Rechnung der Beobachtung und Darstellung zu
bringen und die 3 Beobachtungen auf eine und dieselbe Form zu bezieben, welche ich
Navicula sigmoidea nannte. In den 1831 erschienenen Symbolis physicis, Everle-
brata, Decas I, zog ich zur selben Species auch die Navicula Jusiformis, welche ich
in dem Wasser des Sinaigebirges beobachtet hatte und sonderte die letztere von den
gleichnamigen sibirischen Formen ab, bei denen ich eine vorher nicht beobachtete feine
in der Richtung des kleinsten Raumes. 259
Queerslrelfung bemerkt hatte und die ich in meiner letzten Übersicht der Formen von
1S3I als Navicula, Surirclta, ßexuosa aufführte. Ich stützte mich hierbei auf meine
nach dem Leben entworfenen Zeichnungen. Nach dieser Zeit hatte ich aber Gelegen-
heit, die wahre Bacillaria sigmoidea Nitzsch. bei Berlin zu beobachten und ich über-
zeugte mich sogleich, dafs diese eine von meiner früheren sehr abweichende, besondere
Art ist, zumal da sie einen queer gestreiften Panzer hat, mithin zur Abtheilung Suri-
rclta gehört. Es mufs demnach nun folgende Abänderung der Namen eintreten: 1) Es
giebt eine Nai>. Surirella sigmoidea, welche gleich ist der Bacillaria sigmoidea Nitzsch;
2) Navicula sigmoidea meines zweiten Beitrages ist nicht Bacill. sigm. Nitzsch, auch,
da sie nicht im Meere lebt, wahrscheinlich nicht Nav. Scalprum Turpin, sondern ist
vorläufig zweckmäfsiger als Navicula Sigma besonders zu bezeichnen; Navicula Scal-
prum hingegen ist vorläufig fallen zu lassen, bis erst bekannt sein wird, ob sie zu den
glatten oder gestreiften Formen gehört; 3) Der Name Navicula J~usiformis, den ich
für eine sinaitische und sibirische Form angewendet hatte, ist, da er 2 ganz verschie-
dene Formen gleichzeitig bezeichnete, fallen zu lassen; die sinaitische Form gehört, da
keine Streifung beobachtet ist, zur glatten Nav. Sigma, die sibirische gehört zur ge-
streiften Abtheilung und ist in meinem zweiten Beitrage als Nav. Surirella jlexuosa
aufgenommen. Ob späterhin entweder der Name Navicula Sigma oder der Name Nav.
Surirella ßexuosa gegen den früheren Nav. Scalprum von Gaillon umzutauschen
sein wird, oder ob die 3 Formen nebeneinander fest zu halten sind, wird sich aus einer
erneuerten Untersuchung der Navicula Scalprum ergehen. Navicula Sigma unterschei-
det sich von Nav. ballica : corpore laevi, fusiformi, ioto ßexuoso, medio turgido,
fusiformi , nee aequabili, ulrinque longe alle nu ato. Jene lebt im Quellwasser bei
Berlin, diese im Seewasser bei Kiel.
36. Navicula, Surirella, bifrons N. sp. Gleichförmiges Schiffchen.
N. corpore amplo, striato, recto, a dorso lanceolato, utroque fine acuto, a latere
quadrato, elongato, angulis obtusis, lateribus rectis, parallelis.
Am 10. Mai 1832 bei Berlin zwischen Conferven entdeckt.
Die zunächst verwandte Form ist die schöne Navicula (Surirella) splendida, welche
auch nur wenig gröfser ist. Der Panzer der Surirella slrialula ist elliptisch , etwa
1t; mal so lang als breit. Bei Sur. splendida ist er, vom Rücken gesehen, lang eiför-
mig, vorn etwas gespitzt, hinten stark abgerundet, ziemlich 3 mal so lang als breit; von
der Seite gesehen ist er lang viereckig, mit abgerundeten Ecken, hinten breiter als vorn
und in der Mitte etwas eingeschnürt. Bei Sur. bifrons ist er, vom Rücken gesehen,
lanzetförmig, vorn und hinten gespitzt, 3 mal so lang als breit; von der Seite gesehen
lang viereckig, mit abgerundeten Ecken, vorn und hinten gleich breit, ohne Einschnü-
rung, Zh mal so lang als breit. Bei beiden von mir beobachteten Arten ist es sehr
deutlich, dafs die Streifung des Panzers nur an den 4 Ecken statt findet und dafs sie
nicht eine äufsere, sondern eine innere ist. Bei S. splendida zählte ich 26 Streifen in
Kk2
260 Ehrein berg: Beilrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
einer der 4 Längsreihen, die keine äufsere Zähnelung des Randes verursachten. Bei
S. bifrons zählte ich 21 Streifen.
Im inneren Körper erkennt man hei der Seitenlage sehr leicht 2 dunklere gelbbraune
Platten, welche die Rücken - und Bauchseite bekleiden, und 2 hellere, gefaltete und ge-
zackte, mehr nach innen liegende, gelbliche Organe, welche einen zackigen hellen Zwi-
schenraum der Länge nach in der Mitte übrig lassen. Bei Sur. splendida ist im vor-
deren spitzen Ende auf der Rückenseite ein heller Fleck, in dem bewegliche schwarze
Organe sichtbar sind. Dieser Fleck ist bei S. bifrons an beiden Enden sichtbar, aber
bewegliche Organe konnte ich darin nicht wahrnehmen. Auch sah ich bei S. splendida
viele kleine helle Bläschen im Innern (Magenblasen?), welche bei S. bifrons ebenfalls
nicht unterscheidbar waren. Beide Formen hatten deutliche kräftige Bewegung. —
37. Navicula, Soiurella, sigmoidea = Bacillaria sigmoidea Nitzsch, nicht
Nav. sigmoidea meines zweiten Beitrages. Es-ähnliches Schiffchen.
N. corpore striato, a dorso recto, aciculari, utrinque attenuato, acuto, a latere
sigmoideo, lineari, aequabili, truncato, vicies fere longiore quam lato.
Am 27. März 1832 zuerst bei Berlin beobachtet, wo sie nicht häufig ist, dann wie-
der am 26. April 1833.
Diese Art gehört unter die gröfseren Formen. In einem Zusätze bei Navicula bal-
tica habe ich bereits die Synonymie erläutert. Ich sah sowohl gelbbraun als grün er-
füllte Exemplare, einzelne und in der Längstheilung begriffene. Die Längstheilung war
auf der breiten Seite eingetreten. Ob die breite Seite die obere sei, wie bei den Fra-
gilarien gewöhnlich ist, oder ob die schmale die obere sei, wie bei den Nai'iculis häu-
figer ist, habe ich nicht zur Entscheidung bringen können, jedoch schien mir, der in-
tensiveren Färbung wegen, die schmale Seite die obere und die Theilung also nicht
eine Theilung beider Panzerhälften, sondern eine Isolirung derselben zu sein. Der vier-
kantige, gleichförmige, lineare, aber S förmig gebogene Panzer ist vorn und hinten beil-
förmig geschärft, daher die Zuspitzung auf der schmalen Seite. Die Streifung durch
kleine Queerlinien ist nur an den 4 Längenkanten. Breite Seite 20 mal so lang als breit,
schmale Seite 27 - 30 mal so lang als breit.
Im Innern konnte ich sowohl bei grüner als bei gelblicher Färbung keine mehrfachen
scharfen Sonderungen der Substanzen erkennen. Die gefärbte Substanz schien vielmehr
überall nur 2, in der Mitte durch einen breiten farblosen Zwischenraum getrennte Mas-
sen zu bilden, welche nicht ganz bis an die Enden reichten, sondern auch da 2 helle
leere Räume von quadratischer Gestalt zurücklielsen. Da bei der Rückenlage auf der
schmalen Seite kein mittlerer farbloser Zwischenraum sichtbar war, so mögen aber doch
auch eine Bauch - und eine Rückenplatte der farbigen Substanz vorhanden sein und zwi-
schen beiden mag sich die bei der Seitenlagc sichtbare, alles erfüllende, hellere Sub-
stanz, die vielleicht auch zuweilen eine Längstrennung zeigt, anschliefsen. Bewegte Kör-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 26 1
perchen in den Enden suchte ich vergebens, aber im Innern sah ich viele kleine Blasen
(Magenblasen?) verstreut. — Länge variirt von ^ - V "•
Die Navicula Sigma ist auf der Rückenseite schmal, spindelförmig, gerad, etwa
10 mal so lang als dick, auf der Seitenlage spindelförmig und S formig gebogen und
6-8 mal so lang als dick, an den Enden in beiden Lagen gleichartig abgerundet.
38. Navicula, Surirella, Westermanni. TVeslermann's Schiffchen.
N. corpore striato, recto, ovato-oblongo, latere uno piano, latere altero cum
ventre dorsoque turgidis, dorsi ventrisque striis 24 - 26.
Ich fand diese Form zwischen Conferven, welche ich im September 1833 aus dem
Kopenhagner botanischen Garten lebend mit nach Berlin genommen hatte und im Oc-
tober untersuchte, und ich erinnere mich dabei gern der beim Kaufmann Herrn Wes-
termann in Kopenhagen gefundenen grofsen Freude an Naturforschung, indem dessen
kostbare, liebevolle und liberale Pflege der von ihm selbst in Indien angelegten wissen-
schaftlichen Insectensammlung, welche von Wiedemann und andern mit benutzt wor-
den ist, der ermunterndsten Anerkennung werth ist.
Diese recht niedliche Art ist der N. turgida nahe verwandt, mit der ich sie gleich-
zeitig beobachtete, aber viel kürzer und hat nur halb so viele Streifen, dabei ist sie im
Verhältnifs an der Oberseite mehr gewölbt. Die kleineren Exemplare der N. turgida,
welche ihr an Länge gleichen, sind viel schlanker. Der Panzer ist von oben etwas mehr
als doppelt so lang als breit und war damals meist in der (seitlichen) Längstheilung
von oben aus begriffen. Ich fand einigemale 4 Individuen noch verbunden, was schon
Nitzsch sehr richtig als die letzte Grenze des Zusammenhaltens der unvollständigen
Theilung bei den Naviculis erkannt hatte, welche er damals noch mit Bacillaria pec-
tinalis verband, der dieser Charakter allein von allen allerdings abging (p. 74.). Durch
die Ihm sehr wahrscheinlich gewordene Vermuthung, dafs seine Bacillaria Palea einer-
lei sei mit Vibrio paxillifer Müller, hat er freilich pag. 84. jene Regel wieder fallen
lassen, allein da Vibrio paxillifer verschieden ist, der Gattung Bacillaria angehört und
ausschliefslich ein Seethier ist, Bacillaria Palea aber deutlich eine Navicula- Art des
Qucllwassers war, so ist Sein früheres Urtheil höher zu halten als das spätere. Diese
Thierchen sind mit ihrer flachen Seite an Conferven geheftet und kriechen darauf hin
wie Schnecken; daher sind ihre scheinbaren Seitenflächen nicht die wahren, sondern sie
sind Rücken und Bauch, während ihr convexer Obertheil nicht ihr Rücken, sondern der
andre Seitentheil ist. Von der scheinbaren Seite (dem Rücken oder Bauche) gesehen ist
der Panzer etwas mehr als 3 mal so lang als breit. Da laufen auch die Streifen so
dicht zusammen, dafs sie, ohne abzusetzen, queer durch zu gehen scheinen, allein es ist
wahrscheinlich in der Mitte eine feine Scheidelinie, wie bei N. turgida. Nur die An-
sicht von oben oder unten (scheinbare Seitenansicht) läfst die Streifung so deutlich er-
kennen, von den Seiten (scheinbar von oben und unten) sieht man nur am Rande die
Spuren davon. Ich zählte 24-26 seitliche Streifen, während Nat>. turgida 48-54
zeigte. Die Wölbung der oberen Seite bildet beim Liegen fast ein regelmäfsiges Zir-
262 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
kelsegment, während bei N. turgida die Rundung des oberen Randes gegen die Enden
hin nachläfst, wodurch dieser dann parallel mit der Basis wird.
Innerlich unterscheidet man deutlich 2 braune Platten, welche die gestreiften Pan-
zerseiten (Rücken und Bauch) innen überziehen und bei der Ansicht von oben (wenn
die Thiere auf der flachen Seite kriechen) wie 2 schmale dunkelbraune Längsbänder er-
scheinen. Nach der Mitte hin ist der ganze Raum mit einer heller gelbbraun gefärbten
Masse erfüllt, in welcher viele ungleiche, sehr grofse und kleine Blasen (Magenblasen?)
von hellerer gelber Farbe und dunkler braungelben Rändern liegen, wodurch sie sehr
bunt erscheinen. Eine kreuzweise Trennungslinie der Substanz war nicht zu bemerken,
so wenig als bewegte Körperchen an den Enden. Die gleichzeitig beobachteten Exem-
plare von N. turgida zeigten dasselbe Verhältnis der inneren Substanzen, was wohl von
der gleichen Frequenz der Nahrungsstoffe herkam. Bei letzterer Form sah ich sowohl
ganz gelbe, als ganz grüne Individuen mit sonst gleichen inneren und äufseren Verhält-
nissen, auch sah ich 2 Mal 2 zusammenhängende, durch unvollständige Theilung noch
nicht gesonderte Individuen, deren eines gelbbraun, das andere grün war. Ich schlielse
daraus nicht, dafs ein grünes Thierchen sich mit einem gelben begattet habe, denn ich
sah nie ein Aufsuchen, sich Betasten und Anschmiegen zweier Individuen, sondern, dafs
die innere gefärbte Substanz (der Eierstock?) von der gelben in die grüne Farbe über-
geht. Ein Gesetz kann ich aus meinen Beobachtungen noch nicht darüber entnehmen,
allein es scheint mir sich doch zu ergeben, dafs das gröfsere Alter nicht die gelbe, son
dem die grüne Farbe herbeiführe, während die kleineren Individuen gelb sind. In je-
nen Fällen hatte demnach der Trennungsact länger gedauert als der Entwicklungsact der
Färbung bei einem der beiden Theile. — Länge £,'".
39. Navicula, Surirella, Zebra N. sp. Zebra -Schiffchen.
N. corpore striato, recto, oblongo, latere uno turgido, latere altero, ventre dor-
soque planis, striis 16.
Am 28. März 1832 zuerst bei Berlin beobachtet.
Diese Form ist doppelt so lang als die vorige und hat dabei fast nur halb so viel
Streifen, welche deshalb viel weiter von einander abstehen. In der Gröfse und den Di-
mensionen gleicht sie mehr der Nav. turgida, diese hat aber 3 mal so viel Streifen,
welche noch enger beisammenstehen als bei Nav. TVeslermanni. Die anderen beiden
Formen kriechen mit der, der convexen entgegengesetzten, flachen Seite auf Conferven
umher, sitzen aber oft auch ganz still darauf, wie Coccus auf anderen Pflanzen. Nicht
selten bedecken sie einzelne Confervenfäden ganz. Diese sah ich nur zwischen Confer-
venfäden frei.
Der Panzer ist, von den gestreiften Seiten (Bauch und Rücken) aus gesehen, 4^ mal
so lang als breit, ganz dem von Nav. turgida gleich, indem die obere Fläche gewölbt
ist und nur dicht an den Enden mit der unteren parallel wird. Die untere, der con-
vexen entgegenstehende Seite ist flach und bildet ein langes scharfeckiges Quadrat, welches
in der Richtung des kleinsten Raumes. 263
4 mal so lang als breit ist. Die beiden langen Seiten desselben sind nicht bauchig, son-
dern gerad, was bei N. lurgida umgekehrt ist.
Alle Exemplare, die ich bisher beobachtete, waren bewegungslos; ich glaube daher
nur todte gesehen zu haben. Bei allen war im Innern eine gelbliche Masse in 1 oder
2 unregelmäfsige Häufchen gegen die Mitte zusammengezogen, welche nur etwa \ des
inneren Raumes erfüllten, der übrigens ganz durchsichtig, vielleicht schon leer war. —
Länge &"'.
Bei Navicula Scalprum und Girodclla comoides glaubt Turpin ein Auswerfen
von körniger Masse beobachtet zu haben und hat es abgebildet. Ich habe dergleichen
nie gesehen; übrigens verwechselt derselbe Nav. viridis und Nav.fulva mit jener Art,
denn während die Hauptmasse der auf Planche 2* dargestellten Körper der Navicula
Sigma ähnlich ist, hat er in Fig. 6. deutlich die Nav. viridis und in Fig. 7. die Nav.
fidva als verschiedene Zustände jener abgebildet, ja neben dem gröfseren Haufen, links,
ist sogar auch ein Individuum von Nav. amphisbaena abgebildet, so dafs die N. Scal-
prum aus 4 Arten besteht. Bei Navicula fulva und lurgida habe ich selbst den gan-
zen inneren Raum zuweilen mit bewegten Körnchen angefüllt gesehen. Eben diefs sah
ich bei Fragilaria rhabdosoma, Gomphoncma truncalum, hei vielen Euastris und an-
deren. Ich bin aber nicht geneigt, diese bewegten Körperchen immer für Brut zu hal-
ten, sondern möchte sie eher mit Chilomonas dcstrucns und den parasitischen Chae-
tomonaden vergleichen, die nach dem Tode, zuweilen selbst während des Lebens, eben-
sowohl in Räderthieren vorkommen; vergl. Brachionus Mullcri. Ahnliche innere In-
fusorien mögen zuweilen dieselben Erscheinungen bei Spirogyren und anderen Algen
veranlassen. Vergl. Notommala IVerneckii.
Meine Ansicht des Panzers der Naviculae ist durch Betrachtung der Navicula vi-
ridis jetzt dahin abgeändert, dafs ich den Panzer derselben aus 4 Theilen bestehend
glaube, welche die Ecken des Prisma's einnehmen und meist gestreift sind. Die flachen
Seiten, mit denen sie kriechen, sind nicht immer durch Längsspalten offen, auch nicht
eine allein, sondern ich habe bemerkt, dafs bei jener Species auf einer Seite in der
Mitte eine rundliche Öffnung ist und an den beiden Enden bemerkte ich ebenfalls eine,
aber auf beiden Seiten, so dafs ich 5 Offnungen, je 2 einander entgegengesetzt zähle,
2 vorn, 2 hinten am Ende, 1 in der Mitte. Zwei mittlere Öffnungen sah ich bei Na-
vicula Amphora ziemlich grofs und strahlig, neben einander auf einer und derselben
Seite. Das Zerfallen in 4 Theile beim Queerdurchschnitt, welches leicht geschieht,
könnte dann mehr zufällig sein. Auch bei Fragilarien scheint mir jedes Stäbchen an
jedem Ende 2 eingekerbte Öffnungen zu haben.
Es scheint mir noch nützlich, hier wieder der sonderbaren Erscheinung bei Amphi-
leptus papillosus pag. 228. zu erwähnen, in dessen Innern ich jedesmal eine einzige
Navicula und auch in derselben Längsrichtung gelagert fand. Ich habe zwar an obi-
gem Orte mich dafür entschieden, dafs die Navicula als verschluckt anzusehen sei, al-
lein, dafs es immer nur eine, mit ihrer Längsaxe immer in der Längsaxe des Amphile-
ptus gelagerte war, die immer ungefähr dasselbe Gröfsenverhältnifs hatte, sind Umstände,
264 Ehrenberg: Beitrag zur Erkennlniß großer Organisation
die wohl dem Gegenstande nach einige weitere Aufmerksamkeit wünschen lassen. Jene
einsam verschluckte Navicula liefs sich wohl mit N. fulva vergleichen, allein so ganz
übereinstimmend war sie vielleicht denn doch nicht. Ich mache daher von Neuem hier
darauf aufmerksam und möchte in Frage stellen, ob es nicht Nariculas gebe, die noch
deutlichere Organe aus ihrem Panzer hervorzuschieben fähig sind, die vielleicht, wie
Cypraeen, eine Art Mantel um ihre Schaale schlagen können, der sie ganz einhüllt, oder
die eine Schaale unter ihrer Haut eingewachsen führen. Auf solche Verhältnisse dürfte
Amphileplus papillosus, wenn er irgendwo wieder zum Vorschein kommt, zu prüfen
sein. Übrigens darf dabei nicht aufser Acht gelassen werden , dafs Amoeba diffluens
zuweilen ebenfalls Naviculas einzeln verschluckt und dann wie eine Navicula mit flei-
schigem Überzug erscheint, wie ich sie auf Tafel I, Fig. v. 3-4. meines ersten Beitrags
abgebildet habe. Im Darme der Räderthiere findet man häufig Naviculas, aber beson-
ders gern scheinen sich die Chilodonten, Sientoren und Bursarien mit ihnen anzufüllen.
Ich fand sie als verschluckte Nahrung in noch vielen anderen Infusorien, auch in Ar-
cella vulgaris.
40. Navicula Acus N. sp. Nadeiförmiges Schiffchen.
N. corpore subtili, fusiformi, prismatico, utrinque aequaliter valde attenuato,
corpore medio flavo, cornuum singulorum vaeuorum longitudine.
Ich fand mehrere Hunderte dieses Thierchens mit iVai'. gracilis und junger Nav.
fulva, vielleicht auch mit Nav. tripunetata {Vibrio Irip. Müller) ganz neuerlich, im
Juli 1834, bei Berlin im Thiergarten als einen häutigen Überzug stehenden Wassers.
Die Form des Panzers erinnert an Closlerium setaceum oder an Euglcna Acus.
Sie ist etwa 20 mal so lang als die mittlere Dicke. Alle waren sehr kräftig bewegt und
oft schob ein einziges Thierchcn einen grofsen, 20 mal gröfseren Haufen fremder Theile
bin und her. Beim Wenden des Körpers änderte sich die Form wenig, doch so, dafs
eine Seite etwas schmäler als die andere erschien. Ohne genaue Aufmerksamkeit war
die Breiten- und Forindifferenz wenig zu bemerken. Die Enden waren auf der breiten
Fläche etwas stärker 'abgestutzt, auf keiner ganz scharf spitz. Der mittlere Theil war in
einer geringen Ausdehnung immer gelblich gefärbt und etwas dicker, die dünneren En-
den bildeten 2 durchsichtige Hürner dieses Mittelstücks, welche demselben an Länge
einzeln gleich waren, so dafs der gelb erfüllte Körper \ des Ganzen ausmachte. In
der Mitte des gelben Theiles war eine leere, durchsichtige Stelle ('). — Körperlänge
k - k'", gröfste Dicke J- - &» (*).
(') Die Form dieser Navicula ist der von Frustulia sublilis sehr ähnlich, welche Kützing in
der Linnaea gegeben hat, die aber ein Closlerium darstellen mag ; auch unterscheidet sich ein mitt-
lerer erfülller Körper von den seitlichen leeren Hörnern so scharf und bestimmt wie bei Closterium
Acus Nitzsch und ich sah kein einziges der vielen Individuen, deren rasche Bewegung sich bestan-
dig kreuzte, anders.
( 2 ) a. Ich lüge hieran noch eine kurze Beurtheilung der bekannteren Abbildungen der den Na-
viculis verwandten Formen. M'üller's Vibrio bipunclalus, den ich in der Isis 1833 pag. 2ox und Enche-
lys = Chlamidomonas, Euglena, Enchelys, Trichoda, Leucophrys und eine deutliche
Art der Pflanzengattung Conferva, die er wegen ihrer bewegten Saamen Tiresias crispa
(auch Enchelys Tiresias) nennt und welche Agardb, wie auch ich urtheile, für die
gemeine Conferva capillaris erkennt. Systema Algarum 1824, pag. 95.
Neue oder bisher übergangene Gattungen von Magenthierchen.
(Da die innere Structur dieser Körper bisher nie, nur die Form berücksichtigt wor-
den war, so konnten die von anderen schon verzeichneten besonderen Gattungen nur erst
nach erneuter Prüfung aufgenommen werden. Die meisten dieser waren bisher als Pflanzen
von Botanikern beschrieben. Die von mir zuerst beobachteten und benannten Gattungen sind
mit einem Sternchen versehen).
I. Aciinaktiies Bory de St. Vincent 1822. Fahnenlhierchen. Familie der
Stablhierchen } Bacillaria.
Character Generis: Animalculum intus vesiculosum (Poly gas tri cum), ve-
siculis intestino distineto non connexis (Anenterum), processus variabiles,
molles, pediformes exscrens? (Pseudopodium), loricatum. Lorica prisraa-
tica, quadrangularis, oblique simpliciter pedicellata, vexilliformis.
in der Richtung des kleinsten Raumes, 283
59. Achnantiies longipes Agardh. Langfiißiges Fahnenthierchen.
A. bacillis striatis , singulis niediis deorsum inflexis, a Iaterc utrinque truncatis,
a dorso ventreque utrinque rotundatis, solitariis aut divislone laterali multi-
plicatis, pedicello crasso, bacillis saepe duplo et quintuplo Iongiorc, affixis.
Im August 1833 im Ostseewasser bei Wismar und Kopenhagen, im Kategat und bei
Droebak in Norwegen auf Sertularien und Ceramien von mir in zahlloser Menge be-
obachtet.
Die Gattung Achnanlhes wurde 1822 von Bory de St. Vincent im Diel, elas-
sique aufgestellt, aber erst von Agardh 1S24 gut umgrenzt, nur noch ohne Rücksicht
auf die innere Structur und daher als Pllanzengaltung unter den Algen verzeichnet. Ich
habe bisher nur eine Art zu beobachten Gelegenheit gehabt, aber alsbald gesehen, dafs
diese sonderbar gestalteten, bewegungslos festsitzenden Körper die gröfste Übereinstim-
mung mit den beweglichen Naviculis im inneren Baue haben und dafs sie sich zu den
Nai'iculis nur so verhalten, wie die stiellose Gattung Slenlor zu den gestielten Vorti-
cellen der Magenthierchen, oder wie unter den Corallent liieren sich Fungia und
Caryophyllaea verhalten.
Der obere, auf dem Stiele sitzende Körper des fahnenartigen Thicrchens ist ein ein-
faches oder mehrfaches, der Nai'icula viridis sehr ähnliches, aber in seiner Mitte ge-
knicktes Stäbchen. Der Körper desselben ist prismatisch vierseitig und besteht aus einer
harten, an den Kanten gestreiften Schaale, welche, zerdrückt oder zerschnitten, in un-
regelmäßige Fragmente bricht, als wäre sie aus feinem Glas, wie hohle Glasperlen.
Die 4 Seiten der Stäbchen sind ungleich, 2 breiter, 2 schmäler. Am Ende einer der
schmalen Seiten, der Bauchseite, sind sie mit dem Stiele verbunden. Die breiteren Flä-
chen sind 2-6mal so lang als breit und bilden durch eine Biegung in der Mitte einen
stumpfen Winkel. Ihre Enden sind gerad abgestutzt, mit abgerundeten Ecken. Auf die-
sen Flächen bildet die Streifung der gerundeten Längenkanten 2 queer gestreifte, seit-
liche, dunklere Binden, welche einen ungeslreiften helleren Zwischenraum oder eine
klare Mittelbinde einschliefsen. Diesen hellen Zwischenraum sah ich zuweilen deutlich
mit 4-6 sehr matten, parallelen Längslinien bezeichnet. Beide breitere Flächen sind
sich vollkommen gleich und ich nenne sie Seitenflächen. Die beiden schmalen Flächen
kann man, so lange die Stäbchen auf den Stielen sitzen, leicht als eine obere, vom Stiele
abgewendete, und eine untere, den Stiel aufnehmende unterscheiden. Beide Flächen sind
bandförmig, mit ganz abgerundeten Enden und in der Mitte mit einer kaum bemerkba-
ren Einschnürung. Die untere Fläche bildet die innere coneave Seite des stumpfen
Winkels, welchen die Stäbchen durch Einknicken ihrer Mitte darstellen, die obere die
äufserc convexe Seite. Beide Flächen sind durch und durch queer gestreift, ohne glat-
ten Zwischenraum, nur trennt eine deutliche Längslinie die Streifung und Flächen in
2 gleiche Theile. Queerlinien zählte ich an den Seiten immer gegen 50. An der obe-
ren convexen Flache ist aufserdem nichts zu bemerken; sie wird wohl mit Recht die
Rückenfläche genannt. An der unteren coneaven Fläche ist in der Mitte, ganz im Win-
Nn2
284 E H R e n b e rg : Beitrag zur Erkenntnis großer Organisation
kel der Riegung, ein Queerspalt sichtbar, welcher da, wo er die mittlere Längslinie
schneidet, etwas erweitert ist. Diese Stelle halte ich für den Mund , weil sie die ein-
zige bemerkbare Öffnung ist, und rechtfertige damit den Ausdruck Bauchfläche für
die concave Seite. Ich habe einigeniale zwar versucht, durch Indigofärbung einen Rüs-
sel oder andere Organe zur Anschauung zu bekommen , war aber nicht glücklich und
hatte nicht genug Ruhe zu intensivester Aufmerksamkeit.
Im Innern erkennt man eine goldgelbe Masse, welche in der Mitte der Stäbchen ein
Kreuz bildet. Ich halte diese für den Eierstock uud dessen Form für viertheilig. Im
Alter und Tode bildet diese gelbe Masse entweder zerstreute, oder in der Mitte ange-
häufte Kügelchen. Der übrige Theil der Stäbchen ist ganz crystallhell und erlaubte
keine weiteren Structurbeobachtungen.
Der Stiel ist cylindrisch, immer einfach, crystallhell und an der Anheftungsstelle ein
wenig erweitert, wie das Mundstück einer Trompete. Astige Stiele scheinen bei der
Fortpflanzungsweise dieser Stäbchen ganz unmöglich zu sein.
Aufser der vermuthlichen Eibildting in dem gelben Eierstocke geschieht die Vermeh-
rung der Stäbchen durch Längstheilung der Seitenflächen, der eine ansehnliche Erwei-
terung derselben vorausgeht, so dafs die Breite fast die halbe Länge erreicht. Zwei
erst neuerlich durch Längstlieilung eines einfachen entstandene Stäbchen sieht man im-
mer an den zugewandten Ecken der Enden durch eine Haut verbunden, welche später
verschwindet. Es scheint sich also die neue jederseitige Panzerhälfte im Innern zu bil-
den, dann aber das umgehende Häutchen abgestofsen zu werden, denn länger getheilte
Individuen sind an den Ecken scharf getrennt. Die grölste Menge der durch Längsthei-
lung entstandeneu Stäbchen auf Einem Stiele betrug 6, die grüfstc Länge des Stiels
4 mal die Länge seines Stäbchens. — Längendurchmesser der Stäbchen von Jg - ^'" (')•
LT*. Acineta Novum Genus. Strahlenbäumchen. Familie der Kranzüiierchen,
PendinaeaP Eigne Familie?
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Epitrichum, Ioricatum, se-
tosura. Lorica varia, membranacea, pedicellata. Cilia nulla.
60. Acineta mjrstacina=Cothumia? mjrstacina. Langbärtiges Strahlenbäumchen.
A. corpore subgloboso, longe setoso, setis corpore duplo longioribus, apice in-
crassatis, pedicello corpore multo breviore aut corpus fere aequante.
Ich fand diefs Thierchen zuerst im Juli 1831 und wieder im September 1832 auf
den Wurzeln der Lemna minor bei Berlin.
Crystallhelle Köpfchen auf sehr kurzen Stielen, oben mit sehr langen, zarten, unbe-
weglichen oder unmerklich bewegten Borsten besetzt. Die zweiten Exemplare zeigten die
(') Kützing hat neuerlich in der Linnaea 10 Arten der Gattung Achnanthes verzeichnet, indem
er 5 neue, wahrscheinlich nur in salzigen Gewässern des Festlandes, beobachtet hat, die übrigen sind
Seelbiere. Die inneren Structurverhaltnisse sind nicht beobachtet. »
in der Richtung des kleinsten Raumes. 285
Spitzen der Borsten als Knötchen. Ein gelblicher, kleiner, runder Körper, dem einer
Vorticelle ähnlich, steckt in der Mitte der crystallenen Blase. Die Unbeweglichkeit der
Borsten veranlafst mich, diese Form von Colhurnia, wohin ich sie fraglich gestellt
hatte, zu entfernen und einstweilen zu diesen, wie es scheint, näheren Verwandten zu
stellen, nach denen ich die neue Gattung gründen zu müssen glaubte. Von dieser Form
habe ich nur erst wenig Exemplare gesehen. Drei Exemplare waren nach oben etwas
zugespitzt und ganz kurz gestielt, eins war herzförmig ausgerandet und etwas länger
gestielt. — Länge ^ - fä" samt dem Stiele.
61. Acineta Lyngbji N. sp. Lyngbje's Strahlenbäumchen.
A. corpore globoso, undique setuloso, setis corpore brevioribus (acutis?), pedi-
cello longo, crasso, hyalino, corpore tlavicante, 3-5 ies longiore.
An Sertularia Monopyxis geniculata bei Kopenhagen im September 1833 entdeckt.
Bunde, strahlige, dicke Köpfchen auf dicken, einfachen, wasserhellen Stielen. Die
Borsten sind nicht so lang als die Köpfchen dick und scheinen zugespitzt zu sein. Die
Dicke des Stiels beträgt zuweilen fast \ der Körperbreite und seine Länge 3 - 5 mal die
Länge des Körpers. Der Stiel scheint in eine Vertiefung des Körpers eingesenkt.
Das Innere der Kugel war deutlich blasig, aber weitere Structurverhältnisse liefsen
sich nicht entwickeln. Mund und Bewegung habe ich nicht beobachtet.
Die ganze Erscheinung dieser Art ist die eines gestielten Sonnenthierchens.
Aclinophrys So/. Wegen gleichzeitigen Vorkommens der folgenden Form habe ich den
helleren Band des Körpers für eine besondere Hülle, Panzer, genommen. Eine eigene
Gattung würde die Form jedenfalls bilden, auch wenn sie sich als der Aclinophrys nä-
her stehend späterhin erweisen sollte. Ich fand sie sehr häufig und wollte mit dem Na-
men Herrn Pastor Lyngbye meine Achtung zu erkennen geben und diesen von mir
nur auf der Beise beobachteten Körper seiner näheren Aufmerksamkeit empfehlen. —
Durchmesser der gröfsten Köpfchen -i-'", der ganzen Thierchen \ - \'".
62. Acineta tuberosa = Forticeila tuberosa Müll. Gehörntes Strahlenbäumchen.
A corpore compresso, oblongo, apice truncalo, bicorni aut tricorni, glabro, cor-
nubus lateralibus duobus setosis, pedicello crasso, simplice, longitudine plus
duplo corpus superante.
Im August 1833 bei Wismar in der Ostsee auf Ceramium diaphanum und auf
Fucus, Scytosiphon, Filum häufig beobachtet.
Diese auffallende Form gleicht in der Zeichnung einer Vorticelle, in der Natur hat
sie aber wenig Ähnlichkeit damit. Die bewimperten, ohrenförmigen Organe sind steif
und die Wimpern machen keinen Wirbel, sondern sind Borsten, die an der Spitze ein
Köpfchen führen. Müller's Abbildung der Vorticella tuberosa pafst ganz auf die von
mir beobachtete Form, nur ist letztere nicht farblos, sondern braungelb gefärbt. Mül-
ler's Beschreibung ist sehr dürftig und ist das Besultat einer einzigen Beobachtung abge-
rissener Thierchen von einem gemeinsamen Stamme, wie er selbst vermuthct. Bakers
286 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Thierchen, welches er dazu anführt, scheint mir eine wahre, zufällig vielseitig in an-
fangender Längstheilung begriffene Epistylis gewesen zu sein und ich halte diefs für
ganz verschieden. Ich glaube also, dafs Müller nur 2 todte Panzer der Acineta vor
sich gehabt hat, deren gelbe Eingeweide ausgeflossen waren. Von Bewegung spricht
er auch nicht, was er doch sonst bei wahren Vorticcllen nicht unterläßt, und auch die-
ses pafst auf Acineta (axtyiTtfa die Bewegungslose).
Der etwas zusammengedrückte Körper ist länglich, die Breite l^mal in der Länge,
vorn breiter als hinten, hinten abgerundet und an einen dicken, sehr durchsichtigen, ein-
fachen Stiel geheftet. Vorn ist er meist zweihörnig, zuweilen aber ist in der Mitte
noch ein dritter Höcker. Die 2 seitlichen Ilörner haben an der Spitze ein Bündel ge-
knöpfter Borsten, die ich nie bewegt sah. Länge der Borsten kürzer als die Körper-
breite. Stiel mehr als doppelt so lang als der Körper, liegt etwa 6 mal in der mittle-
ren Körperbreite.
Im Innern unterscheidet man eine braungelbe Masse, wie bei den Euaslris, welche
2 dunkle, breite, nicht scharf begrenzte Längsbinden bildet, die einen mittleren helleren
Streif cinschliefsen. Die Hörner sind gegen die abgerundete Spitze weifslich (farblos).
Der Stiel ist ganz farblos und schwer sichtbar, obschon er sehr dick ist. Zuweilen sieht
man die Schaale halb und ganz entleert, was an Gomphoncma erinnert, allein der glatte,
nicht prismatische Panzer weicht sehr von jener Gattung ab. Bei einigen Individuen
schienen mir auch die Ilörner eingezogen zu sein, wenn diefs nicht Mifsbildungen waren.
Obwohl ich mit den Structurverhältnissen dieser Formen nicht so weit habe ins
Klare kommen können, dafs die nöthigen Charaktere für ihre natürliche Familie festzu-
stellen gewesen wären, so glaube ich doch, dafs sie in den ermittelten Charakteren viel
zu grofse Verwandtschaft mit den Kranztbierchen verrathen, als dafs sie wo anders hin
mit mehr Wahrscheinlichkeit des Rechtes gezogen werden dürften. — Kürperlänge ohne
den Stiel ^ - ££". Acineta: Peridinium = Cltactomonas: Cjclidium.
TU*. Chaetoglena Novit m Genus. Borstenauge. Familie der Kranzthierchen,
Peridinaea.
Character Gencris: Polygastricum, Anenterum, Epitrichum, loricatum. Lo-
rica tota setulosa, rigida, libera. Proboscis Cliformis. Ocellus singulus.
63. Chaetoglena volvocina N. sp. Wälzendes Borstenauge.
C corpore ovato, subgloboso, fuscescente- viridi, undique setis brevibus, hispido,
occllo rubro, rotundo, proboseide Gliformi corpus superante. Tafel VII, Fig. vi.
Zuerst am 20. April, dann am 14. Mai 1832 bei Berlin zwischen Conferven des
Thiergartens wieder beobachtet.
Die ganze Gestalt und Erscheinung des Thierchens gleicht sehr der Trachelomonas
volvocina, nur ist der Panzer nicht glatt, sondern mit kurzen Borsten besetzt, die noch
nicht \ des Queerdurchmessers gleichen. Im ganzen Umkreise des bräunlich -grünen
Körpers sieht man einen rüthlichen Schein, wie bei Track, volvocina, und dieser ist
in der Richtung des kleinsten Raumes. 2S7
ebenfalls die Folge der Panzerumhiillung. Beim Druck zwischen geschliffenen Glasplat-
ten zerspringt der Panzer in scharfe kantige Fragmente, wie bei jener. Innere Organe
liefsen sich wegen geringer Durchsichtigkeit nicht weiter erkennen, doch war das In-
nere (durch Mageublasen ?) deutlich verschieden schattirt. Der sehr bewegliche Rüssel
scheint sowohl die um die Längsaxe drehende, vorwärts gerichtete Ortsveränderung als
die Ernährung zu vermitteln. Der längliche Körper ist l^mal so lang als dick, vorn
abgerundet; oft erscheint er kuglig. — Länge j- b "'.
IV*' Chaetotyphla Novum Genus. Klettenlhierchen. Familie der Kranz-
tliierchen, Peridmaea.
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Epitrichum, loricatum. Lo-
rica tota setulosa, rigida. Proboscis nulla (?). Cilia oris antica (?). Ocel-
lu.s nullus.
Chaetotyphla arniata = Pantotrichum armatum. Stachliches Klettenlhierchen.
C. corpore ovato, utrinque rotundato, subgloboso, fusco, ubique setis brevibus
hispido, Corona apiculorum postica, nigra.
Chaetotyphla aspera = Pantotrichum asperum. Rauhes Klettenlhierchen.
C. corpore, oblongo, fusco, utrinque rotundato, ubique setis brevibus hispido,
apiculis posticis minoribus sine ordine sparsis.
Bei beiden Formen, deren ich schon früher in der Gattung Pantotricluim Erwäh-
nung gethan, habe ich mich neuerlich von der Anwesenheit einer harten Hülle über-
zeugt, weshalb sie aus der früheren Gattung zu entfernen sind. Ihre Form ist der der
Chaeloglcna sehr ähnlich. Ob sie mit einem Rüssel oder mit Wimpern den sichtbaren
Strudel vorn machen, habe ich nicht entscheiden können, doch schien mir das letztere
wahrscheinlicher. Bewegung wälzend um die Längsaxe, nach vorn.
V*. Chilodon Novum Genus. Zahnthierchen. Familie der Halsthierchen,
Trachelina.
Character Generis: Polygastricum, intestino distincto (Enterodelum), ore
infero, ano terminali (Allotretum), non loricatum. Valvula mobilis prope os
nulla. Frontis ciliorum Corona discreta nulla. Labium superius porrectum,
dilatatum, obliquum. Oris apertura dentium Corona armata.
Chilodon Cucullulus = Loxodes Cucullulus = Kolpoda Cucidlulus Müller.
Haubenförmiges Zahnthierchen.
C. corpore oblongo, hyalino, postico fine rotundato, ventre piano, dorso leviter
convexo, dentibus 16. Tafel II, Fig. i.
Die Gattung Loxodes bleibt für die zahnlosen Formen. Diese Species habe ich schon
auf Tafel IV, Fig. m. des ersten Beitrages in vielen Situationen und Formen, aber nicht
288 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
hinreichend stark vergröfsert, abgebildet. Bei Fig. 17» waren auch schon die Spuren
der Zahne treulich angezeigt. Auf Tafel II, Fig. I. dieser Abhandlung ist die Structur
noch mehr entwickelt dargestellt. Im Texte dieser Abhandlung ist pag. 169 und 170. an-
statt Chilodon Euodon gedruckt, was einerlei bezeichnet, und im Anhange zur Abhand-
lung über die Corallenriffe, 1832, pag. 437. ist statt Kolpoda Cucullus zu lesen Kol-
poda Cucullulus und das dort gesagte auf Chilodon Cucullulus zu beziehen.
VI*. Chlamidomonas Novum Genus. Hüllthierchen. Familie der Kugelthier-
chen, Volvocina.
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Gymnicum, loricatum. Lo-
rica glabra, membranacea, nee dividua nee gemmipara, intus sensim sponte
divisi corporis partes includens. Proboscis fdiformis. Ocellus singulus.
Chlamidomonas Puh'isculus = Monas Pulvisculus Müller.
C. corpore ovato, subgloboso, antico fine subacuto, lorica hyalina, corpore laete
viridi, proboseide corporis fere longitudine.
Die Theilung dieser Monade geschieht nicht wie bei den übrigen, sondern innerhalb
einer sehr durchsichtigen Haut, die ich bisher stets übersehen habe. Es bilden sich darin
2 und 4 Theile, so dafs die mehrtheiligen Individuen wie Junge der Pandorina Mo-
rum erscheinen. Jene haben aber nur einen Puissel oder 1 scheinbare Wimper, wäh-
rend diese mehr haben. Im Innern ist besonders eine gröfsere Blase deutlich. Das rothe
Auge ist zuweilen schwer zu erkennen, doch sehe ich es jetzt immer wieder. Contra-
hirt und ruhend sind sie kugelrund.
VII* Colacium Nov. Gen. Flohfreund. Familie der Anderlinge, Astasiaea.
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Gymnicum, non loricatum.
Corpus variabile. Cauda afßgens (patella suetoria terminalis?). (Proboscis
nulla?) Cilia oris rotanlia? Ocelli nulli?
o4. Colacium vesiculosum N. sp. Blasiger Flohfreund.
C. corpore ovato -fusiformi, variabili, laete viridi, intus vesiculoso, cauda bre-
vissima.
Ich fand diese Form am 5. Mai 1832 bei Berlin auf einem Wasserflohe, Cyctops
quadricornis.
Diese Gattung bilde ich jetzt aus dem Thierchen , das in meinem zweiten Beitrage
als Slentor? pygmaeus verzeichnet ist. Der letztere Name gehört eigentlich der fol-
genden Art, welche ich schon früher kannte. Damals habe ich aber wahrscheinlich beide
Formen verwechselt und unter einem Namen betrachtet. Beide sind sehr klein, ob-
wohl recht auffallend, und bedürfen noch weiterer Untersuchung.
Colacium vesiculosum sind kleine, grüne, einer Aslasia ähnliche Körper, welche
sich auf allen Körpertheilen der Wasserflöhe ansaugen und, wie kleine Vorticellen, mit
in der Richtung des kleinsten Raumes. 289
dem freien Ende einen Wirbel machen. Löst man sie vom Standorte ab, so winden sie
sie sich und kriechen unbehiilflich , wie Euglena cleses. Wegen des Ansaugens, was
am Schwänzende ein besonderes Saugorgan verräth, glaube ich diese Formen von den
Astasien trennen zu können, und bei der folgenden Art habe ich auch einen rothen
Augenpunkt öfter erkannt, welcher bei dieser Art denn vielleicht auch vorhanden ist.
Ich habe das Thierchen neuerlich nicht wiedergefunden, um es danach zu prüfen. Das
vordere Körperendc ist stumpfer als das hintere; beide sind farblos, während der ganze
übrige Körper grün ist. Ob die Wirbelbewegung am vorderen Ende, welche bei Fär-
bung des Wassers sichtbar wird, durch einen Rüssel oder durch Wimpern bewirkt werde,
liefs sich noch nicht entscheiden.
Im Innern war der ganze Körper voll Bläschen, welche ihm eine etwas dunklere
Färbung als der andern Art gaben. Der Fufs bildet noch nicht den 10"° Theil des
Körpers. Ausgestreckt ist es etwa 3 mal so lang als dick und spindelförmig, oft ist es
kuglig oder eiförmig contrahirt. — Länge .','".
Colacium. stentorinum = SlenlorP pjgmaeus. Trompclenförmiger Flohfreund.
C. corpore oblongo, subcvlindrico aut conico et fere infundibulifornii, variabili,
laete viridi, intus aeqnabili, longius pedicellato, pede dimidium corpus fere
aequante. Tafel XI, Fig. n.?
Ich fand die ersten Exemplare 1332 auf den jungen, noch schwanzlosen Cyclops-
Larvcn, dann wieder am 5. März und 30. September 1832 bei Berlin. Zuletzt sah ich
vermuthlich hierher gehörige Thierchen auf Polyarllira sexpennis (= Polyarlhra Tri-
g/a), versäumte aber über diese sehr interessante Räderthierform, sie näher zu beachten.
Das Thierchen kann die vordere wirbelnde Fläche breiter als den Körper ausdehnen
und abgefallene Exemplare gleichen der Euglena viridis sehr, sind aber viel träger.
Form und Saugfläche am Schwanzende gaben mir früher die fragliche Ähnlichkeit mit
Slenlor, dessen bestimmte Organisation ich aber später nicht bestätigen konnte. Zu-
weilen sah ich viele Exemplare auf gemeinschaftlichen verzweigten Stielen, wie Bäum-
chen, glaube aber, dafs die Stiele fremdartig waren. Da, wo der farblose Kopf in den
grünen Körper übergeht, sah ich zuweilen deutlich einen rüthlichen Punkt, möchte aber
die Beobachtung noch wiederholen, ehe ich das Auge als sicher existirend bezeichnete.
Diese Form ist kleiner, lebhafter grün als die vorige und hatte nie d'e vielen inne-
ren Bläschen, obsebon ich sie sehr häufig sah. Die stiellosen Exemplare auf der Po-
lyarllira waren wahrscheinlich contrahirt.
Das bei Polyarllira sexpennis pag. 227. erwähnte Colacium aequabile ist einerlei
mit Colacium stentorinum. — Länge j b ".
IX*. Cryptoglena Kovum Genus. Panzerauge. Familie der Panzermona-
den, Cryptomonadina .
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Gyninicum, loricatum. Lo-
nca singulis singula, foveata. Ocellus singulus.
Phjs. Abhandl. 1833. Oo
290 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
65. Cryptoglena caerulescens N. sp. Bewegliches Panzerauge.
C. corpore ovalo, dcpresso, minimo, antico fine emarginato, postico rotundato,
colore caerulescente -viridi, ocello rubro. Tafel VII, Fig. i.
Ich fand diese Form im Januar 1832 in dem warmen Bassin der Königlichen Por-
zellanfabrik zu Berlin zwischen Conferven. Später, im Frühling desselben Jahres, fand
ich sie auch häufig im Thiergarten.
Ich habe beider Formen bereits in meinem zweiten Beitrage pag. 150. Erwähnung
gethan. Der Körper der C. caerulescens ist fast doppelt so lang als breit, hinten ab-
gerundet, vorn ausgeschweift. Der glatte Panzer samt dem Körper hat vorn eine tiefe
Grube, in deren Grunde der Mund zu liegen scheint. Die Form erinnert an Bursaria
Iruncalella, ist aber niedergedrückt, mit abgeflachtem Rücken und Bauche. Im Innern
ist eine bläulich -grüne Masse und in derselben erkennt man fast in der Mitte, etwas
nach vorn, ein deutlich rothes Auge. Die tiefe Grube des Panzers, durch welche der
Körper vorn ausgeschweift erscheint, veranlafst auch einen mittleren helleren Streifen
des schwimmenden Thierchens, welcher nur durch die gröfsere Durchsichtigkeit an die-
ser Stelle entsteht. Die Bewegung dieser Art, welche viel kleiner als die andere ist,
ist sehr schnell, während die gröfsere Art langsam fortschwimmt. — Länge s ' - '".
Diefs ist die kleinste Thierform, an welcher deutlich ein rother Augenpunkt zu er-
kennen gewesen.
66. Cryptoglen a pigra N. sp. Träges Panzerauge.
C. corpore ovato, turgido, parvo, postico fine rotundato, antico emarginato, co-
lore paullo laetius viridi, ocello rubro. Tafel VII, Fig. II.
Im Februar 1832 zwischen Conferven des Thiergartens unterm Eise gefunden.
Der bläulich -grüne Körper ist etwas lebhafter grün, doppelt so grofs und dicker als
bei voriger Art. Im Übrigen sind die Verhältnisse bis auf eine geringere Beweglich-
keit dieser Form gegen die andere gleich. Das rothe Auge ist sehr deutlich, fast in
der Mitte.
Die Gattung Cryptoglena unterscheidet sich von Cryptomonas vorläufig nur durch
Dasein des Auges, indem die Panzerform und Farbe bei C. ovata und erosa ganz ähn-
lich ist. Die Augenführenden Galtungen Lagcnclla und Trachc-lomonas haben keine
Vertiefung für den Mund, welche denselben wohl in die Körpermitte bringt, sondern
tragen diesen am vorderen Ende. — Länge g|ö'", also etwa halb so grofs als Chlami-
domonas {Monas) Pulvisculus.
Dafs diese Formen im Winter gefunden worden sind, ist nicht besonders merkwür-
dig, denn ich habe jährlich sehr viele Arten von Räderthieren sowohl, als polygastrischen
Infusorien im Winter unter dem Eise lebend gefunden. Actinurus, Philodina ery-
throphlhalma, Salpina mucronala, Euchlanis dilatata, Stenlor polymorphus, Vor-
ticella Convallaria, Parämecium Aurelia, Kerona pustulata, Slylonychia Mylilus
in der Richtung des kleinsten Raumes. 291
habe ich regelniäfsig jeden Winter unterm Eise gefunden, aber auch noch viele andere
Arten, besonders Bacillarienformen.
X. Desmidium Agardh. Kettenstäbchen. Familie der Slahlhierchen } Bacillaria.
Character Generis: Polygastricum, Anenteriim, Pseudopodium?, loricatum.
Lorica prismatica, triangularis, divisione spontanca aut perfecte divisa, aut, illa
imperfecta, in taeniam longam, simplicem, catenatam aucta, filum Confervae
simile demum referens.
67. Desmidium Swarlzii Agardh. Swartzens Kellenstäbchen.
D. corpusculis reclis, latere utrinque piano longe concatenatis, intus viridibus,
liberis, a dorso ventreque visis oblongis, quadratis, utroque fine aut leviter
emarginatis, aut obtuse biGdis, a latere visis argute triangularibus, angulis
obtusis.
Bei Berlin schon längst beobachtet, aber erst am 20. Juni 1S32 für ein Stabthier-
chcn erkannt.
Die eigentliche Bildung der Kettenstäbchen hatte der geistvolle und phantasiereichc
Gründer der Gattung nicht erkannt, sondern dieselbe ist erst von dem treu und fleifsig
beobachtenden Lyngbye entdeckt worden. Aber auch diese Beobachtungen blieben noch
ungenügend. Einiges hoffe ich hiermit zur weiteren Erläuterung beizutragen.
Das Desmidium Swarlzii, welches Lyngbye abbildet und Turpin von ihm im
Diel, des sc. nal. copirt hat, sind keineswegs Fila plana, articulis post copulatio-
nem Iriangulatis, wie es Lyngbye definirt, noch auch Fila plana, striata, pinna-
tifida, wie es Agardh später von Neuem beschreibt {Syslema Alg. XV.). Es sind viel-
mehr prismatische, kettenartige Bänder, ganz wie die Fragilarien uud Bacillarien, aber
nicht flach wie diese, sondern dreiseilig, wie ein dreischneidiger Degen. Diese dreiseitig
prismatischen Ketten erscheinen unter dein Mikroskop, sie mögen auf jeder beliebigen
Fläche liegen, wie flache, queer gestreifte Bänder, weil die mittlere Leiste, von oben
gesehen, unsichtbar wird. So hat man sie bisher beschrieben und es sonderbar gefun-
den, dafs ihre Glieder unter gewissen Verhältnissen plötzlich dreieckig erscheinen, was
sehr natürlich so sein mufs, sobald sie einzeln getrennt von jener Seite gesehen werden,
welche sie bei der bandförmigen Gesellschaftsform einander zukehren und die man da-
her dann nicht sehen kann.
Eine andere Schwierigkeit ist bisher die gewesen, dafs man die einzelnen Stäbchen,
welche in der Bandform die Queerstreifen bilden, bald an den Enden einfach abgerun-
det, wie bei Lyngbye und Turpin die zweite Figur von oben, bald zweizahnig oder
gar zweitheilig sah, wie in den übrigen Figuren. Eine Erklärung dieser Erscheinung
gab mir die Beobachtung ihrer Selbsttheilung. Im jungen Zustande theilen sie sich, wie
es mir schien, eben so unvollkommen, ohne zu klaffen, wie die Fragilarien, und dabei
bleiben ihre Enden fast einfach abgerundet, wenn sie aber gröfser geworden und durch
fortgesetzte Theilung schon zu langen Ketten herangewachsen sind, dann tritt allmälig
Oo2
292 Eiirenbeug: Beitrag zur Erkenntniß großer Organisation
eine vollkommenere freiwillige Theilung ein, bei der sie sogleich an allen 3 Enden
klaffen und sich immer mehr spalten bis zur vollendeten Theilung. Dieses Klaffen ha-
ben die Fragilarien nicht, die Bacillarien aber in einem noch stärkeren Grade, jedoch
nur einseitig. So erschienen mir diese Bildungen. Jedoch sah ich bei sehr kleinen Des
midien schon eine Ausrandung an den Enden, und es könnte wohl die ganzrandige Form,
«eiche bei Turpin, obwohl deutlich nur Copie, noch schärfer einzahuig als bei Lyng-
b\e dargestellt ist, eine andere Art derselben Gattung sein.
Übrigens bat Desmidium in seiner Structur mehr Ähnlichkeit mit Euastrum als
mit Navicula oder Fragilaria, seine geringe Gröfse erschwert aber die genauere Ver-
gleichung. Ein einfaches Glied der Kette (Stäbchen) ist, von oben gesehen, ziemlich
3 mal so lang als dick, beim Streben zur Selbsttheilung sind sie kurz vor Erreichung
derselben 1 '„ mal so lang als breit, aber dabei klaffend. Das Innere ist mit grüner zä-
her Masse erfüllt, welche sich allmälig in mehr oder weniger regelniälsige Häufchen
gegen die Mitte sammelt. Cberdiefs sieht man zuweilen Bläschen. Von der Seite ge-
sehen ist ein einzelnes Glied gleichseitig triangulär, mit etwas coneaven Seiten und stum-
pfen Spitzen. — Breite der Kette oder Länge des Kettengliedes £%'".
68. Desmidium? orbicularc N. sp. Scheibenförmiges Ketlenstäbclien.
D. corpore laevi, obtuse triquetro, latcribus turgidis, hinc a dorso viso subor-
biculari, bifido, nee sociali.
Am 11. Mai 1832 bei Berlin zwischen Confervcn zuerst beobachtet.
Diese Form unterscheidet sich von der vorigen dadurch, dafs sie nie lange Bänder
bildet, sondern einzeln erscheint, physiologisch ausgedrückt, dafs sie keine unvollkom-
mene, sondern eine vollkommene oder gar keine Selbsttheilung hat. Hierin sind alle
folgenden Arten mit dieser übereinstimmend und wollte man consequent sein, so müfste
man die einzelnen Formen von der bandartigen als besondere Gattung trennen, denn
sie verhalten sich gerade so wie Na^icula und Fragilaria. Ich hatte auch bereits eine
Gattung Zygoprisma, Doppelprisma, mit ihnen abgesondert, allein in Erwägung, dafs
ich diese Formen vielleicht nicht recht vollständig beobachtet habe, habe ich, obschon
ich sie in ziemlicher Menge, und neuerlich wieder gesehen habe, doch die vorläufige
Vereinigung vorgezogen.
Ein Desmidium orbiculare erscheint überdiefs, von oben gesehen, wie 2 in der
Mitte vereinigte, halbe Scheiben, indem die beiden Seiten nicht flach, wie bei vorigem,
sondern convex sind. Von den Seiten gesehen besteht es aus 2 stumpf dreieckigen, grü-
nen Körpern, viel stumpfer als voriges, mit ganz kurzen, stark abgerundeten Ecken.
Innerlich ist es ganz grün erfüllt, wie ein Euastrum, und wenn es scheibenförmig
erscheint, bildet die obere Leiste eine dunklere Queerbinde, welche die Trennungs-
linie der beiden Hälften im rechten Winkel schneidet. In mehreren Exemplaren sah
ich den ganzen inneren Bauin mit sehr kleinen bewegten Körnchen erfüllt, aber kein
Ausströmen derselben. Ich denke mir die Bildung wie bei Euastrum, nämlich die brei-
ten Hälften als 2 (aber nicht flache, sondern dreiseitige) Flügel einer im Übrigen mit
in der Richtung des kleinsten Raumes. 293
Navicula verwandten Form. Ich sali nie 2 solcher Körper zusammenhängen, noch auch
ein leichteres Zeichen spontaner Theilung. — Grüfster Durchmesser jj"'.
69. Desmidium? hexaeeros N. sp. Sechshörniges Ketten Stäbchen,
D. corpore aspero, late bipartito, parte utraque argute tricorni, cornubus tere-
tibus, apice truncatis.
Bei Berlin im Sommer 1832 zwischen Conferven mehrmals beobachtet.
Die regelmäßige Form dieses Körpers ist sehr eigentümlich, obschon es sich auf
die Bildung des vorigen leicht zurückführen läfst. Die beiden Hälften, welche die ila-
chen Euaslra und die dreikantigen Desmidia bilden, sind hier liefer als gewöhnlich
getheilt und etwas mehr von einander abstehend. Würde diese Form bandförmig, so
müfste sie dann dem Oberkiefer eines Sägefisches gleichen, indem die dritte Hörnerreihe,
von oben gesehen, unsichtbar wäre, die seitlichen aber wie scharfe Zacken sich entge-
genständen. Einzeln besteht jedes Thierchen aus 2 dreizackigen, verticalen Platten, die
in der Mitte etwas gewölbt und nur mit \ ihres Durchmessers verbunden sind. Die
Zacken oder Hörner der Platten sind gegen das Ende cylindrisch und abgestutzt. Die
ganze Oberfläche ist rauh. Beim Drehen und bei verschiedenen Eagen sind oft einzelne
Zacken für das Auge, wegen optischer Verkürzung oder wegen gegenseitiger Deckung,
unsichtbar, weshalb man durch Bewegung des die Körperchen umhüllenden Wassers sie
mehrseitig zu beobachten suchen mufs. Im Innern sind sie lebhaft grün erfüllt, nur die
Spitzen der Hörnchen sind etwas blasser. Bewegung sah ich nicht — Durchmesser jj"'.
Es scheint mir, dafs diese Form unter Meyen's Scenedcsmus peclinatus (N. A.
Nat. Cur. T. XIV, Taf. 43, Fig. 35.) mit begriffen wurde, indem die angezeigte Fig. 35'
vollständig pafst und 35', welche dieselbe sein soll, möglicher Weise auch palst, beide
nur bei so geringer Vergröfserung beobachtet wurden, dafs ihre specielleren Verhältnisse
nicht deutlich werden konnten. Vergleiche Sccncdesmus.
70. Desmidium? bijidum N.sp. Doppelzahniges Kettensläbclien.
D. corpore laevi, argute triquetro, partium singularum cornubus apice bifidis.
Am 29. Juni 1832 zwischen Conferven bei Berlin beobachtet.
Die Form ist einzeln, der vorigen sehr ähnlich, aber die Hörner sind dicker, weni-
ger cylindrisch, vorn nicht abgestutzt, sondern tief gespalten. Ich sah die Schaale leer
mit in eine verhältnifsmäfsig kleine Kugel zusammengezogenen grünem Inhalte. — Durch-
messer ^'".
Ein Desmidium cylindricum kann es nicht geben, denn das Beiwort schliefst es
von der Gattung aus. Sollte es solche cylindrische Formen geben, die keine Closleria,
noch Gailioncllae sind, so würden sie einen eigenen Gattungsnamen erhalten müssen.
Frustulü Agardh. Familie der Stabthierchcn.
Character Generis: Naviculae gelatina s. muco difformi, non casu , sed
propria natura involutae.
294 Ehrenberg: Beitrag zur Eikennlnifs grofser Organisation
Es ist den übrigen Erscheinungen nach wahrscheinlich, dafs es Formen giebt, welche
die von Agardh bezeichneten Charaktere dieser Gattung besitzen, obwohl viele, ja die
meisten von ihm dahin gestellten Körper, Naviculae sind, welche nur zufällig in Gal-
lerte oder Schleim befindlich waren, was zum Theil daraus hervorgeht, wie er selbst
ausspricht, dafs in einem und demselben Schleime verschiedene Formen der Stäbchen ge-
funden wurden. So hat er die Cymbella appendiculala bei der C. minor gefunden,
Conspcctus crit. 1830, pag. 8, verschiedene Formen der C. lanceolala pag. 9, C. cym-
biformis p. 10. zwischen andern Diatomeen. Cfr. Icones Algarum curop. 1828, Frust.
appendiculala. Es giebt freie Stabchen, es giebt in gallertige Röhren eingeschlofsne,
und so mag es wohl auch in gallertige Kugeln oder gallertige unförmliche Massen ein-
geschlofsne geben. Sollte sich die Existenz von dergleichen Formen durch wiederholte
Beobachtung bestätigen, so würden sie Fruslulia genannt werden müssen, weil dieser
Name einmal da ist und Cymbella oder li/iabdium spätere Namen für dieselbe Sache sind.
INur solche Formen aber sind Frustulien zu nennen, in denen dieselben Naviculae
ganz allein, ohne alle fremde Beimischung, wie es bei Schizonema der Fall ist, in Schleim
eingehüllt gefunden werden und die man in diesem Verhältnifs wenigstens mehr als
einmal beobachtet hat. Ich selbst habe noch nie dergleichen beobachtet und erwähne
hier nur des Namens, um die viel besprochenen Grenzen seines möglichen oder wirk-
lichen Begriffs bestimmt und klar vorzulegen (').
XI. Gaillonella Bory de St. Vincent 1S23, Melosira Agardh 1S24. Gal-
lionclle. Familie der Stahllderchen, Bacillaria.
Charactex Generis: Polygastricum, Ancnterum, Gymnicum, Pseudopodium?,
loricatum. Lorica subglobosa aul oblonga bivalvis, divisione spontanea intra
vaginam deeiduam peragenda cateniformis, filiformis.
71. Gaillonella lineala Bory = Fragilaria lineata Lyngbye. abgerundete
Gallionelle.
G. corpusculis ovatis, utrinque rotundatis, nee angulosis, flavicantibus. Lyng-
bye Tab. 63. B.
Im Wasser der Ostsee bei Wismar mit Ceramien im August 1833 von mir beobachtet.
Bory de St.Vinccnt bildete im Jahre 1823 im Diel, classique, Art. Confer-
<>ees, eine Algengattung Gaillonclla aus confervenartigen Schläuchen, welche innen rund-
liche, queer gespaltene Körperchen führen, die wie Seifenbüchsen aussähen, und im Jahre
1S24 {Art. Gaillonella) rechnet er dahin die Fragilaria nummuloides und lineata
von Lyngbye als Typus. Agardh beschrieb unterdessen im Jahre 1824 dieselben
Formen als seine Gattung Melosira und meint, Bory habe verschiedenartige Körper
in seiner Galtung vereinigt (Conspeclus crilicus Dial. 1830, pag. 12.). Da aber die
von Bory 1823 gegebene Bezeichnung der Gatlungscharaktere scharf und deutlich ist,
(') Über K'ützing's Frustulien, vrelche meist Naviculae sind, habe ich bei Navicula gesprochen.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 295
so hielt ich es doch für einen Akt der Gerechtigkeit, den Namen Gaillonclla, welcher
ebenfalls richtig gebildet ist, aufzunehmen, obschon Agardh, richtiger als Lyngbye
und Bory, bemerkt hat, dafs diese Formen nicht aus Schläuchen bestehen, in denen
die runden Körper sitzen, sondern dafs diese Körper freie Glieder bilden, ohne umhül-
lenden Schlauch. Aber auch die letztere Ansicht ist noch einer Berichtigung zu unter-
werfen und das Wahre liegt zwischen beiden.
Gallioncllen oder Melosiren sind nicht Bänder oder Fäden, sondern gerundete oder
dodecaedrische Körperchen, harte Kapseln, den viereckigen Naviculis und den dreiecki-
gen Desmidien ähnlich, die durch Queertheihmg sich vermehren und durch unvollstän-
diges Abschliefsen der Theilung kettenarlig aneinander hängen bleiben und Gliederfäden
bilden. Dabei ist auch noch der bisher übersehene Umstand wichtig und merkwürdig,
dafs die spontane Theilung der Kapseln unter der Oberhaut geschieht und dafs die aut
diese Weise neu entstandenen Glieder eine Zeitlang durch eine Haut verbunden bleiben,
welche die Täuschung veranlafst, als lägen die Kapseln in Schläuchen, wie es Lyngbye
nnd die früheren fälschlich abgebildet haben. Gerade eine solche Verbindungshaut fin-
det sich auch bei neuen Trennungen an slclinanthes, und diese Bildung beweist noch
mehr die nahe Verwandtschaft dieser Formen. Nach einiger Zeit löst sich diese Haut
von den Gliedern ab und man sieht daher immer einige ohne Schlauch, einige mit
Schlauch an demselben Faden dicht beisammen. Es geht aus der Bildungsweise dieser
Fäden oder Ketten hervor, dafs sie so wenig als Fragilarien und Bacillarien oder Des-
midien je verzweigt sein können, was aber bei Schizunema und andern schlauchführen-
den möglich ist und vorkommt. Da nun das Fadenförmige nur ein seeundärer Charak-
ter, durch die Uuvollständigkeit der spontanen Theilung entstanden ist, so kann er auch
nur als untergeordnet angesehen werden, weshalb denn Formen, wie Fruslulia oper-
culala Agardh, gar wohl in die Gattung Gaillonclla aufgenommen werden können.
Wollte man aber auf Consequenz sehen, so würde jene Frustulia opercalala, welche
sich zu Gaillonella genau wie Navicula zu Fragilaria zu verhalten scheint, eine be-
sondere Gattung verlangen, die man Pyxidicula nennen könnte.
Der Körper der G. lineata bildet einen meist sehr kurzen, oft kugelartigen Cylinder
mit abgerundeten Enden. Manchmal ist er dicker als lang, manchmal länger als dick.
In der Mitte ist eine Trennungslinie, wie bei Navicula, zuweilen sind deren 2, so dafs
eine doppelte Theilung sich gleichzeitig vorbereitet. Das Innere ist mit gelblichen Kör-
nern erfüllt. Bewegung sah ich nicht, auch noch keine Mundöffnung, aber die ganze
äufsere Bildung und die Sprödigkeit des Panzers spricht für nächste Verwandtschaft zu
den bewegten Navicalis. — Queerdurchmesser einer Kette ,'„. -<■"'.
O ^- [_u in
Eine grüne Gaillonella des süfsen Wassers bei Berlin habe ich zwar gesehen, aber
noch nicht hinreichend beobachtet (').
(') Mehrere neue Arten dieser Galtung hat Kützing in der Linnaea 1833 beschrieben, sie aber
mit Agardh Melosira genannt, Die Ähnlichkeit mit Fiustulien ist daselbst ebenfalls ausgesprochen,
aber die Schlauchbildung bei der Theilung noch nicht erkannt worden.
296 Ehren berg: Beitrag zur Erkennlnifs großer Organisation
Helierella Borj de St. Vincent.
Die Formen dieses Namens bei Turpin verzeichne ich unter dem Namen Micrasterias.
Heterocarpella Bory de St. Vincent.
Eine der Formen dieses Namens im Dict. classiquc 1825 ist wohl von Turpin
später Helierella genannt worden, diese ist eine Micrasterias {Het. reniformis = He-
lierella renicarpa ?) ; Heterocarpella geminata, pulchra und botrytis sind wohl Eua-
stra, letztere gewifs, vielleicht = E. ansatum. H. lelraearpa = H. qaadrijuga Tur-
pin? und Het. amara Turpin kenne ich nicht; sie mögen den Stamm der Gattung
Heterocarpella bilden. Die versprochenen Abbildungen der Formen von Bory sind
nicht erschienen (').
XII. Himantopus Fabricius. Peitschenfufs. Familie der Naclienthierchen,
Eiiplnta.
Character Generis: Polygastricum, Enlerodelum, nee ore nee ano termi-
nali (Katotretum), loricatum. Lorica (scutellum) depressa, appendice frontal!.
Caput non discretum. Stvli null!.
72. Himantopus Charon Fabricius? ß glaber. Nachcnförmiger Pcilschenfujs.
Tl. corpore ovato, crvstallino, postico fine rotundato, antico fere truncato, un-
cinis pediformibus duobus et vicenis. Tafel III, Fig- VIII.
Am 29. März 1S32 in einem überwinterten Wassergefäfse zu Berlin gefunden.
Ob es möglich sein wird, die Gattung Hinianloptis von Euplotes gesondert zu er-
halten, bin ich im Zweifel. Ich kenne von erstercr nur diese Form. Die Ilauptunter-
schiede derselben sind der Mangel von Griffeln am Hintertheile, an deren Stelle gerade
eben solche Ilaken sind wie vorn, und das Überragen des vorderen Schildrandes über
die Ausrandyng des Körpers, welche vermittelst der gewimperten Furche zu dem sehr
nach hinten gelegenen Munde fuhrt. Letzteres ist wie bei Slyloiiychia Iilytilus. Die
riemenförmigen oder peitschenartigen Füfse, welche Fabricius und vielleicht Müller
als wichtige Charaktere ansahen, sind kaum etwas länger und gar nicht verschieden von
den Haken des Etiploles, die sich eben so krümmen. Übrigens sind die 7 Formen des
Müllerschen Nachlasses, welche Fabricius in Müller's Animalculis Iiifusoriis zur
Gattung Himantopus vereinigt hat, gröfstenlheils nur Fragmente anderer Nachcnthier-
chen oder Ilechelthicrchen ; mehrere sind wohl Theile der Kerona pustulala, die, nach
(') K ützing hat in der Linnaea ebenfalls 2 neue Arten der Gatlung Heterocarpella verzeichnet
und abgebildet, aber viel zu wenig vergröfsert beobachtet. H. ursinella und binalis daselbst sind
Euastra, H. tetrophlhahna kann ebenfalls ein Euaslrum sein, wahrscheinlich E. margaritij'erum,
d. i. seine Het. ursinella; II. polymorpha isl aber wohl ein Gemisch von Eiiastrum ansatum, Mi-
crasteriis und dreiseitigen Formen, welche Dcsmidia gewesen sein mögen.
in der Richtung des kleinsten Baumes. 297
Abscheidung des Eierstockes samt seinem Kürpertheile, sich noch munter bewegen. Ja
man kann sich sogar solche Ilimantopoden selbst machen, wenn man Kerona pitslulata
eintrocknen läfst, im Moment aber, wo sie breit zu werden und zu zerfliefsen beginnt,
einen Tropfen neuen W assers hinzuthut. Die eingeschrumpften und verstümmelten For-
men bewegen sich wieder und zeigen geschlängelte fufsförmige Haken, wie Himanto-
pus, Ludio, Sannio, Larva und Corona.
Die beiden Gattungen Himanlopus und Discocephalus der gepanzerten Nachen-
thierchen entsprechen der Gattung Kerona der nackten Ilechelthierchen, sind gepanzerte
Krallenthierchen, aber die Gattung Eupioles ist offenbar eine gepanzerte Slylonychia.
Müller's Thierchen war aus dem Meere und die Abbildung hat einiges Abweichende
durch die Streifung; ich bezeichne es daher mit et) slrialus.
Der Körper ist 1', mal so lang als breit. Länge der gebogenen, ungegliederten Ha-
ken \ der Körperlänge. Mundspalte mehr auf der rechten Seite. Die fufsartigen Haken
bilden ein breites Rand auf der linken Kürperseite, sind nicht deutlich in 2 Reihen ge-
ordnet. Ganz links und hinten ist eine grofse contractile Rlase. Rechts von der Mund-
spalte ist eine Reihe drüsiger Knötchen. Zwischen den Haken ist der blasige Darm
verbreitet. — Länge ^".
Licmophora Agardh 1827.
Ich habe diese niedlichen Formen als Echinella verzeichnet, weil es mir schien, als
ob es unrecht sei, jenen richtig gebildeten, eingebürgerten Namen für ähnliche Formen
gegen einen neuen umzutauschen, der samt einigen andern den alten ganz entbehrlich
zu machen droht. Vergl. Echinella capitata. Es ist gewifs wissenschaftlich besser ge-
than, nur die Charaktere der Gattungen zeitgemäfs abzuändern, als bei jeder nöthigon
Abänderung auch die alten Namen wegzuwerfen und gegen neue zu vertauschen, die
doch bald ein gleiches Schicksal haben müssen, weil sich eben alles entwickelt. Sprach-
widrige Namen sind natürlich aber immer zu unterdrücken, denn blofsc Laute sind
keine Namen und keine Sprache. Der physiologische Charakter der Gattung Echinella
{Licmophora) im Yerhältnifs zu Gomphonema beruht darin, dafs die Entwicklung der
Stäbchen und ihrer Stiele bei Gomphonema gleichmäfsig, hier ungleichmäfsig ist, daher
häufen sich die Stäbchen hier in der niedlichen Fächerform an. Die Echinellen (Lic-
mophorae) sind denn gestielte Meridia. Die E. splendida des rothen Meeres ist in
den Symbolis pliysicis abgebildet.
Melosira Agardh siebe Gaillonella.
Meridion Agardh. Fäeherstäbehen.
Ich habe früher die Formen dieser Gattung unter Greville's (nicht (Lyngbye's)
Namen Exilaria verzeichnet, weil ich diesen einmal existirenden Namen verwandter
Formen benutzen wollte und Agardh's Idee bei der Gattung Meridion mir nicht klar
wurde. Ich halte jetzt die letztere für eine wohl begründete Gattung, zu welcher meine
Phys. Abhandl. 1833. Pp
298 Ehrenberg: Beitrag zur Elken nlnifs großer Organisation
beiden Exilarien gehören, die sich jedoch vom vernale und wohl auch vom circulare
unterscheiden, obschon ich ersteres wenig und letzteres noch nicht lebend beobachtet
habe. Der Name Exilaria, welcher bei Greville die Echinellen (Licmophoren) und
Synedras vereint, würde dann, im Falle seine Formen sämtlich dahin gehören, anstatt
Synedra zu brauchen sein. Jedoch ist der von mir für Synedra gegebene Charakter:
Navicula rede sessilis, sine pedicello, mehr bestimmt, denn die Bildung der Navi-
cula habe ich genauer ermittelt.
XIII. Mick asterias Agardh 1S27 = Helierella Bory et Turpin == Pediastrum
Meyen. Zellenstern. Familie der Slabllüerchen, Bacillaria.
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Gymnicum, Pseudopodium?,
loricatum, sociale, in laminas orbiculares concatenatum. Corpuscula com-
pressa, polygona, subquadrata, cordata vel lunata, in series circulares dispo-
sita, laminam suborbicularem margine dentatam, radiatam formantia.
Der erste Gattungsname für diese Formen war Echinella und dieser, obwohl von
Acharius einer bestimmten einzelnen Form gegeben, die kaum etwas anderes als In-
secteneier gewesen sein kann, umfafste wegen des Beinamens radiosa bald alle die nied-
lichen strahligen Formen, welche sich nun als Euaslra und Micrasleriae ergeben ha-
ben, freilich aber mit vielem Fremdartigen. Lyngbye kannte 1S19 die erste selbststän-
dige Art, auf die er den Namen E. radiosa übertrug, die aber aus mehreren bestand.
Agardh kannte 1824 im Systenia Algarum auch nur noch dieselbe Art, die er Echi-
nella ricciaefurmis nannte; diese sind wahrscheinlich Euaslra. Im Jahre 1827 fand
Agardh eine zweite Art. in Carlsbad und bildete daraus die neue Gattung Micraste-
rias (Botan. Zeitung). Nur die Micraslerias furcala scheint eine Art der Gattung
Micraslerias zu sein, wie ich sie definire. Turpin beobachtete darauf zu Anfange des
Jahres 1828 mehrere Formen der letzteren Gattung und machte sie unter den Namen
Helierella, Slomale/la, Ursinella und wahrscheinlich Helerocarpclla bekannt. Die hier-
her gehörigen Formen dieser letzteren beiden Gattungen waren Euaslra, die der er-
steren wahre Micrasleriae. Im September des Jahres 1828 erschien eine Abhandlung
von Meyen (N. A. Nat. Cur. Vol. XIV.), welcher mehrere Arten der Gattung Micra-
slerias unter dem neuen Namen Pediastrum als 3 Species dieser Gattung verzeichnete
und abbildete. Das Pediastrum biradialum war wahrscheinlich Agardh's Micrasle-
rias furcala, Pediastrum duplex ist wohl synonym mit Helierella Boryana und re-
nicarpa Turpin, und Pediastrum simplex gehört zu Heller. Napuleonis Turpin.
Ich habe nun zuerst von dieser Formenmasse der gestrahlten grünen Schüppchen,
welche wie liebliche Sterne im Mikroskope erscheinen und deren ich ansehnlich mehr
beobachtet habe, alle die in die Gattung Euastrum gesammelt, welche deutlich aus nur
2 Theilen bestehen, die in der Mitte verbunden sind; alle übrigen, die aus mehr con-
centrisch verbundenen Theilen bestehen, habe ich als Micraslerias zusammengestellt.
Über die nahe Verwandtschaft der ersteren mit den Naviculis, welche die letzteren ent-
in der Richtung des kleinsten Raumes. 299
behren, vergl. Euastrum. Ich glaube um so mehr, dafs Agardh mit dem Namen
Micrastcrias J'urcata kein Euastrum bezeichnet habe, weil diesem scharfsichtigen For-
scher die beiden meist ungleichen Hälften des Euastrum sogleich in die Augen fallen
mufsten. Meyen's Gattung Pediaslrum besteht nur aus Micrasleriis.
Agardh mag schon die grofse Mannichfaltiglceit dieser Formen für eine Veränder-
lichkeit derselben gehalten haben , denn sonst hätte er gewifs mehrere Species unter-
schieden, und die von ihm so geistreich und mühevoll verfolgte, wie mir scheint, nicht
glückliche Idee der Prototypen bei den Algen und Pflanzen berechtigt um so mehr diefs
zu vermuthen. Meyen sprach diese Idee der Zeit mit jugendlichem Eifer noch be-
stimmter aus, dafs solche Formen Spielereien der bildenden Naturkraft, mithin regellos
mannichfach wären. Möge man es nicht persönlich deuten, wenn ich diesen Grundsatz
eben so wie die Prototypen hart bekämpfe, weil ich ihn für schädlich für die rasche
Entwickhing der ^Yissenschaft halte, und gewifs hat Letzterer, nachdem er selbst mehr
in dem Buche der Natur geblättert hat, die anderen Seiten desselben gefunden, welche
immer ernsteren und anziehenderen Inhalts werden, je mehr man sich in dasselbe ver-
tieft. Nirgends spielt die Natur, nirgends findet sich eine Mannichfaltigkeit ohne Ge-
setz, und da die Gesetze zu suchen, wo sie sich in Mannichfaltigkeit verbergen, ist ge-
rade die würdige Aufgabe, während der Glaube an eine spielende Bildungskraft von der
Untersuchung solcher scheinbar w illkührlich und unendlich wechselnden Formen, als einer
nutzlosen Mühe, abzieht.
Ich glaube nicht die Gesetze dieser Bildungen enthüllt zu haben, aber meine Mühe
hat doch zu einigen Resultaten geführt, welche die Vorläufer noch besserer sein mögen:
1) Ich habe mich überzeugt, dafs die Zahlenverhältnisse der Micrasterientheile zwar
etwas wechselnd, aber im Ganzen sehr fest sind;
2) Ich habe gefunden, dafs die Gröfsenverhältnisse nicht mit den Zahlenverhältnissen
der Theile ab- und zunehmen, sondern dieselben Zahlen finden sich bei sehr kleinen
und bei sehr grofsen ähnlichen Individuen;
3) Bei gleichen Zahlen- und Gröfsenverhältnissen wechseln die Formen dieser Kör-
per nicht mehr auffallend, besonders wenn man
4) die fehlenden Theile berücksichtigt, welche durch deutliche Lücken angezeigt sind,
wobei man sich zu hüten hat, nicht da Mangel zu finden, wo die Durchsichtigkeit der
entleerten Hülle nur Schwierigkeit des Erkennens schafft. Gefärbtes Wasser ist auch
hier ein guter und leichter Prüfstein.
Diese Bildungen erscheinen mir dem Gonium pectoralc ähnlich, welches sogleich
seine 16 Thiere entwickelt und nie andere Zahlen zeigt, wenn keine Hemmung eintritt.
Bei Anwendung dieser Grundsätze lassen sich die von mir bei Berlin zahllos beob-
achteten Formen der Zellensternchen auf 6 Arten reduciren, die sehr bestimmte
Charaktere haben.
Ich theile sie 1) in solche, die um einen einzelnen mittleren Körper einen einfachen
Kreis anderer gleichartiger Körper führen, 2) in solche, die 2 concentrische Kreise um
einen Mittelkörper bilden, 3) mit 3 Kreisen, 4) mit 4 Kreisen. Form und Zahlen der
Pp2
300 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
vereinigten Körper geben die übrigen, vorsichtig anzuwendenden Unterscheidungsmerk-
male (').
a) Körperchen in einem einfachen Kreise um ein mittleres gestellt:
73. Micrasterias heptaclis N. sp. Sebenstrahliger Zellenstern.
M. parva, orbicularis, viridis, corpusculo medio heptagono, externis 7, truncatis,
quadridentatis.
Ich fand diese Form zuerst im Jahre 1831, dann am 18. Juni 1S32 und im Juli
1834 in Torfgruben bei Berlin.
Sie ist flach, scheibenförmig, grün, mit 7 Strahlen, sehr dünn und bei schwacher
Vergrößerung erscheinen die äufseren Körper nierenformig. Vielleicht sind Helierella
renicarpa Turpin und Pcdiastrum biradiatum Meven Fig. 21, so wie Pediastrum
duplex- Meyen Fig 6 und 11. Synonyme dieser Form. Bewegung sah ich nicht. —
Durchmesser ^ - fc'".
b) Körperchen in 2 Kreisen :
74. Micrasterias Borjana = Helierella Boryana Turpin {Pediastrum du-
plex Meyen Fig. S, 9, 10?).
(') In der sehr fleifsigen Arbeit des Herrn Kützing, Linnaea 1833, ist besonders die Gattung
Micrasterias sehr ansehnlich erweitert, indem er 19 Arten, jedoch nur 8 selbst beobachtete, auf-
zahlt. Sie enthalt allzu heterogene Körper und ihr Charakter ist allzu unbestimmt: Corpuscula va-
riac Jbrmae stellatim aul radiatim coniuncta. Auf specielle Structur ist also nicht Rücksicht ge-
nommen, auch sind die Abbildungen oft allzu klein und daher ohne Charakter. Ich beurtheile sie
wie folgt: 1) M. Stauraslrum (Staurast rum paradoxum Meyen) ist keine Micrasterias in mei-
nem Sinne; 2) M. cruciala sind vielleicht Glieder der vorigen; 3) M. paradoxa = Scenedesmus? ;
4) M. Rosida, vielleicht eine Art, vergl. M. bcptactis; 5) M. lacerala vielleicht ein Euastrum, ge-
wifs keine Micrasterias; 6) M. crucigcnia ist eiue eigene Galtung Crucigenia Morren; 7) M.
tricera ist ein Glied vou einem Desmidium; 8) M. letracera gehört wohl zu Stauraslrum oder zu
Euastrum; 9) M. simplex (Ped. simptex Meyen) = M. Napoleonis; 10) M. Aapoleonis (He-
lierella Nap. Turpin) wenn richtig gezeichnet, eigne Art; 11) M. renicarpa (Hei. Turpin) viel-
leicht = M. heptaclis; 12) M. ricciaejbrmis Ag. scheint mir mehrere Euastra zu umfassen; 13) M.
furcala Ag. scheint eine Art dieser Gattung zu sein; l4) M. Boryi = M Boryana; 15) M. du-
plex (Ped. duplex Meyen) = M. Boryana; 16) M selenaea, von Nitzsch entdeckt, mag wohl
mehrere Arten dieser Gattung in sich begreifen; 17) M. Heliactis halle ich der Abbildung nach
für eine Gallert-Alge; IS) M. Sphaerastrum gehört nicht hierher; 19) M. arliculata (Echinella
arliculata Ag.) gehört nicht hierher. Es bleiben mithin 5-6 Arten für die von mir aufgenom-
mene Gattung, von denen 2 neu sein könnten.
Losana's Gattung Oplarium von 1829 (Memorie di Turino; Jsis 1832) umfafst ebenfalls
mehrere hierher gehörige Körper, die aber selbst aus den Zeichnungen nicht zu erkennen sind, je-
doch hat er die concentrischen Reihen und Strahlen hie und da gezahlt, was allmalig zum Erkenuen
einzelner seiner Formen dienen wird. 0. vasculosum und numismalicum scheinen zu Turpin's
Helierella renicarpa zu gehören ; U. speciosum und vielleicht cristatum sind = M. Boryana; O.
pterophorum ist wohl ein Euastrum; die übrigen mögen zum Theil eigentümliche Formen sein.
die aber nicht allein iu diese Gattung gehören.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 301
M. maior, orbicularis, viridis aut flavescens, corpusculis extemis (9 -?) 11, bicor-
nibus, internis 5 medioque unico lunatis aut subquadratis.
Am 17. Juni 1832, am 21. November 1832 und im Juli 1834 in Torfwasser bei
Berlin beobachtet.
Ich sah Bläschen und schwarze Körner im Innern. Wenn einzelne Panzer ihren grü-
nen Inhalt entleert haben, andere aber nicht, so entstehen scheinbar sehr verschiedene
Formen, aber scharfe Aufmerksamkeit erkennt bald die Täuschung. Manchmal lassen die
einzelnen Körperchen Zwischenräume, dann sind die Scheiben durchlöchert, zuweilen
sind sie eng anschliefsend. Die Scheibe schien mir etwas linsenförmig. Die cylindri-
schen, stumpfen Randhörnchen sind von der Körperlänge. — Durchmesser der kleinsten
3g'". der gröfsten ^"' bei gleichen Verhältnissen.
75. Micrasterias angulosa N. sp. Vieleckiger Zellenstern.
M. orbicularis, viridis, corpusculis arcte contiguis, medio unico pentagono, in-
ternis 5 hexagonis, extemis 10 excisis, latere oblique truncatis, hexagonis.
Im Juli 1834 bei Berlin beobachtet.
Im Innern waren Bläschen. Der Rand erscheint wie aus 10 breiten, abgestutzten
Zähnen gebildet, zwischen denen abgerundete Einschnitte liegen. Diese breiten Zähne
entstehen durch das enge Anschliefsen zweier Hörnchen der benachbarten Körper und
sind ebenfalls etwas concav. Die eigentlichen Hörnchen sind breit, kurz und nach aufsen
schief abgestutzt. — Durchmesser ^"'.
76. Micrasterias emarginata N. sp. Ausgerandeter Zellenstern.
M. orbicularis, viridis, corpusculo medio unico, internis 5 biradiatis, extemis 1 1
profunde bifidis, cornubus latiusculis, apice truncatis, emarginatis 22.
Mit voriger bei Berlin beobachtet.
Die Form gehört zu Pediaslrum biradiatum Meyen, pafst aber auf keine dort
gezeichnete Figur. Eben so wenig läfst sich aus Agardh's kurzen Worten abnehmen,
ob es Micrasterias furcala sei. Die Randzähne nehmen nach oben nicht an Dicke ab.
Unten sind die Körper undeutlich geschieden. Innen fehlte einmal das mittelste und 2
der inneren Reihe, aufsen fehlte ein ganzer Körper in der Reihe, die aber oben mit-
gezählt sind. Der grüne Inhalt war sehr blafs. — Durchmesser ^-"'.
c) Körperchen in 3 Kreisen gestellt:
77. Micrasterias tricyclia. Dreireihiger Zellenstern .
M. orbicularis, viridis, corpusculo medio unico subquadrato, internis 6, secundis
subquadratis 10, tertiis externis argute bidentatis 15.
Am 20. Juni und 5. Juli 1S32 bei Berlin häufig in Torfwasser beobachtet, im Juli
1834 ebenfalls.
302 Ehrenberg: Beilrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
Pcdiaslrum duplex Meyen Fig. 16. könnte vielleicht hierher gehören. Ich fand
diese Form mit gleichen Zahlen- und Formverhältnissen in sehr verschiedenen Gröfsen
und überzeugte mich besonders bei ihr und bei M. Boryana, dafs die Gröfse nicht
durch Ansetzen neuer Theile, sondern durch allgemeines Heranwachsen geschieht, wie
bei Gonium. Formen, wie Ped. duplex Meyen Fig. 10, können Fragmente oder Über-
bleibsel aufgelöster Scheiben dieser Art sein. Einmal unter zahllosen sah ich einen gelb-
lichen Zellenstcrn mit 14 zweihörnigen Randkörpern und einer leeren Stelle, 8 der zwei-
ten und 4 der ersten Reihe, was vielleicht Mifsbildung war. Die Randzahl 15 und die
Form der Körperchen schien hierher zu deuten. Ein andermal sah ich eine etwas läng-
liche Form mit den richtigen 32 Feldern, aber diese etwas aus der Ordnung gerückt.
Nur 14 waren völlig am Rande und gehörnt, das 15 te war ungehörnt und etwas ein-
gerückt; ferner war ein Feld der zweiten Reihe durch ein vergrößertes der ersten
innersten Reihe ganz aus seiner Stelle gerückt. Das Ganze liefs sich also doch auf seine
Regel zurückführen und diese Regeln sind es, auf welche ich aufmerksam machen wollte
und die noch weiter zu erforschen sind. Ist der mittelste Körper allein entleert und
sind die andern noch voll, so glaubt man eine Scheibe mit einem Loche in der Mitte
zu sehen. Sind die Randkörper voll und die ganze Mitte leer, so glaubt man einen
grünen Kranz zu sehen. Oft lassen die Körper Zwischenräume zwischen sich, welche
die Scheiben löchrig erscheinen lassen. Ich sah Bläschen im Innern. Die Länge der
Randzähne variirt. — Durchmesser £ - ^"'.
d) Körperchen in 4 Kreisen gestellt:
78. Micrasterias elliptica N. sp. Elliptischer Zellenstern.
M. elliptica, rarius orbicularis, viridis, corpusculis mediis duobus, internis 7, se-
eundis 13, tertiis 18, externis 23.
Im Juli 1834 bei Berlin 2 mal beobachtet.
Ich fand zuerst die leeren elliptischen Häute einer dieser ausgezeichneten Formen,
dann auch grün erfüllte. Die constituirenden Körperchen sind verhältnifsmäfsig klein,
die inneren unregelmäfsig rundlich, die äufseren halbzirkelförmig ausgeschnitten und ganz
kurz zweizahnig. — Längendurchmesser J; - Jg"'.
Die Thierheit all dieser Formen ist bisher nur aus der Analogie der übrigen ge-
schlossen. Öffnungen des Panzers, wie bei Aclinanlhes und Navicula, die als Mundöff-
nungen angesehen werden könnten, und Bewegung (?) habe ich nicht beobachtet. Tur-
pin hat den körnigen Inhalt als aus den Randspitzen hervorströmend abgebildet. Meyen
scheint etwas ähnliches beobachtet zu haben, was mir nicht glückte. Ortsveränderung
habe ich bei Euastrum Rota nach längerer Zeit erfahren. — Bei vielen Abbildungen
dieser Formen, z.B. bei Helicrella Boryana von Turpin und allen Figuren von Lo-
sana, sind die einzelnen Täfelchen ohne Verbindung untereinander, wie durch unerklär-
liche Kräfte in regelmäßiger Nähe und doch von einander entfernt gehalten. Diefs ist
keine Wirkung einer Zauberkraft, sondern Folge unvollständiger Beobachtung, indem
es, deutlich genug, Verbindungstheile giebt.
in der Richtung des kleinsleti Raumes. 303
XIV*. Nassula Novum Genus. Trichterthierchen. Familie der Halsthierchen }
Trachelina.
Character Generis: Polygastricum, Knterodelum, ore infero, ano terminali,
(Allotrctum), nee loricatum. Dentium corona oris aperturam vestiens. Val-
vula mobilis nulla. Labiuni superius nulluni, sed frontis gibber os antico fine
superans (ut in Bursaria et Paramecio) ; ciliorum series iibique positae.
79. Nassula elegant N. sp. Zierliches Trichterthierchen.
N. corpore ovato -cylindrico, utrinque fere aequaliter rotundato, albo, viridi et
violaceo picto, oris dentibus 26. Tafel I, Fig. I.
Die ersten Exemplare entdeckte icb am 24. April 1832 in einem Graben bei der von
Grä feschen Besitzung im Thiergarten bei Berlin. Ebenda fand ich sie wieder am 26.
und 29. April und am 4. Mai. Am 21. April 1833 fand ich sie beim Bassin im Thier-
garten in zahlloser Menge. In diesem Jahre habe ich, vieler Mühe ungeachtet, keins
gefunden.
Der schlanke walzenförmige Körper ist 3-4mal so lang als dick, meist nach vorn
ein wenig abnehmend, aber auf beiden Enden gleichartig abgerundet. Die blasse Milch-
farbe des durchsichtigen Körpers wird meist durch dicht neben einander liegende, in-
nere, grüne Körner sanft grünlich, welcher Farbeton durch schön violette, bald mehr,
bald weniger häufige Bläschen und Blasen unterbrochen wird. Zuweilen fehlen die grü-
nen Körnchen theilweis oder ganz und die violetten Bläschen bilden immer im Nacken,
dem Zahnkranze des Mundes gegenüber, ein dichtes Häufchen. Der überall reihenweis
bewimperte Körper hat seine Mundöffnung am Ende des ersten Viertheils oder Fünf-
theils seiner Länge. Der Eingang derselben ist durch 26 in einen hohlen Conus oder
Trichter verbundene, stäbchenartige, dicht aneinander gereihte Zähne angedeutet, welche
man ohne allen Druck bei geringer Beweglichkeit des Thierchens äufserlich hervorste-
hend tehen kann.
Im Innern unterscheidet man, aufser den färbenden grünen Körnern (Eiern) und
violetten Blasen (Darmsaft), noch viele bräunliche und farblose Darmblasen oder Magen,
die auch in dem über den Mund vorn hinaus ragenden abgerundeten Höcker erkannt
werden. Aufserdem sind zu beiden Seiten des Mundes je eine contractile Blase und eine
dritte schien auf einem länglichen, so eben näher zu bezeichnenden eiförmigen Organe
in der Mitte des ganzen Körpers zu sein. Diese 3 contractilen (strahligen?) Blasen fin-
den sich auch bei Chilodon auf ähnliche Weise und verhalten sich wie die deutlich
strahligen bei Paraineciuin. Überdiefs erscheint bei der Seitenlage der Thierchen eine
Beihe heller Blasen längs des Rückens (Tafel I, Fig. I. /*.), welche der Leitungskanal für
die violette Flüssigkeit zu sein scheinen, indem zuweilen an derselben Stelle eine ähnli-
che Reihe violetter Blasen vorkam. Ein besonderes, eiförmiges, drüsiges Organ liegt noch
in der Mitte des Körpers unter dem Munde in schiefer Lage, höher nach der Bauch-
seite, tiefer nach der Rückenseitc. Dieses Organ ist deutlicher bei den beiden andern
304 Ehrenberg: Beitrag zur Erkennlnifs grofser Organisation
Arten derselben Gattung, aber aucb hier gut zu unterscheiden , und gleicht an Länge
beinah der Körperdicke. Ich habe es für eine den befruchtenden (männlichen) Saanicn
bereitende Drüse (Hoden) gehalten. Die Entleerung der Excremente erfolgt in der Mitte
des hinteren runden Endes und immer ist den entleerten Excrementen der violette Saft
beigemischt, welcher die inneren Blasen zum Theil erfüllt. In der Mitte des Körpers
scheint der Darmsaftbehälter in den Darm zu münden. Dieser Darnisaft kann Galle oder
Speichel genannt werden. Grellere Farbe und tiefere Einmündung in den Speisekanal
möchten dafür sprechen, dafs man es richtiger mit den Gallahsonderungs- Apparaten
vergleicht. Zuweilen ist die Farbe des Saftes röthlicher, zuweilen bläulicher.
Ferner habe ich bei dieser Form häufig eine freiwillige Queertheilung beobachtet,
bei welcher die neu entstehenden Individuen eine Zeitlang eiförmig, fast kuglig erschei-
nen. Mit fortschreitender Einschnürung, welche den Hoden in 2 Theile zu trennen
scheint, bildet sich, ehe noch die Theile getrennt sind, ein zweiter Mund mit Zähnen
deutlich aus und dieser Mund ist offenbar nicht die abgerissene Darmstelle. Die ganze
Theilung und völlige Ausbildung des Mundes mit den 26 Zähnen schien sich binnen 2
Stunden zu vollenden. Dasselbe war der Fall mit den 22 Zähnen der Nassula ornuta.
Die Bewegung wird durch Wirbeln der Wimpern vermittelt, deren ich bei der Halb-
ansicht 15 bis 20 Beihen zählte (also 30 - 40). Sie erscheint als ein Wälzen um die
Längsaxe mit Fortrücken nach vorn, oder willkührlich nach hinten, gerade wie bei Pa-
ramecium Aurelia. — Längendurchmesser ^ - fe'".
80. Nassula ornata N. sp. Buntes Trichtertlüerclien.
N. corpore vacillante, depresso, elliptico, postica parte vix parumper acuto, an-
tica late rotundato, globulis olivaeeis, violaceis et laete viridibus splendide
picto, oris dentibus 22. Tafel I, Fig. n.
Am 13., 25. und 29. April 1832 im Quellwasser des Thiergartens bei Berlin zalil-
reich beobachtet, dann nicht wieder gesehen.
Diese schon mit blofsen Augen recht wohl zu erkennende Form unterscheidet sich
von voriger, mit der ich sie lebend vergleichen konnte, sehr durch den rundlichen fla-
chen Körper von dunkler, dem blofsen Auge bräunlicher Farbe und die schwankende
Bewegung. Unter dem Mikroskop gehört sie, ihrer lieblichen Farben halber, mit vori-
ger zu den lieblichsten und brillantesten Erscheinungen. Ich habe weniger als von vo-
riger, jedoch wohl nahe an 100 Individuen übereinstimmend gesehen und sie mit derselben
wochenlang in meiner Wohnung lebend erhalten. Der 1 ^ mal so lange als breite Kör-
per ist von der Bücken- und Bauchseite zusammengedrückt, denn der Mund ist auf einer
der flachen Seiten, und die Mundseite nenne ich immer Bauchseite oder die untere Seite.
Die mit einem hohlen, etwas vorstehenden Kegel oder Cylinder von 22 Zähnen ausge-
fütterte Mundüffnung liegt in einer breiten Grube, wie sie bei den Bursarien häufig ist,
und wird vom 5 ,en bis 3"° Körpertheile vorn überragt. Die Afterstelle am hinteren Ende
ist leicht ausgerandet und dadurch schon zu erkennen. Der ganze Körper ist mit sehr
kurzen, wirbelnden Wimpern in Längsreihen besetzt, zwischen denen stärkere, kurze
in der Richtung des kleinsten Baumes. 305
Borsten ebenfalls reihenweis stehen. Ich habe eine Zeitlang nicht entscheiden können,
ob die Borsten nicht selbst die Wirbelorgane wären, aber doch mich später überzeugt
geglaubt, dafs die eigentlichen Wimpern in anderen Reihen dicht daneben stehen und
viel feiner sind. Beim Zerfliefsen des Tliierchens im verdunstenden Tropfen erscheinen
die Borsten wie kurze Nadeln. Von der Seite gesehen ist der Körper etwa 3 mal so
lang als breit.
Die bräunliche Färbung, in der ihn das blofse Auge sieht, erscheint bei 200 bis
300 maliger Vergröfserung als aus grofsen, grünen, violetten und zuweilen gelbbraunen
inneren Kugeln auf das lieblichste gemischt. Die grünen Kugeln sind im Körper zer-
streut und nicht alle von gleicher Gröfse. Die kleineren, ziemlich gleichartigen, welche
oft ganz fehlten, hielt ich für Eier, die gröfseren, ungleichartigeren, oft kaum von jenen
zu unterscheidenden, für verschluckte grüne Monaden, indem meist gleichzeitig deutliche
Oscillatorienglieder im Innern daneben lagen. Die violetten Kugeln waren immer in
verschiedene, etwa 9-10 Gruppen vertheilt, jedoch ohne bestimmte Form und Zahlen;
selten war dabei eine einzeln. Von der Bauch- oder Rückenseite gesehen lagen die
Gruppen mehr im Umkreise als in der Mitte, was ihre vorherrschende Lagerung in den
Körperseiten anzeigt. Die violette Masse wurde samt grünen Kugeln gleichzeitig durch
den After entleert, glich Öltröpfchen und entfärbte sich sogleich darauf. Alle bräun-
liche oder farblose Blasen hielt ich für Darmblasen. Uberdiefs erkannte ich im Innern
noch 2 grofse besondere Organe, erstlich eine helle contractile Blase neben dem Zahn-
cylinder, welche zuweilen punktförmig klein war und bald darauf \ oder sogar \ der
Körperbreite einnahm. Im kleinsten und gröfsten Zustande war ihr Rand glatt und ein-
fach, in den Mittelzuständen aber erschien er gekerbt oder wie mit Perlen besetzt. Diese
Perlen waren wohl die knotigen Enden der strahlenförmigen Kanäle, wie sie Parame-
cium zeigt, jedoch konnte ich dieselben nicht erkennen. Daneben, etwas nach hinten,
aber in der Mitte des Körpers, befand sich das andere Organ, ein trüber, daher etwas
dunkler, fast kugelförmiger Körper, der bei allen Individuen zugegen war, mithin nicht
Nahrungsstoff sein konnte. Ich halte ihn für das männliche Saamenorgan und bin der
Meinung, dafs jene contractile Blase die Selbstbefruchtung zwischen diesem und dem
überall vertheilten Eierstocke vermittelt. Sein Durchmesser bildete den 4"° bis 5 len Theil
der Körperbreite. Ich beobachtete auch die freiwillige Oueerlheilung, welche, wie bei
der vorigen Art, ebenfalls gerad in der Stelle des Hoden (des unpaaren Organs) ein-
trat. — Durchmesser ^ - - 6 '".
81. Nassula aurea N. sp. Goldgelbes Trichterlhierchen.
N. corpore ovato, turgido, aureo, oris dentibus 20?. Tafel I, Fig. in.
Am 7. und 9. Juni 1832 im Wasser eines Torfbruches hinter den Pulvermagazinen
bei Berlin entdeckt.
Diefs goldgelbe Thicrchen glich ganz einem Börsenthierchen, zeigte aber sogleich
durch seinen Zahntrichtcr seine Verwandtschaft mit den vorigen unwiderleglich an. Seine
Form war verschiedenartiger als die der früheren. Meist war es länglich und an beiden
Phjs.Jbhandl.lS33. Qq
306 Ehren berg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
Enden plötzlich abgerundet, ohne Zuspitzung, zuweilen und oft war es vorn etwas dik-
ker als hinten, immer war es voll und rund. Zwei sah ich hinten fast zugespitzt, wahr-
scheinlich in Folge statt gefundener Queertheilung, denn sie waren kleiner als die stark
gerundeten. Die goldgelbe Färbung schien grofsentheils von Nahrungsstoffen herzurüh-
ren, jedoch liefs sich nichts deutlich erkennen. Bestimmte runde Körnchen als gelbe
Eier wurden auch nicht deutlich. Ein besonderer Farbesaft liefs sich nicht unterschei-
den, vielleicht war er aber goldgelb oder farblos. Ich hatte nicht viele Individuen zur
Untersuchung und verlor einige durch raschen Tod im stagnirenden Wasser, welches
viel der seltneren Räderlhiere und IMagcnthierchen schnell zu tödten pflegt. Der ganze
Körper war äufserlich mit Wimperreihen in der Längenrichtung besetzt, deren ich bei
der Halbansicht ungefähr 23 - 24 zählte.
Am Zahncylinder zählte ich 20 und 21 Zähne. Ihre grofse Feinheit liefs mich kein
ganz sicheres Resultat erlangen. Der den Mund überragende, runde, dicke Körpertheil
betrug bis Jj des Ganzen, so dafs der Mund sehr gegen die Körpermitte hin lag. Ganz
in der Mitte, neben dem Munde, lag noch ein sehr grofses, contractiles Ejaculationsorgan
und ein dunkler kugelförmiger Hoden von fast -j des Breitendurchmessers — Länge $5"'.
XV*. Podophrya Novum Genus. Strahlenfufs. Familie der Walzenthier-
chen. EncheliaP
Character Generis: Polygastricum, Enterodel um?, ore anoque oppositis
(Enantiotrctum)? nec loricatum. Os rectum, simplex, nee riliatum. Corpus
setis radiatum, globularc. Pedicellus lateralis, rigidus, nec affixus. Proboscis?
82. Podophrya ßxa adulcis, cfr. Trichada fixa Müller. Silfser Strahlenfufs.
P. corpore hyalino, globoso, setis corporis diametrum aequantibus et superanti-
bus, capitatis, pedicello corpore plus duplo longiore, apice levius dilatato,
truncato.
Am 26. und 28. April 1832 auf der Oberfläche bestäubten Wassers aus dem Thier-
garten in meiner Wohnung in Berlin entdeckt.
Diese Form hat grofse Ähnlichkeit einerseits mit der Galtung Acineta unter den
Kranzthierchen und andrerseits mit Actinoplirys der Walzenthierchcn. Seine wahre Stel-
lung liefs sich noch nicht mit voller Sicherheit ausmitteln. Eine überaus ähnliche Form
hat Müller als Trichoda Jixa abgebildet, allein diese war ein Seethierchen, hatte keine
Köpfchen an den Borsten und ein deutlich zweilappiges Fufsende. Genau übereinstim-
mend dagegen ist wieder die Art, wie beide Formen gröfsere Infusorien fangen und
aussaugen, weshalb ich sie zwar unter demselben Müll er sehen Specialnamen begreife,
aber doch als Varietäten trenne, bis eine neue Beobachtung des Mül (ersehen Seethier-
chens, des salzigen S trah len fulses, die nötliige vollständige Trennung oder die
Identität beider Formen bestätigt.
Körper kugelrund, mit feinen Borsten radienartig, nicht allzudicht besetzt, die ziem-
lich gleiche Länge mit seinem Durchmesser haben und oben ein Knöpfchen führen. Ein
in der Richtung des kleinsten Raumes. 307
farbloser steifer Stiel von etwas mehr als doppelter Kugellänge ist an den Körper ge-
heftet, wodurch dieser eine Ähnlichkeit mit einer Epistjlis erhalt, allein ich sah den
Stiel nicht angeheftet. Sein hinteres Ende war ein wenig erweitert und abgestutzt. Eine
helle runde Stelle, deren Durchmesser sich änderte, erschien mir als Mundstelle. Sie
war nicht dem Stiele entgegengesetzt, sondern seitlich. Ob eine Analöffnung dem Munde
entgegengesetzt war, liefs sich nicht entscheiden, jedoch erinnerte die ganze Erschei-
nung so sehr an das Sonnenthierchen, Aclinophrys Sol, bei welchem Mund und After
von mir beobachtet worden, dafs ich diese Analogie vorläufig festzustellen für rathsam
halte. Während der Beobachtung der Tliierchen ward ich eben so von ihrer Ernäh-
rung und ihrem Fange überrascht, als es Müller bei dem scinigen war. Ich sah näm-
lich Trichodina Grandincila, das Urnenthierchcn, welches sich mit seinem Wirbel gleich-
zeitig in Menge dabei herumfummelte, wiederholt plötzlich an eine solche Kugel ange-
zogen und zwar gerade an die helle seitliche Stelle, welche ich schon für den Mund
gehalten. Das Urnenthierchen streckte dann plötzlich seine Wimpern ganz aus und blieb
bewegungslos kleben. Ich habe nicht gesehen, dafs es wieder losgekommen wäre. Ein
andermal sah ich ein bewegungsloses Urnenthierchen mit ausgestreckten Wimpern in den
Strahlen locker hängen und ein zweites lag wieder Mund an Mund mit dem Strahlen-
fufse, um wohl ebenfalls ausgesogen zu werden, wie es jenes schon war. Im innern
Körper der Kugeln waren viele etwas undeutliche Blasen (polygastrische Magen) sicht-
bar. Ich sah nur einige Male ein langsames Beugen einzelner Strahlen, sonst keine Be-
wegung. Es scheint, dafs die Strahlen klebrig sind, oder dafs noch ein sehr feiner,
schwer sichtbarer, langer Bussel da ist, welcher zum Einfangen dient. In farbigem Was-
ser sah ich keinen Wirbel dabei und kein Anfüllen der inneren Magen. — Durchmesser
der Kugeln von ^ - ±"\
XVI*. Prorocentrum Novum Genus. Slachelmonade . Familie der Panzer-
monaden. Crjplomonadina.
Character Gcneris: Polygastricum, Anenterum, Gymnicum, loricatum. Lo-
rica compressa, apice mucronata. Proboscis üliformis, cilia nulla.
83. Prorocentrum micans N. sp. Leuchtende Slachelmonade.
P. ilavum, tesla compressa, ovata, antico fine late rotundato, mucronato, pos-
tico acuto.
Am 25. November 1832 im Ostseewasser aus Kiel in Berlin von mir lebend beob-
achtet. Der erste Entdecker dieses Thierchens ist aber Herr Dr. Michaelis.
In der verdienstlichen Schrift über das Meerleuchten hat Herr Dr. Michaelis auf
Tafel A, oben rechts, ein Thierchen unter dem Namen Cercaria abgebildet, welches
kein anderes als dieses sein kann und dessen Darstellung auch bezeichnend ist. Er rech-
net es unter die, bei denen er mit Überzeugung das Selbstzuchten beobachtet hat. Den
Rüssel und die innere Structur bat er aus Mangel eines stärkeren Mikroskops nicht er-
kannt. Eine detaillirtere Beschreibung behalte ich der bereits angeführten Abhandlung
Qq2
308 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofscr Organisation
über die Leuchterscheinungen vor und bemerke liier nur, dafs ich mich über das Leuch-
ten dieser Form nicht selbst überzeugen konnte. Es hat eine hüpfende Bewegung. —
Länge 3 V".
XVII*. Prorodon Novuui Genus. Zahnwalze. Familie der JValzenthierchen,
Enchelia.
Character Generis: Polygastricum, Enterodelum, ore anoque oppositis (Enan-
tiotretum). Corpus i ili.it um , nee loricatum. Os recte truncatum, dentium
Corona munitum.
84. Prorodon niveus N. sp. TVeifsc Zahnwalze.
P. corpore amplo, albo, conipresso, elliptico, dentium Corona oblonga, compressa,
dentibus ultra 30.
Im Sommer 1832 bei Berlin in torfigen Gewässern beobachtet.
Der grofse, weifse, überall mit Längsreihen von Wimpern behaarte Körper ist nicht
völlig noch einmal so lang als breit, vorn und hinten gleichartig abgerundet und zusam-
mengedrückt. Ob die Abplattung vom Bücken und Bauche, oder von den Seiten aus-
geht, läfst sich nicht entscheiden, weil Mund und After gerade in der Längsaxe liegen
und kein Auge die Rückenscite bezeichnet. Der Zahnapparat bildet vorn einen zusam-
mengedrückten Cylindcr, oder Kegel, so dafs der Mund eine lange Queerspalte, fast von
der Körperbreite ist. Dicht am After ist eine grofse weifse Blase, die wohl Befruch-
tungsblase ist. Ich sah sie gröfser und kleiner, aber nie sich contrahirend. Der ganze
Körper ist mit zahllosen Magenblasen erfüllt, in denen ich keine fremden erkennbaren
Stoffe fand. Die Zahl der Zähne ist jedenfalls über 30. Ich zählte sogar auf der Halb-
ansicht 70, das gäbe 140; allein diese Zahl müfste erst mehrfach wieder gezählt sein.
Dafs die gröfste Zahl der bisher beobachteten Zähne bei diesen Thierchen vorkommt,
ist gewifs.
Seite 170 ist für diese Form durch Versehen der frühere Name des Manuscripts Pro-
rodon compressus gedruckt worden und der Name Prorodon niveus ist dem folgen-
den Prorodon leres ertheilt worden. Angezeigt wird diese Verschiedenheit der Namen
nicht irren. — Bewegung im Schwimmen wankend. Länge \'
1 in
'S •
85. Prorodon leres N.sp.! Cjündrische Zahnwalze.
P. corpore albo, ovato-eylindrico, utrinque aequaliter rotundato, raro postico
fine attenuato, dentium Corona tereti, dentibus ultra 20.
Im Sommer 1832 bei Berlin im torfigen stagnirenden Wasser.
Die gröfsten Exemplare waren nur halb so grofs als vorige Art. Der kurz cylin-
drische Körper ist auf beiden Enden abgerundet und überall reihenweis der Länge nach
mit Wimpern besetzt. Mund und After stehen in der Längsaxe einander gegenüber.
Der Mund ist mit vielen in einen holden Cylinder verbundenen Zähnen ausgelegt, deren
Anzahl sich nicht genau ennittelu liefs. Beim ruhigen Thierchen zählte ich nämlich im
in der Richtung des kleinsten Raumes, 309
Umkreise des Mundes deutlich 20 Spitzen als Enden so vieler Zähne, allein beim Zer-
fliefsen eines Thiercliens sah ich bald darauf, dafs die Zahl der Zähne bis auf 40 ging.
Ich habe seitdem kein Thierchen wieder gefunden und mithin die Beobachtung nicht
wiederholen und prüfen können. Die Zähne des zerfliefsenden Thierchens wurden mit
einiger Kraft weggeschleudert, eine Erscheinung, die ich bei andern inneren Theilen
zerfliefsender Infusorien ebenfalls beobachtet habe und die ihren Grund in der Contrac-
tion der peripherischen Muskelgebilde dieser kleinen Körper haben mag. Die Muskel-
kraft der Holothurienschaale fällt dabei jedem ein, wer Holothurien lebendig beobachtet
hat. Auch diese schnellen ihre ganzen Eingeweide von sich. Im innern Körper waren
viele Magen natürlich braun und gelb gefüllt. Beim Hinzuthun von Indigo in das Was-
ser füllten sich noch viele andere Magen mit Blau an.
Seite 170 ist diese Form Proroduii niveus genannt, was schon bei voriger ange-
zeigt wurde. — Länge ^'".
XVILT. Scenodesmus Meyen = Tessarthonia Turpiu? Vierling. Familie der
Stabthierchen , Bacillaria .
Character Gcneris: Polygastricum, Anenterum, Pseudopodium?, loricatum.
Lorica univalvis?, corpuscula libera quaterna octonave in serie simplici recla
coniuneta, aut alternantia.
S6. Scenodesmus (juadricaudalus = Achnanthes qiuidricaudata Turpin, Sce-
nedesmus magnus et Sc. longus Meyen. Geschwänzter Vierling.
S. viridis, corpusculis oblongis, quaternis aut octonis, aequaliter coniunetis, me-
diis apice rotundatis, extremis saepius cornutis, bicornibus, raro tricornibus.
Im Sommer bei Berlin häufig in den Flocken an Wassergewächsen in Torfgruben
mit Micrasterien und andern ähnlichen Formen. In diesem Jahre (1S34) im Juni und
Juli wieder beobachtet.
Turpin hat diese Formen theils Tessarthonia, theils Achnanthes genannt und zu-
erst beobachtet. Meyen hat sie gleichzeitig oder bald darauf (im Sommer 1828) eben-
falls beobachtet und Scenedesmus genannt. Der Gattungsname Achnanthes gehört an-
deren Formen. Der Name Tessarthonia, welcher vierglicdrig bezeichnen soll, ist
ganz sprachwidrig gebildet und kann daher nicht benutzt werden, obwohl seine Bezeich-
nung vortrefflich ist. Was der Name Scenedesmus (Zeltband?) bedeuten soll, ist nicht
angegeben und nicht klar, Sccnodesmns ist sprachrichtiger.
Durchsichtige, spröde, hohle Stäbchen, innerlich mit einer lebhaft grünen Masse und
dazwischen liegenden Bläschen erfüllt, sind zu 4 oder 8, sehr selten zu 3 oder 5 auf
den Seiten vereinigt und liegen scheinbar bewegungslos still. Sie erinnern sehr an Fra-
gilarien, aber die an den Enden befindlichen Stäbchen haben meist eine andere Form
als die mittleren. Durch die Zellensternchen (Ulicrasterias) und die Sternscheiben (Etta-
stra) lassen sie sich mit den Naviculis verbinden, und wenigstens ist ihre Verwandtschaft
zu diesen Thieren jedenfalls gröfser, als zu irgend einer Pflanze. Daher habe ich vor-
310 Eihienberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
gezogen, sie hier mit aufzuzählen, obschon sie noch weiterer Beobachtung bedürfen.
Ortsveränderung ist so wenig bei diesen Formen ein die Thierheit bezeichnender oder
ausschließender Charakter, als er es bei den Austern, Fungien und vielen andern Kör-
pern ist, die, wenn sie so klein waren, uns ganz ähnliche Schwierigkeiten bieten wür-
den. — Ich sah die Bläschen im Innern zuweilen in jedem Stäbchen einzeln in der Mitte,
zuweilen zu 2 an den Enden, zuweilen auch 4-8 ohne Ordnung zerstreut in jedem
einzelnen. Zuweilen sah ich in der Mitte jedes Stäbchens einen hellen Längsstreifen,
wie bei Fragilarien. Jedes Hörn ist zuweilen so lang als die 4 Stäbchen , zuweilen
sind sie viel kürzer, nicht selten kaum zu erkennen. Zuweilen sah ich an den Endstäb-
chen zwischen den beiden Hörnern in der Mitte noch ein drittes Hörn. Meyen hat
ein mittleres Stabchen gehörnt abgebildet, Fig. 29. Die 4 oder 8 Stäbchen bilden in
der Vereinigung ein sehr dünnes, Haches Blättchen, was von der Seite gesehen nicht
convex, sondern wie eine Linie erscheint All diese einzelnen Formverschiedenheiten
als besondere Species zu benennen, halte ich für ein nutzloses und schädliches Vermeh-
ren der Namen, aber höchst verdienstlich würde es sein, die physiologischen Charaktere
noch weiter zu entwickeln, um in der Mannichfachheit dieser Formen die verbindenden
oder trennenden Gesetze nachzuweisen. Selbsttheilung ist noch nicht beobachtet. Viel-
leicht ist daher der achtstäbige Scenodcsmus longus Meyen nicht eine Verdoppelung
des 4 stäbigen durch Selbsttheilung, sondern eine besondere Art. — Länge des 4 stäbigen
(ohne die Hörner) ^-55"', des Sstäbigen ^- s "'. Achtstäbige sah ich nie kleiner, also
sind sie doch wohl Verdoppelung der 4stäbigen! Oder soll man auch die folgenden
Formen in je 2 Arten trennen ?
Turpin's Aclinanthes quadrijuga halte ich für dieselbe Art, deren Hörnchen nicht
entwickelt sind, sonst würde man noch einen Sc. quadrijugus bilden müssen. Auch
seine Tassarlhonia moniliformis mag hierher gehören, denn die scheinbare Kugelform
kann ein kurzer Cylinder sein. Das ganze soll ^ Millimeter, d.i. etwa ^ Linie lang
gewesen sein, war also sehr klein. Dazu gehört Meyen Fig. 25. Vergl. Gaillonella.
S7. Scenodesmus acutus Meyen. Spitziger Vierling.
S. viridis, corpusculis inacqualiler coniunetis, fusiformibus , quaternis aut octo-
nis, externis interdum lunulatis.
Bei Berlin mit voriger im Sommer häufig.
Zuweilen sind 1, zuweilen mehrere Bläschen in jedem Stäbchen. Bewegung sah ich
weder innen noch äufserlich. Einmal unter zahllosen sah ich 5 Stäbchen beisammen.
Diefs ist wohl Abnormität. Oder folgt es aus dem Gesetz ihrer allmäligen Selbst-
theilung? — Länge ;jj'".
88. Scenodesmus obtusus Meyen Fig. 3 1 . Stumpfer Vierling.
S. viridis, corpusculis inacqualiter coniunetis, cylindricis, obtusis, quaternis aut
octonis, aequalihus.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 31 1
Zu dieser Art gehört Turpin's Achnanlhes auadralterna und oclallerna. Aber
Meyen's Fig.30. gehört deutlich in eine besondere, ganz andere Gattung (').
XIX. Schizonema Ag. Röhrenschiffchen. Familie der Stahlhierchen. Bacillaria.
Character Generis: Polygastricum, Anenteruni, Pseudopodium?, loricatum.
Lorica quadrangularis, prismatica, navicularis. Corpuscula socialia sine or-
dine tubos filiformes replentia.
89. Schizonema balticum N. sp. Baltisches Röhrenschiffchen.
S. tubulis hyalinis, capillaribus, sparsis, naviculis flavis, striatis, quater fere longio-
ribus quam latis, tubulorum latitudinem longitudine aequantibus.
Im August 1833 bei Wismar zwischen Ceramien in der Ostsee entdeckt.
Im Jahre 1823 entdeckten Agardh in Lund und Gaillou in Dieppe gleichzeitig
(Agardh Conspectus crit. Dialom. p. 12.), dafs es Confervenähnliche Körper gebe, die
Frustulien oder Naviculas in sich wie Fruchtkürner eingeschlossen enthielten. Agardh
nannte sie Schizonema, Gaillon nannte sie Girodclla. Jeder von beiden baute darauf
eine eigne Idee von der Bildung der Algen im Allgemeinen , welche viel besprochen
worden sind. Agardh hielt diese Körper für einen Beweis, dafs gewisse und endlich
alle Formen von Algeo aus anderen Algen zusammengesetzt seien und hielt die einfache-
ren für Riementarformen, die zusammengesetzteren für Potenzirungen derselben. Diese
von ihm weit und geistreich verfolgte Idee sollten die leones Algarum curopaearum
1828, von denen nur 3 Lieferungen erschienen, anschaulich machen. Schon jetzt lafst
sich aber erkennen, dafs sie nicht glücklich war.
Gaillon hielt die Girodellen für willkührlich vereinte Thiere, Naviculas, die sich
fadenförmig in Schleim hüllten, eine Zeitlang ruhig blieben, so eine Alge vorstellten und
den Schleim dann wieder verliefsen. Er war nicht abgeneigt, diese längst vor ihm aus-
gesprochene Idee, nach welcher ein Mensch ein Haufe von Infusorien ist, ebenfalls zu
verallgemeinern. Dafs seine Beobachtungen unrichtig waren, bewiesen später Turpin's
in Dieppe selbst angestellte Untersuchungen. Mein, du Mus. T. XV.
Ohne mich jetzt in das Speculative dieses Gegenstandes einzulassen, berühre ich nur
das Systematische und Physiologische.
Ich glaube nicht, dafs die Gattung Girodclla einen wichtigen Charakter besitzt,
welcher sie von Agardh's Schizonema unterscheidet. Wollte man die Gattung Schi-
(') Kützing hat in der Linnaca 1S33 16 Arten dieser Gattung charakterisirt, allein ich glaube,
dafs viele zusammenfallen. Sc. magnus und longus = quadricaudatus, o cornutus; Sc. Leibleini,
minor, trijugatus, bijugatus, moniliformis und dimorphus = quadricaudatus, ß ecornis; Sc. sto-
matomorphus mag wohl mit Turpin's Stomalella porosa zu Micraslerias gehören; Sc. bilunulatus
kann eigne Art sein; Sc. pectinatus Meyen scheint in verschiedene Gattungen zu gehören; Sc. qua-
dralternus und octaltcrnus = obtusus Meyen Fig. 31. oder Sc. quadrallernus , wenn Turpin's
Name alter ist, jedoch ist letzterer hart gebildet; Sc. acutus Meyen ist eigne Art; Sc. obliquus und
duplex ist eher mit Meyen's Sc. obtusus Fig.30. als eigne GattuDg abzusondern.
\
312 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenn tnifs großer Organisa tion
zonema in 2 Gattungen trennen, deren eine einfache Schläuche hat, wie Schizonema
rulilans, die erste von Agardh's Arten, deren andere astige Schläuche hat, wie die
übrigen Arten von Agardh, so liefse sich für die letzteren Formen, zu denen Giro-
della comoides gehört, der Gattungsname Girodclla beibehalten, jedoch scheint mir je-
ner Charakter nicht recht wesentlich, darum habe ich Agardh's Namen vorgezogen, ob-
schon in der von letzterem gegebenen Gattungsdiagnose abweichende Charaktere aufgestellt
worden sind. Bei so verschiedenen Ansichten, wie sie rücksichtlich dieser Formen statt
finden, müssen erst viele Beobachter vermittelnd und ausgleichend auftreten, ehe das
wissenschaftliche Interesse befriedigt wird.
Die Gattung Schizonema bildet mit den mir unbekannten verwandten Gattungen Ho-
moeocladia, Micromega u. s. w., welche nach Aga rdh ähnliche Verhältnisse zeigen, je-
denfalls eine besondere neue Abtheilung der Bacillarienfamilie, nämlich die der umhüll-
ten Schiffchen. Es giebt: 1) freie, 2) ansitzende, 3) umhüllte Schiffchen.
Das Schizonema halticum besteht aus einzelnen, crystallhellcn, selten verästeten Fä-
den, welche an Ceramien sitzen und dereu Aste umschlingen. Ich sah sie nie bündel-
förmig oder dominirend, nur einzeln unter dem Mikroskope. Das Innere der Schläuche
ist iinregelmäfsig vollgepfropft mit Naviculis, welche anderen, frei lebenden Naviculis
nicht gleichen. Alle Nai'iculac waren mit der Längsaxe in der Längsrichtung des
Schlauchs gelagert. Vier füllten hie und da den inneren Raum. In älteren Schläuchen
lagen sie einzeln. Jede Navicula war immer dem Queerdurchmesser ihres Schlauches
an Länge gleich. Jede einzelne war 4 mal so lang als breit, 4seitig, mit 2 convexen
Flächen (ßauch und Rücken) und 2 ebenen Seiten, Lateralflächen. Sämtliche 4 Ecken
waren innen gestreift. Von den convexen Seiten aus gesehen erschienen sie wie gerade
Stäbchen, mit gerad abgestutzten Enden, quadratisch ; von den ebenen Seiten aus gesehen
waren sie kahnförmig, mit abgerundeten Enden. Bei einigen war spontane Längstheilung
auf den Lateralflächen deutlich, doch sah ich nie mehr als einfache Theilung. Im Innern
füllten 4 gelbe Bänder die Ecken und 2 Bläschen zeigten sich bei der Seitenlage in der
Mitte, die den kahnfiirmigen Flächen abgingen. Bei älteren Exemplaren war die gelbe
Masse in eine unregelmäßige Kugel in der Mitte vereinigt. Bewegung sah ich nicht.
Ich denke mir das Verhältnifs dieser Naviculae zu ihren Schläuchen wie das der Pan-
zervorticellen {Vaginicola dergl.) oder der Blumenthierchen {Floscularia) und anderer
zu ihrem Panzer. Der Panzer wächst mit dem locker an ihm hängenden Thierchen fort,
das Thierchen theilt sich in demselben, wie bei jenen, und legt seine Eier hinein, wie
bei diesen, die in allen jenen Fällen sich entfernen, in diesem aber bei den Mutterthie-
ren bleiben und Familienvereine vorstellen, wie sie in mannichfachen anderen Formen
auch bei den Infusorien und Räderthieren gewöhnlich sind. Ich glaube nicht, dafs diese
Formen grofse Räthsel auflösen werden, aber ihre intensivere Beobachtung, besonders
der individuellen Organisationsverhältnisse der inneren Thierchen, ist sehr wünschens-
werth. Ich habe leider nur auf Reisen karge Gelegenheit gehabt, dergleichen zu se-
hen. — Länge der einzelnen Schiffchen ^'". Dicke der haarfürmigen, selten verästeten
Schläuche eben so stark.
in der Richtung des Ideinsten Raumes. 313
90. Schizonema Agardhi N. sp. Agardh's Röhrenschiffchen.
S. tubulls hyalinis, capillaribus, fasciculatis, gelatina involutis, naviculis flavis,
filo includente crassioribus, elongatis.
Ich fand diese sehr ausgezeichnete Form zu Ende August's 1833 bei Droebak in
Norwegen im Kanal von Christiania an einem Fucus.
Eine höchst sonderbare Form, wohl eigne Galtung. Es waren haarförmige, einfache,
crystallenc, gallertige Fäden, in denen 5-6 andere, viel dünnere Fäden eingeschlossen
waren. Diese dünneren Fäden waren abwechselnd angeschwollen und zwar durch eine
gelbe, längliche Navicula aufgetrieben. Die engen Zwischenräume der Fäden waren zu-
weilen eben so lang, zuweilen länger als die Naviculae. Jede Navicula war etwa 6 mal so
lang als dick, fast gleichartig (leicht schiffförmig) auf allen Seiten und hatte in der Mitte
einen hellen Fleck. — Länge einer Navicula i " ', Dicke der ganzen Schläuche bis Jg'".
Wenn man aus Schläuchen, welche die Naviculas in einfacher Reihe führen, defs-
halb eine eigne Gattung bilden will, ist grofse Vorsicht zu rathen, weil auch die re-
gellos erfüllten an den Spitzen einfache Reihen zeigen (siehe Schizonema comoides)
und diefs leicht Jugendzustand anderer sein kann.
XX*. Spirochaeta Nonim Genus. Schlingenlhierclien. Familie der Zitter-
thierchen, Vibrionia.
Character Gencris: Polygastricum?, Anenterum, Gymnicum, nee loricatum.
Corpus filiforme, contractione non incrassatum, sed flexuosum, sponte in mul-
tas partes transverse dividuum?, in spiram angustam, filiformem, plicatilem
contortum.
91. Spirochaeta plicatilis N. sp. JVurmförmiges Schlingen thierchen.
S. corpore spirali plicatilique, tenuissimo, spirae anfractibus, ipso corpore vix
duplo latioribus, angustissimis, numerosisshnis.
Am 2. April 1832 im überwinterten Wasser in Berlin beobachtet.
Das Thierchen ist eng schraubenartig gewunden, dabei lang fadenförmig, wie fi-
brillum, aber nicht steif, sondern sehr biegsam. Die Dicke der Schraube liegt bis 70 mal
in der Länge des Ganzen und eben so viele Windungen giebt es, doch waren einige
viel kürzer als die anderen, ohne dünner zu sein. Bald streckt es sich, ohne seine Spi-
ralwindungen zu verlieren, in gerader Linie aus, bald ist es wellenförmig gebogen und
schwimmt wie ein Vibrio, bald bildet es veränderliche Schlingen. Organe liefsen sich
nicht erkennen. — Dicke 7555"', Länge ^ - f / '•
Spirostomum vergl. pag. 252.
XXI. Staurastrum Meyen. Kreuzstern. Familie der Stabthierclien, Bacillaria.
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Pseudopodium?, loricatum.
Lorica bivalvis. Valvae singulae radiatae, quadrangulares, processu medio
coniunetae. (= Dcsmidium quadrangulare).
Phjs. Ahhandl. 1833. Rr
314 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
92. Staurastrum paradoxum Meyen N.A. Nat. Cur. 1828, XIV, Tab. 43,
Fig. 37, 38. Grüner Kreuzstern.
S. viride, angulis quaternis, radiatis, stiliformibus.
Am 20. Juni und 16. August 1832 von mir zuerst mit Micrasterias, Desmidium
dergl. bei Berlin beobachtet.
So viel sich bis jetzt aus der Structur hat ermitteln lassen, sind diese Formen harte
und spröde, 4 hornige Schaalen, wie ein Kreuz, welche mit einem grünlichen oder gelb-
lichen Inhalte erfüllt sind, wie Desmidium oder Euastrum dergl. Zuweilen sieht
man zwei in der Mitte verbunden, wie sie Meyen zuerst beobachtet hat, zuweilen, wie
ich sie öfter gesehen habe, sind sie einzeln. Eben so verhalt es sich mit den dreiecki-
gen Desmidiengliedern. Vielleicht kommen sie auch bandartig vor, doch sind dergleichen
noch nirgends beobachtet. Die von mir beobachteten Exemplare waren überall rauh,
das von Meyen abgebildete ist zu wenig vergröfsert, um dieses erkennen zu lassen. —
Gröfster Durchmesser eines einzelnen Kreuzes J oa - f§'".
XXII*. Stncrtpta N. G. Doppelmantel. Familie der Kugelthiere, Vohocina.
Character Generis: Polvgastricum, Anenterum, Gymnicum, loricatum. Cry-
ptomonades in globum consociatae, gelatina communi involutae, proboseide
vibrante exserenda singulis singula.
93. Syncrtpta Volvox N. sp. TVälzender Doppelmantel.
S. gelatina hyalina, corpusculis ilavo-viridibus, ovatis, fascia hyalina media lon-
gitudinali.
Am 11. Juni 1832 bei Berlin in torfigem klaren Wasser beobachtet.
Die Form im Ganzen bildet Kugeln, die, wie Pandorina Morum, sich nach allen
Seiten wälzen. Die Thierchen sind einfach in die Gallerle eingesenkt. Die Bewegung
geschieht durch die fadenförmigen Rüssel der einzelnen Thierchen, die sich schlängeln
und wirbeln. Ich sah 4-30 und mehr Thierchen in einer Kugel. Die Theilung der
innern grünen Masse in 2 Längshälften schien mir, wie bei Cryplomonas erosa, oder
den Cryptoglenen (siehe Tafel VII.), durch einen Panzerausschnitt oder eine vordere
Vertiefung zu entstehen. Farbige Nahrung sah ich nicht aufnehmen. — Thierchen ^"
lang, Kugeldurchmesser bis A'".
XXIII*. Synura N. G. Strahlenmonade. Fam. der Kugellhierchen } Fohocina.
Character Generis: Polvgastricum, Anenterum, Gvmnicum, loricatum, pe-
dicellatum. Lorica (lacerna) gelatinosa, corpuscula in globum consociata in-
volvens. Corpuscula (nuda?) pediccllis filiformibus, in medio centro conti-
guis. Cilia? oris. Ocelli nulli.
(') Kützing's Micrasterias letraecra, clidicera, cruciata und paradoxa gehören wohl hierher,
erstere 2 scheinen dieselbe Species mit Meycn's und meiner Form, cruciata eine eigne neue zu sein,
und paradoxa, zu der ich nur die 4 strahligen, rechtwinklichen Formen rechne, könnte den Namen
St. Külzingii von seinem fleifsigen Entdecker erhalten.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 315
94. Synura Uvetta N. sp. Traubenartige Strahlmonade.
S. corpusculis ovato-oblongis, flavicantibus, in pedicellis triplo et quadruple)
longioribus, e gclatina liyalina longe exserendis.
Ich hatte diese ausgezeichnete Form zuerst in vielen Exemplaren am 13. Octoher
1S31 gefunden, hielt sie aber für eine Tjvella ; am 4. Mai 1832 sah ich sie noch viel
zahlreicher im Wasser eines Grabens bei Berlin und erkannte ihre Eigentümlichkeit.
Die einzelnen Thierchen sind viel schmäler und länger als bei Syncrypta und deut-
lich lang geschwänzt. Ich meinte nicht selten 2 Längslinien im Körper zu unterschei-
den , die sich noch auf einen Panzer der einzelnen Thierchen deuten liefsen. Indigo
nahmen sie nicht auf. Ihr rasches Wirbeln am Yordertheile schien mir nicht durch einen
Rüssel, sondern durch Wimpern erregt. Bewegung wie Vokox. oder Pandorina A/o-
rum. Durch die langen Stiele erschienen die ausgereckten Thierchen wie kleine Vor-
ticellen und gaben der ganzen Kugel ein strahliges Ansehen. In einer Kugel waren
30 - 100 Thierchen. — Durchmesser eines Thierchens (ohne den Stiel) jh'", einer Ku-
gel ■*- - -"'
XXIV*. Trachelomonas Novum Genus. Rüsselmonade. Familie der Panzer-
monaden, Crjptornonadina.
Character Generis: Polygastricum, Anenterum, Gymnicum, loricatum. Lo-
rica singulo singula. Proboscis filiformis. Ocellus singulus. Cauda nulla.
Cilia nulla.
Trachelomonas volvocina = Microglena volvoc. Wälzende Rüsselmonade.
T. corpore globoso, viridi aut fuscescente, ocello rubro, cingulo optico pur-
pureo. Tafel VII, Fig. in.
Ich unterschied diese Form bestimmter erst im Jahre 1831, beobachtete sie wieder
im März, April und am 14. und 17. Mai 1832, so wie vor Kurzem im Juni 1834 zwi-
schen Conferven bei Berlin.
In meinem zweiten Beitrage habe ich diesen Körper schon erwähnt und abgebildet
(Tafel I, Fig. II.), habe ihn aber seitdem noch viel zusammengesetzter gefunden, als ich
ihn schon damals kannte, auch die optisch sehr interessante Erscheinung des rothen Rin-
ges in ihren Bedingungen erkannt, wie ich bei der Erläuterung der Abbildung ausein-
andersetzen werde. — Durchmesser ^- - ^'", ohne den Rüssel.
95. Trachelomonas cylindrica N. sp. Cjlindrische Rüsselmonade.
T. corpore oblongo, subeylindrico, viridi, ocello rubro, cingulo optico purpu-
reo, (ore prope proboseidem ciliato?). Tafel VII, Fig. IV.
Am 20. April 1832 von voriger unterschieden, mit der ich sie bis dahin verwech-
selt hatte, so wie denn die länglichen Figuren meiner früheren Abbildung Tafel I, Fig. n,
besonders -4-, hierher gehören. — Länge ^'-^'".
96. Trachelomonas nigricans N. sp. Schwärzliche Rüsselmonade.
Rr2
316 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs grofser Organisation
T. corpore ovato, fusco - nigricante, ocello atro-rubro, cingulo distincto nullo.
Tafel VII, Fig.y.
Am 16. April 1832 mit vorigen beobachtet, früher mit ihnen verwechselt. Die brau-
nen Formen der T. volvocina unterscheiden sich durch volle Kugelform, einen deut-
lichen rothen, optischen Ring und durch ein deutlicher rothes Auge. Nahrung sah ich
keine dieser deutlich thierischen Formen aufnehmen und fand dieselbe Schwierigkeit bei
Thieren mit feineren Mundöffnungen, wie sie diese so feinen Rüssel haben mögen, häufig.
Sollte später noch genauere Kenntnifs der speciellercn Organisation und Entwicklung
dieser Thierchen Gründe finden, dieselben als eine einzige Art zu betrachten, so wird es
immer nützlich bleiben, die obigen verschiedenen Formen dieser Art deutlich vorgelegt
zu haben. Die Härte und Regelmäfsigkeit des Panzers liefs es immer unwahrschein-
licher werden, dafs er bei einer und derselben Art so verschiedene Formen habe.
XXV*. Trachelocerca Nov. Gen. Schwarienthierchen. Farn, der Schwanz-
thierchen, Ophryöcercina.
Character Generis: Polygastricum, Enterodelum, ore terminali, ano infero
(Allotretum), nee loricatum. Corpus non ciliatum, antico fine in Collum at-
tenuatum, postico dorsi Verruca aut gibbere auetum. (Forma Lacrimariae ,
corpore postica parte acuto).
Trachelocerca Olor = Lacrymaria OL, Vibrio Ol. Mül. JVeiJses SchwanentJi.
T. maior, corpore lacteo, ovulis albis.
Lacrymaria Olor gehört zu den Formen, welche ich durch Mangel eines Ausrufungs-
zeichens als solche bezeichnet hatte, deren bestimmter Verlauf des Darmkanals von mir
noch nicht direct ausgemittelt worden sei. Neuerlich habe ich mich denn auch überzeugt,
dafs die Analöffnung nicht, wie ich wegen Formähnlichkeit der übrigen Lacrymarien ver-
muthete, am Ende des Körpers, sondern unterhalb sei und von einem kurzen conischen
Schwanztheile überragt werde. Diese Bildung nöthigt, die Lacrymaria Olor als eigne
Gattung neben die halslose Ophryocerca zu stellen (vergl. p. 252.). Nun, seit Ophryoccrca
Ovum eine Art der Gattung Trachelius geworden, bildet die Galtung Trachelocerca allein
die Familie der Ophryocercinen, deren Name immerhin bleiben kann. — Ganze Länge '■$'".
Trachelocerca bieeps. Zweiköpfiges Schwanejithierchen.
Unter diesem Namen mache ich auf eine sehr ausgezeichnete Thierform aufmerksam,
welche ich am 4. Mai 1832 nur einmal beobachtet und gezeichnet habe und die ich nicht als
neue Art in die Systematik bringen, aber als physiologische Merkwürdigkeit besonders em-
pfehlen will, weil ich bei den zahllosen Beobachtungen dieser Thierformen nur einmal eine
solche gefunden habe. Es war meines Erachtens ein weifses Schwanen thierchen mit
2 Köpfen auf besonderen Halstheilen. Der Hals war von der Mitte an gespalten und hatte
deutlich 2 keulenförmig sich von einander weit abspreitzende, sich schlagende Kopfenden.
Dafs diefs nicht eine bevorstehende Längslheilung bezeichne, ersah ich aus der geringen,
gar nicht zu solcher Theilung angeschwollenen Dicke des hinteren einfachen Halstheils und
aus der geringen Kürperdicke. Es ist, wenn ich die von mir beobachtete Mehrzahl von
Augen bei Rolifer vulgaris ausnehme, welche ich nicht hoch stelle, die einzige wahre
Monstruosität mit Überschuls, welche bei Infusorien vorgekommen, während Theilung
in der Richtung des kleinsten Raumes. 317
und Zerfiiefsen unendliche Variation unvollständiger oder doppelter Formen geben , die
kein besonderes physiologisches Interesse haben. Dafs diese Form eine besondere selbst-
ständige Gattung, keine Monstruosität sei, ist, weil sie sonst noch nie vorgekommen, kaum
wahrscheinlich. — Körperlänge ohne den Hals 5V", Hals eben so lang.
97. Tra.chelocerca viridis N. sp. Grünes Sclnvanenthierchen.
T. minor, corpore ovulis viridibus virescente.
Am 22. April 1832 bei Berlin zwischen Lemna beobachtet.
Der Körper bildet eine kurze eiförmige Spindel, woran ein 2 mal so langer Hals sitzt,
der fast ganz eingezogen werden kann, wo denn das Thierchen einer Phialiiia ähnlich
sieht und Queerrunzeln zeigt. Die Korperfalten kreuzen sich zuweilen im schiefen Winkel.
Nur der dicke Körper ist mit grünen Körnchen erfüllt, zwischen denen man die Spuren der
inneren Magen sieht. Der Hals ist fadenförmig, gleich dick, farblos, am Ende etwas ver-
dickt. Es ist ein wahrer Hals, weil der Nahrungskanal magenlos durch ihn hindurchgeht.
Das Kopfende ist am Rande bewimpert und hat eine zungenförmige eingelenkte Oberlippe,
wodurch der Mund etwas schief abgestutzt erscheint. Hinten ist der Körper sehr spitz. —
Ganze Länge ^ - Jj"'.
XXVI*. Uroglena. N. G. Straldenauge. Familie der Kugelthiere, Volvocina.
Char acter Generis: Polygastricum, Anenterum, Gymnicum, loricatum, pe-
dicellatum, ocellatum, proboseide instruetum. Lorica gelatinosa. = Symira,
ocello rubro singulo et proboseide insiguis. Cilia nulla.
9S. Uroglena Volvox N. sp. IVcdzendes Strahlenauge.
U. ampla, corpusculis ovato-oblongis, flavicantibus, ocello rubro singulo (divi-
sione spontanea imminente, pluribus) insignis.
Am 15. Juni dieses Jahres (1834) in Torfwasser bei Berlin zahlreich beobachtet.
Die Form erscheint wie sehr grofse Exemplare der Synura Uvelta, gleichzeitig mit
Volvox Globalor. Die Kugeln sind eben so grofs, aber blasser als Volvox Globator und
haben keine inneren zweiten Kugeln. In gefärbtem Wasser überzeugt man sich leicht von
dem Dasein eines wirbelnden peitschenförmigen Rüssels bei jedem Thierchen , wodurch
die Kugel bewegt wird und Nahrung angezogen werden mag. Nur bei 800 maliger Ver-
gröfserung überzeugt man sich vom Dasein der Augenpunkte, deren Mehrzahl eine be-
vorstehende Theilung der Thierchen zu bezeichnen schien. In vielen waren einzelne
Punkte. Der innere Körper ist, wie bei Synura und Syncrypta, in der Mitte durch
einen hellen Längsstreifen getheilt, was vielleicht einen besonderen Panzer der einzelnen
Thierchen anzeigt. Nahrungsaufnahme habe ich nicht beobachtet; die gelbe Färbung im
Innern scheint mir dem Eierstocke anzugehören. — Durchmesser einer Kugel mit ohngefähr
280 Thierchen V", Eines Thierchens ohne den Schwanz ^-", mit dem Schwänze ^'".
XXvTL*. Xanthidium N. G. Doppelklette. Farn, der Stabthierchen, Bacdlana.
Charactcr Generis: Polygastricum, Anenterum, Pseudopodium?, loricatum.
Lorica bivalvis. Valvae turgidae, glohulares, strictura media distinetae, seto-
sae, aut spinosae, divisione spontanea interdum in serie simplici quaternae.
= Desmidium articulis globosis s. Gaillonella spinosa.
31S Ehren berg: Beilrag zur Erkennlnifs großer Organisation
99. Xanthidium hirsutum N. sp. Haarige Doppelklette.
X. viride, corpusculis subglobosis, geminatis, pilis undique hirtum.
Im Sommer 1832 bei Berlin mit Micrasterien und Desmidien einmal beobacbtet.
Ich sah nie 4 vereinigt und keine Bewegung, auch keine besonderen inneren Or-
gane, weshalb die Stelle zweifelhaft, obschon höchst wahrscheinlich hierher gehörig. —
Durchmesser jg'".
100. Xanthidium aculeatum N. sp. Stachlige Doppelklette.
X. viride, corpusculis subglobosis aut polygoniis, geminatis aut quaternatis, acu-
leatis, aculeis simplicibus aut fasciculatis, subulatis.
Bei Berlin mit vorigem öfter beobachtet.
Es sind 2 zusammenhängende, stachlige, grüne Kugeln oder Halbkugeln mit deut-
lichem, durchsichtigen, festen Panzer und grünem weichen Inhalte. Zuweilen sah ich
innen 2 die Strictur schneidende Reihen grofser Blasen, je 2 in jeder Reihe jeder Ku-
gel, zuweilen nur eine gröfsere in jeder Kugel, zuweilen 3 in jeder Kugel parallel mit
der Strictur. Die Stacheln waren zuweilen nur am Rande, zuweilen überall, zuweilen
einzeln, zuweilen paarweis oder bündelweis, immer nur etwa |j ihrer Kugeldicke lang.
Lange Bänder sah ich diese Kugeln nie bilden, nicht über 4 waren in eine Reihe ver-
einigt. — Durchmesser ^ -£i'"'
101. Xanthidium furcatum N. sp. Gabiige Doppelklette.
X. viride, corpusculis transverse oblongis, spinoso-furcatis.
Bei Berlin mit vorigen selten.
Die beiden Kugelhälften sind breiter als lang, denn der Längendurchmesser durch-
schneidet die Strictur, wie sich aus den 4gliedrigen ergiebt. Strahlenförmige, nicht
ganz gleiche Stacheln mit farblosen Spitzen stehen im Umkreis und sind an den Spitzen
kurz gabelförmig. Im Innern war einmal eine grofse hellere Blase in jedem, und dabei
waren nur am Rande Stacheln; bei einem andern waren überall Stacheln, aber keine
Blase zu sehen. — Durchmesser £:'"•
Diese sehr auffallenden, bisher unbeachteten Formen könnte man auch mit Sceno-
desmus vergleichen, allein die Vierlinge sind flach, nicht kugelförmig. Die kugelför-
migen, glatten, bisher dahin gezogenen kleinen Formen mögen kurze Gaillonellen (Me-
losiren) sein. Eine noch nähere Verwandtschaft könnten die Xanthidien zu Euastntm
haben , das auch flacher ist und einen anderen bestimmten Bau hat. Es genüge aber,
vorläufig darauf aufmerksam gemacht zu haben, da ein gründlicheres Studium ihres
Baues und ihrer Entwicklung mir bisher nicht möglich war und aus dem Angegebenen
hervorgeht, dafs sie von den bisher bekannten ähnlichen Formen in wichtigen Charak-
teren abweichen und rücksichtlich ihrer in Frage zu stellenden Thierheit sich auch durch
die Selbsttheilung natürlich an die Gruppe der Stabthierchen anschliefsen, welche wohl
für immer dem Pflanzenreiche entfremdet sein dürfte.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 3 1 9
Nachträgliche Bemerkungen.
1. Ich hatte in diesem Vorsommer Gelegenheit ganz aufserordentlich grofse Mengen des
Brachionus urceolaris in Gläsern zu erziehen, so dals dieselben eine mehrere Linien dicke
Haut bildeten und, Monaden ausgenommen, fast ganz rein, ohne alle fremde Beimischung
waren. Ich sammelte davon durch wieJerholtes Abnehmen der Oberfläche mit einer Feder
fast ein volles Uhrglas, das beim Eintrocknen einen dicken Überzug bekam. Chemische
Versuche mit diesen Milliarden einer Species von Räderthieren, welche, um sicherer zu
gehen, auf meine Bitte II. Rose anstellte, ergaben, nach Verbrennen der Kruste in einem
Platintiegelcheu, eine ganz unläughare Anzeige von phosphorsaurem Kalk. Die Asche löste
sich nämlich ohne sichtliches Aufbrausen in einem Tropfen Salpetersäure auf und in der Aul-
lösung wurde durch Ammoniak ein starker Niederschlag erzeugt. Da in diesen Thieren beim
Druck zwischen geschliffenen Glasplatten unter dem Mikroskope, die Zähne als härteste
Körpertheile erkannt werden, so ist es allerdings wahrscheinlich, dafs diese Zähne den phos-
phorsauren Kalk enthielten, wie andere Zähne. Noch directere chemische Versuche unter
dem Mikroskope habe ich oft, aber nie mit so deutlichem Erfolge angestellt.
2. Herr Apotheker Kützing hat neuerlich die sehr interessante Entdeckung gemacht,
dafs der Panzer der Frustulia splendens, fulva, maculata und acuminata, der Metosira
varians und nummuloides, des Achnanthes brevipes, so wie der Exilaria crystallina und
fasciculata seines in der Linnaea gegebenen Verzeichnisses der Diatomeen durch Glühen
nicht zerstört und durch keine Säure angegriffen werden und dafs, wenn er sie mit Soda
vor dem Löthrohr schmolz, eine Glaskugel entstand. Ich habe diesen interessanten Versuch
mit Synedra Ulna, Navicula fulva, gracilis, Amphora, amphisbaena und Zebra, so wie
mit Fragilaria rhabdosoma, Gomphonema truncatum und Cocconema Cislula (= Frust.
JuWa et maculata K.), ferner mit Achnanthes longipes, Bacillaria paradoxa, GaUlonella
lineala {Melosira Kiilzi/tg), Sehizonema ballicum und Cocconema Bocckii, welche letz-
tere 5 Formen ich aus der Ostsee in Weingeist aufbewahrt zur Hand hatte, wiederholt und
rücksichtlich der Unzerstörbarkeit des Panzers durch Glühen auf Platinblech und durch Schwe-
felsäure, Salpetersäure oder Salzsäure vollkommen bestätigt gefunden. Von der Unzerstör-
barkeit der geglühten Stäbchen durch Säuren hat sich mit mir auch Herr Professor Hein-
rich Rose überzeugt, woraus sich auf ihre Bildung aus Kieselerde mit Herrn Kützing
allerdings schliefsen läfst, obschon mir nicht genug davon zur Hand war, um es mit Soda
vor dem Lüthrohre zu prüfen. Die Asche, unter das Mikroskop gebracht, zeigt jene so
regelmäßigen Formen äuferlich unversehrt, nur innerlich ihres thierischen, färbenden Inhalts
beraubt. Dals die Naviculae und alle ihnen ähnliche Körper der Bacillarienfamilie einen har-
ten und spröden, 2schaaligen Panzer haben, der beim Queerdurchschnitt bei Navicula in 4
Theile zerfällt, was ich zur Basis meiner systematischen Abtheilungen gelegt hatte, wird durch
diese Beobachtungen von einer anderen Seite befestigt und Herrn Kützings Resultate sind
mithin als ein unerwartetes, wissenschaftlich sicheres Factum um so dankbarer aufzunehmen,
da die Kieselerde nur bei Pflanzen in häutiger Gestalt, meist aber auch da nur in spiefsigen,
crystallartigen Formen, wie bei Flufsschwämmen, Seeschwämmen, Tethyen u. s. w., sicher
bekannt war.. Vergleichende Versuche welche ich mit Conferven, Oscillatorien, Closterien,
Micrasterien, Scenodesmus und Euaslrum anstellte, zeigten, dafs all diese Formen, so wie
die Panzer der Räderthiere, ohne Rücklassen einer Schaale verbrennen. Die Oscillatorien kann
320 Ehrenbekg: Beitrag zur Erkenntnß großer Organisation
ich nur für Pflanzen erkennen, aber die Closterien haben deutlich thierische Bewegung und
deutliche, nie ruhende Organe ; auch die übrigen genannten, weniger beweglichen Gattungen
scheinen mir, ihrer äufseren Bildung, besonders aber ihrer, den Algen fremden, spontanen
Theilbarkeit halber, die ich ganz neulich auch bei Euaslrum margaritiferum entdeckte, all-
zudeutlich thierisch. Mithin ist der Kieselerdegehalt des Panzers wohl kein Erkennnngsmerk-
mal der thierischen Formen, aber doch eine sehr überraschende, angenehme Entdeckung, die
Herr Kützing gewifs noch weiter verfolgen wird.
3. In einem Nachtrage zum Diel, class. d'hist. nat. zwischen den Erklärungen der Ku-
pfertafeln von 1831 erkennt Hr. Bory de St. Vin cen t, im Widerspruch mit der Entschei-
dung der Pariser Akademie, eine Organisation der Infusorien nicht an, indem er sagt: Quant
aux eslomacs des Monadcs, je persiste a les re'voquer en doute, cn demeurant dans la
persuasion ou m'ont mis plus de irenle ans d' Observation, que les Gymnodes enlre untres
parmi les animalcules se nourissent par absorbtion. Er fügt hinzu: Au reste, dans les
figures de l'ouvrage du savanl allemand que j'ai eu sous les yeux, je n'ai pas trouvi
une seule es/tece enlre Celles, qui y sonl gravecs, qu'on ne renconlre aujc environs de
Paris; presque toules meine avaient dej'a cid publiees precedemnunt, ce qui n'empe'che
poinl que l'auleur ne soit digne d'eloges a beaueoup d'egards. Ich bemerke hierzu nur,
dafs ich zur Darstellung der Infusorienstructur in den früheren Beiträgen die gemeinsten, am
leichtesten nachzuprüfenden Formen absichtlich auswählte, weil ich eben nicht blofs auf neue
Formen, vielmehr besonders auf physiologisch Neues in jenen alten Formen aufmerksam
machen wollte, wie sich das wohl leicht erkennen lassen sollte, da ich die bekannten Namen
dazu geschrieben (!).
4. Rücksichtlich der von Leo entworfenen, von Schultz vorgezogenen andern Anord-
nung der Infusorien in 5 Gruppen bemerke ich, dafs sie sich mit den von mir bereits vorge-
tragenen Structurvcrhältnissen nicht vereinigen lassen. 1) Blasenlose Infusorien : Die Mo-
naden sind keine blasenlosen Thiere, nehmen sogar Indigo in ihre Magen auf; bei den Vibrio-
nen läfst sich, weil sie zu fein sind, durch Erfahrung nicht dafür, aber durch das Gesetz der
Analogie dagegen entscheiden. 2) Blasenth icre: Volvox Globalor und Amiba sind ganz
heterogene Thiere. 3) Vortililia, von Vorlex oder Vorlicella, ist, wenn es auch Vorti-
cilia heifsen sollte, kein grammatikalisch guter Name. 4) Phytopodes (animalia!): Viele
Bacillarien sind fufslos und die Füfse der Vorticellinen sind nachweislich ganz gleichartige Or-
gane. Auch sind die hierher gezogenen Oscillatorien ohne thierische Charaktere, ohne Kiesel-
panzer wie Bacillarien und wachsen wie Pflanzen. Endlich 5) Gnalhos lorna : Es giebt kie-
ferlose Iläderthiere, die nicht Gnalhoslorna heifsen können: Chaelonotus, Ichthydium, Enle-
roplea. Übrigens würde ein neues System, da ein solches an sich nichts wichtiges ist und
dergleichen viele sich leicht entwerfen lassen, ohne zum Grunde liegende neue physiologische
Resultate, nur eine Last neuer Namen, kein wissenschaftlicher Vortheil sein. Liegt aber einer
zu erwartenden doppelten Menge von Infusorien ein unzureichendes Mikroskop oder die Idee
der rudimentären Structur, mithin Unkenntnifs der wahren Structur zum Grunde, so wird
ihre Mittheiluug wissenschaftlich schädlich sein. Vergl. pag. 166.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 321
Erklärung der Kupfertafeln.
Die beiliegenden 11 Kupfertafeln sollen nur zur weiteren Erläuterung der wichtigeren Organi-
sationsverhältnisse im kleinsten Räume dienen, von denen im Texte Erwähnung geschieht. Es sind
zu diesem Behufe 26 verschiedene Gattungen von Räderthieien und Magenthieren, oder 4l verschie-
dene Arten in dem zur physiologischen Einsicht in ihren Bau nöthigen Detail abgebildet. Die klein-
sten, auf Tafel VII., haben ~^ a Linie wirklicher Gröfse im Längendurchmesser, die gröfsteu, auf
Tafel IV., V., IX. und XL, erreichen noch nicht oder kaum \ Linie.
Die erste und zweite Tafel stellen den Zahnbau der poly gastrischen Infusorien dar. Die erste
Tafel zeigt zugleich einen natürlich violet gefärbten Darmsaft im Innern des Körpers einiger Infuso-
rien, dessen zersetzende Kraft aus Fig. IV. der dritten Tafel zu ersehen ist und der mithin wohl deut-
lich zur Verdauung und Assimilation dient, wie Darmsaft und Galle bei andern Thieren.
Tafel I.
Sämtliche Färbungen der Thievchen auf Tafel I. sind nicht durch künstliche Mittel erzeugt,
sondern natürlich und bei weitem weniger lebhaft und schön, als in der Natur selbst.
Fig. I. Das zierliche Trieb terthierchen. a, b und h sind ohne grüne Körner, d. h. mit
noch unentwickeltem oder schon entleertem Eierstocke, c bis g sind verschiedene Zu-
stände des mit grünen Eiern erfüllten Thierchens. i, k und l sind Formen, welche
durch freiwillige Queertheilung entstehen, i mit doppeltem Zahncylinder. x, y und z
sind Darstellungen des Zahncylinders, x in Ruhe, y bei hinten eintretender Contraction,
; beim Niederschlucken und vorn eintretender Contraction. Den Mund bezeichnet « in
den Figuren a und d. Die beiden contractilen Ejaculationsblasen sind in Fig. d mit x
bezeichnet. Das vermuthliche samenbereitende Organ, Hode, ist in Fig. a und b mit
xx bezeichnet. In Fig. e ist auch bei xx das dritte contractile Organ angezeigt. In
Fig. a bezeichnet u die Analstelle und das beobachtete Excerniren der Nahrungsstoffe
daselbst. Die gröfseren grünen Kugeln in Fig. c sind gefüllte polygastrische Darmbla-
sen, die kleinen sind die Eier. Die violetten Kugeln sind mit gefärbtem Darmsafte
natürlich erfüllte Organe, welche unter sich durch farblose, contractile, nur in der
Thätigkeit sichtbare Kanäle zusammenhängen. In Fig. f ist auf der dem Zahncylinder
entgegengesetzten Seite (am Rücken) eine Reihe heller Blasen, welche den paternoster-
schnurförmigen Kanal für den violetten Darmsaft ausmacht.
Fig. II. Das bunte Trich terthierchen. Fig. a und b sind schwimmende Formen. Fig. c
ist ruhend bei wenig Wasser und fängt an sich abzuplatten, was mit dem Zerfliefsen
endet. Fig. d ist von der rechten Seite gesehen und im Wirbeln dargestellt. Fig. e ist
in der Queertheilung begriffen und hat schon den neuen Zahncylinder gebildet. Fig. x
stellt den Zahnapparat allein vor. Fig. 1*. 2", 3*, 4* zeigen die verschiedenen Formen,
welche das contractile Ejaculationsorgan abwechselnd durchlauft.
In Fig. c bezeichnen a. den Mund, u die thatige Analöffnung, wobei zu bemer-
ken, dafs die ausgeworfenen grünen Körner halb verdaute Monaden sind, die farblosen
rundlichen Theile sind öhlige, sich oft sichtlich verbindende, zusammenfliefsende Tröpf-
chen, welche im Moment des Heraustretens noch violet, also dem Darmsafte angehörig
waren, aber sogleich verbleicht sind. Dabei wird ein Stück einer Oscillatorie mit aus-
geschieden. Durch x wird das Ejaculationsorgan angezeigt, durch xx der Hode. In
Abhandl. 1S33. Ss
Phys
322 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
Fig. b ist die Analstelle in der Ruhe schon zu erkennen und durch u bezeichnet. In
Fig. e sind links die grünen Eier angezeigt, welche den ganzen Körper zuweilen erfül-
len, aber in den Fig. a, b, c, ei fehlen. Die bald mehr bald weniger deutlichen Wim-
perreihen und Borsten sind in verschiedeneu Verhaltnissen angedeutet, wie sie er-
schienen.
Fig. III. Das goldgelbe Trichter thierchen. Fig. a, b, d sind die gewöhnlicheren, c und
e abweichende, wahrscheinlich durch Queertheilung entstandene, noch nicht ganz wie-
der vollgebildete Formen. * bezeichnet den Mund, X das Ejaculationsorgan, XX den
Hoden. Die Dunkelheiten gehören dem Inhalte der Darmblasen an. Bei Fig. a ist die
Wirkung des Wirbels auf den Mund angegeben. Bei u ist die Afterstelle.
Tafel II.
Fig. I. Das haubenförmige Zahn thierchen. Kleinere und weniger vergröfserte Exem-
plare desselben sind schon auf Tafel IV. des ersten Beitrags Fig. III. unter dem Namen
des Lippenthierchens, Loxodes Cucullulus, abgebildet, aber die Structur ist nicht so
deutlich und umständlich dargelegt. Die Figuren a, b, c und e haben sich ohne künst-
liche Beihülfe mit Naviculis (N.J'ulva und gracilis) erfüllt, die zum Theil ihrer halben
Körperlänge gleichen, b und e haben auch Oscillatorienfragmente verschluckt, a und
b sind vom Rücken gesehen, c und g von der rechten Seite, d, e undy vom Bauche.
Der gesonderte Zahnapparat ist mit » bezeichnet. Der Mund ist bei a, b, d undy mit
3. bezeichnet und bei Fig. a deutet xx die bis zu a reichende grofse Oberlippe an. Die
3 contractilen Organe, deren Mehrzahl für die Längs- und Queertheilung nützlich und
vielleicht nothwendig ist, sind in den Figuren a, b, c und_/"mit x bezeichnet. Der
After ist in den Figuren a, b und d durch in angedeutet. Der dunkle grofse Körper in
der Mitte der Figuren b, d, e, f ist der Hode. In Fig. d ist der Verlauf des Darmes
ganz klar zu erkennen.
Gewöhnlich ist jede Navicula und jede Oscillatorie in einen besondern Magen
eingeschlossen, aber in Fig. a enthalt auch ein Magen deutlich 2 Naviculas, der übrige
Raum des Magens ist durch eine hier farblose, bei Nassula violette Flüssigkeit, den
Magensaft oder Darmsaft, erfüllt, welche bei jenen in einem besondern blasigen Organe
gebildet wird.
In a sind noch undeutliche Längsreihen der Wimpern zu erkennen, welche wohl
bei noch stärkerer Vergröfserung deutlicher hervortreten würden.
Die wahre Grofse der gröfslen dieser Thierchen ist } s m .
Fig. IL Die weifse Zahnwalze. Fig.« ist vom Rücken und Bauche gesehen, Fig. b von
der Seite, bei * ist der Zahnapparat von oben oder unten besonders dargestellt. Weil
Mund und After gerade in der Längsaxe liegen und keine Augen da sind, so läfst sich
nicht entscheiden, was Bauch oder Rückenseile ist, mithin auch nicht rechts oder links.
Den Mund bezeichnet «. besonders, die grofse Blase bei + ist contractu, dicht daneben
bei ut ist der After. Die übrigen Blasen des Körpers sind Darmblasen oder Magen.
In Fig. a sind die reiheuweisen Wimpern sichtbar.
Fig. III. Die runde Zahnwalze. Sämtliche Figuren sind hie und da natürlich mit braunem
Nahrungsstoffe erfüllt und daneben künstlich mit Indigo. Fig. a und b zeigen die
Wimper reihen der Oberfläche, welche bei den übrigen dichter anliegen, daher unsicht-
bar werden. In farbiges Wasser gebracht, sind sie bei allen sogleich deutlich. Fig. a,
b, c sind gewöhnliche Formen, d ungewöhnlich, e bei verdunstenden Tropfen breiler
werdend und die Zähne von sich schiefsend. In Fig. a ist bei u die Afterstelle an-
gezeigt.
in der Richtung des kleinsten Raumes. 323
Tafel III.
Diese Tafel soll besonders die veränderlichen und straliligen Organe erläutern, welche ich bei
Paramecium Aurelia zuerst erkannte und für Verbindungsorgane der beiden Geschlechlsapparate,
oder für die Selbstbefruchtung vermittelnde Ejaculalionsorgane erklaren zu dürfen meinte. Die in
jeder der einzelnen Hauptfiguren dieser Tafel bemerkliche einfache oder doppelte helle Körperstelle
bezeichnet, sie sei rund oder strahlig. jenes besondre organische Verhältnifs und ist im Leben durch
seine Veränderlichkeit höchst auffallend. Auch schon auf den ersten 2 Tafeln ist auf dasselbe orga-
nische System beiläufig aufmerksam gemacht worden und auf den folgenden Tafeln bis zur VII" n sind
noch weitere Beitrage dafür zu vergleichen.
Fig. I. Das gewöhnliche Pantoffel thierchen. Fig. a, b, f und g zeigen jede 2 helle
Stellen, die erstem rund, die letztern strahlig, Fig. c zeigt A, Fig. d eine. Fig. a ist
in seinein natürlichen Zustande im Schwimmen begriffen. Fig. e ist ein kleines Indivi-
duum in der Lage gezeichnet, in welcher es allerdings einem Pantoffel ähnlich erscheint,
womit frühere Beobachter es verglichen haben. Fig. b ist ein in der Queertheilung be-
griffenes Individuum, nach deren Vollendung es 2 Individuen bildet, welche die Form
der Fig. et und jedes nur 1 veränderliches Organ besitzen. Fig. c ist in der Langslhei-
lung begriffen und hat daher schon für jede seiner Hälften 2 veränderliche Organe aus-
gebildet, die durch etwas schärfere Umrisse und helle Farbe angezeigt sind, da die Ver-
änderlichkeit, ihr Hauptcharakter, nicht wiedergegeben werden kann. Fig. f ist ein
bei geringer Wassermenge ruhendes aber doch foilwirbelndes, schon etwas breiter wer-
dendes Individuum, bei welchem deutlich wird, dafs die veränderlichen Organe eine
überaus grofse Verbreitung im Körper haben und mithin ein wichtiges organisches Sy-
stem bezeichnen. Auch erkennt man durch das über sie Hingehen der Wimperreihen,
dafs sie nicht nach aufsen mündende Öffnungen sind oder haben. Ja auch die Eikörner
erstrecken sich über sie fort und sind in der Zeichnung nur ganz weggelassen worden,
um den Eindruck des Organs selbst nicht allzusehr zu verwischen. Bei Fig. g, welches
in gleichem Zustande wie Fig. f gezeichnet ist, sind die Wimperreihen weggelassen und
von den Eikörnern nur vorn einige angegeben. Die scheinbar zusammenhangslosen
Magen, der mittlere längliche Mund und die beiden slrahligen Organe füllen den inne-
ren Raum. Das vordere, den Eikörnern nächste veränderliche Organ ist in der gröfsten
Expansion, das hintere ist nahe an seiner gröfsten Contraction, bei welcher es bis auf
einen kleinen Punkt fast spurlos verschwindet, um sogleich wieder zu erscheinen. So
wechselt Contraction und Expansion in beiden Organen.
Der Mund mit seinem länglichen, warzenartigen, ganz kurzen Rüssel ist überall
durch x bezeichnet; ß und 7 weisen auf die strahligen Organe. Fig.« ist, mit Indigo
gefüttert, künstlich gefüllt. In Fig. b und c sind die Wimpern nicht besonders ange-
geben, wie man sie denn auch oft nicht sieht, wenn man nicht besondre Aufmerksam-
keit darauf lenkt. Eine andere Abbildung dieses Thierchens habe ich in Poggen-
dorffs Annalen der Physik und Chemie, 1832 bereits mitgetheilt. Damals unterschied
ich die contractilen, höchst eigentümlichen Organe noch nicht. Neuere Beobachtun-
gen machen auch die gegenwärtige Abbildung wieder unvollständig, indem ich noch in
der Nähe des Mundes, in der Mitte des inneren Körpers, ein längliches drüsiges Organ
bei allen Individuen erkenne, welches offenbar mit dem ganz ähnlichen, auf Tafel I. bei
biassula elegans für Hoden erklärten, gleiche Function hat.
Fig. II. Das geschwänzte Pantoffel thierchen. Fig. a und b in gewöhnlicher Form,
schwimmend, c in der Längstheilung begriffen. Der Mund mit «. bezeichnet, die con-
tractilen Organe mit ß und 7. Samtliche Individuen mit Indigo genährt. Bei Fig. a
Ss2
324 Ehrenberg: Beitrag zur Erkenntnifs großer Organisation
sind die Wimperreihen angezeigt, vorn und hinten liegen im inneren Körper Eier, die
übrigen Kugeln sind leere oder mit Wasser oder mit Farbe gefüllte Magen.
Fig. III. Das Busen-Längethierchen. Der überall bewimperte Körper unterscheidet diefs
Thierchen vom nackten kappenförmigen Busenlhierchen , welches letztere auch
die Analöffuung dicht am Munde hat. Fig. a, b, c, d sind die gewöhnlichen Zustande
und Formen, a und d von der Seile gesehen, b vom Rücken, c vom Bauche. Fig. h
ist in der Oueertheilung begriffen, e und f im letzten Stadium der Längstheilung von
hinten nach vorn, g ist ein solcher Theil kurz nach der Trennung, i ein durch Queer-
theilung entstandener, woraus man wieder erkennen mag, wieviel unnütze Species und
Genera ein ungenauer Beobachter aus einer und derselben Form zu bilden Gelegenheit
hat. Die Figuren k, l, m zeigen das eigentümlich doppelte contractile Organ dieser
Form bei ß in verschiedenen Graden der Contraction. Einige Exemplare haben Indigo
aufgenommen, andere nicht. In Fig. a bezeichnet a. den Mund, ß die veränderlichen
Organe, u die Analstelle. Die Wimpern sind nur bei denen deutlich, welche in gefärb-
tem Wasser beobachtet werden, die andern erscheinen glatt, sind aber auch behaart.
Fig. IV. Das Frühlin gs-Busen thierchen. Fig. a und b sind im natürlichen Zustande
schwimmend dargestellt, a sieht mit dem Vordertheile nach rechts, b nach links, das
dünnere Ende ist das hintere. Fig. c ist in der Längslhcilung begriffen, Fig. d ist im
Act des Zerfliefsens oder partiellen Ausscheidens des Eierstockes, der nicht immer mit
dem Tode endet, sondern wonach oft der übrig gebliebene Theil sich wieder contrahirt
und in ganz anderer, unregelmäfsiger Form, durchaus unerkennbar welcher Gattung
und Art er angehöre, weiter schwimmt. Daher sind alle so unregelmäfsige, lappige
und zackige Formen sehr scharf und wiederholt in verschiedenen Gröfsenzustanden,
Entwicklungen u.dgl. zu beobachten, ehe sie von vorsichtigen Systematikern zu einem
wissenschaftlichen Baue verwendet werden möchten. Die Wimpern sind bei dieser
Form sehr stark, erinnern an die Borsten der Nassula ornata, und dazwischen liegen
kleine prismatische Stabchen in der Körpersubstanz, wie die von mir neuerlich ent-
deckten Krystalle bei Fröschen und Fischen. Die grofse Mundöffuung ist in Fig. a mit
die Analöffnung. Der Magen
ist mit verschluckten, grofsen, grünen Körpern erfüllt. * bezeichnet ein einzelnes, zit-
terndes, kiemenförmiges Organ, denen bei Hydatina gleich, wie ich sie neuerlich beob-
achtet habe. Mehr liefsen sich davon nicht erkennen, auch habe ich die Saamenorgane
nur bei ihrer Insertion, bei sp., erkannt.
Fig. Z» Schlundkopf besonders, aa und a* a* die Kaumuskeln; b die harten
Gaumenfallen, c der Gaumenkanal.
Fig. III. Kammtragender Borstenkopf. Fig.« vom Rücken, b vom Bauche gesehen, c
zusammengezogen. Zwischen den S kleinen Räderorganen stehen in der Mitte der Stirn
2 an der Spitze kammartig bewimperte, nicht wirbelnde Fortsätze ++. Zwischen die-
sen und dem Auge liegt der Schlundkopf mit 2 einfachen Zähnen. Die beiden grofsen
Borsten im Yordertheile scheinen 2 Fühlgrifiel zu sein und sind nicht steif, sie stehen
336 Ehrenberg: Beitrag zwMrkenntnifs großer Organisation u.s.w.
auf dicken Muskelparthieen. Die 4-5 Knoten um das Auge halte ich für Hirntheile c.
4 Längsmuskeln (2 seitliche, 1 Bauchmuskel, 1 Rückenmuskel) vermitteln die Bewegung,
übcrdiefs giebt es 2 kleine Zangenmuskeln. Der grüne Magen, die kugligen Pancreas-
drüsen, der lange, dünne Schlund, die beiden Hoden und der Eierstock, mit sehr jungen
Eikeimen zahlreich erfüllt, 9 Queergefafse, so wie die contractile Befruchtungsblase v,
sind die unterscheidbaren Organisationsverhältnisse. In Fig. a sind bei nn noch 2 Fä-
den angezeigt, welche vielleicht zu den Nerven gehören, aber nicht eben deutlich ver-
folgt werden konnten.
Tafel XI.
Fig. I. Eichhorns Kronenthiercheu. Dieses wunderbare, höchst eigentümlich gebildete,
niedliche Thiercben war seit Eichhorn nicht wieder beobachtet und ganz vergessen
worden. Diese Darstellung möge es in nützlicher Erinnerung feststellen. Fig. a und c
sind ganz ausgestreckte Thierchen. Fig. b ist halb eingezogen. Fig. c noch mehr zusam-
mengezogen. Fig. e fängt einen Stentor. Fig. f ist ein einzelnes Ei mit einem farblosen
Auge. Fig. g ist der besondere Schlundkopf mit doppelten Kiefern und je 5 Zähnen.
Der vordere mit Speise erfüllte Raum zwischen dem Schlundkopfe und dem Fang-
organe ist der grofse Mundraum, oder eine Art von Backentasche. Auf den Schlund-
kopf folgt ein sehr kurzer Schlund oe. Der grüne Darm ist 2 theilig. Der lange Vor-
derlhcil v. ist der Magen, der kurze hintere Theil der Dickdarm i. r. Vorn am Magen
sitzen 2 kleine Darmdrüsen p. In Fig. a füllen 4 grofse Eier den Eierstock. 6 Muskeln:
2 lange Schwanzmuskeln, 1 Bauchmuskel, 1 Rückenmuskel und jederseits 1 langer Sei-
tenmuskel) bewirken die Contraction. Bei ui Fig. c ist die Analöffnung. Die Vierzahl
der Fangarme ß bei Fig. c erklärt sich durch die Spur des fünften /3*, der offenbar
verstümmelt wurde. Die Zacken bei 7 sind Queerfalten. Bei den alten Exemplaren
suchte ich vergebens nach Augenspuren, in den Eiern erkannte ich sie leicht, obwohl
ohue Pigment. Die gallertige Hülle (urceolus) ist durch g bezeichnet. Es lebt auf
Nymphaea-üXaUera bei Berlin.
Fig. II. Sechsfingriges Flossenthierchen. Fig. a ist ruhend, Fig. b hüpfend, Fig. c sich
windend, x bezeichnet die 4 Borstengruppen, welche die Flossen bilden, die ich mit
den letzten Spitzen der Daphnien- Arme, als die Hände jener Arme ohne die Armglie-
der, vergleiche. Innere linke Hand xl, innere rechte x2, äufsere linke x3, äufere
rechte xh; b. bulbus oesophagi ; oc. oculus ; p. pancreas u. s. w.
Fig. c ist mit dem parasitischen Colacium, aus der Familie der Anderlinge, be-
setzt. Was die grofse, runde, scharf umschriebene Stelle im Ei bedeute, ist mir nicht
deutlich geworden.
Dasselbe Thierchen, welches auf der Kupfertafel Polyarthra Trigla, Flossen-
thierchen, genannt worden, ist durch ein Versehen im Texte p. 226. Polyarthra
sexpennis, sechsfin griger Vielbart , genannt. Ich ziehe den Namen Polyarthra
Trigla, sechsfin griges Flossenthierchen, vor.
Das Flossenthierchen bat in seinem Äufsern und in seiner hüpfenden Bewe-
gung offenbar die nächste Verwandtschaft zu den Entomostracis, womit das Kronen-
thierchen nur geringe und nur innere hat, aber das letztere ist im Äufsern dagegen
um so näher dem Armpolypen Hydra verwandt, mit welchem man es dennoch nicht
näher verbinden darf und mit dem das erstere wieder auch nicht die entfernteste Ähn-
lichkeit hat. So wenig leitet die Verwandtschaft der äufseren Form auf
das innere verwandte Wesen.
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über
den Cynocephalus der Ägyptier
nebst einigen Betrachtungen über die ägyptische Mythe
des Thot und Sphinx vom naturhistorischen
Standpunkte.
Von
H rn EHRENBERG.
[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am IS. October 1S32.J
JL/ie östlichen nordafrikanischen Affen gehören rücksichtlich ihres wunder-
baren Einflusses auf die Menschen unter die merkwürdigsten Thiere der Erde,
obwohl mehr die Einbildungskraft der Völker als sie selbst die Ursache da-
von sein mögen. Auch in Indien und vielleicht in Westafrika haben die
Affen in einer früheren Zeit die besondere Aufmerksamkeit der Menschen
erregt, allein es sind mir weder wissenschaftlich klare Nachrichten über
diese Verhältnisse bisher bekannt geworden, noch hat sich der Einflufs der-
selben so kräftig und sonderbar entwickelt als in Äthiopien und Ägypten.
Möge es mir durch gegenwärtigen Vortrag gelingen die Aufmerksam-
keit auf eine bisher wenig beachtete Seite der ägyptischen Ideen zu lenken
und das in der neuesten Zeit durch tiefe Sprachforschung uns um so vieles
näher gebrachte Mutterland der alten griechischen und aller europäischen
Bildung auf dem Wege der naturhistorischen Beobachtung in einem seiner
fast ganz übersehenen Grundzüge vor Augen zu stellen.
Dafs man in Ägypten Affen in Tempeln als Gottheit verehrte und dafs
es im östlichen Nordafrika wilde Affen gebe, davon finden sich Nachrichten
seit den ältesten bis in die neuesten Zeilen. Nur neuerlich erst aber hat
man angefangen sich des Wechselverhältnisses der Organismen der verschie-
denen Länder und so auch der Menschen und Affen deutlicher bewufst zu
Phys . Ahhandl. 1 S 3 3 . üu
338 Ehrenberg
werden. Der Anfang dazu geschah durch eine systematische Benennung und
Sonderung der möglichst scharf aufgefafsten einzelnen Formen.
Von den älteren griechischen Schriftstellern wird berichtet, dafs die
Agyptier einen in Äthiopien einheimischen Affen als Gottheit verehrten und
diese Griechen nennen ihn KvvoyJfaXog, ohne je einmal seinen ägyptischen
Namen zu nennen. Wir erfahren nur, dafs dieser Affe dem Monde geheiligt
sei und als Symbol des Mondes verehrt werde. Denselben Namen wieder-
holen die späteren Schriftsteller in jener Beziehung häufig, allein nirgends
findet sich eine befriedigende Bezeichnung des Thieres, obwohl es nicht an
Reisenden fehlte, welche ihn in Ägypten hätten beobachten können. Uber-
diefs benennen mehrere alte griechische Schriftsteller eine grofse äthiopische
Affenart mit dem Namen %